Ach, es war ohnehin mal wieder Zeit für einen Thread über das Thema
Ernsthaft, du kannst dir vermutlich nicht vorstellen, wie oft wir das sowohl im Team als auch in der Community (gerade während des Beta-Tests) besprochen haben
Du kannst die Fertigkeitsanzahl und die Existenz gruppierter Fertigkeiten gerne als "katastrophal" und "ganz schlechtes Design" ansehen - das klingt so absolut, dass ich hier deine Meinung sicher nicht ändern kann und das auch gar nicht versuchen werde.
Aber ich kann ein bisschen auf den Hintergrund eingehen.
Auf den ersten Blick mag die Aufteilung der Fertigkeiten teilweise willkürlich wirken. Manche recht speziellen Dinge bekommen eigene Fertigkeiten (Kettenwaffen, Schwimmen), andere werden stark zusammengefasst (Handwerk, Edelhandwerk, Darbietung).
Man kann Fertigkeitssysteme prinzipiell immer weiter aufspalten. Man kann zwischen Handwerk und einzelnen Handwerken (Schmiedekunst, z.B.) trennen. Man kann aber auch Schmiedekunst in Waffenschmied, Rüstungsschmied und Grobschmied auftrennen. Den Rüstungsschmied kann man wieder in Plättner, Kettenrüster und weiteres auftrennen. Und so weiter und so fort.
Das funktioniert auch in die andere Richtung. Man kann natürlich Athletik und Akrobatik zusammenlegen. Man kann auch Schwimmen noch mit reinnehmen. Jagdkunst, Überleben, Naturkunde - passt auch in eine Fertigkeit. Am Ende kommt man bei sehr abstrakten Überkategorien an, die sich im Grunde auf die Attribute runterbrechen lassen.
Ich will hier lieber nochmal betonen, dass ich nicht behaupte, dass du das vorgeschlagen hast. Ich schreibe das als Einleitung, um deutlich zu machen, dass die Granularität des Fertigkeitssystems alles andere als selbstverständlich oder auch nur trivial ist. Man muss sich für eine "Zoomstufe" entscheiden, die man einhalten möchte.
Das Fertigkeitssystem (und gerade die Waffenfertigkeiten) hat einige Iterationen hinter sich. Es gab Entwürfe mit wesentlich mehr Fertigkeiten, es gab andere Entwürfe mit deutlich weniger Fertigkeiten oder anders aufgeteilten Fertigkeiten.
Die Entscheidung, welche Fertigkeiten wir aufnehmen, welche wir eventuell aufspalten oder welche wir zusammenlegen, folgte dabei einer ganz bestimmten Maxime: Der Spielrelevanz. Natürlich ist das auch eine subjektive Einschätzung, die wir gar nicht als absolute Wahrheit hinstellen wollen. Unser Leitmotiv war aber, dass jede Fertigkeit, wirklich
jede einzelne Fertigkeit, in Abenteuern relevant einsetzbar sein sollte. Und damit meinten wir nicht die Eins-in-einer-Million-Chance, dass irgendwann mal in einem Abenteuer ein Kuchenbackwettbewerb vorkommt, sondern "klassische" Fantasyabenteuer.
Als wir uns dieses Leitmotiv überlegt haben, haben wir für uns einige "Grundsäulen" festgelegt, die klassische Fantasyabenteuer ausmachen. Kampf, beispielsweise, ist eine dieser Grundsäulen, Wildnisreisen eine andere, Magie eine dritte, Heimlichkeit und Diebeskunst eine vierte.
Ausgehend von diesen Grundsäulen haben wir verschiedene Charakterkonzepte entwickelt, die entweder eine dieser Säulen vollständig verkörpern (der
Kämpfer verkörpert die reine Kampf-Säule) oder ein Hybrid zweier Säulen sind (Schattenklinge = Kampf + Heimlichkeit).
Die Anzahl der Fertigkeiten basiert darauf, dass diese Charakterkonzepte im Idealfall die gleiche Anzahl "Kernfertigkeiten" haben sollten, die sie steigern müssen, um gut zu sein. Das ist natürlich keine perfekte Mathematik, sondern mehr ein "Pi mal Daumen", manche Konzepte haben eine Fertigkeit mehr, manche eine weniger. Es geht hier ja eher um Einschätzungen.
Die Fertigkeiten sollten dabei vergleichsweise breit gefasst sein (Klingenwaffen deckt ja beispielsweise wirklich alles ab, was eine Klinge hat), aber doch eng genug, dass man nicht zum Universalgenie damit wird. Aber warum nicht? Warum wollen wir keine Universalgenies? Warum keinen "Meister aller Klassen"?
Weil ein Universalgenie in der Spotlight-Zeit meiner Mitspieler wildert. Wenn alles, was man tun muss, um ein toller Kämpfer zu werden, die Steigerung einer Kampffertigkeit ist, die alle Waffengattungen abdeckt, und dann der Erwerb von ein paar Meisterschaften, dann ist sehr schnell
jeder Abenteurer ein toller Kämpfer, weil er jederzeit das quasi "mit hochziehen" kann, während er sein eigentlichen Kernfertigkeiten steigert. Eine Konzentration auf einen reinen Kampf ergibt dann keinen Sinn. Jeder, der die Universal-Kampffertigkeit steigert, ist ein guter Kämpfer mit allen Waffen (und mit Meisterschaften ein noch besserer mit bestimmten).
Das wollen wir nicht. Es soll sich lohnen, einen Kämpfer zu spielen, der sich auf Kampf konzentriert. Es soll nicht einfach reichen, quasi nebenbei etwas mitzuziehen. Genauso wenig reicht es ja auch, eine einzige Fertigkeit zu steigern, um ein guter Waldläufer zu werden. Überleben, Jagdkunst, Naturkunde, Heimlichkeit - das ist alles dafür nötig. Natürlich kann man einen Meister aller Waffengattungen spielen, das geht sogar problemlos. Aber man muss dafür eben auf andere Dinge verzichten. Dafür hat man ein echtes Alleinstellungsmerkmal.
(Ja, ich weiß. Ein wirklich perfekter Kämpfer braucht auch Akrobatik, Entschlossenheit und Zähigkeit, aber das sind Fertigkeiten, die für ausnahmslos
jeden Abenteurer nützlich sind - und daher nicht gut als Kernfertigkeit geeignet.)
Jetzt haben wir also unsere beiden großen Leitmotive: Erstens, jede Fertigkeit soll sich am Spieltisch lohnen, indem sie gewinnbringend eingesetzt werden kann. Zweitens, das Fertigkeitssystem soll übersichtlich genug sein, um nicht einzuschüchtern, aber feingranular genug, um viele Differenzierungen zwischen den Charakteren zu ermöglichen.
So kamen wir auf die derzeitige Anzahl.
Warum aber die gruppierten Fertigkeiten? Ursprünglich hatten wir hier mehrere Fertigkeiten für diese Spezialgebiete (es gab Metallbearbeitung, Holzbearbeitung, Leder-/Stoffbearbeitung und Steinbearbeitung, zum Beispiel). Das hätte aber einen falschen Schwerpunkt gesetzt - denn wir wollen gar keine reinen Handwerker oder reine Künstler als Abenteurer, sondern "klassische" Fantasycharaktere wie Krieger und Zauberer. Darbietung, Edelhandwerk und Handwerk sind aber dennoch wichtig, um eine Fantasywelt darzustellen - nur nicht wichtig genug, dass sie ein eigenes Spezialgebiet erfordern. Gleichzeitig sind diese drei aber mit noch wesentlich gröberen Strichen gemalt als die anderen Fertigkeiten. Schon "Klingenwaffen" umfasst ein weites Gebiet, aber nichts im Vergleich zu "Darbietung". Also wollten wir hier dennoch ein System, das eine gewisse Spezialisierung ermöglicht - lange nicht so sehr wie bei den anderen Kernfertigkeiten, aber genug, dass sich zwei Darbieter deutlich voneinander abgrenzen können.
Die von uns hierfür gewählte Lösung schlecht zu finden, steht dir natürlich frei. Ich möchte aber nochmal betonen, dass man keine "bescheuerten Meisterschaften" kaufen muss, sondern ja bei Erreichen jeder Schwelle eine Meisterschaft kostenlos kriegt. Rein durch die Steigerung also kannst du dich in deinem gewählten Spezialgebiet von allen Einschränkungen befreien, ohne irgendwas dazukaufen zu müssen. Erst, wenn du darüber hinaus weitere Spezialgebiete lernen willst, musst du neue Meisterschaften erwerben.
Selbst die Spezialgebiete umfassen ja sehr breite Felder: Ein Handwerker muss nur "Schmiedekunst" erlernen, schon kann er ausnahmslos alles schmieden. Ein Barde muss nicht jedes Instrument einzeln lernen, sondern deckt mit "Saiteninstrumente" von Fiedel bis Laute alles vorstellbare ab. Und es ist ja auch nicht so, als könne man ohne diese Meisterschaften überhaupt nichts mit diesen Fertigkeiten anfangen. Die Probe gelingt oder misslingt dir immer noch so gut wie in deinem Spezialgebiet, du erzielst nur nicht so gute Leistungen darüber hinaus.
So, jetzt habe ich hier wieder ewig viel geschrieben, daher am Schluss nur noch ein paar persönliche Worte. Ich habe mich um einen neutralen und bewusst offenen Tonfall bemüht und hoffe, dass mir das gelungen ist. Falls nicht, entschuldige ich mich dafür - aber es ist immer problematisch, neutral zu bleiben, wenn einem "katastrophales, ganz schlechtes Design" vorgeworfen wird, das "den Spielern diese Fertigkeiten vermiest", indem es sie zwingt, "bescheuerte Meisterschaften" zu kaufen. Das unterstellt uns nämlich erstens, dass wir uns keine Gedanken gemacht haben, zweitens, dass wir gegen den Spielspaß unserer Spieler kämpfen, und drittens Dummheit.
Ich habe absolut kein Problem mit Kritik, ich würde mich nur freuen, wenn sie anders formuliert würde