Von Renzan nach Tsusaka
Kintai, nördliche Kochoji-Ebenen südlich des Maishi-Sees (Hao, Akira, Takur)
Als die Abenteurer Burg Renzan verließen, sahen sie das letzte Mal den Utsuro, der sie mit ausdrucklosem Gesicht beobachtete. Luo hatte für einen kurzen Moment den Eindruck, dass etwas hinter den Augen des Utsoku hervorblitzte, was nicht menschlich war und die Helden aufmerksam musterte…
Die Weggefährten waren sich einig, erst einmal das am Südufer des Maishi-See gelegene Tsusaka zu erreichen, um von dort nach Zhoujiang überzusetzen. Sie waren sich allerdings nicht sicher, welches Ziel sie dann ansteuern wollten.
Das vage Vorhaben, neue Wächter für den „Tempel der tausend Tore“ zu finden und dabei auch mehr über den Tempel und die Intrigen der Spinnenfrau Kuraiko zu erfahren, die den dort eingesperrten Dämon zu befreien versucht hatte, bot mehrere Optionen:
- Nachforschungen in den kaiserlichen Archiven in Palitan und Inani oder
- Kontakt mit Tempeln und Klöstern in Zhoujiang aufnehmen, die aufgrund ihrer Tradition vielleicht bereit sein würden, den „Tempels der tausend Tore“ zu unterstützen oder Informationen zu dem dort eingesperrten Übel besaßen.
Erstaunlicherweise war es ausgerechnet Akira – und keiner der aus Zhoujiang stammenden Helden – dem ein mögliches Ziel einfiel: In den Geschichten seiner weitgereisten Urgroßtante Takeda Kimiko hatte er von dem Gebirgskloster der „eisernen Lotosblüte“ gehört. Das am Oberlauf des Rabenflusses in den „Türmen der Tengu“ in der Fangschreckenprovinz Zhoujiangs liegende Kloster war bekannt dafür, dass seine Mönche sich auf den Kampf gegen jenseitige Ungeheuer verstanden. Vielleicht würden dort nützliche Informationen zu finden sein – oder gar Freiwillige für die Wache im „Tempel der tausend Tore“.
Daneben hatten die Helden eigene Ziele:
- Luo wollte mehr über das Schwert in Erfahrung bringen, welches er vor einigen Jahren erbeutet hatte und das eine weitaus ältere und düstere Vergangenheit zu haben schien, als bisher gedacht. Möglicherweise würde sich in den kaiserlichen Archiven dazu etwas finden.
- Akira war entschlossen, nach den Mördern seines Vaters zu suchen. Er hatte zwar momentan keine konkreten Spuren, verdächtigte aber die Gagamba-Kirche oder vielmehr einen Ableger.
- Takur hatte ebenfalls seine eigene Queste: die Suche nach einem Artefakt, dass der „Göttin“ seiner fernen Heimatstadt gestohlen worden war. Zudem suchte er nach seinen beiden verschollenen Ma’Ua-Gefährten, die wie er während der Jagd nach dem Artefakt gefangengenommen und vermutlich auf den Sklavenmärkten des Südens verkauft worden waren. Allerdings ging Takur allmählich auf, wie gigantisch Lorakis war und wie gering seine Chancen, das Artefakt oder seine früheren Gefährten zu finden.
Letztendlich entschied die Gruppe, erst einmal nach Tsusaka zu reisen und dann über das weitere Vorgehen zu entscheiden.
Der erste Teil der Reise verlief ereignislos. Die Gegend schien fruchtbar, relativ wohlhabend und ruhig.
Nach einigen Tagen erreichte die Gruppe die an einem Fluss gelegene Kleinstadt Kuwagasaki. Die vor allem durch Flößer und Holzfäller geprägte und vom Klan Momoku regierte Stadt wirkte recht „rau“. Gerüchte über Truppenbewegungen der benachbarten Klans kursierten und machten die Bewohner nervös. Akira, dessen Familie den Klan Momoku in Rivalität gegenüberstehenden Ranku zugeschworen war, versuchte kein Aufsehen zu erregen. Er wusste zwar, dass die kürzlichen Truppenzusammenziehungen der Ranku vor allem dazu gedient hatten, zhoujiangische Gesandte zu beeindrucken. Aber es wäre vielleicht nicht klug zu erwähnen, dass Akira dabei beteiligt gewesen war…
Die Gruppe kam in einem Gasthaus unter, in dem auch eine Reihe Klan Suguri zugehöriger Händler eingekehrt waren. Da auch dieser Klan und die Momoku nicht immer gut miteinander zurechtkamen, wäre es in der angespannten Lage beinahe zu einer Schlägerei zwischen den Händlern und einheimischen Gästen gekommen. Akira schaffte es, die Lage zu entschärfen. Die Helden kamen mit den Händlern in Gespräch und erfuhren, dass diese nach Tsusaka unterwegs waren und gegen zusätzliche Begleitung nichts einzuwenden hatten.
Allerdings würden nur Hao, Akira und Takur den Handelszug begleiten: Ren war von einer hier lebenden Händlerfamilie aus Zhoujiang um ärztliche Hilfe gebeten worden, weshalb sie und Luo in Kuwagasaki verweilen würden. Die Helden verabredeten, sich in Tsusaka wieder zu treffen.
Die Reise mit dem kleinen Handelszug verlief anfangs weitestgehend ereignislos. Die Helden beteiligten sich am Wachdienst und machten sich mit ihren neuen Weggefährten bekannt. Angeführt wurde der Zug von zwei Schwertalben: Umeo war der Wortführer der Händler und damit praktisch der Ranghöchste in dem Handelszug, direkt hinter ihm kam Ken Suguta, der Kommandeur des kleinen Söldnerkontingentes. Umeo war relativ jung, Ken hingegen ein hartgesottener Veteran, möglicherweise ein Ronin, und die beiden kannten sich erst seit kurzem – ein Umstand, der noch eine Rolle spielen sollte.
Hao glänzte bei der Wegeführung und erwies sich einmal mehr als hervorragende Wildniskundige, was Takur ein wenig neidisch machte. Hao freundete sich mit der zum Händlerzug gehörenden menschlichen Tierbändigerin Yoko an. Offenbar interessierten sich allerdings auch andere Mitglieder der Karawane für die junge Frau. Zwischen Suguta Ken und Umeo kam es im Wettstreit um die Aufmerksamkeit Yokos immer wieder zu Streitigkeiten.
Hao hielt sich aus dem Ganzen heraus. Akira war hingegen der Meinung, dass die beiden Albenmänner sich mit ihren Eifersüchteleien lächerlich machten und die Sicherheit der Karawane gefährdeten. Einmal mehr sah sich der – eigentlich selber noch ziemlich junge – Alb veranlasst, den „Erwachsenen im Raum“ zu spielen. Er versuchte, ernste Zusammenstöße zwischen den beiden Männern zu verhindern. Akira hatte partiell Erfolg, die Situation blieb aber angespannt.
Eine interessante Begegnung am Wegesrand stellte die Sichtung eines kapitalen Krallenkarpfen dar: dieses ein Meter große Geschöpf, das wie ein Fisch auf vier Beinen aussah, galt in Zhoujiang und bei der einfachen Bevölkerung Kintais als Leckerbissen. Viele Schwertalben lehnten allerdings den Verzehr ab, da das Tier in ihren Augen gegen die göttliche Ordnung und Anmut verstieß.
Hao und Takur machten sich auf die Pirsch. Allerdings patzte der Jaguarkrieger bei seinem Speerwurf und landete wenig elegant im Schlamm, weshalb das Erlegen des Tieres zum größten Teil auf Hao ging. Der Krallenkarpfen bereicherte den bisher eher vegetarischen Speiseplan für mehrere Tage. Takur musste sich ob seines Missgeschicks etliche Sticheleien anhören.
Dass die hiesige Fauna echte Gefahren barg, wurde der Reisegesellschaft nur wenige Tage später demonstriert, als einer der Wagenknechte von einer Giftschlange gebissen wurde und einen schweren Schock erlitt. Ein von Hao herbeigerufener Heilungsgeist schloss die Wunde und neutralisierte das Gift, was die Affenpriesterin weiter in der Achtung ihrer Weggefährten steigen ließ.
Bei einer der nächsten Wegstationen, dem Dorf Tohira, wurde die Reisegesellschaft wieder an die Klanfehden Kintais erinnert: das kleine Dorf hatte in den letzten Jahren mehrfach den Besitzer gewechselt und lag jetzt im Niemandsland zwischen den Einflussgebieten der Klans Ranku und Momoku. Eine Räuberbande machte sich den Bauern zufolge die unsichere Lage zunutze, terrorisierte das Dorf, überfiel Reisende auf der Straße und entführte gelegentlich Mädchen und junge Frauen.
Hao schlug vor, etwas dagegen zu unternehmen und stieß bei Akira und Takur auf offene Ohren. Akira sah sich als schwertalbischer Samurai in der Pflicht, den Bauern zu helfen, zumal diese aufgrund der wechselnden Herrschaftsverhältnisse ja zumindest zeitweise unter der Herrschaft von Klan Ranku gestanden hatten, dem Akiras Familie zugeschworen war. Takur ging das Elend der Bauern weniger nahe, er hoffte aber auf einen guten Kampf und Beute. Weniger begeistert von dieser Verwicklung waren die Händler, vor allem da die Helden gerne einige der Wachleute mitgenommen hätten. Letztlich konnten Akira und Hao sich gegenüber Umeo durchsetzen und ein fünfköpfiger Stoßtrupp machte sich auf den Weg zum angeblichen Versteck der Räuber. Die Händler würden im Schutz der Siedlung zurückbleiben, was freilich eine Reiseverzögerung von einem Tag bedeuten würde.
Der Abstecher entpuppte sich als Reinfall: die einsame Hütte im Wald war schon seit langem verlassen. Frustriert kehrten die Helden nach Tohira zurück, wo sie sich besonders von Umeo einiges wegen der unnötigen Verzögerung anhören mussten.
Als die Gruppe am nächsten Tag aufbrach, stellten die Helden allerdings bald fest, dass die Karawane offenbar beobachtet wurde. Scheinbar war doch etwas dran an den Gerüchten über die Banditen. Die Verfolger einfach zu ignorieren schien riskant, falls sie auf Verstärkung oder eine günstige Gelegenheit zum Angriff warteten. Einfach auf sie loszustürmen wäre allerdings wenig aussichtsreich gewesen. Zum einen war nicht sicher, ob es sich wirklich um Feinde handelte. Zum anderen würden die Beschatter im Fall eines direkten Angriffs vermutlich einfach im Unterholz verschwinden.
Takur schlug vor, die Havarie eines Wagens vorzutäuschen und einige Kämpfer „nach Hilfe“ zu schicken, die dann einen Bogen schlagen und sich an die Verfolger anpirschen sollten. Es war nicht einfach, Umeo zu überzeugen, dieses Risiko einzugehen. Aber letztlich setzte sich Akira noch einmal durch – wieder einmal seinen Status als adliger Schwertalb auspielend – und kurz darauf waren er und Takur unterwegs.
Tatsächlich konnten sie sich ungesehen an die Verfolger anpirschen. Offenbar handelte es dabei um zwei Späher, die die Karawane im Auge behielten, und etwas dahinter vier weitere Bewaffnete, die außer Sicht blieben. Den halblauten Gesprächen nach waren es eindeutig Räuber, die über ihre Chancen für einen Angriff berieten.
Kurz entschlossen griffen Akira und Takur die größere Gruppe Bewaffnete an, in der Überzeugung, dass die Kampfschreie und der Waffenlärm den Rest der Reisegruppe herbeirufen würden. Tatsächlich erwies sich das Manöver als Erfolg. Takur konnte seinen Schnitzer mit dem Landkarpfen auswetzen und handhabte seine Speerschleuder mit fürchterlicher Effizienz. Er und Akira schalteten den Anführer der Räuber aus, noch ehe der Kampf richtig begonnen hatte. Ein weiterer Räuber floh, die beiden anderen wurden nach kurzem Kampf gefangengenommen bzw. auf der Flucht gefällt.
Den beiden feindlichen Spähern erging es gegen den Rest der Reisegruppe ähnlich: einer der Räuber wurde mit Pfeilen getötet, der zweite flüchtete. Bei den Helden und ihren Gefährten gab es nur zwei Verletzte: Akira und Suguta Ken. Hao war aufgrund ihrer geringeren Geschwindigkeit diesmal nicht in der Lage gewesen, in den Kampf einzugreifen. Sie kümmerte sich aber um die Verletzten.
Die Sieger sammelten die (überschaubare) Beute an Waffen, Rüstungen und Bargeld ein. Akira köpfte die getöteten Räuber, um ihre Häupter den Behörden zu bringen. Takur trieb die Sache etwas weit, als er den Bräuchen seines Volkes folgend vom Blut des erschlagenen Räuberhauptmanns kostete und sein Gesicht mit dem Blut zeichnete. Das barbarische Verhalten des Jaguarkriegers befremdete seine Weggefährten und erschreckte den gefangenen Räuber zutiefst, der schon durch den Tod und die anschließende Enthauptung seiner Kameraden höchst verunsichert war.
Akira verhörte den demoralisierten Gefangenen, einen älteren, wettergegerbten Mann. In Todesangst gab er schnell die Lage des Räuberverstecks preis. Außerdem verriet er, dass auf den getöteten Räuberhauptmann ein Kopfgeld ausgesetzt gewesen war. Laut seinen Worten war das Verhältnis der Räuberbande zu den Bauern komplexer, als man den Helden erzählt hatte: die Räuber hatten angeblich etliche Verbündete im Dorf und hätten die Bauern im mehr oder weniger erzwungenen Austausch für Informationen und Lebensmittel meist in Ruhe gelassen. Die den Helden im Dorf erzählten Geschichten von Misshandlungen und entführten Frauen seien schon lange nicht mehr vorgekommen, nachdem die Räuber klar gemacht hätten, wer hier das Sagen habe. Außerdem – so die Logik des Räubers – sei dies ja auch nichts anderes gewesen, als das Verhalten mancher neuernannter Lords, die ihre Untergebenen einschüchtern wollten. Bei Akira kam diese Analogie nicht gut an.
Der Gefangene berichtete außerdem, dass die Bauern die Helden absichtlich zu dem angeblichen Räuberversteck geschickt hatten. Der Plan sei gewesen, so den Begleitschutz des Wagenzuges zu schwächen und einen Überfall zu ermöglichen. Das Vorhaben war daran gescheitert, dass weniger Wachen als erhofft die Helden zu dem angeblichen Banditenversteck begleitet hätten und die Händler im Dorf auf die Rückkehr der Helden gewartet hätten, wo ein Angriff als zu riskant erschien. Der Gefangene flehte vergeblich, laufengelassen zu werden. Keinesfalls wollte er den Behörden ausgeliefert oder den Bauern überlassen werden. Offenbar gab es doch etliche Dörfler, die einen Groll gegen die Banditen hegten, auch wenn der Gefangene behauptete, selber an keinen Übergriffen beteiligt gewesen zu sein.
Das Lager der Banditen bestand aus einigen ärmlichen Erdhütten, die rasch durchsucht wurden. Die Helden fanden einige Vorräte und Waffen, ein offenbar kürzlich erbeutetes Maultier mit einer Ladung Spinnenseide, aber nur wenig Geld und Schmuck.
Auf Akiras Veranlassung marschierten die Helden mit dem Gefangenen und den Köpfen der getöteten Räuber in das Dorf Tahia zurück. Akira hielt den Dörflern eine flammende Rede und warnte sie davor, sich mit derartigen Übeltätern einzulassen. Ob er damit bei den Bauern durchkam, blieb aber zweifelhaft. Dem Dorfvorstehe ging es vor allem darum, Strafmaßnahmen oder ein Anschwärzen bei den Behörden zu vermeiden. Letztendlich entschieden sich die Helden, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Ihren Gefangenen übergaben sie dem Dorfvorsteher, der darüber wenig erbaut war. Vermutlich fürchtete er die Rache der überlebenden Banditen und ihrer Freunde, falls er den Mann bestrafen ließ. Ihn laufenzulassen, würde ihm jedoch den Zorn derjenigen zuziehen, die unter den Räubern gelitten hatten. Und falls das den Behörden zu Ohren kommen sollte…
Der Gefangene verfluchte die Helden lautstark, als sie das Dorf verließen.
Trotz der Verzögerung von etwa anderthalb Tagen, die durch die Angelegenheit mit den Räubern entstanden war, veranstalteten die Händler am Abend ein kleines Fest. Immerhin würde diese Räuberbande sie auf künftigen Fahrten nicht mehr behelligen. Die Söldner des Begleitschutzes waren ebenfalls zufrieden, da die Helden vereinbart hatten, dass diese ein Drittel der Beute erhalten würden. Angesichts der Tatsache, dass die Helden den Großteil der Kämpfe bestritten hatten, war das eine großzügige Vereinbarung. Es wurde – auch dank der erbeuteten Vorräte – reichlich gegessen und getrunken, gesungen und Geschichten erzählt.
Akira hielt sich etwas zurück, immer bedacht, dem Ideal eines schwertalbischen Kriegers gerecht zu werden. Er schaffte es aber, der albischen Söldnerin Arisa, mit der er sich in den letzten Tagen ein wenig angefreundet hatte, ihre Geschichte zu entlocken. Offenbar war die zynische Bogenschützin mit dem vernarbten Gesicht mit ihrer Familie ein Kollateralschaden einer Klan-Fehde geworden, die sich ausgerechnet an einer Beleidigung während einer Partie des sehr zeremoniellen Kintari-Fußball entzündet hatte. Seitdem hielt sie offenbar wenig von Adligen und ganz besonders nichts von dem Klan Ranku, dessen Geschütze sie vernarbt und mehrere Familienmitglieder getötet hatten. Dennoch war sie bereit zuzugeben, dass Akira für einen Ranku-Vasallen gar nicht so schlecht sei.
Dass die Tierbändigern Yoko und der Anführer der Händler Umeo während des Festes miteinander anbandelten, sorgte für erneute Spannungen zwischen Umeo und dem Söldnerführer Suguta Ken. Akira hatte in den nächsten Tagen zu tun, damit der Streit zwischen den beiden Männern nicht eskalierte. Akiras sichtliche Frustration über das Gehabe der beiden Männer amüsierte Hao, die Vermutungen anstellte, dass der junge Schwertalb selber wohl noch nie verliebt gewesen sei.
Wenig später erreichte der Zug ein größeres Dorf, in dem sich gerade eine Patrouille des Klans Momoku aufhielt. Offenbar war man bei den Momoku immer noch wegen der Gerüchte über angebliche Truppenbewegungen des Klans Ranku alarmiert. Besonders die Präsenz von Generalin Ranku Kane, in deren Gesellschaft die Helden einige Zeit gereist waren, machte die Momoku nervös.
Die Helden wurden eingehend zu eventuellen Truppenbewegungen der Ranku befragt, konnten aber wenig sagen. Besonders Akira gab eher nichtssagende Antworten, fühlte er sich als Gefolgsmann von Klan Ranku doch diesem verpflichtet. Er hatte Glück, nicht in Schwierigkeiten zu geraten.
Immerhin konnten die Helden das Kopfgeld für den getöteten Banditenhauptmann kassieren und dann weiterreisen.
Die folgenden Tage verliefen ereignislos. Nachdem die Gruppe die zwischen den Klans umstrittenen Gebiete verlassen hatte, wurden die Lande wieder sicherer und reicher, die Straßen besser.
Kurz vor Tsusaka begegnete den Helden ein kompletter Heerzug von über 1.000 Kämpferinnen und Kämpfern der Momoku. Es war ein beeindruckender Anblick, zumal neben hunderten einfachen Soldaten auch zahlreiche schwertalbische Kriegsadlige und sogar mehrere Kanonen zu der Armee gehörten. Auch die Ausrüstung mit Handfeuerwaffen war gut. Angeführt wurde das Heer von einer noch jungen Adligen des Hauses Momoku. Wie die Helden später erfuhren, handelte es sich um Momoku Eiko, die Halbschwester des Lords von Tsusaka. Sie war zwar erst um die Dreißig, hatte aber in Kämpfen gegen verfeindete Klans, Banditen und Ungeheuer schon einigen Ruhm erworben. Akira konnte sich gegenüber seinen Kameraden freilich nicht die Bemerkung verkneifen, dass die junge Momoku eine Überraschung erleben würde, falls sie mit den Ranku-Streitkräften und Generalin Kane die Klingen kreuzen wollte.
Am Abend versuchte der junge Schwertalb, seiner Weggefährtin Hao die komplexen politischen Verhältnisse in Kintai erklären. Die Affenpriesterin konnte nicht verstehen, warum die Gottkaiserin mit ihrer absoluten Macht den Klans ihre gegenseitigen Machtspiele, Intrigen und sogar (begrenzten) Kriegszüge gestattete. Akiras subjektive Ausführungen über Traditionen, Ehre und den Wettkampf der Klans stellten die junge Gnomin nur partiell zufrieden.
Am nächsten Tag erreichte der kleine Handelszug Tsusaka. Die Einwohnerzahl der mittelgroßen Stadt am Maishi-See war in den letzten Jahren infolge der Krisen, Invasionen und des Bürgerkrieges im benachbarten Zhoujiang offenbar deutlich gestiegen, weshalb unter anderem rinr städtische Kanalisation im Bau war.
Die Stadt wies eine klare Gliederung auf: eine chaotische Vorstadt, in der vor allem die Unterschicht lebte, innerhalb der Mauern ein großes und lebhaftes Hafenviertel sowie die Bezirke der angeseheneren Schichten und des Adels. Gekrönt wurde die Stadt durch die beeindruckende Schlossanlage von Fürst Momoku Masajuro. Etwas außerhalb der Stadtmauern lag Neu-Tsusaka, das vor allem von Flüchtlingen und Händlern aus Zhoujiang bewohnt wurde. Auch wenn das Viertel recht ungeordnet erschien, war es weniger rechtlos und heruntergekommen als die eigentlichen Vorstädte.
Wachen waren in Tsusaka relativ selten zu sehen (in den rechtlosen Vororten fast gar nicht) – vermutlich, weil ein Großteil der Garnison mit der Halbschwester des Fürsten gen Süden marschiert war. Sie wurden partiell durch eine Art Hilfspolizei aus Zivilisten unterstützt.
Die Helden kamen im Hafenviertel im „Glücklichen Kappa“ unter, einer guten wenn auch nicht billigen Herberge. Nach einem ausgiebigen Bad nutzten sie den Abend für ein kleines Abschiedsmahl mit ihren Weggefährten. Takur hatte dazu eine junge vargische Köhlerin namens Hanaka eingeladen, die er auf den letzten Meilen vor der Stadt kennengelernt hatte. Auch wenn die Reise nach Tsusaka nicht ohne Probleme und Spannungen verlaufen war, verlief der Abend harmonisch. Es wurde gut gegessen, getrunken und Geschichten erzählt. Dabei zeigte Hao deutlich mehr Talent als Akira, dessen Darbietungsfertigkeiten verbesserungswürdig waren.
Die Nacht brachte allerdings wenig Ruhe, da die Helden von Unruhe auf den Straßen und einem merkwürdigen Gefühl der Unruhe geweckt wurden. Irgendetwas flog über den Himmel über der Stadt, begleitet von einem Geräusch wie zahllose Schwingen, anscheinend eher ein…Ding…als ein Lebewesen, von dem ein seltsam beunruhigendes Gefühl auszugehen schien.
Dass die Helden nicht die einzigen waren, die von diesem Ereignis geweckt worden waren, zeigte sich am nächsten Morgen: Die Stadt brummte vor Gerüchten, trotz einer offiziellen Verlautbarung, dass nichts Gefährliches vorgefallen sei. Manche meinten, das Flugobjekt sei ein Feenwesen gewesen, andere vermuteten eine Waffe einer der zhoujiangischen Bürgerkriegsparteien oder gar einen Drachling. Zumindest letzteres konnte Takur für sich ausschließen: seine Heimatstadt im fernen Jaguardschungel wurde von einer Drachlingin regiert. Er war sich sicher, dass das…Ding…über Tsusaka keine Ähnlichkeit mit einem Drachling gehabt hatte.
Die Menschen auf den Straßen waren jedenfalls verunsichert, auch weil der Vorfall sich in einer ohnehin angespannten Situation ereignet hatte. Der Abzug des fürstlichen Heeres und die Gerüchte von Truppenbewegungen des Klan Ranku ließ viele Einwohner den Ausbruch von Kämpfen fürchten. Der Handel auf dem Maishi-See hatte in letzter Zeit unter Piratenangriffen gelitten, bei denen Gerüchten zufolge nicht alles mit rechten Dingen zuging. Möglicherweise würde es für die Helden schwierig werden, eine Überfahrt zu finden…
Am nächsten Tag verkauften die Helden die von den Banditen erbeuteten Waffen und Rüstungen. Außerdem wollten sie das Angebot Uomes annehmen, über einen seiner Kontakte das Maultier und die Rohseide, die sie im Banditenversteck gefunden hatten, an deren rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben. Takur war zwar der Meinung, dass man diese Beute behalten sollte, aber sowohl Hao als auch Akira vertraten einen anderen Standpunkt.
Der Kontakt des Händlers entpuppte sich als eine junge Schwertalbin namens Nakama Haruko, die gerade in ein Ehrenduell mit einem Schwertalbenkrieger verwickelt war. Offenbar hatte dieser die Ehre von Klan Suguri beleidigt, was Haruko als Suguri-Gefolgsfrau nicht hinnehmen konnte. Zu Takurs Begeisterung und Akiras Anerkennung besiegte die junge Kriegerin ihren erfahrenen Gegner mit Leichtigkeit. Hao, die von dem Duell wesentlich weniger beeindruckt war, verarztete den Verletzten. Nachdem die Helden die Rohseide gegen einen anständigen Finderlohn losgeworden waren – offenbar gehörte sie einem zhoujiangischen Händler – teilten sie ihre Gewinne mit den Söldnern des Händlerzuges und man trennte sich in Freundschaft.