Schon die meisten Rollenspieler spielen ihre menschlichen Charaktere unmenschlich, oder sollte man eher sagen, übermenschlich. Sich von einer Massenpanik anstecken lassen, Fluchtimpuls, selbst die eigenen Freunde tot trampeln, lehnt man als Spieler natürlich zu gerne ab, ebenso Mordgelüste im Hungerdilerium.
Spieler richten Charaktere todesmutig auf Schadensmaximierung aus, statt dem eigenen Selbsterhaltungstrieb folgend zunächst einmal die Verteidigung in den Vordergrund zu setzen. Jede Kampfkunst der Welt, von der ich je gehört habe, lehrt primär einen Kampf möglichst unbeschadet zu überleben, der Schaden am Gegner ist zweitrangig. Wer einen Gegner bezwingt, aber selbst schwere Verletzungen davon trägt, hat den Kampf nicht gewonnen, sondern nur etwas weniger Verloren als der andere.
Eine Armbrust ist auf den Charakter gerichtet, um ihn in Schach zu halten, aber weil man auch einen maximalen Schadenswurf überleben würde, tut man etwas eigentlich ziemlich dummes.
Im realen Leben ist es so, dass jeder Mensch irgendwie lügt, mal mehr, mal weniger, um diese Bedürfnisse zu befriedigen. Ich kann aber zum Beispiel eine Figur darstellen, welche im Spiel niemals lügt, oder auch nur versucht, die Wahrheit hinter Mehrdeutigkeiten zu verbergen, selbst wenn es mit allen anderen Bedürfnissen kollidiert und die Figur oder die Figuren der Mitspieler tötet. Ein solches Verhalten ist ziemlich unmenschlich.
Im Grunde geht es Menschen wie anderen uns bekannten Lebewesen um zwei Grundbedürfnisse: Selbsterhaltung und Vermehrung. Alles andere lässt sich davon ableiten, unterschiedliche Spezies haben nur unterschiedliche Strategien entwickelt. Fremdartigkeit stammt aus diesen unterschiedlichen Strategien:
Schwarm- bzw. Herdentrieb, Rudelverhalten, Individualismus. (Menschen zeigen am ehesten Rudelverhalten mit starken Tendenzen zum Individualismus)
Herbivor oder Carnivore (Omnivore sind vom Verhalten eher Carnivore, neigen also eher zu Aggressivität, um Ziele zu erreichen)
Bevorzugter Lebensraum (aus pragmatischen Gründen sollten natürlich alle Spielerrassen einen gemeinsamen Lebensraum teilen)
Eine Insektenrasse könnte zum Beispiel in ihrem Verhalten mehr zum Schwarmverhalten tendieren, sich also mehr vom Individualismus entfernen und die Gruppe als wichtiger als das Individuum betrachten. Zeigt ein menschlicher Charakter Unruhe und Aggressivität, übernimmt man mit seinem insektoiden Charakter dieses Verhalten sehr viel leichter, als man es mit einem menschlichen Charakter tun würde. Man akzeptiert die Autorität des Anführers, ohne sich, wie im Rudel eher üblich, auf Stellungskämpfe einzulassen.
Jede dieser Verhaltensweisen ist auch durch einen Menschen darstellbar, aber für einen Menschen sind sie oft nur fragile Masken, welche zusammenbrechen, sobald man ihn unter Druck setzt. Dann verliert auch der im professionellen Verhältnis dienstbarste Butler im privaten Umfeld mal die Geduld mit anderen Menschen und sagt "Ihr könnt mich mal".
Da ich mich als Rollenspieler aber selten unter Druck gefühlt setze und auch dem Ableben meines Charakters relativ entspannt entgegen sehe, kann ich die Maske im Spiel besser aufrechterhalten, als die vielen Masken meines alltäglichen Lebens.
In diesem Falle möchte ich aber gerne mal die Frage in den Raum werfen, warum man eine neue Spezies braucht, wenn man eigentlich nur eine "andere" Kultur spielen möchte?
Das meine ich jetzt nicht als rhetorische Frage! Es würde mich wirklich gerne interessieren, warum "nicht modernes, europäische" Denken nicht einfach kulturell, sondern unbedingt durch natürliche Gründe erklären muss.
Brauchen tut man sie nicht. Ein Mensch braucht ja auch nicht Hemden in 5 verschiedenen Farben und Schnitten. Aber vielleicht möchte er sogar mal einen Kimono statt eines Hemdes anziehen.