2 VOM WIRKEN DER MAGIE
Magie wirkt überall - aber nicht überall gleich.
Die größte Wirkung erzielt Magie gegenüber Unbelebtem, wobei die Größe des Unbelebten direkt die Menge der einzusetzenden Energie beeinflusst. Einen Kiesel telekinetisch zu bewegen, ist eine leichte Übung. Für einen hausgroßen Brocken hingegen ist die Energie eines oder gar mehrerer geübter Zauberkundiger notwendig. Einen ganzen Berg zu versetzen bleibt wohl den Göttern vorbehalten.
Belebtes ist dem magischen Wirken nicht hilflos ausgesetzt, es kann sich widersetzen. Denkende Wesen sind am besten in der Lage, die Wirkung eines Zaubers abzublocken. Die instinkthaften, bloß fühlenden Wesen der lorakischen Fauna haben es da schon schwerer. Aus der lorakischen Flora sind nur sehr wenige Beispiele wehrhafter Pflanzen bekannt, und in diesen Fällen rätseln die Gelehrten, ob diese Gewächse nicht doch ein eigenes Bewußtsein entwickelt haben.
Um zu zaubern, benötigt ein Abenteurer nur zweierlei: Eine ZauberFertigkeit (siehe 3: Von den Zauberschulen) und einen erlernten Zauber (siehe 4: Vom magischen Können). Und er muss bei Bewußtsein sein, um die Welt nach seinem Willen zu ändern. (Gerüchteweise soll es im fernen Süden von Lorakis ein Volk geben, das die Technik des luziden Zauberns entwickelt hat, bei welcher Magie durch bewußt Schlafende gewirkt wird. Ob dies der Wahrheit entspricht oder bloße Träumerei ist, bleibt abzuwarten.)
Die verbreiteste Form der Magie in den Ländern der ehemaligen Dienervölker ist die Spruchzauberei. Hierbei konzentriert sich der Zauberwirkende, bis er genug Energie aus dem magischen Ähter in sich aufgenommen hat, und spricht dann die (meist recht kurze) Zauberformel, welche die Wirkung des Zaubers entfaltet. In einigen Regionen und manchen ZauberSchulen ist es auch üblich, die Formel zusammen mit einer ZauberGeste zu vollführen.
Seltener, aber immer noch weit verbreitet, ist die reine Gestenzauberei, bei der die Wirkung des Zaubers mittels Handbewegung, manchmal auch mittels ganzer Körperbewegungen entfaltet wird. So ist etwa in Dragorea die Zunft der Faustmaurer zu großer Berühmtheit gelangt, deren Handwerker es verstehen, mittels schlagender Zaubergesten ein unvergleichlich stabiles Mauerwerk zu errichten. Und in Farukan wird der gottgleiche Padishah durch eine Leibgarde tanzender Säbelschwinger beschützt, deren Tanz, so sagt man, 1.000 Klingen heraufbeschwört. In vielen Gegenden gilt die Gestenzauberei aber als verrucht, wird sie doch häufig von zwielichten Gestalten genutzt, um rechtschaffene Leute möglichst unauffällig um ihr sauer verdientes Brot zu bringen. Die Handlosen könnten ein Lied davon singen, welche Strafen dort gegenüber magischen Dieben üblich sind, hätte man ihnen nicht auch ihre Zungen herausgeschnitten.
Schließlich hört man hier und dort von weiteren, mitunter recht ausgefallenen Formen des ZauberWirkens wie etwa den Hornbläsern, den Erntesängern oder den Speienden Hexen.
Alle beschriebenen Zauberweisen haben gemein, dass sich nur durch Vollzug einer bewußten Äußerung die Wirkung ihrer Zauber entfaltet. Dies ist die ZauberForm. Die allgemeine ZauberForm (Sprache, Geste etc.) ist innerhalb einer ZauberSchule meist einheitlich, die konkrete ZauberForm (das Wort, die Geste etc.) von Zauber zu Zauber verschieden.
Eine gänzlich formenfreie Zauberei, die also durch reinen Willensakt wirkt, ist bei den ehemaligen Dienervölkern hingegen unbekannt. Zwar wird von manchen Gelehrten vermutet, dass einige magische Wesen sowie die Feen aus der Anderswelt der reinen Mentalzauberei mächtig sind, doch einen Beweis blieben sie bisher schuldig. Selbst die aus der Anderswelt stammenden Gnome benötigen beim ZauberWirken stets eine ZauberForm.
Die ZauberWirkung selbst kann zwei grundverschiedene Ausprägungen haben. Zumeist wirkt ein Zauber einmalig. Er verändert im Hier und Jetzt die Welt auf seine ihm eigene Weise und ist danach Geschichte. Manche Zauber entfalten aber eine anhaltende Wirkung, die solange andauert, wie es der Zauberwirkende wünscht (und wie er bei Bewußtsein ist). Das Stärken oder Schwächen von Fertigkeiten zählt genauso zu diesen anhaltenden Zaubern wie etwa das Schwebenlassen oder das Tarnen, das Beherrschen von Wesen oder Elementen und, und, und. Eine besondere, dritte Ausprägung ist das Binden von Zaubern, zumeist an Gegenstände. Diese, für den jungen Abenteurer noch nicht erlernbare Zauberschule wird in einem späteren Kapitel beschrieben.
Üblicherweise ist die ZauberWirkung durch den Zauber gegeben. Die Menge an Energie, die zu sammeln ist (und damit die benötigte Zeit) ist stets dieselbe, und auch die Wirkung ist gegeben. Denkenden Wesen, also insbesondere den Abenteurern, ist es allerdings auch möglich, durch besondere Anstrengung die Energie schneller zu sammeln und die ZauberWirkung zu erhöhen. Diese Art ist als Kraftzauberei bekannt und man spricht in solchen Fällen von einem Kraftzauber. Jedoch hat diese besondere Anstrengung ihren Preis: Der Zauberwirkende erschöpft sein magisches Können und ist danach beim Zaubern geschwächt, bis er sich durch Nachtruhe von den Strapazen wieder erholt hat. In den dunklen Gassen des Mertalischen Städtebundes soll es Essenzen geben, welche die ermüdende Wirkung von Kraftzaubern aufschieben. Da diese Mittel aber zu einer starken Abhängigkeit führen, sind sie in allen rechtschaffenden Gegenden verboten. Nicht verboten ist hingegen das Erlernen besonderer Techniken, welche die Kraftzauberei stärken oder ihre Auswirkungen mildern. Die Lehrer solcher Techniken sind wohlhabende Leute.