Warum sind Kampfregeln kompliziert - weil der Kampf im klassischen (Fantasy-)Rollenspiel ein besonderer Schwerpunkt der Geschichte/des Plotts ist und die Helden in besonderem Maße hierbei gefordert werden (Leben und Tod).
Die Anfänge des Rollenspiels betrachtet (D&D, DSA 1) waren die Geschichten einfache Dungeoncrawler: Rein in das Verlies und die bösen Monster bashen.
Inzwischen haben Rollenspiele eine erhebliche Veränderung erfahren. Gleichwohl bleiben die Spieler doch zumeist die Helden in einer Erzählung und erleben eine Welt, welche nicht immer friedlich ist und von gefährlichen Monstern bewohnt wird. Der Kampf im klassischen Sinne (Schwert und Magie) stellt für viele Spieler ein besonderes Element im Rollenspiel dar.
Warum Kampfregeln kompliziert sind, hängt im Wesentlichen von Folgendem ab:
Wie genau sollen und wollen die Regeln die vermeintliche Realität eines Kampfes abbilden?
Ein extrem abstraktes Kampfsystem braucht nur einen schlichten W6. Beide Beteiligte eines Kampfes würfeln und die höchste Zahl gewinnt.
Ein derart vereinfachtes System bildet aber viele Faktoren eines Kampfes nicht ab: Größe, Beweglichkeit, Kraft, Erfahrung, Sicht, Umgebung, etc...
Einfache Kampfsysteme sind zumeist sehr abstrakt und vereinfachend. DnD/Pathfinder ist im Grundsystem ein sehr einfaches und abstraktes Kampfsystem.
W20 + Modifikator gegen die Rüstungsklasse des Gegners = Treffer. Ein Treffer macht Schaden gegen Trefferpunkte, welche in dem Sinne weniger Lebenspunkte sondern Ausdauerpunkte sind.
Komplexe Kampfsysteme wollen einen Kampf möglichst realistisch darstellen. Hierbei sollen möglichst viele Faktoren, welche in der Realität einen Kampf beeinflussen könnten, auch regeltechnische Einfluss nehmen. Darum haben komplexe Kampfsysteme zumeist viele Modifikatoren für allerlei Umstände. Auch ein Treffer im Kampf soll in einem realitätsnahen Kampfsystem "spürbar" sein (Verletzungen mit diversen Folgeerscheinungen für den Getroffenen).
Unterschiedliche Kampfsysteme sprechen halt unterschiedliche Spieler an. Manche sind mit einem sehr einfachen und sehr abstrakten System glücklich. Andere wollen jede noch so kleine Möglichkeit in einem Regelsystem berücksichtigt sehen (ich ziele mit meinem Bogen auf das Auge der Echse und schieße meinen Pfeil in das Gehirn des Gegeners, wobei der Pfeil besonders flugsicher ist und ich einen sicheren Stand auf festem Boden habe, wobei der Wind mässig von hinten links weht und ich die Sonne im Rücken habe, welche das Ziel gut ausleuchtet).
Splittermond hat im Wesentlichen ein abstraktes Kampfsystem, welches gleichzeitig versucht, für "Realismusfreaks" möglichst viele Faktoren noch einfließen zu lassen. Jede Spielrunde kann selbst entscheiden, wie komplex die Regeln am Tisch gehandhabt werden sollen. Bei Berücksichtigung aller Faktoren und Möglichkeit ist auch SpliMO schon recht komplex. Ich bin persönlich jedenfalls sehr zufrieden mit dem System, da ich einen guten Mittelweg zwischen abstrakten Spielsystem und dem Versuch einer Realitätsannährung erkenne. Gleichwohl wurde ein großer Wert auf Spielbalance gegeben. In meinen vielen Jahren als Spieler und Spielleiter sind mir viele Rollenspielsysteme untergekommen. Tatsächlich bietet SpliMO eine ganze Menge. Während ich andere Systeme oftmals schon nach kurzer Zeit "hausverregeln" musste, habe ich hier bisher wenig Ansatz zu Kritik gehabt.
Und um auf die Anfangsfrage zurück zu kommen:
Helden sollen doch gewinnen!
Natürlich lassen sich Szenarien finden, wo sich die Gruppe auch mal ergeben soll/muss. Diese sollten vom Spielleiter aber mit Vorsicht und äußerster Klarheit für die Spieler konstruiert werden. Ich hatte bspw. eine Situation, wo ich die Gruppe festsetzen wollte. Also habe ich das Schiff, welches auf dem Weg nach Ioria war und auf welchem sich die Gruppe befand, von Piraten auf hoher See überfallen lassen. Die Spieler konnten sich ergeben oder mit dem brennendem Schiff auf hoher See untergehen. Hier ist die Wahl für die Spieler klar formuliert und die Kampfkraft der Gruppe spielt zudem keine wesentliche Rolle (allenfalls eine Anhäufung echt überirdischer Schwimmproben).
Am Ende zählt doch nur der Spaß für Alle.