Autor Thema: [Spielbericht] Abenteuerkampagne in Takasadu (Enthält Spoiler)  (Gelesen 6644 mal)

Takur

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Re: [Spielbericht] Abenteuerkampagne in Takasadu (Enthält Spoiler)
« Antwort #30 am: 26 Mai 2024, 02:59:37 »
Die Helden setzten bei ihren weiteren Nachforschungen auf mehrere Spuren: Zuerst wandten sie sich an ihre „Auftragsgeber“, das Adelshaus Ka. Diese sollten ihre lokalen Handelskontakte nutzen, ob irgendwo Mondstein günstig zum Kauf angeboten wurde. Wenn die Diebe ihre Beute zu Geld machen wollten, würde das eventuell Aufsehen erregen.
Gleichzeitig hörte sich Luo in dem Viertel um, wo der Überfall auf die Schmuggler stattgefunden hatte. Unterstützt von seinen eigenen Unterwelt-Kontakten hoffte er, Augenzeugen zu finden, denen während oder vor dem Überfall etwas aufgefallen war. Und der von den Dieben erbeutete Wagen und die Zugtiere konnten sich auch nicht in Luft aufgelöst haben. Die Räuber waren sicherlich in Eile und eventuell verwundet gewesen. Vielleicht war ihnen ein Fehler unterlaufen…
Tatsächlich brachte dieser Rechercheansatz den ersten Erfolg: Luo identifizierte einen Straßenhändler, der zumindest indirekt an dem Überfall beteiligt gewesen sein musste. Als er und Akira den Mann verhörten, knickte der Straßenhändler schnell ein: Er gab zu, für den zwergischen Anführer der Diebe als Späher und Helfer gearbeitet zu haben. Dieser hatte ihn schon vor einer ganzen Weile rekrutiert und für verschiedene Hilfsdienste eingesetzt. Dem Händler war die Sache allerdings jetzt über den Kopf gewachsen. Dass Blut geflossen war und er sich die Triaden zum Feind gemacht hatte, machte ihm fast genauso viel Angst, wie sein Auftraggeber. Leider konnte er nichts zu dessen Aufenthaltsort, Identität oder Verbindungen sagen. Er lieferte aber wertvolle Informationen zum Verbleib der Beute. Der gestohlene Mondstahl war in den „Gärten der Asche“ versteckt worden. Dieser Teil Palitans stand seit einer Feuerbrunst leer und war berüchtigt für das Auftauchen gefährlicher Feuergeister. Die beiden Helden schilderten dem Mann ausführlich, was ihm drohte, falls er seinen Auftraggeber warnen oder sich noch einmal in die Geschäfte der Roten Karpfen einmischen würde. Dann ließen sie ihn laufen. Beide waren zu gutmütig, um den Straßenhändler den Triaden zu überantworten oder ihn auf andere Art und Weise dauerhaft „aus dem Spiel zu nehmen“.
Ren befragte währenddessen den überlebenden Schmuggler noch einmal. Da dieser physisch und psychisch immer noch in einem sehr schlechten Zustand war, musste sie behutsam vorgehen. Vermutlich auch deshalb erhielt sie nur wenige neue Informationen. Da die drei Angreifer großzügigen Gebrauch von Blendzaubern gemacht hatten, konnte der Überlebende keine genaue Beschreibung liefern.

Die „Gärten der Asche“ erschienen als die logische Wahl für weitere Nachforschungen. Die Zeit eilte: Es war anzunehmen, dass die Diebe ihre Beute bald an einen weniger gefährlichen Ort verlagern oder von dem von Luo und Akira verhörten Straßenhändler gewarnt werden würden. Die Helden mieteten ein Boot und setzten zu dem ihnen bezeichneten Areal nördlich der Altstadt über. Die Brücken zu den „Gärten der Asche“ waren zumeist schon vor langer Zeit abgerissen oder verbrannt worden.
Eine unheimliche Atmosphäre erwartete sie: obwohl die Feuersbrunst schon vor vielen Jahren geendet hatte, roch die Luft immer noch nach Rauch. In den rußgeschwärzten Ruinen schien hier und da immer noch Glut zu glimmen. Die sonst üppig wuchernde Vegetation weigerte sich, die Straßen und Häuserreste zu überwuchern.
Bald fanden die Helden die Spuren, die die Diebe beim Transport ihrer Beute hinterlassen hatten. Freilich gab es auch noch andere, beunruhigende Fährten: große, rußgeschwärzte Pfotenabdrücke.
Kurz darauf bekamen die Helden den Verursacher dieser Spur zu Gesicht: einen wütenden Feuergeist in Gestalt einer brennenden Großkatze, der sofort angriff. Doch mit vereinten Kräften konnten die Helden den Geist rasch besiegen. Von diesem Zusammenstoß beunruhigt, folgten die Helden vorsichtig den Spuren der Diebe, die sie zu einem halb verfallenen Haus führten. Jemand hatte die Tür mit einem neuen Schloss versehen, das aber kein Hindernis für Luo war.
Die Spuren führten in den Keller, aus dem den Helden der Geruch nach altem Blut entgegenwehte. Mit gezogenen Waffen pirschten Ren, Luo und Akira nach unten, während Takur oben blieb, um die Umgebung im Auge zu behalten.
Im Keller stießen die Helden auf eine beunruhigende Szene: in einer Ecke lagen die Leichen von fünf Zivilisten. Jemand hatte sie gefesselt und ihnen die Kehlen durchgeschnitten. Daneben war mit Blut und Kreide ein Kreis gezogen worden. In dessen Mitte stand ein Tisch, auf dem die gestohlenen Mondstahlbarren ruhten. Auf dem Kreidekreis und den Barren lagen Papiertalismane und -siegel mit den Namen von Tiergeistern und seltsamerweise auch dem der lebenden Göttin Myuriko. Eine Untersuchung veranlasste Ren zu der Analyse, dass hier offensichtlich ein Schicksalsmagie-Ritual gewirkt worden war. Der Mondstahl war verflucht worden. Der Fluch richtete sich gegen die Diener Myurikos und sollte die üblichen Eigenschaften von Mondstahl unterdrücken oder verändern.

Während die Helden rätselten, was das bedeuten mochte, erschallte der Warnruf Takurs. Er hatte drei Gestalten entdeckt, die sich zielstrebig dem verfallenen Haus näherten. Der Jaguarkrieger postierte sich hinter der Tür, während die anderen Helden zu ihm hasteten. Die Fremden – ein Zwerg sowie ein menschlicher Mann und eine Frau – griffen sofort an.
Takur schlug den Mann mit zwei heftigen Treffern in die Flucht. Die beiden verbleibenden Angreifer konnten den Jaguarkrieger jedoch durch eine Lichtbarriere von den anderen Helden isolieren, die zudem dadurch gehandicapt wurden, dass ein Zauber den Boden mit spiegelglattem Eis überzog.
Statt die blendende Barriere anzugreifen, überkletterten Luo und Akira die halb eingefallenen Wände des Hauses und stießen zu ihrem Gefährten, der inzwischen bereits verletzt und durch die Lichtzauber der Gegner halb geblendet war. Der zwergische Anführer der Gegner erwies sich als harter Gegner. Obwohl bereits verwundet, schickte er Luo und Takur mit einem wuchtigen Rundumschlag zu Boden. Luo war allerdings rasch wieder auf den Beinen. Inzwischen zerstörte Ren die Lichtbarriere mit einem Flammenzauber. Mit vereinten Waffen und Zaubern konnten die Helden die Gegner zum Rückzug zwingen. Schwer verwundet und durch den geschickten Zaubereinsatz der Diebe verlangsamt, waren sie jedoch nicht in der Lage, die Gegner zu töten oder gefangen zu nehmen. So blieb ihnen nur übrig, den Mondstahl einzusammeln und hastig die „Gärten der Asche“ zu verlassen, bevor sie auf einen weiteren feindlichen Geist stießen oder die Diebe mit Verstärkung zurückkehrten.   

Zurück beim Ka-Anwesen versorgten die Helden ihre Wunden und berieten über das weitere Vorgehen. Sie hatten nur einen halben Sieg erzielt: die Diebe waren entkommen. Und durch den Fluch, der vermutlich auf dem gestohlenen Mondstahl lastete, war die Angelegenheit deutlich heikler geworden. Besonders Akira war alarmiert, richtete sich der Fluch doch gegen die Diener Myurikos, der Herrin und Göttin seiner Heimat. Luo und Ren waren hingegen – Fluch hin oder her – sehr in Versuchung, etwas von dem Mondstahl zu unterschlagen. Letztendlich aber entschieden sie sich dagegen.
Die Helden informierten Ayanokoji über das Ergebnis ihrer Recherchen und übergaben ihm den verfluchten Mondstahl, auch wenn Akira ihm nicht völlig vertraute.
So entlasteten sie zwar Wuselbach von den Verdächtigungen, aber Ayanokoji wirkte durch die Informationen der Helden sehr beunruhigt. Er verriet den Helden, wofür er den Mondstahl benötigte: Seine Kobe war damit betraut worden, eine mächtige Waffe zu schmieden. Diese war für den Kampf gegen ein Ungeheuer gedacht, welches einer Weissagung zufolge in einigen Jahren das Reich des Eisernen Kranichs bedrohen könne. Aufgrund der Kosten und Seltenheit des benötigten Mondstahls hatte Ayanokoji auf seine halblegalen Kontakte in Palitan zurückgegriffen. Dass jemand dies mitbekommen und derart heimtückisch zu sabotieren versucht hatte, warf beunruhigende Fragen auf. Vermutlich war der Plan der Diebe gewesen, den verfluchten Mondstahl bei Gelegenheit „wiederauftauchen“ zu lassen. Falls dieser dann ungeprüft für die Waffe verwendet worden wäre, hätte sie sich im Einsatz vermutlich als nutzlos oder sogar für den Träger gefährlich erwiesen. Aber wer steckte hinter dem heimtückischen Plan – und warum? Dienten die Saboteure einem der Feinde Kintais oder hatten sie eigene Pläne mit dem Ungeheuer? Zumindest Akira fragte sich, ob dieser Vorfall im Zusammenhang mit den Ereignissen beim „Tempel der tausend Tore“ in Verbindung stehen mochte. Dort hatte die Spinnenfrau Kuraiko versucht, ein Monster freizusetzen, das im Falle seines Freikommens eine ganze Region Kintais hätte verheeren können. Und sie hatte nicht alleine gehandelt, sondern anscheinend Verbündete gehabt.
Ähnelte nicht das heimtückische und skrupellose Vorgehen in Palitan den Intrigen der Spinnenfrau? Was, wenn beides zusammenhing?

Ayanokoji war auf jeden Fall dankbar: Immerhin wisse man jetzt um die Gefahr und könne den zurückgewonnenen Mondstahl reinigen oder notfalls Ersatz beschaffen. Er belohnte die Helden großzügig. Außerdem bot er Akira an, dessen Namen an die Auftraggeber der Waffe weiterzugeben. Sollte der Tag kommen, sich dem Untier in den Weg zu stellen, könne er einer der Kandidaten dafür werden. Das lag zwar noch einige Jahre in der Zukunft, war aber eine große Ehre, die Akira bereitwillig annahm. Luo hielt das für ein wenig verrückt und für eine bestenfalls fragwürdige „Belohnung“, sagte aber nichts zu den in seinen Augen seltsamen Bräuchen der Schwertalben. Die Roten Karpfen begannen eine Fahndung nach den Dieben, doch schien der Erfolg zweifelhaft. Zudem wurde die Bergung der ermordeten Ritualopfer in die Wege geleitet.

***

Inzwischen begannen die von den Helden beauftragten Recherchen im Kaiserlichen Archiv erste Früchte zu tragen. Doch alleine die Recherchen zum „Tempel der tausend Tore“ kosten die Gelehrte Hira fast zwei Wochen. Die lesekundigen Abenteurer unterstützten sie so gut sie konnten, indem sie Notizen und Sekundärtexte sichteten, auch wenn sie selber keinen Zugang zum Kaiserlichen Archiv hatten. Die Gelehrte erwies sich als recht umgänglich, außer wenn man ihre Notizen durcheinanderbrachte. Gerne nahm sie die Einladungen Rens zum Teetrinken an, die sich mit Hira gut stellen wollte.

Mit tatkräftiger Unterstützung von Hao und Ren förderte Hira eine bunte Palette an Informationen zum Tempel der tausend Tore zutage. Tatsächlich war – wie bereits vermutet – der Tempel um die 2.000 Jahre alt und von den Drachlingen errichtet worden. Diese hatten sich auch an seiner Erhaltung beteiligt, sogar noch lange nach dem Mondfall. Der letzte im Tempel dienende Drachling war vor gerade einmal 500 Jahren gestorben, kurz nach der Gründung Kintais. Angeblich war er einen Meuchelmord zum Opfer gefallen. Die Drachlinge erachteten den Tempel wohl als sehr wichtig. Es schien, als ob sie neben der Gefahr, die der dort eingesperrte Dämon Kokumo darstellte, noch mehr befürchteten – so als wäre der Dämon Teil von etwas Größerem. Angeblich hing er mit der Aufstachelung oder Verführung der „Dienerrassen“ und einer „Bedrohung der göttlichen Ordnung“ zusammen. So vage dies blieb, wenn die fast allmächtigen reptiloiden Magierdespoten die Gefahr so ernst nahmen, musste sie gravierend gewesen sein.
Der Tempel war ursprünglich durch die Priesterschaften der drei Tiergottheiten Drache (für den Schutz und militärische Aspekte der Wache), Fangschrecke (zur Bewahrung der Rituale) und Krebs (Schutz der Tore) bewacht worden. Dabei hatte der Drachen-Kult offenbar eine zentrale Rolle gespielt.
Jedoch war um die Zeit des Mondfalls die Unterstützung durch die Krebs-Priesterschaft beendet worden, weil einige Abtrünnige in ihren Reihen es in einem „großen Verrat“ um ein Haar geschafft hätten, Kokumo zu befreien. Hinter diesen Umtrieben steckte offenbar bereits zu dieser Zeit der ominöse „Kult des Strahlenden Schattens“.
Der in Zhoujiang schon lange entmachtete Drachenkult hielt in der Gestalt der wenigen im Tempel verbleibenden Drachlinge und ihrer Gefolgsleute noch etwa 500 Jahre die Stellung, was freilich zu Konflikten mit den reformierten Angehörigen der Kirche der Tiergeister führte. Nach dem Tod des letzten Drachlings wurde der Drachenkult schließlich durch Priester der Geflügelten Schlange ersetzt, die jedoch ihren Dienst mit im Laufe der Jahre schwindendem Enthusiasmus und Einsatz versahen. Die Priesterschaft des Kranich-Reiches bzw. der Clan der Uome hatte offenkundig in den Jahren nach der Reichsgründung Kintais um die Existenz des Tempels gewusst und diesen unterstützt. Dies endete jedoch vor 350 Jahren, als ein Angehöriger der Fürstenfamilie „in den Schatten fiel“. Es blieb unklar, ob er ermordet wurde, im Wald der 10 Millionen Kami oder in der Geisterwelt verschwand, Verrat beging oder ihn ein anderes düsteres Schicksal ereilte.
Kurz nach der Aufnahme Gagambas in den Kreis der 13 Großen Tiergeister hatte zudem die Priesterschaft Gagambas für einige Jahrzehnte beim Erhalt des Tempels geholfen. Auf Befehl Kintais musste der Kult aber bald ihre Tätigkeit einstellen. Ihren Mitgliedern wurde unter Todesstrafe untersagt, den Tempel aufzusuchen. Die Gründe dafür blieben vage.
Ebenso unklar blieb, wie es dazu gekommen war, dass in den letzten Jahren nur noch ausgewählte Vertreter der Uome um den Tempel wussten, die nicht einmal der Kernfamilie angehörten.

Die Abenteurer informierten die Botschaft Kintais über ihre Erkenntnisse. Zum einen hofften sie auf Unterstützung, vor allem aber war es in ihrem Interesse, dass das Kaiserreich die Unterstützung der Tempelwacht intensivierte. Suguri Jun nahm die Informationen dankbar entgegen und versprach, sie weiterzuleiten.
Die Botschafterin hatte die Helden bisher noch nicht um die angedeutete „Gefälligkeit“ gebeten, ersuchte aber Hao und Ren, bei der Fürsorge für Arme und Kranke zu helfen, die die Botschaft außerhalb des Viertels der Schwertalben finanzierte.
Bei dieser Aufgabe konnte besonders Hao glänzen, während Ren ein Missgeschick unterlief, weshalb sie erst einmal in eine Hilfsrolle verwiesen wurde. Das kränkte den Stolz der jungen Magierin, aber sie schluckte ihren Ärger herunter. Während die Unggoy-Priesterin vor allem die Vorteile der Fürsorgearbeit sah, durchschaute die misstrauische Ren, dass es der Botschaft auch um subtile Propaganda zugunsten Kintais und des Myuriko-Glaubens ging. Zudem hielt man so die Armen (auch solche mit kintarischen Wurzeln) außerhalb des wohlgeordneten und „perfekten“ Schwertalben-Viertels. Zudem schien die Botschaft ihre Wohlfahrtseinrichtungen auch zur Informationsgewinnung nutzte. Luo hatte Gelegenheit, einige Male mit jungen Schwertalbenkriegern und den Wachen der Botschaft zu trainieren.
Alles in allem schienen die Recherchen auf dem richtigen Weg, wenngleich die letzten Ereignisse den Argwohn der Abenteurer weiter schürten, dass hinter dem dramatischen Geschehen beim „Tempel der tausend Tore“ dunklere Dinge steckten, als anfangs anzunehmen war: Geheimnisse, die bis in die Gegenwart nachwirkten. Die erhaltenen Hinweise würden die Recherchen zum „Kult des Strahlenden Schattens“ und zum Drachenkult erleichtern.

Takur

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Re: [Spielbericht] Abenteuerkampagne in Takasadu (Enthält Spoiler)
« Antwort #31 am: 23 Jun 2024, 15:58:12 »
In eigenem Auftrag
Palitan, Zhoujiang (Hao, Akira, Takur)

Nach ihrem Abenteuer mit dem gestohlenen Mondstahl wollten sich die Helden ihren Recherchen und persönlichen Anliegen widmen. Zuvor nahmen sie an der Beisetzung der Unglücklichen teil, die von den Mondstahldieben geopfert worden waren, um das kostbare Metall zu verfluchen. Die Rote Karpfen-Triade als „Eigentümer“ des Metalls finanzierte die Beisetzung der Opfer. Die grausamen Details ihres Todes wurden verschwiegen. Da die Getöteten aus der Unterschicht stammten, hätten sich ihre Angehörigen niemals eine so würdige Totenfeier leisten können. Hao tat ihr Bestes, den Trauernden Trost zuzusprechen, während die Toten feierlich dem Fluss übergeben wurden. Im sumpfigen Palitan waren Feuer- und Wasserbestattungen üblicher als Erdbestattungen.

In den nächsten Tagen gingen die Helden getrennte Wege. Die Magierin Ren unterstützte die von den Helden beauftragten Recherchen im Kaiserlichen Archiv und pflegte ihre Kontakte zur Familie Ka. Ihr Cousin Luo half den Roten Karpfen bei der – vorerst vergeblichen – Fahndung nach den geflohenen Mondstahldieben.
Der Jaguarkrieger Takur setzte die wenig aussichtsreiche Suche nach seinen verschollenen Gefährten fort, mit denen er einst die Heimat verlassen hatte. Doch hörte er zwar Gerüchte von der Sichtung eines tigergestaltigens Wesens, konnte aber nichts Genaues erfahren. Vielleicht hatte jemand die Begegnung mit einem Ma’Ua falsch interpretiert – wahrscheinlicher handelte es sich um ein Feen- oder Geisterwesen oder um einen jenseitigen Diener des zhoujiangischen Tigergeistes Lao.

***

Im Gegensatz dazu folgte Akira bei der Suche nach dem Schwert seines vor einigen Jahren ermordeten Vaters einer konkreten Spur. In Timog hatte er dank Luos Kontakten die Fährte einer albischen Kämpferin aufgenommen, die im Besitz des Schwertes gewesen war und es in Palitan verkaufen wollte. Akiras Nachforschungen führten ihn zu der gnomischen Händlerin Sang Nan. Sie bestätigte, dass eine albische Kriegerin namens Zhan Ke die Waffe angeboten hatte. Aufgrund des exorbitanten Preises hatte Sang Nan die Fremde an den zwergischen Waffenhändler Zai Mou verwiesen, der seltene Waffen sammelte. Zai Mou gehörte zu denen, die von der Machtergreifung der Triaden profitiert hatten: er betrieb eine florierende Waffenmanufaktur im Drachenbauch-Viertel und hatte kürzlich eine eigene Villa bezogen. Angeblich stand er kurz davor, in den mächtigen Handelsrat Palitans aufzusteigen. Seinen wachsenden Reichtum präsentierte Zai Mou mit Abendgesellschaften, bei denen er Kämpfer auftreten ließ, sowie durch das Sponsoring von Wettkampfteilnehmenden an den berüchtigten Winterspielen Palitans, bei denen jedes Jahr zahlreiche Verletzte und Tote gab.
Recherchen in der „besseren Gesellschaft“ Palitans brachten zutage, dass der Waffenhändler gut vernetzt war, auch wenn er persönlich als nicht immer angenehm galt. Zai Mou hatte sich durch seinen Aufstieg Feinde gemacht. Man munkelte, dass er seine Ehefrau, die von den für ihre Schmiedearbeiten berühmten zwergischen Nungmae-Nomaden Kungaitans abstammte, für eine politisch vorteilhafte Ehe mit einer Triadenfamilie loswerden wolle. Dank Akiras gesellschaftlichen Kontakten und den kämpferischen Qualitäten der Helden war es einfach, für ihn und Takur eine Einladung zu einer von Zai Mous Abendgesellschaften zu erlangen.

***

Hao verfolgte währenddessen ein eigenes Anliegen. Vor einigen Jahren war ihr in der Tigerprovinz das Eichhörnchen Hozhou zugelaufen, mit dem die Affenpriesterin ein magisches Band geknüpft hatte. Angesichts von Hozhous Zauberkräften war sich Hao sicher, dass die Begegnung Schicksal und Hozhou ein Geschenk Unggoys gewesen war. Um mehr darüber zu erfahren, suchte sie Palitans größten Unggoy-Tempel auf. Dieser bildete mit seinen Nebengebäuden und angegliederten Straßen ein eigenes Viertel, das von der Priesterschaft und deren oft zahlreichen Familien dominiert wurde. Der Tempel bot einen beeindruckenden Anblick – wie auch der neben dem Tor wachende, fast fünf Schritt große Goldaffe in prunkvoller Rüstung, der mit einer schwere Hellebarde bewaffnet war.
Die Tempelhalle erstreckte sich über mehrere Stockwerke, wobei der obere Teil teilweise nur über schmale Emporen und Seilbrücken zu erreichen war – eine Herausforderung für die wenig klettergeübte Hao. Mit einigen Anstrengungen erreichte sie den sie offenbar erwartenden Tempelvorsteher Ping Wa. Dieser verhielt sich freundlich und zuvorkommend, befragte Hao aber eingehend über ihre bisherigen Reisen, Erfahrungen und ihre Ziele. Offenbar war er der Meinung, dass Hao sich und ihre Rolle in der Welt besser kennenlernen müsse, bevor sie darüber nachdenken sollte, wie sie das spirituelle Band mit ihrem Tiergefährten stärken und dessen Unggoy-gegebenen Kräfte aktivieren könne. Unter anderem thematisierte er die schwierige Situation im vom Bürgerkrieg geplagten Zhoujiang, und wie dies die Unggoy-Kirche beeinflusste. Haos Bestreben, sich aus den politischen Wirren herauszuhalten, sei nicht immer umsetzbar. Ping Wa schien keiner der drei Bürgerkriegsparteien zugeneigt zu sein, problematisierte allerdings die Schwierigkeit, den richtigen Weg zu finden und den Geboten der Unggoy-Kirche gerecht zu werden. Hao sollte am nächsten Tag wiederkommen.

***

Akira und Takur besuchten währenddessen Zai Mous Abendgesellschaft. Die prachtvolle Villa lag mitten in dem ansonsten recht schäbigen, überfüllten und zum Gutteil von Nezumi (Rattlingen) bewohnten Drachenbauch-Viertel. Das Anwesen stach zwischen den Manufakturen, Baracken, Hütten, fragwürdigen Garküchen und Vergnügungsstätten der unteren Preisklasse deutlich heraus und war durch eine hohe Mauer gesichert.
Dass Akira am richtigen Ort war, zeigte sich schon am Eingang: die Kommandantin der Wachleute war keine andere als die von ihm gesuchte Zhan Ke. Die junge Albin musterte den aus Kintai stammenden Akira misstrauisch. Wie er vermutet hatte, sprach sie mit sadischem Akzent, was angesichts der blutigen Vergangenheit Sadus und Kintais ihr Misstrauen erklären mochte. Zhan Ke schien angespannt – und nicht nur wegen dem schwertalbischen Gast.
Bei dem folgenden Empfang Zai Mous konnte Akira mit seinen gesellschaftlichen Fähigkeiten punkten. Allerdings erregte sein Gefährte Takur größeres Aufsehen. Selbst im multikulturellen Palitan war ein Jaguarkrieger ein ungewöhnlicher Anblick. Unter den Gästen fielen mehrere höherrangige Mitglieder teilweise konkurrierender Triaden auf, aber auch einige erfahren wirkende Kämpfer, die als Gäste oder als „Unterhaltungsprogramm“ zugegen waren.
Es war kein Problem, Einblick in die in einem separaten Gebäude befindliche Ausstellung des Waffenhändlers zu erhalten, die dutzende hochwertige Waffen beinhaltete. Neben einheimischen Stücken wurden auch eine prachtvolle farukanische Pfauenfeder und ein exzellent gefertigtes selenisches Flamberge präsentiert – sowie ein Akira nur zu vertrautes Katana aus Jadeeisen. Er hatte tatsächlich die Waffe seines gefallenen Vaters gefunden. Der junge Schwertalb riss sich zusammen, um nichts Überhastetes zu tun. Zai Mou hatte die Waffe von Zhan Ke für eine stattliche Summe und die Anstellung als Wachkommandantin erworben.
Im Verlauf des Abends konnten sowohl Akira als auch Takur in ein paar kurzen Schaukämpfen ihr Können zeigen, was ihnen die Möglichkeit verschaffte, bei Gelegenheit wiederkommen zu dürfen.

***

Haos zweiter Besuch im Unggoy-Tempel verlief überraschend: mit Tempelvorsteher Ping Wa ging es in das noble Porzellanviertel Palitans, das von den Anwesen der Oberschicht und dem (momentan verlassenen) kaiserlichen Palast Palitans dominiert wurde. Allerdings war ihr Ziel weniger prachtvoll – das örtliche Gefängnis. Ping Wa war offenbar nicht zum ersten Mal hier, denn die wenig enthusiastisch wirkende Gefängnisvorsteherin Tsa Lin begleitete die Besuchenden persönlich zu einer Zelle. In dieser erwartete sie ein hünenhafter Varg. Bua Kunji, ein Priester des Affengottes, war zum Tode verurteilt worden, weil er zwei Leibwächter eines Steuereintreibers erschlagen hatte.
Der Gefangene war in keinem guten Zustand und vermutlich mehr als einmal mit den Wachen aneinandergeraten. Er wirkte wenig erfreut von dem Besuch und geriet schnell mit Ping Wa aneinander. Kunji warf dem Tempelvorsteher Feigheit und Untätigkeit im Angesicht von Ungerechtigkeit und Korruption vor, während Ping Wa vergeblich versuchte, dem Varg ins Gewissen zu reden. Kunjis fehlende Reue war auch der Grund dafür, dass ihm von der Gefängnisverwaltung jeder Kontakt mit seiner Familie verweigert wurde.
Im Anschluss an den fruchtlosen Besuch bat Ping Wa Hao, dass sie dem Verurteilten und seiner Familie beistehen möge – ließ aber offen, wie dieser Beistand aussehen sollte. Hao willigte sofort ein.

Zuerst besuchte sie Bua Kunjis Familie, die in der Nähe des Unggoy-Tempels wohnte. Bua La, die Ehefrau des Verurteilten, empfing Hao reserviert. Sie machte dem Tempel Vorwürfe, ihren Ehemann nicht von seinem verderblichen Pfad abgehalten zu haben und ihm jetzt nicht helfen zu können (oder wollen?). Dass weder sie noch ihr kleiner Sohn und ihre Tochter den Todgeweihten besuchen oder schreiben durften, belastete sie sehr. Hao versprach, einen Besuch oder wenigstens Briefkontakt zu erwirken, sowie Bua Kunji seine Priesterkette und eine Spielzeugfigur seines Sohnes zukommen zu lassen, die ihm ein wenig Trost spenden sollten.
Von La erfuhr Hao Einzelheiten zu Kunjis Verbrechen. Verbittert durch die wuchernde Korruption, hatte Kunji einen Ein-Varg-Feldzug gegen bestechliche Beamte und rücksichtslose Steuereintreiber begonnen. Dabei war er – auch wegen der ausbleibenden Unterstützung seiner Glaubensgeschwister – immer radikaler geworden. Letztendlich hatte das in Blutvergießen und dann in zwei Toten resultiert. La behauptete, sein Verhalten missbilligt zu haben, aber Hao fragte sich, ob das nicht eine Schutzbehauptung war. Sie beschloss, auch bei den Justizbehörden zu dem Fall nachzufragen.

Dank ihrer sozialen Fertigkeiten konnte sie rasch weitere Details zusammentragen. Der Steuereintreiber, den Kunji angegriffen hatte, war für sein korruptes und rücksichtsloses Vorgehen bekannt gewesen. Hao erfuhr zudem Einzelheiten zu den getöteten Wachleuten: einem jungen Rekruten und einem altgedienten Veteranen, der eine Familie mit mehreren Kindern hinterließ.
Dieses Wissen nutzte sie, um Bua Kunji ins Gewissen zu reden. Auch wenn sie seine Beweggründe verstand, wollte sie ihm klar machen, dass er den falschen Weg gewählt hatte – und dass seine Starrsinnigkeit ihm die Möglichkeit nahm, sich von seiner Familie zu verabschieden. Doch drang sie nicht durch den Panzer der selbstgerechten Entschlossenheit, mit dem Kunji sich gerüstet hatte. Der Verurteilte klammerte sich an die Vorstellung, das Richtige getan zu haben und bekam einen regelrechten Tobsuchtanfall. Frustriert brach Hao den Besuch ab, war aber entschlossen, ihre Bemühungen fortzusetzen. Zumindest wollte sie dem verstockten Gefangenen die Geschenke seiner Familie zukommen lassen. Da sich keine Gelegenheit ergeben hatte, die Priesterkette und die Figur bei dem Besuch zu Kunji zu schmuggeln, würde sie auf die Hilfe ihres Tiergefährten Hozhou zurückgreifen. Das magische Eichhörnchen sollte die Gaben nachts in die Zelle schmuggeln.

***

Akiras Bestrebungen verliefen währenddessen auch nicht reibungslos. Es gelang ihm, sich und Takur als Sparringpartner und Trainer der von Zai Mou gesponserten Kämpfer regelmäßigen Zutritt zu dem Anwesen des Waffenhändlers zu verschaffen. Beide nutzten die Gelegenheit, um die Lage zu sondieren. Das Anwesen wurde gut bewacht. Zu jedem Zeitpunkt schienen wenigstens vier Bewaffnete auf Posten zu sein. Zhan Ke hielt ihre Untergebenen auf Trab und duldete keine Nachlässigkeit. Vergeblich versuchte Akira, die sadische Kämpferin auszuhorchen. Sie traute dem Schwertalben nicht. 
Immerhin konnte er einige allgemeine Informationen sammeln. Zhan Ke nahm sich neben ihren Kommandopflichten offenbar die Zeit, einige der in der Manufaktur Zai Mous Angestellten in einer Bürgerwehr zu trainieren. Möglicherweise hing das damit zusammen, dass sich ihr Auftraggeber bei seinem Aufstieg einige lokale Banden zum Feind gemacht hatte. Solange er noch nicht Mitglied im Handelsrat war, blieb er angreifbar.

***

Als sich die Helden über ihre jeweiligen Erlebnisse austauschten, hatten weder Hao noch Akira Grund, völlig zufrieden zu sein. Hao war über die Uneinsichtigkeit Bua Kunjis frustriert und stand unter zeitlichem Druck. Der Tag der Hinrichtung rückte näher und ihre Möglichkeiten, zu Kunji durchzudringen, schienen begrenzt. Akira bot an, sie zu unterstützen. Allerdings zweifelte Hao, dass Kunji den Worten eines adligen Fremden viel Gewicht beimessen würde.

Akira seinerseits war über sein weiteres Vorgehen unsicher. Er wollte das Schwert seines Vaters zurückgewinnen. Doch ein Einbruch wäre riskant und hätte seinem Ehrgefühl widersprochen. Andererseits widerstrebte es ihm, für eine Waffe Geld zu bieten, die rechtmäßig seiner Familie gehörte – abgesehen von der Frage, ob er die nötigen Mittel besaß. Ließ sich ein anderer Weg finden, vielleicht mithilfe seiner Kontakte oder in Form eines Wettkampfes oder einer Herausforderung? Und wie sollte er sich gegenüber Zhan Ke verhalten, die eventuell mehr über den Tod von Akiras Vater wusste? Eine direkte Konfrontation würde möglicherweise in einem Blutvergießen enden, oder Zhan Ke zu Flucht veranlassen. Akira beschloss, dass er noch mehr herausfinden musste, bevor er zur Tat schritt.

***

Hao sah die Gelegenheit gekommen, dem zum Tode verurteilten Priester die Gaben seiner Familie in die Zelle zu schmuggeln, damit er etwas Trost schöpfen konnte. Außerdem würde er dann vielleicht offener gegenüber Haos Worten sein. Sie wartete bis zur Nacht und schickte dann ihren Tiergefährten Hozhou los, beladen mit der Kette des Priesters und dem Spielzeugkrieger seines Sohnes. Leider verlief die Aktion nicht ganz nach Plan: die im Innenhof patrouillierenden Hunde wurden aufmerksam. Aber dank eines magischen Ablenkungsmanövers Haos konnte ihr Tiergefährte zu dem Verurteilten vordringen, seine Gaben abliefern und zu der Priesterin zurückkehren. Dann musste sie freilich schleunigst das Weite suchen, weil die Wachen unruhig wurden.

Am nächsten Tag unternahm Hao einen erneuten Besuch im Gefängnis. Ihr Tiergefährte Hozhou begleitete sie und auch Akira war mit von der Partie. Kurz wurde es kritisch, als einer der patrouillierenden Hunde unruhig wurde – vermutlich erkannte er den Geruch von Haos Tiergefährten wieder. Gefängniskommandantin Tsa Lin war ein wenig genervt von der Aufmerksamkeit, die ihr Gefangener erfuhr.
Vermutlich dank der nächtlichen Schmuggelaktion war Bua Kunji diesmal weniger konfrontativ als bei den letzten Besuchen. Eingedenk seines verbalen Ausbruchs bei ihrem letzten Besuch überließ Hao diesmal zum Gutteil Akira das Wort. Dieser versuchte ebenfalls, dem zum Tode Verurteilten ins Gewissen zu reden. Allerdings waren seine Argumente und Ansichten durch die für Außenstehende manchmal recht…eigenwillig wirkende Pflicht- und Ehrvorstellung der Schwertalben geprägt. Ob seine Geschichte von der Rache der 55 Ronin wirklich geeignet war, zu Bua Kunji durchzudringen…
Doch dank Haos Unterstützung schienen die Worte des jungen Samurai bei dem Verurteilten etwas zu bewegen. Zumindest versprach er, seine Einstellung zu überdenken – und sei es nur, um sich von seiner Familie verabschieden zu können.

Nach diesem Besuch tauschten sich Hao und Akira über ihre unterschiedlichen Moral- und Ehrvorstellungen aus, über Fragen wie Verantwortung und die Rechtmäßigkeit der Todesstrafe. Auch wenn sie nicht in jedem Punkt einer Meinung waren, waren sie sich einig, dass Bua Kunjis Verurteilung wohl rechtens und sein Tod leider unvermeidbar war. Eine Begnadigung stand außer Frage: dazu hatten die Helden weder den Einfluss, noch wäre es vermutlich angemessen gewesen. Immerhin HATTE er getötet. Beide waren entschlossen, bei Bua Kunjis Hinrichtung anwesend zu sein, um ihm den letzten Gang vielleicht ein wenig zu erleichtern. Wenigstens würde er einen schnellen Tod sterben, denn die Hinrichtung würde durch Enthauptung erfolgen. Es gab sehr viel würdelosere und langsamere Hinrichtungsarten…

*** 

Akira hörte sich inzwischen nach weiteren Informationen zu Zai Mou um und versuchte seine Möglichkeiten auszuloten, diesen zu beeinflussen. Dazu fragte er sowohl bei der Adelsfamilie Ka nach, der die Helden in Timog und jetzt in Palitan einige Gefallen getan hatten, als auch bei der Kintari-Botschaft. Beide schätzten Akiras Chancen, juristisch die Herausgabe des Schwertes seines Vaters zu erzwingen, für gering ein. Prinzipiell waren sowohl die Kas als auch die Botschaft bereit, Akira zu unterstützen, doch reichte Ihr Einfluss in den Kreisen des Waffenhändlers nicht allzu weit.
Luo, der eine kurze Pause bei seiner frustrierend erfolglosen Suche nach den Mondstahldieben einlegte, konnte ein paar weitere Informationen über den Waffenhändler ausgraben: Es hieß, dass das Schwert von Akiras Vater nicht die einzige Waffe war, die Zai Mou aus undurchsichtigen Quellen erhalten hatte. Und die Rivalitäten, in die sich der Waffenhändler bei seinem Aufstieg verwickelt hatte, betrafen vor allem auch die „Glutratten“ – eine Nezumi-Bande, die im Drachenbauch-Viertel unter anderem einen Schutzgeldring betrieb. Die Gruppe wurde von einem Anführer namens Taka Sun kommandiert und bestand nicht nur aus Nezumi (takasadischen Rattlingen), sondern auch aus rattlingischen Einwanderern aus Dragorea. Angeblich gehörten mehrere Magiebegabte zu ihnen.
Auf Nachfrage bestätigte Zhan Ke – trotzdem sie Akira weiterhin misstraute – dass die „Glutratten“ die Manufakturarbeiter von Zai Mou schikanierten. Deshalb hatte sie mit überschaubarem Erfolg versucht, einen „Selbstschutz“ unter den Arbeitenden auf die Beine zu stellen.

Nach einigem Zögern entschloss sich Akira, mit offenen Karten zu spielen. Er sprach bei Zai Mou vor und erklärte seinen Anspruch auf das Schwert seines Vaters. Dabei blieb der junge Samurai höflich und drückte die Hoffnung aus, eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden. Es war keine Überraschung, dass der Waffenhändler nicht gewillt war, die Klinge einfach herauszugeben. Hingegen zeigte er sich bereit, sie gegen eine gleichwertige Waffe oder für 200 Lunaren herzugeben. Beides lag momentan außerhalb von Akiras Möglichkeiten. Allerdings stellte Zai Mou in Aussicht, den Kaufpreis zu reduzieren, falls Akira ihm bei seinen Problemen mit den „Glutratten“ half. Akira erklärte sich einverstanden und versprach, auch seine Kontakte und Verbindungen einzubringen.
Anschließend schenkte er auch Zhan Ke reinen Wein ein. Immerhin hatte sie das Schwert von Akiras Vater an Zai Mou verkauft und Akira hoffte von der jungen Kriegerin etwas über die Mörder seines Vaters zu erfahren. Auch wenn er keine Beschuldigungen gegen Zhan Ke erhob – er war sich sicher, sie nicht bei den Angreifern gesehen zu haben, die seinen Vater töteten – war diese Eröffnung nicht dazu angetan, Zhan Kes Misstrauen zu zerstreuen.

Akira gelang es, die Triade der „Roten Karpfen“ mit Verweis auf die geleistete Hilfe bei der Suche nach dem gestohlenen Mondstahl zu überzeugen, einige Männer abzustellen, um Zai Mous Anwesen und Manufaktur zu beschützen. Er argumentierte zudem mit dem Selbstinteresse der Triaden, dadurch ihren Einfluss im Drachenbauch-Viertel und (mit dem anstehenden sozialen Aufstieg des Waffenhändlers) im Handelsrat von Palitan stärken zu können. Allerdings waren die Triaden zurückhaltend, was ihr Agieren im Drachenbauch anging. Zwar waren die dortigen Rattlingsbanden untereinander verfeindet, schlossen sich aber gegen jede externe Gefahr zusammen.
Hao versuchte ihrem Kameraden zu helfen, indem sie sich nach besonderen Waffen umhörte, die Akira vielleicht Zai Mou als Auslöse für das Schwert würde anbieten können. Zwar konnte sie einige interessante Geschichten von berühmten Klingen aufschnappen – aber diese waren entweder verschollen oder ruhten in den Grabmälern ihrer Träger. Weder Hao noch Akira wollten die Ruhe der Toten stören.
Allerdings gab es noch eine weitere potentielle Möglichkeit, an hochwertige Waffen zu kommen. In wenigen Monaten würden in Palitan die jährlichen Winterspiele beginnen, bei denen hunderte Teilnehmende in blutigen Wettkämpfen gegeneinander antraten. Im Vergleich zu den in Inani stattfindenden Sommerspielen waren die Wettkämpfe in Palitan berüchtigt für ihre Brutalität und ihre hohe Todesrate. Bei diesen Spielen anzutreten, würde Akira jedoch die Möglichkeit bieten, Geld zu gewinnen und hochwertige Waffen zu erbeuten. Allerdings wäre dies ein gefährliches Wagnis mit hohem persönlichem Risiko…

***

Inzwischen erhielt Hao die gute Nachricht, dass der auf Abwege geratene Affenpriester Bua Kunji Reue gezeigt hatte. Auch dank Haos Fürsprache gestattete die Gefängnisverwaltung ihm deshalb den Kontakt mit seiner Familie. Vermutlich war den Behörden ein geständiger Sünder lieber, als wenn der Priester unbeirrt in den Tod gegangen wäre und dadurch andere Unzufriedene inspiriert hätte.
Auf Akiras Vorschlag veranstalteten er und Hao für Bua Kunji nach Kintari-Brauch ein „Höllenmahl“: ein letztes Festessen im Angesicht des sicheren Untergangs.

Die Hinrichtung von Bua Kunji fand im Gefängnishof unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Zu Haos Befremden hatte Akira für dieses Ereignis seine Festkleidung angelegt – manche Kintari-Gebräuche erschienen der Affenpriesterin eigenartig.
Auch wenn die Familie von Bua Kunji nicht anwesend war, hatte er sich wenigstens von ihr verabschieden können. Außer den Helden, Tempelvorsteher Ping Wa und der Gefängniskommandantin war auch die oberste Richterin Maifeng anwesend.
Die Priesterkette, die Hao ihm in die Zelle geschmuggelt hatte, wickelte der Priester auf seinem letzten Gang um seinen Arm und in der Hand hielt er den Spielzeugsoldaten seines Sohnes. Er ging aufrecht und entschlossen die letzten Schritte zum Schafott, bekannte seine Schuld und kniete ohne zu zögern nieder. Zum Glück verstand der Henker sein Handwerk und trennte Bua Kunjis Kopf mit einem Hieb sauber von seinem Hals. Der Leichnam wurde dem Tempel übergeben, um beigesetzt zu werden. Sowohl Hao als auch Akira waren der Meinung, dass dies das beste Ergebnis war, welches sie in dieser verfahrenen Situation hatten erreichen können.

Einige Tage später ließ Tempelvorsteher Ping Wa die junge Priesterin zu sich rufen und befragte sie, was sie aus der Geschichte gelernt hatte. Hao war sich sicher, nicht dazu berufen zu sein, über Leben und Tod zu entscheiden. Die Angelegenheit hatte sie sehr belastet und ihre Zweifel an der Todesstrafe verstärkt. Sie bekräftigte ihre Absicht, sich für das Wohl der einfachen Leute einzusetzen, dabei aber auf Bua Kunjis Methoden zu verzichten. Ob diese Antwort den Tempelvorsteher zufriedenstellte, blieb unklar – aber er wünschte Hao viel Glück auf ihrem weiteren Weg. Und da sich das Fell ihres Tiergefährten dabei teilweise golden färbte, schien Unggoy nicht unzufrieden mit ihr zu sein…

***

Akira verbrachte seine Zeit hingegen nun vor allem damit, die Wachen Zai Mous zu unterstützen. Auch wenn er seine Sache nicht schlecht machte, war er nicht glücklich darüber, für jemanden arbeiten zu müssen, den er wenig achtete. Auch das Verhältnis zu Zhan Ke blieb angespannt.

Trotz zusätzlicher Wachen erfolgte der befürchtete Angriff der „Glutratten“ dann überraschend und ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem keiner der Helden in der Nähe war. Von einem Boten der „Roten Karpfen“ alarmiert, holte Akira Hao und Takur zu Hilfe und eilte in das Drachenbauch-Viertel. Ihr erstes Ziel war Zai Mous Manufaktur, deren Mannschaft jedoch den – offenbar nicht sehr heftigen – Angriff hatten zurückschlagen können. Es hatte einige Verletzte und nur leichte Schäden gegeben. Anders sah es mit dem Anwesen von Zai Mou aus, aus dessen Richtung dunkle Rauchschwaden zur Manufaktur herüberwehten…

Als die Helden das Anwesen erreichten, war es beinahe zu spät: mehrere Wachen und Bediensteten lagen reglos am Boden, das Gebäude brannte und vor den Augen der Helden wurde Zhan Ke niedergestreckt. Akira und Takur warfen sich in den Kampf mit den Rattlingen. Beide mussten schwere Treffer einstecken, teilten aber gleichzeitig umso heftiger aus: Takur metzelte mit wenigen Hieben seiner schweren Glefe zwei Angreifer nieder, während Akira die feindliche Anführerin schwer verletzte und zum Rückzug zwang. Auch die verbliebenen Wachen schöpften neuen Mut und so mussten die Angreifer weichen. Haos magische Fähigkeiten retteten mehreren der verwundeten Wächter und Bediensteten das Leben. Auch Zhan Ke würde überleben.
Dennoch waren die Schäden beträchtlich. Dazu kamen zwei tote und mehrere schwerverletzte Wachleute und Bedienstete. Die Ambitionen des Waffenhändlers auf einen Sitz im Handelsrat hatten einen bösen Dämpfer erhalten.
Deshalb drückte der Zai Mou zwar seine Dankbarkeit aus, doch zu mehr als einen Preisnachlass für die Klinge von Akiras Vater war er nicht bereit. Er würde das Geld brauchen…
« Letzte Änderung: 20 Jul 2024, 18:23:47 von Takur »

Takur

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Re: [Spielbericht] Abenteuerkampagne in Takasadu (Enthält Spoiler)
« Antwort #32 am: 20 Jul 2024, 18:02:53 »
Im Sumpf der 32.000 Lichter
Palitan, Zhoujiang (Hao, Ren, Luo)

Während ihre Mitstreiter ihren eigenen Zielen nachgingen, waren auch Luo und Ren nicht müßig geblieben. Ren vertiefte ihre Kontakte zu den Kas und unterstützte die Recherchen im Kaiserlichen Archiv, Luo half mit leider geringem Erfolg bei der Suche nach den Mondstahldieben, mit denen die Helden aneinandergeraten waren. Zudem knüpfte er nach längerer Abwesenheit wieder Kontakt zu seinen Verwandten in der Stadt an. Er freundete sich mit Gastwirtin Altani an, bei der die Abenteurer untergekommen waren. Die dunkelhäutige Albin stammte aus dem Dämmerwald, was erklärte, warum sie leichte Vorbehalte gegen Takur hegte, gerieten doch die Jaguarkrieger und die Dschungelalben Arakeas immer wieder aneinander. Der Ma‘Ua fühlte sich in der Stadt nicht recht wohl. Ihre enorme Größe und das Durcheinander aus Lebewesen, Geräuschen und Gerüchen war mitunter etwas zu viel für ihn. So nahm er sporadisch Aufträge im Umland an. Zudem bat er Luo, nach guten Holzhandwerkern zu suchen – sowohl er als auch Hao hatten sich Wandelndes Holz beschaffen können und wollten dies nun in eine Speerschleuder respektive einen Kampfstab verarbeiten lassen. Akira war häufig im Schwertalbenviertel zu finden, wo er sich mit den Belangen der örtlichen Gemeinde befasste. Er hatte allerdings immer noch ein schlechtes Gewissen, weil er bei seinem letzten Abenteuer beim Schutz des Waffenmanufakturbesitzers und Sammlers Zai Mou nur partiell erfolgreich gewesen war. Er verbrachte einige Zeit damit, dessen Wachen auf Vordermann zu bringen. Dass Kintai Interesse an den Ereignissen in Palitan hatte, merkten aber auch Ren und Luo, die sporadisch von der Botschafterin Suguri Jun eingeladen wurden. Sie war offenbar an den Informationen und Kontakten interessiert, die die aus einer weitverzweigten Sippe stammende Ren und der in der kriminellen Unterwelt eingebundene Luo besaßen.
Hao ihrerseits hielt mit dem Haupttempel Unggoys Kontakt. Es entging ihr nicht, dass die kürzliche Hinrichtung des Priesters Bua Kunji weiterhin für Kontroversen sorgte.

Die Abenteurer erfuhren im Verlauf ihres Aufenthaltes einiges über das dicht neben dem Archivviertel liegende Porzellanviertel. Mit seinen Porzellanbäumen, dem (verlassenen) kaiserlichen Palast und den prachtvollen Anwesen angesehener Familien war es ein beeindruckender Anblick. Nachts war ein Betreten freilich mit Risiken verbunden. Die geisterhaften Elitewachen, die das Viertel patrouillierten, neigten dazu „unpassendes Volk“ aus dem Viertel zu treiben, wobei ihre „Qualitätsmaßstäbe“ nicht immer nachzuvollziehen waren. Während sie die alteingesessene Familien und deren Bedienstete tolerierten, hatte so mancher Neubewohner schon die Vermittlung des Geisterministeriums in Anspruch nehmen müssen. Alles in allem aber war die Innenstadt vergleichsweise sicher. Kriminalität zeigte sich eher in der Form von Taschendieben und Betrügern, die unter anderem angebliche Kaiserinnenplast-Artefakte oder „Setzlinge der Porzellanbäume“ feilboten.

Es war wieder die Familie Ka die sich mit einem Anliegen an Hao, Ren und Luo wandten. Sie hatten die Hilfe der Abenteurer für ihren selenischen Kontaktmann nicht vergessen, und es gab in ihrem Bekanntenkreis offenbar weiteren Bedarf für versierte Helfer. Viel Geld war dabei nicht zu verdienen, aber die Ka waren bereit, im Ausgleich die Archivrecherchen der Abenteurer zu unterstützen. Die Kas baten die Helden, sich mit Inspektor Yaogun Tran in Verbindung zu setzen, der aus einer alteingesessenen Beamtenfamilie stammte. Die Yaogun stellten unter anderem die Mandarin für den zu den Außenbezirken Palitans gehörenden Sumpf der 32.000 Lichter. Auch sonst war die Familie gut vernetzt, wenngleich sie nicht zum inneren Zirkel der neuen Machthaber gehörte. Das reichte, um Ren und Luo zu interessieren, die immer auf der Suche nach neuen Kontakten waren, während Hao hoffte, ihre Recherchen zum Kult des Drachen-Tiergeistes mit Hilfe der Kas finanzieren zu können.

Vor dem Treffen mit Yaogun Tran holte Luo Auskünfte über den Beamten ein. Tran war ein Inspektor der Stadtverwaltung. Er galt als kompetent, und versah seinen Dienst ohne die ausufernde Korruption, die sich in den letzten Jahren im Triadengebiet breit gemacht hatte. Sein Arbeitsfeld, der Sumpf der 32.000 Lichter, war nicht das beste Viertel Palitans. Die Triaden hatten dort nie wirklich Fuß gefasst, denn die Einwohner blieben für sich und hielten zusammen. Angeblich tauchten aus dem Sumpf immer wieder Monster, Geister und Krankheiten auf. Auch „unorganisierte“ Banditenbanden machten mitunter Probleme.
Das Teehaus, in der die Helden den Beamten trafen, bediente eindeutig eher die Mittelschicht und hatte ein recht begrenztes Angebot. Tran, ein streng wirkender Mensch in mittleren Jahren in nüchtern und schmucklos wirkender Kleidung, nahm sich die Zeit für Smalltalk, eher er zum Kern seines Anliegens kam.
Der Sumpf der 32.000 Lichter war das Ergebnis der Expansion Palitans. Viele Neuzugänge landeten zuerst hier. Allerdings erhielt das Viertel von der Stadtverwaltung nur sehr begrenzte Mittel zugeteilt. Das lag wohl auch daran, dass nur vergleichswenig wenige Einwohner Triadenkontakte hatten. Besonders in letzter Zeit hatte es verstärkt Probleme mit feindseligen Geistern gegeben. Dies betraf vor allem die zum Gutteil aus Nezumi (Rattlingen) bestehenden Arbeitstrupps, die den Sumpf urbar machten. Unter den Rattenmenschen waren nicht wenige Exilanten aus Dragorea, die hierzulande sogar von ihren Artgenossen von oben herab behandelt wurden. Das Geisterministerium hingegen agierte eher in der Innenstadt, und selbst wenn es sich hier blicken ließ, war das Verhältnis mit der Bevölkerung wegen den Triadenverbindungen der Palitaner Stadtbehörden nicht immer harmonisch.

Kürzlich sei ein Geistlicher im Viertel aktiv gewesen, ein gewisser Meister Kong, der mit einer Handvoll Begleiter aufgetreten war. Er hatte nach den Gründen für die verstärkten Geisteraktivitäten gesucht, dabei aber nicht mit den örtlichen Behörden kooperiert. Sein Vorgehen war nicht immer diplomatisch gewesen, was viele Einwohner verärgert hatte. Angeblich war Kong in der bekannten Exorzistenschule von Laohuangdan ausgebildet worden, ansonsten wusste Tran aber wenig über ihn. Seit einigen Tagen sei der Priester unauffindbar. Tran glaubte nicht, dass die Einwohner etwas mit dem Verschwinden Kongs zu tun hatten (ein Punkt, bei dem Ren und Luo sich nicht so sicher waren). Er bat darum, dass sie nach dem Exorzisten suchen und herausfinden sollten, was bei seinen Nachforschungen herausgekommen war.
Die Abenteurer nahmen den Auftrag an. Mehr als ein Handgeld konnte der Beamte nicht anbieten, aber er gab den Abenteurern Hinweise, an welche der örtlichen Beamten sie sich wenden konnten und stattete sie mit einem Empfehlungsschreiben aus.

Zuerst kontaktierten die Abenteurer die örtlichen Beamten. Das bedeutete eine Menge Fußarbeit, denn das „Viertel“ verteilte sich über das gesamte nördliche Umland von Palitan. Die Wegesituation war durch das Sumpfland und die Seitenarme des das Viertel durchschneidenden Flusses nicht einfach. Die meisten Gebäude wirkten einfach und wiesen zumeist nur ein oder zwei Stockwerke auf. Die Verwaltung schien an der Peripherie der Stadt eher dünn gesät. Sekretäre verwalteten Gebiete, die ansonsten einem Inspektor unterstanden hätten. Es stellte sich als schwierig heraus, die Beamten zum Reden zu bringen – vermutlich, weil die Abenteurer darauf verzichteten, Schmiergelder zu zahlen. Die Beamten hatten Meister Kong ebenfalls als aufdringlich und ungehobelt empfunden. Er hatte seine Nachforschungen auf den westlichen Teil des Sumpfes konzentriert, wo sich besonders viele Geisterzwischenfälle ereignet hatten. Dabei hatte er nach früheren Vorfällen gefragt und ein Muster gesucht und Kontakt mit den örtlichen Medizin- und Antiquitätenhändler aufgenommen. Hao vermutete, dass er erfahren wollte, ob Artefakte gefunden worden waren, die auf ein Grabmal hindeuteten, dessen Plünderung den Zorn der Geister verursacht hatte.

Ausgehend von diesen Informationen beschlossen die Abenteuer, selber bei den örtlichen Händlern herumzufragen. Vielleicht ließ sich herausfinden, was Meister Kong gesucht hatte. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass er irgendwelchen krummen Geschäften auf die Spur gekommen war und einer der Händler hinter seinem Verschwinden steckte.
Luo konnte ermitteln, dass in letzter Zeit einige alte Waffen und Rüstungen aus dem Sumpf geborgen worden waren – allem Anschein nach aus der Zeit der kurzzeitigen Besetzung Palitans durch die Kintari vor fast 500 Jahren, bevor deren Vormarsch auf Befehl Myurikos plötzlich abgeblasen wurde und die Schwertalben auf das Südufer des Jadebandes zurückgewichen. Die Fundstücke kamen angeblich von Angehörigen der Nezumi-Arbeitskommandos, die sie beim Trockenlegen des Sumpfes gefunden hatten.
Die Abenteurer konnten mithilfe einiger Silberstücke herausfinden, dass Kong nach Kontakten zu den Nezumi gesucht hatte. Man hatte ihn an „die große Yia“ im Bauch des Drachen vermittelt. Allerdings ließ es der Händler nicht an ominösen Warnungen fehlen, man solle ihre Suppe besser nicht probieren, denn wenn man nicht vorsichtig sei, lande man selber im Topf.
Die Abenteurer schauten sich auch einige der gefundenen Artefakte an, doch war der größte Teil eher Plunder. Nur wenige schienen einen echten Wert zu haben. Immerhin entdeckte Ren, dass ein alter, lädierter Lamellenhelm tatsächlich verzaubert worden war. Sie erstand ihn zu einem günstigen Preis, auch wenn das gute Stück einiger Reparaturen bedurfte. 

Takur

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Re: [Spielbericht] Abenteuerkampagne in Takasadu (Enthält Spoiler)
« Antwort #33 am: 20 Jul 2024, 18:04:38 »
In den nächsten drei Tagen teilten sich die Abenteurer auf. Luo spürte im Bauch des Drachen Informationen zu Kong und Yia nach. Er merkte rasch, dass die Einwohner des Viertels Fremden gegenüber zurückhaltend waren. Selbst sein sonst so verlässliches Kontaktnetzwerk war von geringem Nutzen. Doch mit viel Zeit, Mühe und kleinen Geschenken fand er doch noch einiges heraus. Offenbar fanden tatsächlich nicht wenige der hier lebenden Rattlinge einen kärglichen und auch gefährlichen Verdienst im Sumpf der 32.000 Lichter. Sie suchten nach wertvollen Pflanzen und Tieren, stöberten nach verschollenen Siedlungen und Wagenzügen oder arbeiteten bei der Urbarmachung. Es hieß sogar, dass manche von ihnen Sumpfleichen bargen, obwohl sich niemand sicher war, was ihre mysteriösen Abnehmer damit anfangen konnten. Auch hier hörte Luo, dass in letzterer Zeit einige wertvollere Fundstücke aufgetaucht sein sollten. Allerdings hatte es kürzlich bei Geistangriffen Verletzte und sogar einige Tote oder Vermisste gegeben.
Kong hatte sich offenbar ebenfalls im Bauch des Drachen umgehört. Sollte er tatsächlich mit Yia Kontakt aufgenommen haben, dann trieb er ein gefährliches Spiel, denn diese war angeblich eine (ehemalige?) Bandenführerin und Piratin mit guten Triadenkontakten. Neben ihren eher fragwürdigen Geschäften betrieb sie einen Imbiss, der für seine Nudelsuppe berühmt war. Allerdings hieß es, man solle sich lieber an die vegetarische Variante halten, denn welches Fleisch im Topf landete…
Die Spur, die Luos Mitstreiterinnen gefunden hatten, war sogar noch vielversprechender. Mit Hilfe von Ren war es Hao gelungen, viele Hinweise in der einfachen Bevölkerung aufzuschnappen. Kong und eine Handvoll Söldlinge – ein Varg und einige Menschen –  hatte sich angeblich bei einem eher eigenbrötlerischen Fischer namens Ma eingemietet, der auf sich allein gestellt im Sumpf lebte. Die drei beschlossen Abenteurer, Mas Hütte aufzusuchen.

Angesichts der Geschichten über den Sumpf waren die Helden auf mögliche Konfrontationen vorbereitet. Mas Hütte und der nahe Bootsschuppen boten einen ärmlichen Anblick. Auf das Rufen der Abenteurer reagierte niemand. Luo knackte das simple Schloss und sie durchsuchten die Wohnung. Es schien, dass im Inneren ein Kampf stattgefunden hatte. Möbelstücke waren umgestürzt, und es fanden sich Blutspuren. Luo entdeckte einen gut versteckten Lederbeutel mit einigen Lunaren. Die meisten Münzen waren neu, sehr wahrscheinlich Mas Lohn für seine Dienste. Das ließ vermuten, dass ihm etwas zugestoßen war - er hätte sein Geld sicher nicht zurückgelassen. Zudem fanden sich Schleifspuren, die zum Bootsschuppen führten. Bei Näherkommen erfüllte alle ein unbestimmtes Gefühl des Unheils und der Bedrohung, was Hao und Luo beinahe am Betreten des Gebäudes gehindert hätte.
Die vagen Befürchtungen erwiesen sich als gerechtfertigt, fand sich doch im Innern eine aufgedunsene, kaum noch identifizierbare Leiche. Die Wände waren mit rotbraunen Schriftzeichen übersäht. Rens „Magie erkennen“ enthüllte, dass hier Zauber gewirkt worden waren und noch immer nachwirkten. Hao erkannte die Schriftzeichen wieder – sie ähnelten denen auf dem „Geisterhorn“, dass die Abenteurer im Sumpf außerhalb von Timog erbeutet und an das Fürstenhaus der Kranichprovinz abgegeben hatten. Alle drei meinten am Rande des Hörbaren ein Wispern und Raunen zu hören. Während Hao den Schuppen lieber verließ und Luo die Waffe bereithielt, konnte die Magierin durch einfache Ja-Nein-Fragen so etwas wie eine Verständigung mit dem Geist des Toten herstellen. Sie bereute sehr, dass sie sich nicht die passenden Zauber für eine Kommunikation mit den Geistern gelernt hatte. Aber sie erfuhr dennoch, dass es sich beim Toten um Ma handelte – und dass er von Kong und seinen Schergen getötet worden war. Der Grund blieb unklar. Das war ein erschreckende Wendung, denn bisher hatten die drei den (angeblichen?) Diener des Geisterministeriums nicht für einen Schwerverbrecher gehalten. Auf Haos Drängen bastelte man notdürftig eine Trage, um die Leiche in die nächste Siedlung mitzunehmen.

Das alles hatte Zeit gekostet, und da sowohl Ren als auch Hao weder kräftig noch gut trainiert waren, kam man nur langsam voran. In den länger werdenden Schatten zeichneten am Rande des Sichtfeldes schemenhaften Bewegungen ab.
Dann stellte sich den Abenteurern eine Gestalt in den Weg. Im Zwielicht zeichnete sich eine halb durchscheinende Silhouette ab: ein Mann oder Frau in einem altertümlichen roten Oyoroi-Panzer – doch unter dem einst prunkvoll geschmückten Helm war nur noch ein Totenschädel mit leeren Augenhöhlen. Ren, die sich der Gunst der Geister sicher glaubte, trat vor und redete den Geist respektvoll in Kintial an. Die Antwort verstand sie nicht, doch hielt sie in respektvoller Pose stand, als die Gestalt näher floss. Schließlich schwebte der Schemen direkt vor ihr und streckte die Hand nach der jungen Frau aus. Immer noch verhielt Ren sich ruhig, auch als er ihre Stirn berührte. Ein Schmerz wie ein heftiger Fausthieb durchfuhr sie, und vor ihrem inneren Auge tauchte eine Folge rasch wechselnder Visionen auf: ein erbitterter Kampf zwischen Soldaten Myurikos und des Kaiserreiches Zhoujiang, der Sturz ins brackige Wasser, das sich wie ein Sargdeckel über den Sterbenden schloss. Ein Schlaf, der Jahrhunderte währte und doch nur Augenblicke zu dauern schien, und schließlich Klauen, welche die Schlafenden aus ihrer Ruhe rissen. Ein Gefühl von Wut und Verlust war zu spüren, und ein Zerren, als würde sie zugleich aus mehreren Richtungen angezogen und abgestoßen. Einer der „Zugpunkte“ schien der Schuppen Mas zu sein, der andere lag weiter im Osten. Und schließlich sah sie einen Ort im Sumpf. Sie war sich sicher, dass die Geister gezielt aufgehetzt worden waren. Dann verschwand der Geist.

Erschüttert erreichten die drei mitten in der Nacht die nächste Ansiedlung, mit Schlamm bespritzt und mit einer bereits deutlich verwesten Leiche im Schlepptau. Es war Haos diplomatischen Geschick (und ihrer Position als Priesterin) zu verdanken, dass die Einwohner nicht feindselig reagierten, sondern sich des Leichnams annahmen. Luo gab einige der in Mas Hütte gefundenen Münzen ab, damit ein Begräbnis organisiert werden konnte. Dann säuberten sich die drei und ruhten sich erst einmal aus. Besonders Ren schlief schlecht, verfolgten sie doch die Visionen des Geistes. Am nächsten Tag kontaktierten die drei ihren Auftraggeber. Yaogun Tran sah sich jedoch außerstande, schnelle Hilfe zu versprechen. Selbst in Zhoujiang war die „Aussage“ eines Geistes nicht ausreichend, um einen Beamten des Geisterministeriums festzusetzen.
Mehr und mehr kristallisierte sich der Verdacht heraus, dass Kong nicht versucht hatte, etwas gegen die Geister zu unternehmen, sondern eher an der jüngsten Zunahme der Geisterzwischenfälle Schuld trug. Zwar hatte es im Sumpf der 32.000 Lichter schon immer sporadisch Probleme gegeben, aber nicht in diesem Ausmaß. Die Helden kamen überein, die in der Vision erschienen Orte aufzusuchen. Zuerst wollten sie die Schriftzeichen in Mas Schuppen unschädlich machen.
Deshalb eilten die Abenteurer am nächsten Tag zurück in den Sumpf – darauf bedacht, ihr Vorhaben vor Einbruch der Dunkelheit zu beenden. Während Ren und Hao die Schriftzeichen für spätere Recherchen kopierten, durchsuchte Luo noch einmal gründlich die Hütte. Er suchte Dinge, die Ma etwas bedeutet hatten, um sie ihm ins Jenseits nachzusenden. Er fand eine bessere Teeschale und einen Anhänger des Flussdelphins Iruka. Allerdings brauchten die Abenteurer mehr Zeit als sie gehofft hatten, so dass der Abend nicht mehr fern war.

Es war gut, dass Luo die Umgebung im Auge behielt, denn so bemerkte er rechtzeitig, dass sich mehrere Gestalten der Hütte näherten. Während er sich draußen versteckte, verbargen sich Hao und Ren im Schuppen. Beim Näherkommen entdeckten die Abenteurer, dass es sich bei einem der Näherkommenden um einen alten Feind handelte: Tang, den Räuberhauptmann, dem sie das Geisterhorn abgenommen hatten.
Während Hao einer Begegnung lieber aus dem Weg gegangen wäre, waren Luo und Ren auf Konfrontation aus – und so kam es zum Kampf. Die vier Bewaffneten erkannten im letzten Moment den drohenden Hinterhalt, doch Luo stieß dennoch in ihre Mitte vor und konnte Tang bereits zum Auftakt des Gefechts schwer treffen. Binnen kurzem eskalierte der Kampf – die meisten der Gegner konzentrierten sich auf Luo, der nur dank seines Waffengeschicks von schwereren Verletzungen verschont blieb, während Ren ihren „Höllenhund“ beschwor und in den Kampf hetzte. Hao und Ren jagten einen Feind schwer verletzt in die Flucht, während der Hund nacheinander zwei weitere schwer verwundete, die panisch um Gnade flehten. Inzwischen blutete auch Tang aus zahlreichen Wunden. Sowohl Ren als auch Luo versuchten vergeblich, ihn gefangen zu nehmen. Schließlich riss der Feuerhund Tang die Kehle heraus. Ren versuchte ihn zu stabilisieren, aber es war zu spät. Die Helden entwaffneten und fesselten die überlebenden Gegner. Es schien so, als ob Tang seit dem letzten Mal an Macht und Reichtum eingebüßt hatte, denn seine Ausrüstung war diesmal recht einfach, und verriet leider nichts über seinen Auftrag.
War dies ein Ausgang, den die Abenteurer etwas bedauerten, weil sie Tang gerne verhört hätten, so bekam der Kampf binnen kurzem eine beunruhigende Note. In der hereinbrechenden Dunkelheit zeichnete sich erneut der Schemen des rotgepanzerten Geistes ab, dem die drei in der Nacht zuvor begegnet waren. Bei Tangs Leichnam angelangt, tauchte er die geisterhafte Hand in das frische Blut des Toten, und schien mit einmal an Substanz zu gewinnen. Mit einem blitzschnellen Hieb seines Katanas enthauptete er den Varg und verschwand dann spurlos – mitsamt Tangs Schädels. Hao fragte sich beunruhigt, ob die Gefahr bestand, dass die aufgestörten Geister ihren uralten Krieg gegen Zhoujiang fortsetzen könnten.

Niemand wollte durch die Dunkelheit zurückmarschieren, und so verbrachten die Abenteurer und die Gefangenen die Nacht in der Hütte. Zuvor verbrannten die Abenteurer den Schuppen mit den Schriftzeichen, Tangs Leiche und Mas persönlichen Gegenständen.
Ein Gutes hatten die unheimlichen Ereignisse – die Gefangenen redeten überaus bereitwillig. Sie schoben alle Schuld auf Tang und Kong, vor denen sie beide Angst hatten. Von den Plänen ihrer Auftraggeber wussten sie indes nichts Genaues. Sie hatten als Muskeln fungiert und Kongs Forderungen Nachdruck verliehen. Tang und Kong waren vor gut anderthalb Wochen mit drei Rattlingen in den Sumpf gegangen, aber alleine zurückgekehrt. Die Abenteurer ahnten, dass es für die Nezumi kein gutes Ende genommen hatte. Die Handlanger hatten ihrerseits einen Kontaktmann der Rattlinge im Osten des Viertels getötet, wo Kang an dem Leichnam irgendein Ritual durchgeführt hatte. Sehr wahrscheinlich war dies der zweite Ort, zu dem die Vision des Geistes Ren rief. Tang hatte seinen Handlangern gedroht, dass „der Meister“ ihnen die Seele herausreißen und sie zu ewiger Knechtschaft verdammen würde, falls sie versagten oder redeten. Es blieb unklar, ob dieser ominöse „Meister“ Kong oder jemand anderes war. Die Abenteurer erinnerten sich, dass Tang schon bei ihrem letzten Zusammentreffen seinen Unterlingen mit einem mysteriösen Auftraggeber, dem „Bleichen“, gedroht hatte.
Kong war inzwischen seit gut 10 Tage nicht mehr aufgetaucht. Es stand zu befürchten, dass er sich aus Palitan abgesetzt hatte. Tang und seine Handlanger waren zurückgeblieben, um die Situation zu beobachten. Sie hatten erfahren, dass jemand herumschnüffelte, und als der Varg die Beschreibung der Suchenden hörte, war er außer sich geraten – zweifellos hatte er die Abenteurer wiedererkannt. Er hatte wohl geplant, sich mit seinen Handlangern bei Mas Hütte auf die Lauer zu legen und war dabei spektakulär gescheitert.

Am nächsten Morgen traten die Abenteurer mit ihren Gefangenen den Rückmarsch an. Sie übergaben die Handlanger an Yaogun Tran. Als nächstes planten sie, den Ort aufzusuchen, an dem der Nezumi-Kontaktmann ermordet worden war. Tran riet, unbedingt auch dem Geisterministerium zu berichten. Allerdings würde das eventuell zu Problemen führen, war Kong doch als Ministeriums-Angehöriger aufgetreten. Hatte er das Siegel und seine Papiere gefälscht? Ren war zudem entschlossen, auch den Schwertalben Bescheid zu geben. Luo musste seine vom Kampf lädierte Klinge reparieren. Alle drei blickten mit Sorge auf den morgigen Tag.

***

Während Hao mit einem Zauber Luos beschädigte Klinge ausbesserte, beschaffte sich Ren eine Schriftrolle, die ihr die Fähigkeit verleihen würde, mit Geistern zu kommunizieren. Dann machten sich die drei auf den Weg. Ihr Ziel am äußersten Rand der bewohnten Gebiete. Schlimmer noch – die Herbstregen der letzten Tage hatten den Wasserpegel steigen lassen. Die Abenteurer erkannten rasch, dass sie zu ihrem Ziel, einer maroden, auf hohen Stelzen stehende Hütte, nur schwimmenderreichen konnten. Bei dem Gedanken an mögliche Untiere oder die angeblich im Sumpf umgehenden Untoten sank allen dreien der Mut, aber sie sahen keine Alternative. So durchschwammen sie – im Falle Luos mit einigen Problemen – den Wasserlauf. In der Nähe der Hütte überkam sie wieder ein Gefühl der Bedrohung und Gefahr. Hao und Luo meinten zudem, in dem Gebäude Bewegungen zu hören. Sich Zugang zu verschaffen war schwierig, da die Leiter zu der Bodenluke entfernt worden war. Luo kletterte an den Stelzen empor. Als er durch ein Loch im Dach das Gebäude betrat, wurde er von einem grässlich aussehenden Untoten attackiert. Seine schnellen Reflexe und Klinge garantieren ihm jedoch einen raschen Sieg. Bei dem Wiedergänger handelte es sich wohl um den Kontaktmann der Nezumi. Wieder waren mit seinem Blut zahlreiche Schriftzeichen an die Wände gemalt worden, fast identisch mit jenen am anderen Ritualplatz. Wie dort wirkten sie klobiger als jene auf dem „Totenhorn“, das die Abenteurer einige Monate zuvor erbeutet hatten, was freilich auch an der Eile und dem wenig geeigneten „Schreibmaterial“ liegen mochte. Luo fand in einer Ecke einen Fetzen Papier, der wohl zu einer Vorlage für die Inschriften gehört hatte. Da es sich als sehr schwierig erweisen würde, die Leiche zu bergen, beschlossen die Abenteurer, die Leiche mit der Hütte (und den Inschriften) zu verbrennen. Durchnässt und verschmutzt, aber weitestgehend unversehrt erreichten die drei am Abend ihre Quartiere, entschlossen, am nächsten Tag den letzten, zentralen Ritualplatz zu finden.

 Diesmal nahmen die Abenteurer sicherheitshalber Proviant mit. Es wirkte grotesk, dass wenige Meilen außerhalb der zweitgrößten Metropole von ganz Lorakis eine Wildnis aus sich im Winde wiegenden Sumpfgräsern, Schilfhalmen und morastigem Wasser begann, durch die nur wenige befestigte Pfade führten. So manche Geschichte über Geister, aber auxh Monster aus grauer Vorzeit (oder Ausbrecher aus der Straße der Wunder oder der kaiserlichen Menagerien) und über mundane Gefahren wie Krokodile, Sumpflöcher und Krankheiten waren im Umlauf. Obgleich sich die Atmosphäre von dem „erwachten“, fremdartigen Kamioku-Wald bei Miari unterschied, war sie beunruhigend genug.
Es gelang Hao, die kleine Gruppe ohne unliebsamen Zwischenfall zu führen. Es fanden sich sogar Spuren von anderen Reisenden - vielleicht von Kong und seinen Begleitern? Gegen Mittag verstärkte sich bei Ren das Gefühl, dass sie dem Ort nahe war, den sie in der Geistervision gesehen hatte.
Das Ziel entpuppte sich als kleine Insel, mit einem Ring aus provisorischen Pfählen umgeben, an denen verwitterte Papierfetzen hingen – Schutzzeichen gegen Untote. Der Boden der Insel war aufgewühlt worden. Im Boden fanden sich Spuren alter Rüstungen, Knochenteile und ähnliches. Mehr als beunruhigend war, dass etliche der Knochen Bissspuren aufwiesen. Auch den erwarteten Ritualplatz fanden die Abenteurer rasch. Von den sehr wahrscheinlich dort ermordeten Nezumi waren nur noch Reste geblieben. Die Abenteurer mutmaßten, dass der Schutzring im Sumpf umgehende Ghule abhalten sollte, die sich an den Sumpfleichen vergriffen, und nach dem Nachlassen der Schutzzeichen die Nezumi-Kadaver weggeschleift oder an Ort und Stelle verschlungen hatten. Dies ließ es ratsam erscheinen, nicht zu lange vor Ort zu verweilen. Kong hatte den Ritualplatz mit hölzernen Tafeln versehen, deren Schriftzeichen denen in den Hütten ähnelten. Ren und Hao fertigten Abschriften an, und übergaben die Holztafeln anschließend den Flammen. In der Hoffnung, durch die Zerstörung der Ritualplätze die Geistergefahr gemindert zu haben, machten sich die drei eilig auf den Rückweg. Sie wollten keineswegs die Nacht an einem Ort verbringen, der von Leichenfressern als Futterplatz aufgesucht wurde. Tatsächlich schafften sie es unbehelligt zurück.

Nach ihrer Rückkehr erstatten die Abenteurer ihrem Auftraggeber Bericht, der sie für ihren Einsatz lobte. Auch die Familie Ka war zufrieden. Yaogun Tran verfasste zudem eine Nachricht an das Geisterministerium und lieferte die Kopien der Ritualschriften ab. Ren schickte zudem eigene Abschriften mit einer genauen Beschreibung der Ereignisse zu den Kaiserlichen nach Sentatau. Allerdings erschien fraglich, ob man dort an den fernen Ereignissen Interesse zeigen würde.
Ihre Erlebnisse waren für die Magierin ein Ansporn, sich mit Todesmagie zu beschäftigen, um bei künftigen Begegnungen mit Geistern besser vorbereitet zu sein.
Die Reaktion des Geisterministeriums wurde etwa eine Woche darauf von Tran übermittelt: bei Kong habe es sich keinesfalls um einen Angehörigen des Ministeriums gehandelt. Man vermutete, dass die gesteigerte Zahl an Geistern darauf zurückging, dass ein Ritual missglückt sei, oder er versucht habe die Neulandgewinnung zu stören – sprich, man verneinte jede Möglichkeit dass er weitreichende Ziele hatte. Die Abenteurer hatten da ihre Zweifel…
Ren ließ es sich nicht nehmen, auch Akira und die Kintai-Botschaft zu informieren, wo man die Nachricht höflich, aber zurückhaltend aufnahm. In den nächsten Tagen schickten auch die Kintari Leute aus, um die Toten beizusetzen. Dies ging freilich nicht ohne Meinungsverschiedenheiten mit dem Geisterministerium ab. Beide Seiten trauten sich offenbar nicht und unterstellten einander, unbequeme Wahrheiten unter den Teppich zu kehren. Diese Rivalität heizte die Gerüchteküche an.
Die Zurückhaltung der Kintari lag vermutlich daran, dass die Toten gefallen waren, als sie Myurikos Willen zuwider handelten, was das Andenken mit einem gewissen Makel behaftete. Wie es hieß, hatten damals etliche Schwertalben Selbstmord begangen, um die Schande des Rückzugs oder ihr Handeln gegen Myurikos Willen zu sühnen. Die meisten Toten hatte man in die Heimat gebracht, doch offenkundig nicht alle. Diese alten Geschichten aufzuwärmen, rührte auf beiden Seiten der Grenze an alten Wunden, zumal Gerüchte nicht verstummen wollten, dass manche Schwertalben eine erneute Expansion gen Norden herbeisehnten. Wie die anderen Helden erfuhren, hatte auch Akiras Ahnin an früheren Vorstoß gen Palitan teilgenommen, ihn allerdings überlebt.
Dank der Warnung der Abenteurer gab bei den Untersuchungen und der Bergung der Leichenreste zwar einige Zusammenstöße mit den Guhlen, doch keine Toten.

Hao hingegen entschloss sich, auch „die große Yia“ zu informieren. Sie hoffte, dass diese die Familien der ermordeten Nezumi vom Schicksal ihrer Angehörigen in Kenntnis setzen würde. Luo begleitete sie als Rückendeckung. Mit etwas Mühe konnte die gnomische Unggoy-Priesterin in der Nudelküche Yias eine „Audienz“ mit der Geschäftsinhaberin erhalten. Yia, eine recht großgewachsene Nezumi mit braunem Fell und gelben Augen, angetan mit einer bestickten Seidenweste und einem Dschiahn, nahm die Informationen entgegen, ohne ihrerseits viel zu verraten. Wahrscheinlich wollte die Rattlingsfrau nicht verraten, inwieweit sie Kong geholfen hatte. Sie sagte aber zu, die Familien der Ermordeten zu informieren. Es blieb zu hoffen, dass sie ihre Augen aufhielt, sollte der Nekromant noch einmal in Palitan auftauchen.
Leider hatten die Abenteurer weder ermitteln können, was Kongs Motive waren, noch den mörderischen Geisterbeschwörer unschädlich machen können. Wie sich in den folgenden Tagen erwies, schien die Zerstörung der Ritualplätze zumindest die Angriffe der wütenden Geister beendet zu haben – doch wer wusste schon, welche Ränke der mysteriöse „Meister“ noch aushecken mochte…

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Währenddessen waren die Recherchen im kaiserlichen Archiv weitergelaufen, nun zum „Kult des Strahlenden Schattens“. Sporadisch unterstützt von Ren und Hao konnte die Gelehrte Hira viele Informationen zusammentragen:
Der apokalyptische Kult war  schon vor dem Mondfall zerstört worden. Sein Credo hatte gelautet, dass Zerstörung nötig sei, um eine bessere Welt aufzubauen. Dies hatte den Sturz der Drachlinge und ihrer Götter beinhaltet, weshalb die Gruppierung ihre Anhängerschaft vor allem unter den „Sklavenrassen“ gefunden hatte. Sie war aber von den Dracuriern zerschlagen und ihre Artefakte zerstört oder versteckt worden. Die Kultisten hatten eine Gottheit oder ein Wesen namens Kari verehrt, die sie die „Wandelbare“, „Vielgesichtige“ oder „Verborgene“ nannten, und deren Zeichen ein achtzackiger schwarzer Stern war. Erst die Zerstörung der sie „bindenden Ketten“ könne eine bessere Welt erschaffen. Der Kult hatte auf irgendeinen Magnus Opus hingearbeitet, bei dem das Wüten von Dämonen wie Kokumo nur ein Aspekt gewesen wäre.
Sehr apokryphe Hinweise ließen es als möglich erscheinen, dass der Kult nicht vollkommen vernichtet worden war, doch jede Erwähnung lag dennoch viele Jahrhunderte zurück. Für das Endziel des Kultes hatte wohl ein Zeitrahmen bestanden, der mit „Sharzeris Passage“ zusammenhing – doch weder Hira noch die Abenteurer konnten mit dieser Bezeichnung etwas anfangen.
Die Helden entschlossen sich, die Informationen weiterzuleiten – Akira etwa an die Uome in Miari. Freilich war nicht auszuschließen, dass diese weit zurückliegenden Geschichten wenig dazu beitragen würde, um die Unterstützung für den „Tempel der tausend Tore“ zu verstärken. Die Helden begannen darüber nachzusinnen, ob sie nach Abschluss der Recherchen ihr Glück im „Gebirgskloster der eisernen Lotosblüte“ in den Türmen der Tengu, nordwestlich des Maishi-Sees versuchen sollten, auf den sie Akira hingewiesen hatte.
Zunächst aber wollten sie noch einigen eigenen Projekten nachgehen.
Als nächstes würde Hira in Haos Auftrag nach Informationen zur Kirche des Drachen und diesem inzwischen kaum noch verehrten Großen Tiergeist forschen, der einst für den „Tempel des tausend Tore“ eine zentrale Rolle gespielt hatte…