Autor Thema: Religionen im Rollenspiel & SpliMo  (Gelesen 8934 mal)

rettet den wald

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Re: Religionen im Rollenspiel & SpliMo
« Antwort #15 am: 26 Okt 2014, 15:49:18 »
Witzig - genau zu dem Thema "Haben die Götter fehlerfreies Wissen über die Zukunft?" haben wir eifrig diskutiert und uns sehr viele Gedanken gemacht - gerade auch in Hinblick auf das Orakel in Ioria :)

Ok, genial.

Ich persönlich bin ziemlich neugierig, was für Gedanken ihr euch da so gemacht habt. :)
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maggus

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Re: Religionen im Rollenspiel & SpliMo
« Antwort #16 am: 26 Okt 2014, 16:34:56 »
Ich halte aber generell Vergleiche mit großen irdischen Religionen für wenig zielführend, auch weil Fantasygöttern selten Allmacht und absolute Unendlichkeit zugesprochen wird.

Zustimmung - sofern wir auf die Erde des 21. Jahrhunderts blicken. Die Religion auf Lorakis entspricht mMn der antiken Religiosität  (vor allem, aber nicht nur, der europäischen Antike).

Anders formuliert: Religiös ist bei Splittermond alles möglich, was vor den großen Weltreligionen existiert hat. Damit verbieten sich umfassende Religionen eines monotheistischen Allmachtsgottes (Juden, Christen, Moslems) genau so wie die ebenfalls allumfassenden Religionen des ewigen Weltgesetzes (Brahmanismus, Buddhismus). Passen würden vielleicht noch der  japanische Shintoismus oder der chinesische Daoismus, die beide auf ihre eigene Art einen göttlichen Pantheon haben. Aber da kenne ich mich zu wenig aus.

Ein wesentlicher (wenn auch nicht einziger) Unterschied zwischen den heutigen Weltreligionen und der antiken Religiosität ist der Allmachts-Glaube bzw. das Wissen um die letzte Ursache (was letzten Endes auf dasselbe hinausläuft). Jesus und Buddah und wie sie alle hießen haben sich hingestellt und die letzte Wahrheit verkündet. Das gab es im antiken Götterglauben nicht (lassen wir mal die Kleinreligionen wie die Zarathustrier oder Juden außen vor). Die antiken Götter unterlagen dem Schicksal, welche Form es auch immer angenommen hat, und waren selbst weder ewig noch unfehlbar. Sie waren nur übermenschlich mächtig, aber eben nicht allmächtig.

Und vor diesem Hintergrund mächtiger, aber nicht allmächtiger Götter lassen sich ganz wunderbare Abenteuer und Geschichten ersinnen. Da reicht dann ein Blick in die Mythologien der alten Griechen, Kelten, Germanen oder Japaner, um jede Menge Abenteuerstoff zu bekommen. Genauso lässt sich Schamanismus, Ahnenkult oder Voodoo in die lorakische Welt transportieren, ohne dass es zu innerweltlichen Widersprüchen käme.

Für uns Mitteleuropäer mit unserer christlichen, muslimischen oder jüdischen Kultur ist das allerdings nicht ganz einfach, den latenten Glauben an einen allmächtigen Gott nicht mit an den Spieltisch zu nehmen. Ich persönlich kann mir das europäische Mittelalter ohne Christentum nur schwer vorstellen. Aber diesen Dreh zu finden kann auch einen besonderen Reiz des Rollenspiels ausmachen. Man muss nur mit dem "Chaos" der Religiosität klarkommen, das eine schier unübersichtle Anzahl an Göttern, Halbgöttern und anderen Wesen so mit sich bringt. Daher möchte ich auch mit einer schönen Un-Übersicht des Stammbaums der griechischen Mythologie enden :)

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SeldomFound

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Re: Religionen im Rollenspiel & SpliMo
« Antwort #17 am: 26 Okt 2014, 17:52:13 »
Witzig - genau zu dem Thema "Haben die Götter fehlerfreies Wissen über die Zukunft?" haben wir eifrig diskutiert und uns sehr viele Gedanken gemacht - gerade auch in Hinblick auf das Orakel in Ioria :)

Wobei ich das eher so sehe, dass die Götter solche Fragen nach der Zukunft wohl am ehesten dazu nutzen werden, um den Fragesteller für ihre Zwecke zu manipulieren.

Im Prinzip denke ich auch nicht, dass man die Fragen an das Orakel wie Horoskope benutzt, sondern dass man stattdessen überprüft, ob man bei einer bestimmten Unternehmung die Götter auf seine Seite hat.

Und dabei darf man nicht vergessen: Die Götter in Lorakis sind ja auch für natürliche Phänome wie das Wetter zuständig. Es ist relativ leicht die Zukunft vorherzusagen, wenn man sie selbst macht!


PS: Nur um kurz meine Ansichten über Götter deutlich zu machen, ein Gott oder eine Göttin zeichnet sich für mich dadurch aus, dass sie mindest eine der folgenden drei Qualität besitzt:

1) Der Gott oder die Göttin hat oder kann etwas aus dem Nichts erschaffen.

2) Der Gott oder die Göttin bestimmt oder IST das Naturgesetze für ein bestimmtes Phänomen

3) Der Gott oder die Göttin sind der Gipfel der Perfektion in einer bestimmten Tätigkeit (der ultimative Kämpfer, Dieb, Händler, Magier etc.)


Dazu muss man bei 2) oder 3) sagen, dass die Macht eines Gottes durchaus lokal eingeschränkt sein kann, aber innerhalb seines Machtbereiches ist sie vollkommen. Der Gott mag nur über eine Fläche in der Größe eines Tümpels seine Macht haben, aber innerhalb dieses Bereiches ist er so gut wie unbesiegbar.
« Letzte Änderung: 26 Okt 2014, 17:54:52 von SeldomFound »
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Re: Religionen im Rollenspiel & SpliMo
« Antwort #18 am: 28 Okt 2014, 15:55:10 »
"Religion ist Opium für das Volk" - gilt auch für's Rollenspiel - ABER "Glaube" ist eine Menschliche Notwendigkeit.
Trennt die "menschengemachte Religion" von "Glaube/Spiritualität/WhateverUnameIT", dann wird es leichter darüber zu reden.
Ich bin der Sand im Getriebe - ich kommentiere - ich kritisiere - ich phantasiere
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Re: Religionen im Rollenspiel & SpliMo
« Antwort #19 am: 29 Okt 2014, 19:54:23 »
Ich würde vor allem trennen zwischen dem, was die Götter wirklich sind (und wer weiß das schon) und dem, was die Gläubigen über sie wissen (oder zu wissen glauben). Und voilà - schon hat man in einer Welt voller real existierender Götter sehr wohl jede Menge Möglichkeit, Dinge zu glauben oder es zu lassen.

Und was das Orakel angeht: Warum sollten die Götter denn überhaupt perfektes Wissen über die Zukunft haben? Allmächtige Götter gibt es doch auf Lorakis nicht. Sogar wenn sie irgendeinen Fakt wirklich, wirklich schaffen wollten, könnte ihnen doch jemand (und wenn es ein anderer Gott ist) in die Suppe spucken.

Finarfin

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Re: Religionen im Rollenspiel & SpliMo
« Antwort #20 am: 09 Nov 2014, 17:35:26 »
Ich denke das Konfliktpotential ist tatsächlich geringer als im echten Leben.
Hierzulande ging es oft darum, wer nun "recht" hat.
In Lorakis hat jeder Glaube recht, denn Götter sind real. Die Toleranz anderen Göttern gegenüber ist in den meisten Regionen sehr hoch, es ist fast egal wen man verehrt. In klassischen SC-Gruppen ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass jeder eine andere Gottheit verehrt, und es ist eigentlich ziemlich egal, wer diese Götter nun sind.
Wobei eine völlige Konfliktfreiheit auch wieder Plotideen kaputtmacht. Ich halte es für gut, wenn sich die meisten Kulte - unabhängig von den dahinterstehenden Gottheiten - zwar verstehen, einige aber gerne auch streiten, weitere sich hassen, alles regional noch verschoben.
Im Rahmen einer henotheistischen Idee kann auch in einer Vielzahl von Göttern eine Gottheit - bzw. der Kult einer Gottheit - den Anspruch der alleinigen korrekten Verehrung erheben. Die anderen Götter existieren, aber nur unser Gott ist auch verehrungswürdig!
Zudem kann es innerhalb der Anhängerschaft eines Gottes konkurrierende Kulte geben oder auch eine Frage um die korrekte Verehrungsform. Gerade wenn es sich um einen Staatskult handelt - wie bei nahezu allen antiken Religionen - gibt es einen klaren Zentralisierungsimpuls.
Im antiken Israel wurde ursprünglich weniger die Existenz von Astarte, Baal und Moloch bestritten, als vielmehr deren Verehrungswürdigkeit. Zusätzlich versuchten mehrere Könige, allein den Jerusalemer Tempel zum legitimen Kultort zu erklären und die Anbetungsstätten "auf den Höhen" zu beseitigen, obwohl auch dort JHWH verehrt wurde.
Auch das römische Reich war voll von religiöser Intoleranz. Zwar gab es keine Beschränkung, wen man verehrt, aber es war klar beschränkt, wen nicht zu verehren legal war. Die Staatsgötter, die zuerst den König, später Senat und Volksversammlung und zuletzt den Kaiser legitimiert haben, MUSSTEN von jedem verehrt werden. Griechenland war nicht besser, Sokrates wurde u.A. wegen Götterlästerung angeklagt und verurteilt - auch wenn er zugegebenermaßen selbst schuld war, dass es am Ende auf ein Todesurteil hinaus lief.
Eine bestimmte Richtung im Dionysos-Kult wurde u.a. bekämpft, gejagt und getötet, weil diese ihre Kultfeiern in geschlossenen Räumen durchführten, was damals als Schuldeingeständnis galt Wenn die nichts zu verbergen haben, warum verbergen die sich dann hinter Türen? Also machen die da etwas Schlimmes! LOS! TÖTET SIE!!!!!

Bezug zu SpliMo:
Wenn es einen zentralen Staatskult gibt, kann man entsprechende antike Elemente gut einbauen:
Wenn Yonnus der Staatsgott Selenias ist, dann MUSS er - ggf. - verehrt werden; der den Kaiser legitimierende Kult schreibt zudem die konkrete Verehrungsform vor, von der nicht abgewichen werden darf. Möglicherweise ist in Sarnburg der Yonnus-Tempel der einzige legale Tempel. Möglicherweise gibt es im Volksglauben eine Ehefrau des Yonnus, deren Existenz - der Frau oder der Ehe - die Priesterschaft in Sarnburg leugnet und bekämpft, schließlich ist es ein Machtfaktor, Staatkult zu sein, ein Vorteil der verteidigt und ausgebaut werden will.
Vielleicht ist es illegal, als Nichtpriester Gebete an Yonnus zu richten - ein Gebetsmonopol dürfte die Menschen abhängiger von der Priesterschaft machen, was deren Macht stärkt.
Ich wiederhole: KANN GEGEBENENFALLS MÖGLICHERWEISE VIELLEICHT

Ich finde, dass auch für solche Konzepte Platz bei Splittermond sein muss! Gerade, wenn man solche Erscheinungen nicht institutionalisiert, sondern regionalisiert, kann man damit gut spielen. Nur, weil der Yonnus-Kult in Sarnburg so drauf ist, heißt das nicht, dass der Yonnusanhänger in der SC-Gruppe so drauf ist. Vllt. hat er selbst Angst vor dem Kult in Sarnburg, weil die ihn dafür bestrafen wollen würden, dass er privat zu Yonnus betet, oder Schafe opfert statt der befohlenen Stiere ...

Fadenweber

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Re: Religionen im Rollenspiel & SpliMo
« Antwort #21 am: 09 Nov 2014, 19:30:12 »
Wobei eine völlige Konfliktfreiheit auch wieder Plotideen kaputtmacht.

Weswegen in Splittermond auch beides möglich ist. Es gibt eine hohe Grundtoleranz, die das Zusammenleben und -arbeiten in den allerallermeisten Spielrunden und von diesen ausgehend mit vielen, vielen Auftraggebern und Schutzbedürftigen ermöglicht und fördert. Es gibt aber auch Glaubensinhalte und Strukturen, die Konflikte mit sich bringen - verbotene Kulte, rivalisierende Kultformen und Sekten. Beides bauen wir auch schon so in Publikationen ein, dass man ein buntes Gesamtbild bekommt. Im Szenario "Ein Licht in dunkler Nacht" (http://splittermond.de/wp-content/uploads/2013/12/Splittermond_Weihnachtsgeschenk.pdf) freuen sich die NSC-Dörfler bei einer Feier über den Segen auch fremder Priester, wenn ihnen deren Götter wohlmeinend und segensreich erscheinen - solange sie dafür den eigenen nicht abschwören sollen. Im Weltband gibt es u.a. ein Beispiel für die (nicht gerade friedliche) Ablösung eines Staatskults durch einen anderen (im Shahirat Demerai). In Midstad spaltet das Verbot des Hekaria-Kults regional den Adel und dann nochmal Adel und einfaches Volk. Jesavis-Kirche und Uryat-Kult sind weitere Beispiele für verbotene Glaubensrichtungen. Viele Kulte sind dezentral und unhierarchisch organisiert. Die Seealben respektieren anderer Leute Götter, wollen ihr eigenes Pantheon aber eifersüchtig für sich behalten (sozusagen inverse Missionierung ;) ). Usw.
« Letzte Änderung: 09 Nov 2014, 19:32:10 von Fadenweber »