Kurz gesagt: Im Zweifel ist mir (klassisches) Warhammer Fantasy trotz all seines Eurozentrismus und miserablen Lateins weit lieber als Warcraft mit seinem "außer Hollywood-Mittelalter gibt es keine Menschen" und stetig debil-absurder werdenden Rüstungen und Waffen.
Und ich finde jetzt nicht gerade, dass Lorakis alles in allem kulturell "irdischer" gestaltet ist als Dere und dort insbesondere Aventurien. Aber eigentlich möchte ich alles Andere ausblenden und ganz spezifisch auf Takasadu und meine zwiespältigen Gefühle hierzu eingehen:
Zunächst aber eine allgemeine Bestandsaufnahme ostasiatisch angehauchter Settings in westlichen Rollenspielen: Es gibt schlichtweg sonst praktisch nichts, aber trotzdem geht jedes Mal ein Raunzen durch die Spielerschaft, wenn mal was nicht "Europa und Umgebung" abdecken könnte. Offizielle D&D-Settings haben hier und da mal einen exotischen NPC aus dem Fernen Osten, aber Informationen zu den Ländern sind spärlich gesät und dort angesiedelte Abenteuer gibt es gleich gar nicht. Golarions Gegenstück macht mich regelrecht aggressiv, so lieblos und uninspiriert, wie das hingeklatscht wurde, indem man unter Anderem eine bunt zusammengewürfelte Mischung an Göttern unterschiedlicher Kulturen (und Sprachen!) 1:1 übernommen und zu einem Pantheon zusammengeschustert hat - definitiv eine falsche Art von Retro. (Da ist mir selbst das Nicht-Ägypten mit ägyptischem Pantheon lieber; das ist zumindest in sich konsistent.) Legend of the Five Rings könnte toll sein, wenn es sprachlich nicht so unfassbar schlampig wäre. Das fängt damit an, dass gefühlte 75% der Begriffe die Struktur "A no B" haben, um "A of B" wörtlich zu übersetzen, wenn die korrekte Form "B no A" wäre, und endet damit, dass eine handvoll Eigennamen entweder nach Standardfantasy klingen oder im Kontext absolut inauthentische Übersetzungen sind. Die Ausrede "es ist nicht Japanisch, da nicht Japan" zieht nicht, wenn 99% der Wortelemente 100% japanisch sind. Außerdem möchte ich die mal sehen, wenn in einem (westlichen) Rollenspiel bei einer "Nicht-Version" ihrer Muttersprache auf Wortschatz und Satzbau gehörig gepfiffen würde. Shadowrun hat zwar einen Haufen Japaner herumrennen, aber in Ostasien ist man in offiziellen Werken auch beinahe nie unterwegs. Außerdem sind Sprache, Kultur und Namensgebung erst ab der 3. Edition großteils vernünftig recherchiert, weswegen es immer noch unschöne Altlasten hat, auch wenn fast alle abstrus benannten Japaner beim damaligen Editionswechsel, wenn schon nicht erratiert, zumindest abgemurkst wurden. Und auf Dere kann man sich vor europäischen und nahöstlichen Kulturen kaum erwehren, und auch afrikanische und amerikanische gibt es so einige, aber bei fernöstlichen herrscht auch hier ziemliche Wüste. Maraskan hat bis auf etwa die Hälfte der Optik exakt nichts Japanisches oder sonstwie Ostasiatisches; kulturell betrachtet ein cooler Flecken, aber meinen Fernost-Itch tut er nicht gerade scratchen. Tharun ist in seiner DSA4.1-Ausarbeitung grundsätzlich großartig, aber halt naturgemäß arg abgeschnitten, und einige Kernelemente aus DSA-Professional-Zeiten trüben den Gesamteindruck etwas - namentlich die restriktive Natur der Neu(n)götter und das uneinheitliche Klangmuster der Wörter, was sich bei den Ortsnamen der einzelnen Atolle erklären lassen mag, nicht aber bei den Götternamen. Außerdem ertrinken wir ja alles andere als in Publikationen - nach der Anthologie wird's meines Erachtens wieder Jahrzehnte dauern. Vesayama wiederum klingt ausgesprochen interessant, aber weil es hirnrissigerweise ein eigener Kontinent und somit nicht Teil der Myranor-Lizenz ist beziehungsweise war, werden wir auch nie mehr als wenige Fetzen dazu erfahren.
Nun aber (endlich) zum eigentlichen Kern dieses Beitrags: Es betrübt mich ungemein, dass mit dem Splittermond-Team endlich mal jemand in einem Fantasy-Asien so viel so gut macht, nur um dann auf der Zielgeraden mit Anlauf auf die Schnauze zu fallen. Wie das? Grundsätzlich ist es mir ja relativ egal, ob die Sprache eines Fantasy-Volkes einer irdischen entspricht, von einer solchen eindeutig inspiriert ist oder so weit wie möglich aus dem Nichts entwickelt wurde, aber immersiv-plausibel, d.h. phonetisch und grammatisch konsistent, sollte eine jede halt sein. Von Süden her begonnen: Die Städte und Flüsse Sadus zeichnen ein einheitliches Bild, die Namen der Fürsten hingegen nicht wirklich. Die Namen und Begriffe Kintais sind großteils ausgesprochenes Kauderwelsch, aber zumindest klingen fast alle Japanisch und somit zu einer gemeinsamen Sprache gehörig - mir aus dem Weltband bekannte Ausnahmen sind "Qirin" (eine sonderbare Mischung aus chinesisch Qilin und sinojapanisch Kirin) und insbesondere "Zakur". (Warum nur? Warum?! ...Kann's mir in Anbetracht des anderweitigen Achtens auf Plausibilität nur so erklären, dass es irgendein Verantwortlicher im Lektorat tatsächlich mit der verschollenen Stadt verwechselt hatte, und man sich im Nachhinein ausgesprochen ignorant dachte "Egal, wir erratieren das nicht." Ich möchte einen Vokal kaufen. Irgendeinen Vokal!) Es schrammt somit momentan haarscharf an dem Status eines uneingeschränkt großartigen Settings vorbei. (Randnotiz: Ich bin kein Freund der anglozentrischen Hepburn-Umschrift und seiner Varianten, aber man muss sich wohl oder übel damit abfinden, dass das dominiert. Was mir allerdings sauer aufstößt, ist, dass man sich ausgerechnet für die Proletarierversion entschieden hat, die bei dreieinhalb von fünf Vokalen auf keinerlei Weise anzeigt, wenn sie lang sind.) Zhoujiangs dreigeteilte politische Situation wiederum ist ausgesprochen interessant, aber jegliche Immersion zerschellt ob des sprachlichen wilden Durcheinanders in dreizehn mal dreizehn Scherben - sowohl die Namen der Dreizehn Tiergeister als auch Toponyme und Anthroponyme sind (zudem ohne irgendein erkennbares Muster) teils chinesisch, teils japanisch, teils irgendwas Anderes und teils deutsch übersetzt. Und bevor mir das wer mit regionalen Sprachen zu rationalisieren versucht: Erstens würden sich Zentralregierung und Staatsreligion nicht drum scheren, und zweitens sprechen zu meinem persönlichen Schrecken offiziell sogar in allen drei genannten Nationen bis auf den Schwertalbenadel alle die gleiche Sprache, was höchst unerfreuliche Erinnerungen an "Italienisch? Spanisch? Gälisch? Slawisch? Egal! Alles auch Garethi!" weckt. ...Ich wünsche mir doch bloß Respekt gegenüber fremden Sprachen. Ist das denn zu viel verlangt?
P.S.
Eigentlich will ich mich ja nicht wieder groß über die absolute Zwergengröße Aventuriens und die relative Riesengröße des Mittelreichs aufregen, aber nachdem er angesprochen wurde: Grob gesagt - sie überschneiden sich etwas - finde ich die erste Hälfte bedeutsamen DSA4.1-Metaplots (Königsmacher, Drachenchronik) großartig und die zweite Hälfte (Mondenkaiser, Splitterdämmerung) besch... eiden.