Autor Thema: [Kintai-Kampagne] Die Rebellen von den Jadeband-Sümpfen  (Gelesen 4185 mal)

Waldviech

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Es ist nicht lange her, da stolperte ich auf Amazon über eine alte Serie, die ich längst vergessen hatte:

Die Rebellen vom Liang-Shan-Po

eine japanische Fernsehserie, aus den 1970ern, die auf dem chinesischen Volksroman "Die Räuber vom Liang-Shan-Moor" basiert. Das Zeug ist im Grunde so etwas wie eine fernöstliche Version von "Robin Hood" und Abenteuermaterial par excellence. Rebellische Helden, schweinische Schurken (OK, im Original-Roman oft auch in Personalunion), gewagte Räuberstücke...das hat etliches, was eine erstklassige Abenteuerkampagne ausmachen könnte.

Daher habe ich mal hin und her überlegt, wo im lorakischen Osten man so eine Kampagne ansiedeln könnte. Das eigentliche "China-Äquivalent" Zhoujiang erscheint mir witzigerweise gar nicht sooo geeignet dafür, denn es gibt ein Land in Takasadu, dass eine Revolte noch viel mehr verdient hätte: Kintai. Das ist zwar eher japanisch angelehnt, aber die Fernsehserie ist ja auch von Japanern produziert worden.  ;D. Daher nennt sich dieser Kampagnenentwurf

Die Rebellen von den Jadeband-Sümpfen

Seit 504 herrscht Myuriko die Gottkaiserin über Kintai und die adeligen Schwertalben werden nicht müde, Ausländern zu versichern, wie furchtbar die Göttin im Volke geliebt wird und wie sehr das kintaische Ständesystem Harmonie fördert. Etliche, ideologisch verblendete Samurai mögen dieses Gewäsch sogar glauben. Die Tatsachen sehen anders aus:

Natürlich wird die Göttin eifrig "geliebt" - denn es verliert jeder den Kopf, der das nicht lautstark genug tut.
Die vorgebliche Harmonie Kintais basiert einzig und allein auf rigoroser Unterdrückung.
Bei Lichte betrachtet ist das ganze Gesellschaftssystem der Kintarai ungefähr so sympathisch wie ein Ziegelstein in der Fresse.
Die ganze, Ehrfurcht gebietende Schönheit des Landes basiert auf gnadenloser Ausbeutung der niederen Klassen.
Die Gesetzgebung ist mitunter so gnadenlos starr, dass jemandem mit einem Herz im Leibe zuweilen gar keine andere Wahl bleibt, als "kriminell" zu werden.
Und zu allem Überfluss ist Kintai unter Myuriko auch noch äußerst rassistisch - auch wenn die Kintarai (und die Splittermondautoren :P) etwas anderes behaupten.
Das kleine Händchen voll nicht-albischer Würdenträger, das existiert, ändert nichts daran, dass die Schwertalben defacto als "Herrenrasse" fungieren.
Außerdem herrschen unter den adeligen Schwertalben, subtil verborgen, Intrige und Korruption.

Kein Wunder also, dass es unter der Oberfläche brodelt. Nicht alle Unzufriedenen sind ins Ausland geflohen. Im sumpfigen Hügelland westlich der Banjaku-Provinzen hat sich ein kleines Trüppchen Ausgestoßener und Verbannter zusammengefunden, die sich der falschen "Harmonie" der göttlichen Diktatorin widersetzt. Sie sind zum Teil Räuber und Diebe mit dem Herzen am rechten Fleck, zum Teil sind sie Gemeine die durch die unbarmherzige Gesetzgebung Kintais unter die Räder kamen. Aber auch anständige Beamten und Magistrate und wahrhaft ehrenhafte Schwertalben, die die Grausamkeit des Systems erkannt haben, haben sich den Rebellen angeschlossen. Ihr Ziel: Ein freies und gerechtes Kintai! Sicher - vielleicht ist es ein Ding der Unmöglichkeit, die "Herzlose Kaiserin" zu stürzen. Aber die Rebellen tun, was sie können. Sie helfen dem einfachen Volk gegen grausame Samurai, Steuereintreiber, korrupte Fürsten und sonstige Unterdrücker. Sie nehmen den Reichen und geben den Armen. Sie kämpfen dafür, das Gerechtigkeit und Recht irgendwann wieder ein und dasselbe werden. Und sie brauchen immer neue Unterstützung...so wie die SC.

Und jetzt die obligatorische Frage:
Kann das funktionieren? Was kann man dazu noch ergänzen? Wie findet Ihr das Ganze?

(Und als kleines Postscriptum: Ich weiß - bislang wurde Myuriko nicht unbedingt als Schurkin beschrieben und auch die Schwertalben sollen ja angeblich "nicht rassistisch" sein. Allerdings läd die ganze Konstellation in Kintai sehr dazu ein, Myuriko als gnadenlose Tyrannin und zentralen Kampagnenfiesling zu verwenden.)
 

« Letzte Änderung: 04 Sep 2020, 15:48:11 von Waldviech »

Ravenking

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Re: [Kintai-Kampagne] Die Rebellen von den Jadeband-Sümpfen
« Antwort #1 am: 04 Sep 2020, 17:53:25 »
Kennst du das Abenteuer "Die Seidene Stadt"? Das spielt in Kintai und die Thematik Rebellion gegen Myuriko kommt da auch vor - also, ja, das kann nicht nur funktionieren, das ist sogar schon vorhanden.

Myuriko ist durchaus als eine sehr ambivalente Herrscherin zu sehen. Natürlich sind viele von ihr überzeugt und finden gut, was sie alles für das Land tut - sie hat ja auch wirklich viele gute Dinge erreicht. Aber sie tut es eben mit der gnadenlosen Arroganz eines göttlichen Wesens, dem jedes Bewusstsein für andere Blickwinkel als ihrem göttlichen Willen nun mal völlig fehlt.

Die Frage, ob und inwieweit das ok ist, mögen die Bewohner sehr unterschiedlich sehen:
Die einen sehen vielleicht vor allem die Vorteile und sind bereit, sich einer göttlichen (und damit klügeren, besseren, stärkeren...?) Macht freiwillig zu unterwerfen, solange diese ja offenbar viel Gutes bewirkt (und immer noch besser, als sich einer fehlbareren irdischen Herrschschaft zu unterwerfen?).
Die anderen empfinden die Art, wie Dinge durchgesetzt werden, vielleicht als unerträglich, egal wie "gut" das Ergebnis vielleicht auch sein mag. Man bedenke nur, dass z.B. auf alle, die die Hauptstadt Senrai betreten, ein Zauber wirkt, der das Bedürfnis nach Harmonie auslöst, so dass es schwerer wird, etwas gegen die Ordnung und Schönheit zu tun - wenn das keine Gehirnwäsche ist, dann weiß ich auch nicht  ;D
The rain made a door for me and I went through it, the stones made a throne for me and I sat upon it.
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Wandler

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Re: [Kintai-Kampagne] Die Rebellen von den Jadeband-Sümpfen
« Antwort #2 am: 04 Sep 2020, 18:05:43 »
Es kann funktionieren - und es ist wie Ravenking ja schon aufzeigt an verschiedenen Stellen bereits angelegt.
Die Seidene Stadt ist ein sehr gutes Abenteuer das das thematisiert, aber Exilanten aus Kintai sind an verschiedensten Ecken aufgetaucht weil sie diese göttliche "feindliche" Übernahme nicht gut fanden.
Kintai gehörte historisch gesehen zu Zhoujiang - und sicher hat das riesige Reich gerade besseres zu tun (wegen des Bürgerkriegs) als gegen eine Göttin Krieg zu führen, das heisst aber nicht dass das alle so sehen.
Kintai ist so angelegt dass Du es als rassistisch, von einer Göttin mit Gewalt eingenommen und unterdrückt darstellen kannst - oder deutlich besser gestellt als das ins Chaos versinkende Nachbarreich oder andere Länder (in denen ja auch nicht gerade die Demokratie ausgebrochen ist).
Ich würde mir mal die Seidene Stadt ansehen - da sind eine Menge gute Aufhänger drin (die werde ich hier jedoch nicht spoilern).
« Letzte Änderung: 04 Sep 2020, 19:02:56 von Wandler »

Waldviech

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Re: [Kintai-Kampagne] Die Rebellen von den Jadeband-Sümpfen
« Antwort #3 am: 04 Sep 2020, 21:32:01 »
Gute Punkte und danke für den Hinweis auf die Seidene Stadt. Das Teil habe ich irgendwo sogar rumliegen. 😀.

Die "Ambivalenz" von Myuriko ist im Übrigen auch das, was die Ganze Sache interessant macht. Als SPIELER empfinde ich Myuriko durchaus als eines der größeren Übel in Lorakis. Sie mag nicht Sauron sein. Sie mag sich selbst sogar als wohlwollend betrachten. Aber genau genommen ist sie sehr, sehr, seeeeeehr nahe daran, sowas wie Kim Jong-Un mit echten Zauberkräften und hübscherer Frisur zu sein.

Aus der Sicht on jemandem, der in Lorakis existiert (und faktisch nur vormoderne Gesellschaftssysteme kennt) ist aber durchaus nachvollziehbar, warum man Myurikos Machenschaften als positiv werten könnte.

Wandler

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Re: [Kintai-Kampagne] Die Rebellen von den Jadeband-Sümpfen
« Antwort #4 am: 05 Sep 2020, 08:52:25 »
Wir tendieren dazu ein solches "Regime" aus der heutigen Perspektive zu sehen, im Vergleich zu heutigen totalitären Staaten, aber auch Demokratien. Das ist für klassische Szenarien nicht unbedingt der beste Einstieg.
Für die Charaktere und deren Spieler wären andere Aufhänger - alle innerweltlich - meines Erachtens besser geeignet:

  • Steht der aufoktroyierte Glaube im Widerspruch zum eigenen Glauben?
  • Wer in diesem Staat hat mir Unrecht zugefügt (Geheimpolizei, Adelige, Gerichte, Priester)?
  • Wurde der Charakter oder seine Vorfahren vertrieben?
  • Hat das "Versagen" des Charakters zu einem Groll geführt (nicht als Priester, Kantioku, ..) erwählt?
  • Gibt es Ansprüche auf Kintaiisches Gebiet durch Mentoren, Anführer (Söldner, ...) oder Lehensherren?
  • Hat die Elite des Reiches beim Schutz der Bevölkerung versagt (Es gibt durchaus wilde Gebiete mit Grenzen zur Feen- und Geisterwelt!)?

Diese Fragen brauchen nicht für alle Charaktere einer Gruppe mit "Ja" beantwortet werden, es können auch andere Bande (Familie, Freundschaft, Liebe, Loyalität, ...) andere Charaktere mit in das Abenteuer "hinein ziehen". Aber mit einer soliden, persönlichen Motivation wird das Ganze keine Abstrakte Rebellion gegen ein Prinzip / eine Göttin.

Um der Kampagne Würze zu verleihen können die Charaktere jede Menge Leute treffen (auch an den Grenzen!) die von der Herrschaft Myurikos überzeugt sind: Es geht auch den Bauern (einigermaßen) gut, der Handel gedeiht, das Reich ist stabil (im Gegensatz zu Zhoujiang, das sich als Einstieg / Rückzugsraum anbietet), ...

Waldviech

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Re: [Kintai-Kampagne] Die Rebellen von den Jadeband-Sümpfen
« Antwort #5 am: 05 Sep 2020, 20:18:28 »
Finde ich tatsächlich eine sehr gute Herangehensweise - die im Übrigen auch sehr gut zur literarischen Vorlage passt. Die Räuber vom Liang-Shan-Moor sind insgesamt selbst ein seeeeeehr ambivalenter Haufen. Heroische Rebellen sind da ebenso drunter wie Leute, die versehentlich Morde begangen haben oder notorische Berufsverbrecher.

Gegebenenfalls, als alternativer Ansatz, lässt sich das Ganze auch eher regional aufziehen - und nach dem altbekannten, antiken Muster der "kaisertreuen Halunken" aufziehen. Hier wäre Myuriko einfach nur "weit entfernt" und die Schurkenrolle käme irgendwelchen lokalen Machthabern zu. Dabei wird, wie bei Robin Hood oder den Räubern vom Liang-Shan-Moor, nicht das System als Ganzes hinterfragt, sondern sein Missbrauch thematisiert.

Takur

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Re: [Kintai-Kampagne] Die Rebellen von den Jadeband-Sümpfen
« Antwort #6 am: 29 Apr 2023, 07:04:43 »
Ich kenne die Serie auch aus Kindertagen (auch wenn sie partiell nicht unbedingt kindgerecht ist ;)) und hatte tatsächlich schon mal überlegt, Elemente zu verwenden. Ich würde allerdings eher sagen, dass sie noch besser in Zhoujiang oder Sadu aufgezogen werden kann:

Zhoujiang: der Bürgerkrieg bietet den perfekten Hintergrund. Korrupte Beamte (und die Triaden selber) in den von den Triaden kontrollierten Provinzen und die teilweise ziemlich rücksichtslose Herrschaftspolitik von General Wu könnten dankbare Gegner. Aber man könnte das Ganze natürlich auch in die der Kaiserin loyalen Provinzen verlegen (v. a. wenn die Rebellen, wie hier vorgeschlagen, sich eher gegen die "bösen" beamten/Lokalherrscher richten, nicht gegen die "gute" Kaiserin) oder in die neutralen Gebiete, die ja zu allem Überfluss mit der Einflussnahme und den Ambitionen der drei Bürgerkriegsparteien umgehen müssen.
In den Westlichen Provinzen könnten dazu auch noch die nomadischen Jogdaren als Bedrohung am Horizont drohen.
Im Hintergrundband zu Zhoujiang kurz vorgestellte Gruppierungen wie diese Räuberbande aus Affenpriestern, die gegen korrupte Beamte kämpft, Die radikale Rebellin Liu Bei, die mit ihren Soldaten rücksichtslos Mandarine und Beamte enteignet und von allen Bürgerkriegsparteien gejagt wird und der maskierte Jadedrache (und ihre jeweiligen Gegenspieler) bieten ein dankbar weites Feld.

Sadu: Das notorisch zerstrittene Land und die unter den ständigen Kämpfen und den Ambitionen der Warlords leidende Bevölkerung sowie die Idee, wieder Frieden und Ordnung zu schaffen, bieten genug Stoff für eine lange Kampagne. Wenn man die Räuberbande nahe der Grenze zu Kintai ansiedelt, könnten dazu noch die Einflussnahme der Schwertalben (die off. mit Agenten etc. in Sadu aktiv sind) und die gegen Kintai operierenden Gruppen in den transkabilischen Wäldern in den Mix geworfen werden. Dazu noch allgemein die Einflussnahme Kungaitans und der Kampf um das Jadesiegel...

In Kintai selber hingegen müsste man sich überlegen, wo man die Räuber ansiedelt. Da sollte man besser eine etwas abgelegene Gegend wählen, denke ich - die staatliche Kontrolle scheint mir doch so stark (und die Militärmacht der Clans und ihrer Schwertvasallen so groß), dass eine solche Räubertruppe es schwer hätte. VOR ALLEM, falls sie sich direkt gegen Myuriko stellen würde.
Am ehesten wäre so eine Truppe dann vielleicht in den Zanshi-Bergen, am Kabila oder vielleicht irgendwo weit im Südwesten, Richtung Schattenwand oder so aussichtsreich.
Aber das ist nur meine Meinung.

Generell finde ich aber, man sollte die Herrschaft Myurikas nicht zu dystopisch darstellen und v. a. die Zahl der Opposition nicht übertreiben. Es ist sicherlich keine aus heutiger Sicht gerechte Gesellschaft (aber das gilt für fast alle Fantasy-Settings) - aber man sollte nicht vergessen, dass Kintai allgemein als relativ wohlhabend gilt und es der Bevölkerung meist nicht schlecht geht - jedenfalls verglichen mit dem zersplitterten Sadu und dem vom Bürgerkrieg geprägten Zhoujiang. Mit solchen Vergleichen (die die Obrigkeit sicherlich auch gerne als Warnung heranzieht) dürfte die Sehnsucht nach radikalen Veränderungen etwas gedämpft werden... 
Und Myuriko taugt m. E. nur bedingt als "Kampagnenfiesling", weil sie zu weit oberhalb der Ebene der lokalen Ereignisse steht. Nicht nur vom Machtlevel (eine lebende Göttin - oder zumindest jemand mit praktisch dieser Macht), sie wird sich auch kaum "die Finger schmutzig machen" und wahrscheinlich so eine kleine Bande nicht mal wahrnehmen. Gerade wegen ihrer gigantischen Übermacht (uralte Herrin über ein Millionenreich) sollte sie m. E. besser nicht selbst aktiv werden und höchst sparsam eingesetzt werden (bewegt sie sich überhaupt mal aus der Hauptstadt heraus?). Besser ein lokaler Fürst/Kommandeur oder so...
« Letzte Änderung: 29 Apr 2023, 08:08:34 von Takur »