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« am: 29 Aug 2018, 18:04:00 »
Phönix und Affe ist der erste Splimo-Roman, den ich nicht nur rudimentär verfolgt, sondern komplett gelesen habe, und zwar ganz einfach deshalb, weil es der erste Splimo-Roman ist, den ich ernsthaft lesen wollte. Das lag teilweise am offensichtlichen Genre, teilweise an einer durchscheinenden Konzeptualität (die Wahl des Titels!) sowie einigen interessanten Herangehensweisen, von denen ich in den sozialen Medien Wind bekommen habe, teilweise aber auch ganz stumpf am Setting, da ich mit am Zhoujiang-Band geschrieben habe und insofern mindestens etwas voreingenommen bin. Generell lese ich aber schon seit langem keine Fantasy mehr, wenn auch nicht aus Überzeugung, sondern aus "zu wenig Zeit, zu viel Stuff" und einem Job heraus, der es erfordert, viele andere Dinge zu lesen. Deshalb habe ich auch hier etwas gebraucht. :<
Das war jetzt also der Disclaimer! ;P
Wie es geschrieben ist
Das Buch liest sich grundlegend sehr angenehm. Die Beschreibungen faszinieren, weil sie genau den richtigen Umfang haben. Die Dialoge sind lebendig, beim näheren Hinschauen vielleicht sogar glaubwürdig: Anfangs etwas schwierig zu greifen – die Klischees "fehlen" eben –, im Laufe des Buchs aber zunehmend nachvollziehbar; nicht weil sie besser geschrieben wären, sondern weil man die Charaktere kennenlernt und versteht, wie sie sprechen (oder auch nicht 8D). Gerade Ming-Na hatte diesen Effekt bei mir, denn spätestens in Palitan habe ich mehr als genug von der Pubertät gehört, die mich am Anfang noch überrascht hat. Zhihous "Sprache" ist wie schon im Thread angemerkt sehr engagiert umgesetzt, auch wenn es mir zeitweise etwas "gimmicky" vorkam. Man merkt sozusagen, dass hier an erster Stelle eine Idee stand, keine organische Entwicklung. Störend fand ich das aber nicht, nicht zuletzt weil dieses Genre nun mal mit starken Ideen und Klischees spielt, bis sich alles biegt und bricht. Umso schöner, dass sie sich in diesem Buch eher auf der Oberfläche abspielen, während die Charaktere deutlich "echter" herüberkommen!
Ein bisschen muss man sich sozusagen drauf auflassen, hier eine Wuxia-Kung-Fu-etc-Geschichte zu lesen, und diese Aussage packe ich auch direkt mal in eine neue Zeile, weil ich mir gut vorstellen kann, dass sie für einige Leute einen wiederkehrenden Kritikpunkt darstellen könnte. Ich habe genau das aber durchaus genossen.
Hin und wieder haben die detailliert beschriebenen Kämpfe meine Aufmerksamkeit verloren, was nicht am Detailgrad liegt, sondern daran, dass ich als alternder Millenial vielleicht doch einen Tacken mehr Leserfreundlichkeit benötigt hätte, ein bisschen mehr Wiederholung und Absicherung, ein bisschen Idiotensicherheit eben. So richtig verwunderlich ist das Ganze aber nicht, weil nun mal jede Bewegung von Dynamik und Drama getragen wird, und da kommt der Schreibstil nicht immer ganz hinterher. Ich möchte hier aber die Wörter "hin und wieder" betonen, denn im Großen und Ganzen passen die Kämpfe nicht nur zum Genre, sondern sind auch noch spannend und kreativ inszeniert. Und das liest sich (meistens) auch so. Lustigerweise habe ich auch bei den Nebenfiguren gerne mal den Überblick verloren, was einerseits eine persönliche Schwäche ist (ich hatte eine MENGE Spaß an George R. R. Martin ~_~), andererseits aber auch durch den einen oder anderen Nebensatz hätte abgefedert werden können: "[...], ihre alte Meisterin", "[...], der große Tiergeist der Spinne" usw.
Hin und wieder hatte ich vor diesem Hintergrund auch den Gedanken, dass das hier ganz schön harter Stoff sein könnte, wenn man nicht mit Lorakis oder Zhoujiang vertraut ist ... Das ist aber natürlich nur eine Vermutung, und vielleicht ist gerade dieser Overkill an fremdartigen Konzepten und Namen auch ein Teil der Faszination für viele Unbedarfte. Würde mich interessieren!
Was es mit Splittermond zu tun hat
Eine Menge? Holy fuck, dieser Roman ist ja mal so richtig schön Splimo, oder noch spezifischer, so richtig schön Zhoujiang geworden! =D Ich habe mich definitiv etwas woozy gefühlt, weil er das Feeling dieses Subsettings so viel lebendiger und rabiat greifbarer als der Kampagnenband einfängt. Die alltägliche Magie liegt in der Luft, ohne die "richtigen" Mysterien zu entwerten. Der Einstieg im Affentempel und die anhaltend-allgegenwärtige Bedeutung der verschiedenartigen Geister sind genau das, was ich mir von einem Zhoujiang-Roman gewünscht hätte. Der Konflikt der drei Parteien schwelt stets im Hintergrund, ohne sich dabei in jedes Winkelchen der Story quetschen zu müssen. Es bleibt Raum für Setting, für massenhaft offene Fragen, für eigene Abenteuer. Die Mentalität der Zhoujiangis, die im Kampagnenbuch vielleicht eine halbe Seite einnimmt, wird immer wieder direkt angesprochen oder subtil eingebunden. Die Spinnenprovinz? Einfach nur nice. Teilweise fühlt es sich fast schon wie ein Road Trip durch unser Setting an, was ja auch im vielfachen Sinne Sinn macht.
Auch der Power-Level der beteiligten Charaktere entspricht größtenteils dem Splittermond in meinem Kopf. Jemand hatte hier zwar schon angesprochen, dass die Bedrohung durch die Gegenspieler deutlicher oder bedrohlicher sein könnte (Ich stimme zu und ergänze: Zu viele chaotische Großkämpfe, zu wenige Duelle, zumindest für das Genre!), aber beim Lesen hat mich das nicht wirklich gestört. Ist sicher auch eine Konsequenz daraus, dass sich die Antagonisten trotz deutlich geklärter Fronten nicht unbedingt wie solche lesen – was ich sehr angenehm finde! Selbst Xitinhis Soldatenbegleiter mochte ich am Ende irgendwie, obwohl er wahrscheinlich drei Zeilen Dialog und vier Zeilen Beschreibung hatte.
Dicke Kudos übrigens auch für die Darstellung der Triaden und ihrer Oberhäupter, sowie der prekären Balance, solche für das Setting essenziellen Charaktere sinnvoll in die Story einzubinden, sie aber weder unfähig, noch wie unantastbare "Meister-NSCs" (lol) erscheinen zu lassen. Das war so richtig fantastisch! =D
Es gibt ein paar Details, die den Kampagnenband zumindest ... interpretieren, aber ich werde mich hüten, sie zu kritisieren, da ich sie tendenziell ziemlich cool finde und mir nicht mal 100% sicher bin, ob wir sie alleine durch die Weltredaktion bekommen hätten. 8D
Wie es seine Geschichte erzählt
Die Story lebt von der Reise, Wuxia eben, und durch die vielen Schauplätze mit ihren Besonderheiten und die vielen kleinen Mysterien funktioniert das für mich auch ganz hervorragend. Der seichte Humor und die süßen Beziehungshiebe hier und da helfen ebenfalls; auch wenn sie maaaaanchmal noch einen kleinen Tacken organischer kommen könnten.
Was die Gesamtstruktur und das "große Mysterium" angeht ... hm. Hier tue ich mich etwas schwerer mit einer Einschätzung. Ich habe erst überlegt, (wie schon jemand vor mir) die Spannungskurve zu kritisieren, da es eine lange Strecke gibt, auf der man nicht wirklich viel Neues erfährt, aber ehrlich gesagt hat mich das kein bisschen gestört, und ich halte nichts davon, etwas nach Schema F zu bewerten. Reden wir also lieber über etwas, das mich gestört hat! (So ein bisschen zumindest.) Spoiler!
Die Auflösung um Ming-Nas "Identität" funktioniert, aber nur haarscharf. Ich hatte so etwa zwei bis drei Seiten, auf denen der Deus-Ex-Machina-Alarm in meinem Hinterkopf ziemlich schlimm herumgeheult hat, und zwar nicht, weil Hüeng ein ziemlich fetter "Deus" ist, sondern weil uns die Romanmaschine davor ziemlich deutlich in die Richtung einer größtenteils weltlichen Auflösung um familiäre Herkunft, politische Doppelgänger u.ä. stupst. Natürlich gibt es immer eine übernatürliche Komponente, aber "Ming-Na ist ein großer Geist, tja!" legt dann doch schon ein paar Schippen oben drauf. DASS der Phönix für mich persönlich am Ende, nach diesen drei Seiten, doch noch funktioniert hat, ist wiederum eine große Errungenschaft der Autorin: Sie hat erfolgreich eine Welt beschrieben, in der das Eingreifen eines Geistes nicht billig wirkt, sondern wie selbstverständlich passt, in der es den großen Affen am Anfang und den Krebs in der Mitte spiegelt, und natürlich alles um Lia-Anh. Dicken Respekt dafür! Man kann sich halt streiten, ob die weltlichen Dinge um Ming-Na nicht ein bisschen zu aufdringlich waren, aber das Gesamtbild hält so oder so.
Oh, und ich mag das offene Ende! Man kann es als "Der Weg ist das Ziel!" lesen, was in diesem Genre abermals komplett Sinn macht, man kann aber auch auf einen Nachfolgeroman hoffen, dann sicherlich mit dem Geisterdrachen oder ähnlich mächtigen Gegenspielern. Xitinhi ist an dieser Stelle ja höchstens noch ein/-e Antiheld/-in, was natürlich auch sehr cool werden kann. Sie/er hat auch den einzigen Storystrang, der für meinen Geschmack einen Tacken zu offen bleibt. Hier hätte ich gerne einen Epilog gelesen, nicht zuletzt, um einem Charakter mit so offensichtlich progressiv motivierter Entstehung einen gewissen Endpunkt zu geben. Dann wiederum: Vielleicht ist diese absolute Offenheit ja auch genau der richtige Endpunkt.
Fazit: Insgesamt habe ich Phönix und Affe sehr genossen, und genau das ist der Punkt. Der Roman tut genau das, was er tun möchte, ohne Probleme, die ich als ernsthaft störend empfunden hätte. Im Gegensatz gibt es viele Dinge, die mich fasziniert, hier und da mitgerissen und definitiv regelmäßig lächeln lassen haben. Volle Empfehlung, wenn man etwas mit dem Genre oder Splittermond im Allgemeinen anfangen kann!
Btw, eine lächerliche Detailfrage spukt mir schon seit Stunden durch den Kopf: Welche Überlegungen standen dahinter, das Buch nicht "Affe und Phönix" zu nennen? (Vom Klang wäre das eindeutig besser gewesen, würde ich persönlich sagen.) Ist es die Konzeptualität des Phönix als erstem der Tiergeister? Hat es was mit der Platzierung der Hauptfiguren und ihrer Beziehung in der Geschichte zu tun? Gibt es einen ganz anderen Grund, den ich noch nicht sehe?! xD''