Vorweg ein kurzer Exkurs:Eine Idee, die auch hier im Forum schon das eine oder andere Mal diskutiert wurde, sind "gebundene EP", sprich anlassbezogene Steigern. Ich kenne diese vor allem aus der World of Darkness bzw. ganz speziell Vampire: Die Maskerade, wo sie früher von vielen Spielleitern als Werkzeug verwendet wurde, um die Spieler daran zu hindern, ihre (sehr starken) Spezialfähigkeiten (Disziplinen) permanent zu steigern und zu schnell "zu mächtig" zu werden.
Im Grunde funktioniert das so, dass man sich als Spielleiter mit den Spielern darauf einigt, dass die Charaktere nur Fähigkeiten steigern dürfen, die sie in letzter Zeit auch verwendet haben. Wenn die Charaktere also zwei Monate nur gereist sind und gekämpft haben, dürften sie beispielsweise nichts steigern, was mit Edelhandwerk, Schwimmen, Verwandlungsmagie, etc. zu tun hat - eben alles, was sie nicht genutzt haben.
Diese Vorgehensweise ist nicht besonders beliebt, weil sie sogar noch um einiges restriktiver ist als simple Caps. Ich selbst benutze so ein System auch nicht, vor allem, weil es mir zu viel Aufwand für zu wenig Nutzen ist. Allerdings kann man dieses System ja durchaus an die eigenen Bedürfnisse anpassen und es weniger restriktiv machen (z.B. indem man 50% gebundene EP gibt und 50% freie, oder so ähnlich). Natürlich erhöht das trotzdem den Verwaltungsaufwand nicht unerheblich und kann ausschließlich Extremwerte während des Spiels dämpfen und nicht bei der Charakterschaffung. Aber ich wollte es nicht unerwähnt lassen, weil ich das System
eigentlich recht elegant finde. Man muss als Spielleiter die Spieler von der Auffassung abbringen, dass es sich dabei um ein Werkzeug handelt, das sie in erster Linie einschränkt, sondern davon überzeugen, dass es eher eine Einladung für ein vielfältigeres Charakterwachstum ist, weg vom optimalen auf Metagaming beruhenden Steigerungsplan, hin zum Charakter, der auch wirklich durch seine Erlebnisse geprägt wird.
Nun zum eigentlichen Thema:Für mich sind viele Erfolgserlebnisse etwas anderes als ein risikofreier Erfolg. Ich unterstelle, es den Meisten so.
Mir geht als Spieler, sowie als Spielleiter, immer auch um Herausforderungen. Diese gibt es nicht, wenn Proben immer geschafft werden / immer Fehlschlagen. Das Ausspielen eines Einbruchs bei dem nur bei einem Patzer ein Charakter gesehen wird führt dazu, dass man nur noch diesen Charakter alleine das Problem lösen lässt und lässt andere mit hohem Fertigkeitswert im Vergleich als Nutzlos erscheinen. Gleichzeitig gibt es kein Spannungselement, sondern ist eher wie eine Hausbesichtigung.
Ich stimme dir zu, dass Herausforderungen dem Rollenspiel-Leben Würze verleihen. Ich stelle allerdings mal die Frage in den Raum, ob es wirklich so ist, dass Spieler in den Bereichen Herausforderungen suchen, in dem sie diese extrem hohen Werte haben. Aus meiner Sicht spricht der Umstand, dass sie einige Zeit gelesen, getüftelt und gerechnet haben, um diese Werte zu erreichen dagegen. Ich denke - und das solltest du wie schon von mir und anderen geschrieben mit den Spielern besprechen -, dass die Spieler lieber in anderen Bereichen herausgeordert werden als in Gebieten, in denen sie extrem gut sind. Man kann es ja auch mal andersherum formulieren: Welchen Sinn hat es, EP, Ressourcen und Geld in superhohe Werte zu stecken, wenn der Spielleiter mir dann einfach noch höhere Schwierigkeiten und stärkere Herausforderungen gibt. Das ist letztlich das altbekannte Problem der "mitwachsenden Mauern", was man auch aus vielen Computerspielen kennt. Wenn man mit Level 100 ins Startgebiet zurückkehrt sind die Gegner im Verhältnis genauso stark wie als man Level 1 war.
Mir geht es viel mehr darum, wie man das System anpassen könnte, damit der gute Schurke ähnlich viele Erfolgserlebnisse und Herausforderungen hat, wie der Gelehrte Arkaner Kunde.
An dieser Stelle eine Frage: Geht es dir eigentlich darum, das das Spielsystem nicht für jede Fähigkeit gleich gute Möglichkeiten bietet, auf hohe Werte zu kommen? Oder ist es deiner Ansicht nach das Problem, dass unterschiedliche Spieler unterschiedliche Vorstellungen haben und manche absichtlich unter ihrem potenziellen Maximum bleiben und andere es ausschöpfen?
tldr; Das Threadthema ist von mir Gedacht als: Bringt diese Regeländerung, in Absprache mit Speilleiter und Spielern, dazu, dass Herausforderungen aus den Modulabenteuern Herausforderungen bleiben, Schwierigkeitsgrade für SL besser einschätzbar werden, tiefere Immersion und 1rst Grad Charaktere sich durch die Investition von 18 Exp in einer neuen Fertigkeit besser sind als Profis unter einem fast unmöglichen Umstand und dadurch viele Charaktere in vielen Bereichen glänzen können ohne komplett in den Schatten gestellt zu werden.
Ich denke, einen Teil deiner Wünsche würde diese Regel erfüllen. Klar, wenn +16 das absolute Maximum auf HG1 ist, dann kannst du als Spielleiter natürlich einfach die Fertigkeitswerte +16 nehmen und weißt, in welchem Bereich sie maximal liegen können, das würde schon funktionieren. Die Frage ist aber, was würde es dir wirklich bringen? Ohne das Cap von +16 müsstest du dir halt die entsprechenden Charakterbögen anschauen und wüsstest dann auch, was für einen maximalen Bonus der Charakter hat (zur Not kann dir der Spieler das sicher auch vorrechnen). Dass es dazu führen würde, dass Herausforderungen aus offiziellen Abenteuern weiterhin Herausforderungen sind, glaube ich nicht. Zum einen werden offizielle Abenteuer ja nicht von denselben Autoren geschrieben, die alle dieselbe strikte Vorgabe erfüllen, was Schwierigkeitsgrade angeht, hier liegt also innerhalb der Abenteuer schon keine Konformität vor. Und wenn du dich mit den Spielern auf ein Cap einigst, ist dieses ja erstmal festgelegt. Das heißt, bei manchen Abenteuern funktioniert es, bei manchen nicht. Wie schon geschrieben wurde: Bei offiziellen Abenteuern muss man immer etwas anpassen. Diese richten sich in der Regel nicht an realistische Spielcharaktere, sondern eher zurückhaltend gesteigerte Archetypen. Unterm Strich glaube ich, dass ein hartes Bonus-Cap nicht viel bringen wird. Auch unter der Voraussetzung, dass alle Spieler damit einverstanden sind (was für mich als Spielleiter zumindest Grundvoraussetzung wäre) gäbe es der Spielleitung aus meiner Sicht keine wesentlichen Vorteile beim Einschätzen von Fähigkeiten oder im Umgang mit offiziellen Abenteuern.
LG