Niam
Der Glaube an Zarusz, der Großen Schlange, war in den sogenannten Schlangenlanden am Stärksten. Doch die Weltenwanderer, den sich Niam angeschlossen hatte, sahe es als ihre Aufgabe an, in weit entfernte Länder und Reiche zu reisen, die Gebote der Göttin zu predigen, Krankheiten zu bekämpfen und Wissen über die dort lebenden Schlangenarten zu sammeln.
Niam war noch nicht lange in Selenia. Der Weg bis hierher war weit gewesen und hatte lange gedauert, denn er war nicht über den Orakelpfad gereist, sondern hatte den Seeweg genommen. Er hatte Glück, dass der kungaitanische Kapitän des ersten Schiffes dem jungen Priester sehr dankbar für eine rechtzeitige Rettung vor einem Anfall gewesen war und sein Wort erlaubte es Niam bis in diese fremden, kalten Länder zu kommen, wo andere Priester seines Glaubens einen kleinen Schrein in einem Kloster vom Orden der Helfenden Hand errichten durften. Dafür teilten die Zarusz-Priester ihr Wissen über die Heilkunde mit dem Orden und umgekehrt.
Er hatte einiges lernen können und beherrschte nun auch das Basargnomisch flüssig, doch Niam war etwas besorgt als er den Brief bekam, denn er Lesen oder Schreiben konnte er nach wie vor nicht. Er erkannte das Wappen als eines, dass er in Arwingen gesehen hatte, wo er mit dem Schiff in Selenia angekommen war. Er konnte sich sogar erinnern, dass es sich dabei um das Zeichen eines Ordens gehandelt haben sollte, doch ein Name fiel ihn nicht ein.
Als er den Brief öffnete achtete er darauf, dass Siegel möglichst unbeschädigt zu lassen, damit er es später einem der Ordensschwestern oder Brüdern zeigen konnte. Der Inhalt erstaunte ihn umso mehr. Naia zischte laut auf, als sie das vergammelte Stück Holz sah, das im Brief lag. Erst beim zweiten Blick erkannte Niam, dass es sich dabei um eine Flöte handelte. Doch der Schimmel, der sich über das Holz zog, ließ ihn erahnen, dass eine Berührung alles andere als gut für ihn verlaufen würde. Er musste sie zuerst von den "Miasmen" reinigen. So nannte man in Selenia die finstere Kraft der krankheitsbringenden Geister, auch wenn Niam diese Betrachtung etwas seltsam fand, da ja Krankheiten offensichtlich nicht durch Gifte hervorgerufen werden.
Wie dem auch sei, es sollte helfen, wenn er die Flöte in kochenden Wasser für ein oder zwei Stunden von den bösen Einflüssen reinigen lassen würde. Mit einer Zange holte Niam die Flöte aus dem Briefumschlag und ließ einen Kessel mit Wasser heiß machen. Nachdem er die notwendigen Rituale durchgeführt hatte, ließ er die Flöte kochen und begab sich zu den Ordenspriestern, um ihnen das Siegel zu zeigen und sie um Hilfe zu fragen.
Denn Naia war noch etwas aufgefallen: Die faule Flöte schien mächtige Magie in sich zu tragen!