Autor Thema: Realismus von Sportfechten und HEMA  (Gelesen 20897 mal)

barbarossa rotbart

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Re: Realismus von Sportfechten und HEMA
« Antwort #60 am: 17 Mär 2017, 12:24:57 »
...ist deine Aussage auch weiterhin unbewiesen.
Ohne Gegenbeweis ist meine Aussage immer noch gültig.

Yinan

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Re: Realismus von Sportfechten und HEMA
« Antwort #61 am: 17 Mär 2017, 12:34:05 »
Nein, eben nicht. Das versuche ich dir ja die ganze Zeit klar zu machen.

Deine Aussage ist weiterhin nur eine Behauptung und mehr nicht. Solange sie nicht bewiesen wurde, hat deine Aussage an und für sich überhaupt gar keinen Wert. Da muss es halt keinen Gegenbeweis geben. Es ist immer derjenige in der Beweisschuld, welcher die Behauptung aufstellt. Du stellst die Behauptung auf, dass "Ein Sturmangreifer sich gegen einen Gegenangriff nicht verteidigen kann". Und ohne Beweis ist diese Behauptung schlichtweg wertlos und nicht im geringsten gültig.
Wenn nicht anders gesagt, dann befassen sich meine Aussagen zu Regeln niemals mit Realismus oder Simulationismus, sondern nur mit Balancing.
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Xandila

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Re: Realismus von Sportfechten und HEMA
« Antwort #62 am: 17 Mär 2017, 12:37:19 »
Ohne Gegenbeweis ist deine Aussage eine unbewiesene These.
Sie kann wahrscheinlich sein, sie kann plausibel sein (ist es vermutlich auch beides), aber sie ist nicht bewiesen.
Wertlos ist sie aber auch nicht, da das Beispiel ja durchaus mit Argumenten unterlegt wurde, also wie schon gesagt, plausibel ist.

Btw geht es hier um Beweise formalwissenschaftlicher Art, Logik und Mathematik sind keine Naturwissenschaften. Und selbstverständlich kann man diese Beweisregeln auf das reale Leben anwenden.

Mit einem Beispiel, wie plausibel es auch sein mag, kann man aber nicht schlüssig eine allgemeingültige Aussage treffen, weil es eben keinen hinreichenden Beweis gibt, daß dieses Beispiel auf alle denkbaren Situationen übertragbar ist.
Was man aber gut machen kann mit Beispielen, sind Wahrscheinlichkeiten und Plausibilitäten illustrieren.

Wobei es eigentlich überflüssig ist, zu streiten, wer von euch jetzt in der Beweispflicht ist - für beides gibt es Argumente: barbarossa hat eine These aufgestellt, also sollte er sie beweisen können; Yinan bezweifelt diese These, also sollte er ein Gegenbeispiel bringen, was sie dann ja automatisch einstürzen lassen würde.
Ich habe bei beiden von euch nicht den Eindruck, daß ihr das machen könnt/wollt, und solange dreht ihr euch im Kreis.

Etschbeijer

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Re: Realismus von Sportfechten und HEMA
« Antwort #63 am: 30 Mär 2017, 14:47:19 »
Als Larper der den Kampf in einer etwas Kontaktfreudigeren Gruppe durchführt muss ich dir sagen, dass ein Sturmangriff sehr effektiv sein kann, wenn wenn du es ordentlich machst hat dein Gegner kaum eine Chance sich zu Verteidigen. Einer der wichtigsten Punkte für einen guten Sturmangriff ist, dass du mehr Kraft aufbaust als dein Gegner standhalten kann, sodass du ihn einfach umrennst mit einem Sprung. Du musst ja nicht Weg von ihm, rennst auf ihn zu, trittst gegen sein Schild aus dem Lauf und wenn er falsch Blockt, zerschmetterst du ihm noch sein Knie ohne das du deine Waffe verwendest (da muss man wirklich aufpassen...). Die Waffe kannst du, auch zweihändig, problemlos zum Blocken verwenden, das habe ich oft genug gesehen. Das Gewicht von zweihändigen Waffen wird in der Regel überschätzt, denn das sogenannte Bastardschwert/Langschwert ist zweihändig geführt eine der schnellsten Waffen die ich je gesehen habe.
Chargen/Sturmangriffe eignen sich vor allem dann, wenn du größer und schwerer als der Verteidiger bist, denn dadurch verliert dieser eher seine Balance wenn du mit ihm kollidierst und landet in seinem Partner dahinter oder geht einfach zu Boden. Dann ist er gefundenes Fressen. Was auch effektiv ist, ist es den Gegner mit sich zu Boden zu reißen (meine Lieblingsvariante als schlechter Fechter), denn dann hast du in 95% der Fälle das Überraschungsmoment auf deiner Seite und die Initiative.
Wir hatten da mal ein schönes Römer-Germanen Szenario als sich eine Vikinger Gruppe dem Training angeschlossen hat. Jeder von denen wog vermutlich 20-30 Kg mehr als der Durchschnitt bei uns und war ein Kopf größer (Wir haben viele Schüler in der Gruppe, die anderen waren 25+ Jahre alt) und konnten uns so definitiv brechen,zurückdrängen und umwerfen. Mit Brechen meine ich in diesem Zusammenhang die Formation auseinander treiben.
Wenn du gleich schwer bist, ist es schwieriger aber der Charge und der Moment, den der andere vllt braucht um seine Balance wieder zu finden kann ausreichend sein um zumindest den ersten Treffer zu landen (oder wie ich es gerne mache, den Gegner umzureißen, indem du mit ihm fällst).
Das entspricht meiner persönlichen Erfahrung, es kann also auch anders sein aber wenn es bei uns vorkommt, sollte es auch sonst wie passiert sein. Bei einem Sturmangriff ist natürlich die Bewaffnung entscheidend, manches eignet sich besser gegen anderes.

Jeong Jeong

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Re: Realismus von Sportfechten und HEMA
« Antwort #64 am: 30 Mär 2017, 14:58:17 »
Um Matt Easton, einen recht bekannten HEMA-Lehrer, sinngemäß zu zitieren: wenn einem Gegner sein eigenes Wohlergehen egal ist, kann man sich kaum noch gegen ihn verteidigen. Wenn ich Geschichten von Larp höre, habe ich oft den Eindruck, dass damit diese Aussage sehr deutlich bestätigt wird. Einfach in jemanden mit einer Waffe in der Hand wild reinrennen, ist meiner Erfahrung nach keine sehr gesunde Taktik.

Etschbeijer

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Re: Realismus von Sportfechten und HEMA
« Antwort #65 am: 30 Mär 2017, 15:24:58 »
Du stellst dir das Schlimmer und chaotischer vor als es ist und vermutlich wesentlich wilder als es tatsächlich abläuft. Inwiefern klingen für dich Beschreibungen aus dem Larp so, als ob man nicht auf sein eigenes Wohlergehen achtet?
Wie gesagt, für die Durchführbarkeit eines Charges ist meiner Erfahrung nach die Ausrüstung der beiden Seiten entscheidend (hätte ich vllt nicht in den kleinen Satz am Ende packen sollen sry). Unsere Vorstellungen gehen vllt auch zu weit auseinander wer Charged und wer angecharged wird.
Ein guter Charge ist in der Regel auch kein einfaches wild in den Gegner reinrennen, der ist koordiniert und man ist durch seine Mitangreifer in gewissem Maße geschützt.

Jeong Jeong

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Re: Realismus von Sportfechten und HEMA
« Antwort #66 am: 30 Mär 2017, 15:40:20 »
Also erst einmal ließt sich deine Beschreibung für mich schon ziemlich wild und unkoordiniert. Aber da spielt vielleicht auch mit rein, was ich bisher so von Drachenfest & Co. gesehen haben. :P Aber offenbar hast du viele Annahmen gehabt, die zuerst nicht so recht ersichtlich waren bzw. von dir nicht weiter ausgeführt wurden. Zum Beispiel die genaue Bewaffnung und Rüstung bei Angreifern und Verteidigern. Außerdem scheinst du jetzt von einem koordinierten Vorstürmen eines größeren Verbands auszugehen.

Hier im Thread ging es, zumindest in meiner Wahrnhemung, bisher um Duelle eins gegen eins mit ähnlicher Bewaffnung (größtenteils gingen wir, orientiert am Sportfechten, denke ich von einhändig geführten Klingenwaffen aus). Wobei schon mehrmals am Rande angemerkt wurde, dass unterschiedliche Bewaffnung und Rüstung einen großen Einfluss auf den Ausgang des Ganzen haben.

Grundsätzlich hat Larp dann natürlich auch ähnlich starke Regeleinschränkungen wie Sportfechten. Den Kopf darf man ja beispielsweise glaube ich nicht angreifen, Stiche sind auch oft verboten, etc. pp.

TrollsTime

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Re: Realismus von Sportfechten und HEMA
« Antwort #67 am: 30 Mär 2017, 15:46:43 »
...

Hier im Thread ging es, zumindest in meiner Wahrnhemung, bisher um Duelle eins gegen eins mit ähnlicher Bewaffnung (größtenteils gingen wir, orientiert am Sportfechten, denke ich von einhändig geführten Klingenwaffen aus).
Das ist das, was ich mit "klinisch" meinte. Solch einen sterilen Kampf zu betrachten, bringt in meinen Augen nichts.
Sowas hingegen:
Zitat
Wobei schon mehrmals am Rande angemerkt wurde, dass unterschiedliche Bewaffnung und Rüstung einen großen Einfluss auf den Ausgang des Ganzen haben.
halte ich da schon für wesentlicher.
Quendan zu TrollsTime: "Du musst nicht alle überzeugen!"

barbarossa rotbart

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Re: Realismus von Sportfechten und HEMA
« Antwort #68 am: 30 Mär 2017, 16:13:34 »
Ich mag mich täuschen, aber häufig waren Bewaffnung und Rüstung immer weitgehend einheitlich.

Etschbeijer

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Re: Realismus von Sportfechten und HEMA
« Antwort #69 am: 30 Mär 2017, 16:16:37 »
@Jeon Jeon Das ist sehr stark von den Leuten mit denen du spielst abhängig, manche darf man nicht mal anchargen und jede Art von Kontakt ist zu viel ;-) Die Leute mit denen ich zu tun habe, haben kein Problem mit Kopftreffern und stechen, umwerfen und Vollkontakt im allgemeinen (Deshalb verwende ich es als Vergleichsbasis)
Bei dem Drachenfest stimmt das defintiv (Da gibt es auch die Regel mit den keine Kopftreffer und Stechen, letzten Endes vom Partner abhängig)... Auch wenn es etwas bösartig klingt, der Durchschnittslarper hat seine Waffe außerhalb der Cons nicht in den Händen... Das erklärt defintiv dein Bild eines chaotischen Charges :-D
Mein Fehler, das mit dem Duell ist beim Überfliegen leider untergegangen... Habe mehr Erfahrung mit Gruppenkämpfen wenn es ums Chargen geht.

Hab mal nen Kumpel gefragt (er hat mehr Erfahrung als ich mit Duellen)
Seiner Erfahrung nach verliert bei gleicher Bewaffnung der Charger bei einem Zweikampf, denn der Sidestep nimmt den Vorteil des Chargens raus wodurch ein umreißen öfter nicht klappt und die Wucht verloren geht. Wenn dem Chargeangriff dagegen nicht ausgewichen wird sieht es düster für den anderen aus.

barbarossa rotbart

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Re: Realismus von Sportfechten und HEMA
« Antwort #70 am: 30 Mär 2017, 16:32:32 »
Hab mal nen Kumpel gefragt (er hat mehr Erfahrung als ich mit Duellen)
Seiner Erfahrung nach verliert bei gleicher Bewaffnung der Charger bei einem Zweikampf, denn der Sidestep nimmt den Vorteil des Chargens raus wodurch ein umreißen öfter nicht klappt und die Wucht verloren geht. Wenn dem Chargeangriff dagegen nicht ausgewichen wird sieht es düster für den anderen aus.
Ich würde das jetzt nicht nur auf gleiche Bewaffnung eingrenzen, auch wenn man immer (im historischen Kontext) davon ausgehen muss, dass die Bewaffnung wenn nicht gleich doch zumindest ähnlich ist. (Ausnahmen bestätigen in diesem Fall die Regel.)

Gonzo

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Re: Realismus von Sportfechten und HEMA
« Antwort #71 am: 31 Mär 2017, 08:34:20 »
Als Larper der den Kampf...
LARP und Realismus passt so gar nicht zusammen ;) Erfahrungen mit Schaumstoffwaffen oder Nerfgun sollte man tunlichst nicht auf die Realität übertragen, gerade bei HEMA geht es wirklich um das erfassen der Essenz.

Sinn haben

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Re: Realismus von Sportfechten und HEMA
« Antwort #72 am: 31 Mär 2017, 17:54:40 »
Es wurde hier teilweise schon angedeutet:
Man muß unterscheiden zwischen einer "Duell-Situation", (die im Grunde von den Splittermondregeln abgebildet werden soll) auf der einen Seite, in der das Anstürmen anscheinend starke Nachteile hat.
Und einem Formationskampf (Nahkampfwaffen) in dem sich mit dem Druck der Masse und der Wucht des Anlaufs groß Vorteile ergeben, und schon bei den griechischen Phalanxen Optimierungstrategien von Tiefe und Breite des taktischen Körpers durchgeführt wurden.

barbarossa rotbart

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Re: Realismus von Sportfechten und HEMA
« Antwort #73 am: 03 Apr 2017, 09:14:05 »
Mal eine kleine Randbemerkung: eine in meinen Augen sehr gute Dokumentationsreihe über mittelalterliche Waffen ist Weapons that made Britain.

Und zurück zum Thema:
Ein Sturmangriff gegen eine geschlossene Formation ist Selbstmord. In zwei Folgen, "The Shield" und "The Lance" (und auch "The Longbow", wenn man die Formation der Engländer in der Schlacht von Crécy auch als geschlossene Formation zählt), wird darauf eingegangen. In der Schlacht von Hastings bezwangen die Normannen den angelsächsischen Schildwall, in dem sie ihnen eine Flucht vorgaukelten. Die weit weniger disziplinierten Angelsachsen jagten ihnen in offener Formation hinterher und wurden besiegt. In der Schlacht von Bannockburn scheiterten die englischen Ritter am schottischen Schiltron, einer gegen Angriffe von allen Seiten gesicherte geschlossene Lanzenformation.

TrollsTime

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Re: Realismus von Sportfechten und HEMA
« Antwort #74 am: 03 Apr 2017, 09:40:16 »
Dass es Gegenmaßnahmen gegen Sturmangriffe gibt, bezweifel ich nicht!

Die bräuchte es nicht, wenn Sturmangriffe per se Mist wären!
Im Gegenteil: Professionelle Schildwälle und ähnliches wurde ja gerade trainiert, um den gefürchteten Sturmangriffen was besseres entgegen zu setzen.
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