So nachdem die allgemeine Entrüstung etwas abgeklungen ist möchte ich noch ein paar Punkte klarstellen:
1.) Im allgemeinen mag ich kein Powergaming, kann aber als Spielleiter damit leben solange die Gruppendynamik dadurch nicht komplett ruiniert wird. Und da liegt der Knackpunkt. In unserer Gruppe haben wir eine relativ hohe Spielerfluktuation. Und als der erste neue Spieler anfing seinen Charakter zu optimieren, da wollten die anderen Spieler jetzt natürlich auch nicht komplett abstinken. Der Dieb möchte halt einfach nicht schlechter schleichen können als der Ritter im Plattenpanzer.... Natürlich lässt sich auch in anderen Systemen powergamen, aber SpliMo mit seinen diversen Optionen und überlappenden Mechanismen lädt schon sehr offenherzig dazu ein. Ferner, wenn ein Spieler zwei Regeloptionen hat die dasselbe machen, und eine der Optionen ist objektiv offensichtlich einfach bessser, dann empfinde ich es nicht ganz passend hier von powergaming zu sprechen, sondern von "nicht blöd sein".
2.) Wenn ich schreibe dass ich nicht die so oft gebrauchtet Totschlag-argumente wie "du spielst nicht oft genug um das zu verstehen" hören möchte, dann bedeutet dies nicht dass ich validen Argumenten nicht aufgeschlossen wäre. Aber wie schon treffend bemerkt wurde, die meisten meiner Kritikpunkte wurden bereits im Forum durchgekaut, und ich empfand diese Diskussionen eben nicht als final überzeugend (ja ich lese erst bevor ich schreibe).
3) Auf was ich auch nicht so stehe sind „Gegenargumente“ wo man sich an einem kleinen Detail hochzieht, wie z.B. mein offensichtlich absichtlich überspitztes Kochlöffel-Beispiel, und glaubt durch solche Ablenkungsmanöver vom eigentlichen Problem ablenken, oder mir gar noch eine Täuschungsabsicht unterstellen zu können.
4) Jedoch ist so ein Sammelthreat wie dieser eigentlich nicht der Ort für einen Mix aus Detaildiskussionen, dafür gibt es sub-Foren. In meinem Post ging es mir um meinen persönlichen Eindruck vom derzeitigen Stand von SpliMo. Das kann man egozentrisch sehen .... und hat damit vollkommen recht. Ich spreche für mich und nicht für die absolute Wahrheit(TM).
5) Man braucht mich nicht mit der schön ausgearbeiteten Spielwelt zu überzeugen das Regelsystem weiter zu nutzen. Die Welt kann man auch mit einem anderen System nutzen. So schwer sind Systemkonvertierungen auch nicht.
6.) Es wurde interpretiert dass ich keine komplexen Systeme mag. Das ist so auch nicht korrekt. Wenn die Komplexität eines Systems strukturiert einer Logik folgt, sodass der Spielfluss trotzdem angenehm ist (vergleiche z.B. Rolemaster) dann kann ich damit leben. Ferner wenn jede Regel einen erkennbaren spieltechnischen Sinn erfüllt, dann bin ich da voll an Bord. Was mich stört ist ein "über"komplexes System, dass Komplexität nur des Willens zur Komplexität hin einführt ohne erkennbaren spieltechnischen Mehrgewinn. Praktisches Beispiel: Warum gibt Schutzzauber Bonus auf VTD, Hautzauber aber auf VTD und SR? Was hätte man spieltechnisch verloren wenn Hautzauber nur SR gegeben hätte, das wäre übersichtlicher und komplementär zu den Schutzzaubern gewesen? Oder warum muss man beim Kampf Manöver vorher ansagen, Zauber kann man aber auch noch hinterher verbessern, hätte man sich nicht auf einen konsistenten Handlungsablauf einigen können? Die Übersichtlichkeit der Anwendung von Patzern wurde ja schon ausführlich thematisiert.....
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Von einem Regelsystem erwarte ich eigentlich dass Regen/Anweisungen bei der Erstellung auf folgende Punkte geprüft werden:
- Kann man die Anweisung (auch mutwillig) missverstehen?
(Negativbeispiel: Wenn da steht dass über eine aktive Abwehr nie ein Wurf auf der Patzertabelle erzwungen werden kann, dann kann man dies mutwillig (und grammatikalisch vollkommen korrekt) auch auf den abwehrenden Spieler beziehen.)
- Funktioniert die Anweisung unter jeder Randbedingung / gibt es Fälle wo diese Anweisung kontraproduktiv ist?
(Negativbeispiel: Das Zurückdrängen nur gegen GK7 Gegner im Errata ist nicht valide unter der Randbedingung dass der Zurückdränger selber groß ist, z.B. ein Monster).
- (als Spezialfall des vorherigen Punktes) Kann man die Anweisungen unter gewissen Umständen aktiv für etwas anders missbrauchen?
(Negativbeispiel: 1m Radius Dunkelheitszauber als Über-Rüstung)
- Ist in den Anweisungen ein Roter Faden / Muster / Schema erkennbar?
(Negativbeispiel: Der Spruch "Furcht" geht gegen GW + Entschlossenheits-EG, die Fähigkeit Furchterregend geht nur gegen Entschlossenheit, hier ist GW egal. Dachte GW hätte den De-facto Status saving throws)
- Ist die Anweisung hinreichend detailliert?
(Negativbeispiel: Dunkelheitszauber durchsichtig oder nicht, wirken Zauber in Kugel oder Zylindervolumen, werden Zauber durch Wände geblockt oder nicht, ....)
- Gibt es überschneidende Anweisungen? Lädt diese Überscheidung zum Optimieren ein?
(Negativbeispiel: die Waffenmerkmale "Scharf" und "Kritisch" machen funktionell dasselbe (also zumindest solange man sich nicht auf mathematische Feinheiten versteift), ein bisschen mehr damage-per-second. Was macht also ein Spieler der eine höherqualitative Waffe kaufen möchte? Er rechnet aus, was mehr bringt, kritisch, scharf, oder einfach nur ein schnödes Schaden +1. Meistens ist es das letztere, denn der Godenspeer ist einfach unsexy ;-) )
- Löst eine Anweisung ein Problem, oder schafft diese neue Probleme, welche dann weitere Anweisungen nötig macht um die Löcher zu stopfen?
(Negativbeispiel: "Scharf" ist für die allermeisten Waffen praktisch vernachlässigbar schwach. Aber das Merkmal skaliert sehr stark bei höherer Stufe + viel-würfel-Waffen. Die Einführung von scharf macht also ein neues Problem dass ein Godenspeer Scharf 6 schon ziemlich ÜBER wäre. Deshalb musste man dann doch gleich scharf wieder mit einer Extraregel beschneiden und eine maximale Stufe einführen. Damit beschneidet man dann aber auch Scharf für kleine (einwürfel-)Waffen, d.h. mach es für diese praktisch nutzlos ... Elegant ist das nicht.)
- Ist diese Anweisung so wirklich notwendig?
(Negativbeispiele: Differentiation zwischen Redegewandtheit zu Diplomatie; Schwimmen als eigene Fähigkeit; Wozu Heilung zaubern, wenn Selbstheilung+HandDesZauberers mit wenigen EG den verzehrten Fokus auf null drückt, d.h. darauf wo es ankommt wenn man Zeit hat auch ein Ritual sprechen zu können.)
- Kann ich die Anweisung wesentlich vereinfachen und dabei die Funktionalität nur gering einschränken?
(Negativbeispiel: Meisterschaft Ausweichen)
- Wird der Anwender zu etwas gezwungen was er eigentlich gar nicht will?
(Negativbeispiel: Bei der Charaktererschaffung Kampfzauber auf 1 lernen und die Meisterschaft Gezielte Zauber auswählen, weil man sonst später als Windmagier im Kampf nicht effektiv zaubern kann)
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Ich komm ja nicht vom Mond.
Viele Punkte verstehe ich ja. Dass z.B. die Rüstungen VTD und SR haben ist natürlich spieltechnisch völlig unnötig, Bonus auf entweder VTD oder SR hätte es auch getan. Auch die zahlreichen minimalen Variationen der Werte von z.B. Einhandschwerter hätte man sich sparen können und ein generisches arming sword (kein Langschwert) angeben können. Aber nur in den Kombinationen der verschiedenen Werte hat man genügend Variationsmöglichkeiten um eine Vielzahl an Rüstungen / Waffen einzuführen um ein Supplement-Werk wie die Mondstahlklingen zu füllen. Und das ist völlig ok für mich. Die SpliMo Autoren sollen auch bezahlt werden. Und wenn man schon das GRW großzügiger Weise kostenlos downloaden kann, dann muss es eben solche Supplements geben.
Und dennoch ist es gerade dann, wenn man so viele Variationsregeln einführt umso wichtiger, dass man darin einen Roten Faden wiederfindet der das System intuitiv macht, und dass man nicht mehrere Regeln einführt die Bottom-line (so auf gut neu-deutsch) das Selbe machen. Bevor ich da Waffen mit 1D6 und Scharf 3 sehe hätte ich lieber einen 1D4+2 Schaden, das ist intuitiver.... also für mich zumindest.
Nochmal explizit: ich habe nichts gegen die Autoren, sie haben mit SpliMo ein an sich tolles Werk abgeliefert, was aber eben noch ein paar recht spitze Kanten hat. Und jeder hat das Recht SpliMo in der derzeitigen Form als perfekt und makellos anzusehen. Aber es hat eben auch jeder das Recht dies nicht zu tun.
Meiner völlig subjektiven Meinung nach enstehen echte Perlen aber nur durch ständige Irritation und Reibung.