Ich denke, man sollte auch nicht vernachlässigen, dass es in Splittermond eher um Fertigkeiten als um Attribute geht. Ein Attributs-Punkt mehr gibt ja auf mehrere Fertigkeiten einen Bonus, wodurch man in einem durchschnittlichen Abenteuer, wo verschiedene Fertigkeiten vorkommen, schon einen Unterschied spürt. Klar, wenn in einem Abenteuer primär ein oder zwei Fertigkeiten gefragt sind, merkt man das weniger, solange mehrere SC-"Konkurrenten" hier gemaxt haben.
Wobei man auch dazu sagen muss, dass Stärke ein eher "schwaches" Attribut ist. Es verbessert nur einen abgeleiteten Wert und 3 Fertigkeiten, wovon zwei zwar sehr häufig gebraucht werden, die dritte (Schwimmen) aber wohl selten entscheidend ist (da dann aber möglicherweise sehr). Dazu kommen Schilde (die momentan aber regeltechnisch etwas schwach sind wegen überlegenem Ausweichen und Ausrüstungslimit, das schon mit Rüstungen ausgereizt werden kann) und einige Kampffertigkeiten. Verglichen mit Beweglichkeit (2 abgeleitete Attribute, 7 Fertigkeiten und ebenfalls viele Kampffertigkeiten) ist Stärke also weniger effektiv.
Als Varg wird man also zwangsweise mit einem "ineffizienten" Attribut beglückt. Gerade deshalb würde ich aber persönlich einem Varg-Spieler erlauben, seinen Extrapunkt noch auf Stärke zu legen. Das hält das System schon aus, und der Spieler wählt dann eben "Fluff" über Effektivität.
Meine Meinung zu dem ganzen Thema: Es ist nicht allzu tragisch. Besser machen kann man immer etwas, bei jedem System, und bei einem kommerziellen gefühlt umso mehr, weil man da im Gegensatz zum Eigenbau nicht von vornherein auf die eigene Gruppe feintunen kann - logisch. Aber die Lücken in Splittermond finde ich nicht tragisch genug, dass es mich wirklich stören würde. Da kenne ich viel schlimmeres.
Und solange Regellücken nicht zu groß werden (was sie bei Splittermond meiner Ansicht nach nicht sind, und was problematisch ist lässt sich leicht hausregeln ohne dadurch zuviel durcheinander zu bringen), finde ich sie auch eher amüsant als tragisch: "Nein, du kannst deine Geliebte nicht umarmen. Dann hätte sie regeltechnisch den Zustand "Ringend", und ohne Meisterschaft Umklammern kannst du den nicht zufügen! Moment, wie pflanzen die Völker von Splittermond sich eigentlich fort, ist Handgemenge 6 hier evolutionäres Selektionsmerkmal?"
Ja, Varge können im Vergleich mit anderen Rassen nicht voll auftrumpfen mit ihrer Stärke, wenn man sie mit "großes Muskelpaket"-Spezies aus vielen anderen Systemen vergleicht. Das gilt aber für andere Rassen genau so, ein Alb ist nicht viel geschickter als andere etc. Das ist eben eine Designentscheidung, die ich eigentlich gut finde, weil man nicht "gezwungen" wird, für einen gewissen Charaktertyp eine gewisse Rasse zu wählen oder eben damit leben zu müssen, dass man im Vergleich in seiner Hauptdisziplin immer ein Versager sein wird.
Prozentuell kommt es in Splittermond sowieso mehr darauf an, was man gelernt/trainiert hat, als was man an natürlicher Begabung mitbringt (auch, weil immer zwei Attribute wirken, da macht ein einzelnes noch weniger aus). Und Varge tendieren sowieso zu klassischen Stärke-Fertigkeiten, also wird Otto Normalvarg auch stärker wirken als Ottion Normalalb. Dass Spielercharaktere mit ähnlicher Spezialisierung hier nur minimale Unterschiede aufweisen, sehe ich wie erwähnt eher als Bonus.
Umgekehrt kann man genauso beanstanden, dass ein darauf gemaxter Varg genauso akrobatisch ist wie ein gemaxter Alb, was eingefleischten Elfen/Alben-Fans wohl genauso sauer aufstößt. Das ist nunmal eine Konsequenz der gewählten Spielmechanik, sowas wird es immer geben (umso mehr, solange man im mittleren Regel-Komplexitätsbereich bleiben will).
Aber gibt es mehr Alben als Varge mit vollen Punkten in Akrobatik? Wahrscheinlich. Laufen überdurchschnittlich viele Varge mit gemaxter Athletik herum? Ebenfalls wahrscheinlich. Aus Settingsicht sehe ich also wie schon gesagt kein Problem.
Noch eine Anmerkung bezüglich Chrisael: Der hat im Moment das Problem, dass Splittermond bei unseren gemeinsamen Runden sehr gut ankommt und viel gespielt wird, und dass er sich daher quasi wohl oder übel damit herumschlagen muss. Es ist also wohl verständlich, wenn er versucht, das System mehr in seine bevorzugte Richtung zu verbiegen.