Warum sind Kampfsysteme so Komplex und kompliziert?
Nicht alle Rollenspiele haben ein komplexes Kampfsystem. Bei D&D zum Beispiel lässt es sich relativ leicht zusammenfassen: Würfle über eine bestimmte Nummer und du triffst und machst Schaden. Wenn der Gegner mehr Schaden erlitten hat als seine Hitpoints, ist er besiegt. -> Wir haben eine Regelmechanik (Einfache Probe) und eine Ressource (Lebenspunkte).
Doch das alleine wäre nicht sonderlich interessant.
Was wiill man damit eigentlich erreichen, das ihr das Kampfsystem anpassen / ändern wollt?
Kämpfe sollen spannend sein. Wie diese Spannung aber erzeugt werden soll, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen.
Manche wollen, dass Kämpfe möglichst tödlich sind. Andere wollen im Prinzip die Kämpfe aus ihren Lieblingsfilmen nachspielen, mit sich selbst als Hauptfiguren. Je nach Zielsetzung muss das Kampfsystem dann andere Anforderungen erfüllen. Wenn das vorliegende Kampfsystem nicht zu den eigenen Wünschen passt, schaut man dann nach, ob man es nicht vielleicht an diese Wünsche anpassen kann.
In wie weit generiert das mehr Spielspaß und mehr Rollen- und Charakterspiel?
Wie generiert Schach seinen Spielspaß? Indem man den Spieler eine große Auswahl an möglichen Zügen, Kombinationen und anderen Tricks zur Verfügung stellt. Dazu kommt noch das Metaspiel, also zum Beispiel das Wissen über den Charakter des Gegners. Ist er gierig und wird leicht auf meinen Köder hereinfallen? Ist er sehr vorsichtig und ich kann ihn in die Defensive zwingen? Das alles hat Schach zu einem Spiel gemacht, dass von vielen Leuten gerne gespielt wird. Aber halt nicht für alle!
Nicht jeder mag Schach. Nicht jeder mag taktisch anspruchvolle Kämpfe. Und nicht jeder spielt ein Pen-&-Paper-Rollenspiel, um einen Charakter oder eine Rolle auszuspielen! Es ist ein Irrtum, wenn man glaubt, dass P&P-RPG allein für die Schauspieler da ist oder für die Geschichtenerzähler. Unser Hobby kommt von den taktischen Kriegsspielen, in denen man Schlachten entweder nachgespielt oder simuliert hat!
Auch das ist "Rollenspiel", denn man übernimmt eine Rolle, die des Generals einer Armee. Eine andere Art von Rollenspiel besteht darin, dass man die Rolle des Regisseurs oder des Kampfchoreographen übernimmt. Und das sind nicht allein Rollen, die nur der Spielleiter übernehmen kann.
Wie also bereichert ein komplexes Kampfsystem nun das Spiel? Nun, in erster Linie, indem es Möglichkeiten zulässt. Mehr taktische Optionen für den General, neue Kombinierungsmöglichkeiten von Moves für den Choreographen, aber natürlich auch unter Umständen mehr Möglichkeiten für den Schauspieler.
Für einen Schauspieler könnte es zum Beispiel interessant sein zu wissen, ab wann sich sein Charakter verletzt fühlt, ab wann ihn ein Monster Angst einjagt oder wie sich nun seine Figur passend zu dem Hintergrund der Welt, aus einer kniffligen Situation befreien kann.
Müssen SCs immer Gewinnen oder sollten sie nicht auch mal auf allen vieren aus einen Kampf krauchen, fliehen oder einfach mal ohne Klamotten in der Gosse landen weil sie sich mit den Falschen anlegen?
Es muss den Spielern immer klar sein, warum etwas passiert. Es ist nicht richtig, wenn die SCs zum Verlieren gezwungen werden, aber es ist genauso wenig richtig, wenn sie zum Sieg verpflichtet sind. Und damit meine ich auch durchaus die Folgen von Würfelglück und Würfelpech!
Grundsätzlich sollen alle am Tisch Spaß haben. Wenn es dir keinen Spaß macht, dass die SCs immer gewinnen, aber die anderen Spieler keinen Bock auf Drama haben, dann herrscht Diskussionsbedarf, denn dann habt ihr unterschiedliche Ziele und müsst einen Kompromiss finden.
Was für ein Zweck hat Balancing?
Balancing bezeichnet im Bezug von Regeln das Ziel, dass es unterschiedliche und doch gleichwertige Arten und Weisen zur Lösung eines Problems geben soll. Wenn ein bestimmter Kampfstil zum Beispiel allen anderen in fast jeder Situation überlegen ist, dann sind die Kampfregeln nicht ausgewogen.
Meine Meinung: Mir kommt es so vor, als ginge es immer um Gewinnen. Der SC soll immer Gewinnen. Kämpfe sind aus meiner Sicht Elemente um Spannung zu generieren und die Handlung voranzutreiben, twists einzubauen. Sie sind ein Element das Unwägbarkeit erzeugen. Sämtliche Regeln sind, so empfinde ich sind darauf ausgelegt das Spieler gewinnen aber weniger das Spiel an sich immersiver machen.
Wie gesagt, ein Pen&Paper-RPG muss nicht allein ein Geschichtengenerator sein. Es ist auch nicht allein eine Anleitung für eine Form von Improvtheater. Und es aber auch nicht einfach eine Anweisung für die Simulation einer glaubwürdigen Welt.
Es kann das alles sein, aber dass sind nur einzelne Aspekte! Manche Systeme betonen den einen Aspekt mehr als den anderen oder konzentrieren sich sogar völlig auf nur einen dieser Aspekte.
Ich stimme dir zu, dass Kämpfe spannend sein müssen.
Ich stimme dir auch zu, dass sie Bedeutung haben sollen.
Ich stimme dir aber nicht zu, dass man hier zwanghaft Twists einbauen muss!
Und ich glaube, dass der Begriff Immersion in einem Pen&Paper-Rollenspiel vielschichtig betrachtet werden muss!
Meiner Meinung nach, erreiche ich nicht allein dadurch Immersion, dass mein Charakter verlieren kann. Ich erreiche dadurch Immersion, dass ich mich mit meinen Charakter identifiziere. Und das geschieht am ehesten, je besser ich meine Vorstellungen des Charakters auf das Spiel übertragen und ihn von anderen Charakteren unterscheiden kann. Hierbei können komplexe Regeln helfen, die es mir erlauben, meinen Charakter von anderen abzuheben, indem zum Beispiel durch die Regeln sichergestellt wird, dass ich eine Nische erhalte, die so ohne weiteres von niemanden ausgefüllt werden kann. Während ein anderer SC sich zum Beispiel auf einen zweihändigen Kampfstil spezialisiert, spezialisiere ich mich auf Feuerwaffen.
Kurz und bündig: Kampfregeln sind kompliziert, um möglichst vielfältig zu sein und den Spielern eine große Auswahl an möglichen Kampfstilen zu geben, mit denen sie ihren persönlichen Charakter zusammenbauen können. Mit diesen Charakter können sie sich dann identifizieren und in die Welt eintauchen.
Was dem Punkt angeht, dass es immer ums Gewinnen geht: Was ist falsch daran, gewinnen zu wollen? Die Spieler sollen sich doch mit ihren SCs identifizieren, sie ausspielen, dass ist doch dein Ziel! Natürlich wollen die Spieler dann auch gewinnen, immerhin wollen ja auch ihre SCs gewinnen!
Hier gibt es meiner Meinung nach einen Widerspruch: Auf der einen Seite sollen die Spieler sich an der Gestaltung einer spannenden Geschichte beteiligen, also das Spiel von außen betrachten, und auf der anderen Seite sollen sie dann die Position des Charakters übernehmen und völlig von der Entwicklung überrascht werden. Natürlich kommt es dabei zu Konflikten, denn aus der Sicht der SCs ist eine Niederlage nicht spannend, sondern frustrierend!
Oder hast du es eher so gemeint, dass auch du als SL nicht wissen willst, wie ein Kampf sich entwickeln wird? Wenn am besten alles allein von den Würfeln entschieden wird?
In diesem Falle liegt das Problem halt eher daran, dass man Splittermond als General, Kampfchoreograph oder Schauspieler spielen kann. Du musst dann im Vorfeld festlegen, welche Rolle die Spieler haben sollen.