Und das ist halt das Problem: Anders als bei Pathfinder, wo durch die Klassen mehr oder weniger vorgegeben wird, dass jeder Spielercharakter etwas im Kampf leisten kann (für gewöhnlich), kann man in Splittermond einen Charakter bauen, der vielleicht der größte Architekt der Welt ist, aber sich im Kampf nicht mit entsprechenden Monstern anlegen oder die Illusionen eines Feenherrschers durchschauen kann.
Ich sehe hier absolut kein Problem, sondern einen riesigen Vorteil. Es stimmt, in Pathfinder beispielsweise ist jeder SC auch irgendwo "kampfbegabt". Zwar kann man sich noch immer zB einen Barden ausstellen, der nur sehr mäßig mit einem optimierten Kämpfer oder Magier mithalten kann, aber zumindest kann er mit einigen Standardgegnern im Kampf ganz gut mithalten. Die Frage ist aber, ob das überhaupt wünschenswert ist. Warum sollte man einen Spieler dazu
zwingen wollen, egal wie er sein Charakterkonzept anlegen möchte, trotzdem immer zumindest einen mittelmäßig begabten Kämpfer zu spielen? Es ist doch großartig, dass man in Splittermond die Wahl hat, ob man seinen Angriff und seine LP steigern will oder nicht und ob man Manöver oder kampfrelevante Zauber lernen möchte. Warum sollte man die Spielerschaft gezielt einschränken, indem man von den Generierungsregeln her nur noch Charakterkonzepte erlaubt, die zumindest mittel kämpferisch daherkommen?
Anders als Pathfinder ist Splittermond weit weniger stark auf Kampf ausgerichtet und bietet in vielen Bereichen interessante Regelungen, auf die in kampfbetonteren RPGs gar nicht oder meist eher schlecht eingegangen wird.
Eine meiner Gruppen hatte jetzt glaube ich seit 6 oder 7 Sitzungen keinen Kampf, dafür aber Verfolgungsjagden, soziale Konflikte, u. a. die wir dank den Splittermondregeln nicht handwedeln mussten. Und es war spannend und kurzweilig. Das einzige was man als SL in meinen Augen machen muss, ist den Spielern beim Generieren ihrer SC klarzumachen, dass sie eben keinen reinen D20-Klon spielen, sondern sie selbst bestimmen, auf welche Bereiche sie ihren Fokus legen. Und wenn da Kampf gezielt nicht dabei ist, dann passt das doch auch.
In Prinzip kann man einen vollgemaxten Kämpfer nur sagen: "Herzlichen Glückwunsch, du bist nun einer der stärksten Figuren in der Welt. Für dich gibt es einfach keine Kämpfe mehr."
Sprich, wenn man Spaß auf Kämpfe in Splittermond hat, darf man sich NICHT spezialisieren! Und das ist natürlich kontraintuitiv.
Auf der anderen Seite steckt da auch eine gewisse Freiheit dahinter: Gerade weil hohe Kampfwerte gegen den Spielspaß wirken, kann man sich ab einen gewissen Punkt als Spieler entspannt zurücklehnen und andere Bereiche des Charakters ausbauen.
Auch das sehe ich tendenziell anders. Selbstverständlich kann es sein, dass ein SC so kampfstark ist, dass normale "Schergen" kaum noch eine Gefahr für ihn darstellen (Überzahl, Taktische Vorteile, Lücke suchen, Zusammenarbeiten, usw. nicht vergessen!). Aber deshalb gibt es doch trotzdem noch spannende Kämpfe für ihn. So wie einer der drei Musketiere eher locker gegen ein Dutzend von Richelieus Handlanger auftrumpfen kann, so stellt für ihn zB Rochefort definitiv einen gleichwertigen Gegner dar. Gerade in Splittermond kann es immer Kreaturen geben, die bessere Kampfwerte als ein noch so spezialisierter Kämpfer haben. Und das gilt selbstverständlich auch für humanoide NSC.
Und ich glaube, dass viele, die die Kampffähigkeiten ihrer SC maxen genau das möchten: Gegen Standardgegner auftrumpfen können und erst in kampfstärkeren NSC einen würdigen Gegner finden. Sicher muss dann nicht mehr jeder Kampf gegen 3 Wegelagerer ausgespielt werden, wenn die SC auf HG4 sind - aber trotzdem kann es auch sein, dass mal ein Splitterträger und erfahrener Haudegen ein Dutzend Banditen anführt, die locker auch für einen optimierten HG4-Kämpfer eine echte Herausforderung sein können.
Warum sollte man also die Abenteurer künstlich klein halten, indem man nicht erlaubt, dass ein auf Kampf ausgelegter SC relativ einfach mit Standardgegnern fertig wird? Ich finde nichts frustrierender im Rollenspiel, als einen Spezialisten (egal in welchem Gebiet) zu spielen, der sich dann trotzdem kaum von der Masse abhebt, obwohl man jeden verfügbaren EP dafür aufwendet und ohnehin in allen anderen Bereichen das Nachsehen zu haben. Nein, Splittermond macht hier mAn alles richtig, indem es dem Spieler erlaubt, genau
das Charakterkonzept zu spielen, das er möchte - ohne ihm künstlich Bereiche aufzuzwingen, in denen er gar nicht gut sein will. Und wer möchte, kann gerade in Splittermond locker neben seiner Hauptspezialisierung noch ein anderes Gebiet auf mindestens durchschnittliche Werte steigern - ob das nun Kampf ist oder nicht, bleibt dem jeweiligen Geschmack überlassen. Finde ich gut!