Leider kann ich dem Roman nicht so viel abgewinnen wie Tena. Dabei habe ich mich seit der Ankündigung sehr auf dieses Buch gefreut! Daher wiegt meine Enttäuschung umso schwerer …
Ein Umstand, der teilweise in meine Bewertung einfließt, ist, dass
Jenseits der Seidenstraße im Schatten eines der besten Rollenspielbücher der letzten Jahre steht:
Jenseits der Grenzen. Schon im Titel zeigt die Verwandtschaft zu der großartigen Spielhilfe über die Feenlande. Doch während das eine Buch ein schier unermesslicher Quell der Inspiration ist, ist dieser Roman allenfalls mittelmäßig. Als ich nach der Lektüre noch einmal in der Spielhilfe geblättert habe, wurde mir das noch mehr bewusst. Was doch alles möglich gewesen wäre!
Aber auch für sich alleine betrachtet habe ich meine Schwierigkeiten mit dem Buch.
Einzelheiten mit leichten Spoilern!Die Figuren sind durchweg Klischees, was okay wäre, wenn auf diesen nicht so herumgeritten würde. Mara muss gefühlt alle zwei Seiten an dem Flachmann nuckeln, damit man nicht vergisst, dass sie ein Alkoholproblem hat. Drohann muss sich alle paar Seiten an die Verheerten Lande erinnern, damit man nicht vergisst, wie schrecklich es dort ist und was für ein harter Bursche er ist. Der Alb muss 1W6 mal pro Kapitel eine Anspielung machen, damit man nicht vergisst, dass er schwul ist. Norlind muss schon wieder an den stattlichen, nackten Kriegerarsch denken (weil der stattliche Krieger natürlich 2/3 des Buches ohne Hose herumlaufen muss, damit die scheue Priesterin und der schwule Alb daran ihre Freude haben). Und bei Birk wird ebensowenig an Anspieliungen auf Moschusziegen und Eis gegeizt, damit man nicht … Ich denke, ihr versteht mein Problem. Irgendwann habe ich das Buch förmlich angeschrieen: Ich habe es verstanden!
Eigenheiten von Figuren sind toll, aber wenn man sie permanent an die Stirn getackert bekommt, wird es nervig, und dann nerven die Figuren, und das ist tödlich für mein Interesse an ihnen.
Dazu machen sie kaum eine nennenswerte oder glaubwürdige Entwicklung durch, sondern bleiben fast durchgängig in ihren Stereotypen gefangen. Dass sie am Ende eine eingeschworene Gemeinschaft sein sollen, habe ich dem Buch nicht abgekauft.
Leider wirkte zudem kaum jemand in der Gruppe wirklich kompetent, zumindest nicht die beiden Hauptfiguren und Mara, die eigentlich nichts zur Handlung beigetragen hat, außer aus ihrem Flachmann zu trinken.
Richtig schlimm fand ich die einzelnen
Motivationen der Figuren. Es ist wie bei einem schlecht vorbereiteten Abenteuer: Eigentlich haben wir keine richtige Motivation, aber egal, der Plot will es, und lass uns lieber losspielen, als weiter darüber nachzudenken. Birk macht für mich am meisten Sinn – es ist zwar ein Klischee, aber es gibt einen nachvollziehbaren, emotionalen Grund. Aber die anderen … Irgendwie geht es um nichts, zumindest um nichts, bei dem ich mitfiebern will.
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Da ich nie das Gefühl hatte, dass es ungemein wichtig ist, dass die Gruppe das Ziel erreicht, habe ich auch nicht mitgefiebert.
Somit begibt man sich als Leser halt mit ein paar austauschbaren Figuren ohne wirklichen Anlass auf eine Sightseeing-Tour, die irgendwann zu ende ist. Der Mondpfad und die Domänen, auf die ich mich gefreut haben, kommen dabei eher putzig und neckisch daher statt mysthisch, gefährlich oder surreal. Man muss nur die düster-magische (und auch sprachlich köstliche!) Beschreibung des Feenmarktes aus
Nacht über Herathis oder dem Abenteuer
Die seidene Stadt daneben legen. Oder eben in
Jenseits der Grenzen blättern.
Aber egal, schmunzeln wir doch nochmal über den halbnackten Krieger und gönnen uns dabei einen Schluck aus dem Flachmann!
Einen weiteren Minuspunkt gibt es für
die Umwege am Anfang. Norlind reist mal eben von Selenia nach Wintholt und von dort nach Sarnburg. Alleine von der Südgrenze Wintholts nach Sarnburg sind es 500 Meilen Luftlinie. Ebenso könnte man sagen: Und dann ritten sie mal eben von Berlin nach München. Leider vermittelt der Roman kein Gefühl von der Entfernung, es fühlt sich eher an, als würde ich in Berlin in den IC steigen, um meine Eltern in Hamburg zu besuchen.
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Über das Ende breite ich den Mantel des Schweigens. Es musste wohl nochmal ein böser Schurke aus dem Hut gezaubert werden, der so unerheblich ist wie die Motivation der Hauptfiguren, um dann für eine tragische Wendung zu sorgen, die man von weitem kommen sehen kann. Das ergab sich für mich nicht schlüssig, sondern kam sehr gewollt daher.
Fazit ohne SpoilerImmerhin ist
Jenseits der Seidenstraße besser als die schlechteren
Splittermond-Romane, aber ebenso weit entfernt von den guten Büchern der Reihe. Daher gibt es von mir die
Note 3 für ein Buch der verpassten Gelegenheiten.
Nebensächliches: Zwei Romane habe ich noch nicht gelesen, aber ein
Splittermond-Roman ohne Feen wäre eine erfrischende Abwechslung.