Autor Thema: Der Geist eines Landes  (Gelesen 6833 mal)

Loki

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Der Geist eines Landes
« am: 29 Mär 2019, 17:02:09 »
Hi,

inspiriert vom "Deutschland"-Video von Rammstein (jenes, das wegen der KZ-Szenen gerade so stark diskutiert wird) sowie von Adrian Praetorius Anmerkung im Quo Vadis-Workshop von der HeinzCon bin ich auf die Idee gekommen, dem "Geist" eines Landes eine größere Rolle in einem Abenteuer oder gar in einer Kampagne spielen zu lassen. Die Aussage von Adrian Praetorius war (so in etwa), dass Geister erstmal regeltechnisch erstmal alle gleich funktionieren, dass es also z.b. keinen Unterschied zwischen Geistern im klassischen Sinne (also den Seelen Verstorbener), Naturgeistern, Ahnengeistern etc. gibt. Im Rammstein-Video wird die Figur Germania dargestellt, die man durchaus als eine Art Symbol für Deutschland verstehen könnte.

Ich dachte mir: Ganz so absurd ist das gar nicht, dass zum Beispiel ein Land einen eigenen Geist besitzt, der gewissermaßen alles repräsentiert, Einfluss auf die Bevölkerung nimmt und natürlich im Gegenzug auch beeinflusst wird. Beim Geist von Selenia kann ich mir beispielsweise sehr leicht eine kriegerische, aber weise Gestalt vorstellen, die gerecht und streng ist. Der Geist von Midstad könnte hingegen eher wie eine gequälte und gefolterte Bestie sein, quasi ein Zerrbild des allgegenwärtigen Gefühls der Angst und des Terrors.

Nun stellt sich mir die Frage, was man daraus machen könnte. Wenn man so einen Geist des Landes erfindet bzw. einbringt, eröffnet das natürlich Möglichkeiten. Man kann ihn befragen, denn theoretisch wüsste er alles, was im Land vor sich geht, man könnte versuchen ihn gezielt zu manipulieren (wohl eher ein Plan für die Antagonisten) oder versuchen, ihm zu helfen oder Wunden zu heilen. In meinem Verständnis wäre so ein Geist ein eher schwieriger Gesprächspartner ohne Motivation, sich irgendwie zu artikulieren oder irgendwelche Handel einzugehen (wozu auch schon?). Aber als Motivator im Hintergrund könnte ich ihn mir sehr gut vorstellen, oder auch nur als Figur in einer Legende.

Was haltet ihr davon? Wie würdet ihr so einen Geist ausgestalten und was für Interaktionsmöglichkeiten würdet ihr den Spielern anbieten, wenn überhaupt welche?

LG
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Wandler

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Re: Der Geist eines Landes
« Antwort #1 am: 29 Mär 2019, 17:46:51 »
Hallo Loki,
ein solcher Geist könnte tatsächlich viele Rollen spielen. Eine "Abkürzung zur Lösung der Landesprobleme" oder ein "Allwissender" wären sie bei mir jedoch nicht.

  • Spiegelbild: Das hast Du ja schon angeführt: Begegnungen im Traum und in der Realität, als leidende Kreatur, Bewohner, Söldner, "uraltes Kind" - mit der Hauptfunktion den Charakteren den Zustand des Landes und möglicherweise einen Teil der Probleme aufzuzeigen
  • Auftraggeber: Einen Schritt weiter ginge man wenn sich dieser Geist seiner Rolle bewusst wäre und bestimmte wichtige Aufgaben verteilen könnte. Die könnten sehr reale Auswirkungen haben oder symbolicher Natur sein (Lösung des Gesamtproblems im Kleinen, zum Beispiel, oder die Rückführung eines Symbols, Betrafung eines "Vorbildtäters", ...)
  • Orakel: Auch ein Geist wird nicht über "sein Land Bescheid wissen" - ich würde ihn mehr als ein Gesamtspiegelbild mit intuitiver Auffassung von großen Problemen auffassen. Trotzdem könnte der Geist drohendes Unheil spüren, sei es Verrat einer wichtigen Einzelperson, den Einmarsch von Feinden oder ein Blutbad in einer Kleinstadt. Der Geist sollte (meines Erachtens) nicht als ein militärisch versierter Stratege mit klar umrissenem Auftrag dargestellt werden - sondern ein Wesen das Hilfe braucht.
  • Mentor: Dem Orakel ziemlich ähnlich aber hilfreicher kann ein einigermaßen geistig gesunder Geist eine Gruppe anleiten und Zusammenhänge auf höherer Ebene erläutern - was der Bauer Seppi morgen ernten und zu Mittag essen wird wird er nicht wissen ...
  • Indikator: Sollten die Charaktere wiederholt in das Schicksal eines Landes eingreifen könnte der Geist auf sie aufmerksam werden und seine Wandlung könnte den Charakteren Fortschritte und Fehlschläge aufzeigen.
  • Letzter Gegner: Sollte eine mächtige Gruppe wirklich ein großes Problem eines Landes lösen könnte der Geist auch Antagonist werden - bemüht den (kranken) Status Quo zu erhalten. Auch wenn ein solcher Geist nicht vernichtet werden kann, ihn zu besiegen, im sozialen Duell, mit Waffen, durch eine List könnte ganz großes Kino werden und eine Kampagne krönen, gleichsam den Erfolg wiederspiegeln und wiederholen

Die meisten dieser Rollen lassen sich gut kombinieren und auf die Macht und Vorgehensweise einzelner Gruppen anpassen.
Insgesamt finde ich die Idee super einen solchen Geist mit ins Spiel zu bringen solange er die Kampagne begleitet - und nicht ersetzt.

Wandler

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Re: Der Geist eines Landes
« Antwort #2 am: 29 Mär 2019, 17:59:45 »
Eine abgewandelte Form eines "Geists des Landes" habe ich in einer Kintai-Kampagne entworfen. Es gab dort eine Feenwelt die "parallel zu Kintai existierte" - ein Zerrbild der Ideale die in Kintai hochgehalten werden. Das hat den Charakteren erlaubt sich mit den hehren Idealen genauso auseinander zu setzen wie mit den Schattenseiten die extreme und sture Einhaltung der Ideale mit sich bringen.
Außerdem lassen sich in Situationen und mit Gruppen auch komplexere Dinge darstellen als mit einem einzelnen Geist.

Sturmkorsar

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Re: Der Geist eines Landes
« Antwort #3 am: 29 Mär 2019, 18:03:28 »
Du müsstest erstmal definieren, was du mit Land meinst. Einen Landstrich? Einen Staat?
Dann ist die Frage, wie so ein Geist entsteht. In Lorakis wären die meisten Geister von Staaten maximal 1000 Jahre alt, der Geist des Kaiserreich Selenias wäre verglichen mit dem Geist von Farukan, als einer der wenigen Staaten die älter als 1000 Jahre sind, gerade erst geboren.
Umgekehrt war der Landstrich X schon seit Millionen von Jahren genau an dieser Stelle. Entsprechend alt wären die Geister bzw können sie sein. Hier hätten aktuelle Ereignisse kaum Einfluß auf den Geist. Der Geist von einem Landstrich in Midstad wäre kaum gequält, da der Beginn der Qual für den Geist erst seit einem Blinzeln da ist.
Und welche Interessen hätten diese Geister? Auftraggeber um eine Gefahr durch Sterbliche aufzuhalten? In ein paar Jahren ist der König tot und den Leuten geht es wieder besser. Wenn es in diese Richtung geht, dann eher Gefahren wie Verheerung oder Verorkung, die es aufzuhalten gibt.

SeldomFound

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Re: Der Geist eines Landes
« Antwort #4 am: 29 Mär 2019, 18:21:02 »
Was mich hier interessiert ist hier die mögliche Überschneidung zwischen Feenwesen, Geisterwesen und Götter.

In Farukan glaubt man zum Beispiel das Feenwesen zu Götter werden können (siehe Yelat oder Maddad). Bei den Raugarr, Vaigarr oder Tarr Götter als besonders mächtige Geister verstanden werden. Diese Glaube scheint auch für Zhoujiang zu gelten.

Geisterwesen wiederum haben nicht selten auch eine Symbiose mit Feenwesen. Ein bekanntes Beispiel ist der Geist der Jagd, der in "Jenseits der Grenzen" erwähnt wird und in den Wänden der Jagdhalle der Stechgingsterkönigin wohnt. Er verwandelt sich in die Reittiere der Wilden Jagd.

In anderen Punkten scheint es auch so zu sein, dass gefallene Götter oder Feenherrscher als Geisterwesen enden können, was zum Beispiel mit dem ehemaligen Wächter des Mondpfades "Wildwechsel" geschah.



Ich würde sagen, im Falle von Mertalia ist genau so etwas passiert: Ulmon, der Schutzgott des Städtebundes, ist ein solcher "Volksgeist", der zum Gott aufgestiegen und sich einen Platz in der mythischen Domäne sichern konnte.

Im Unterschied dazu könnte im Falle von Selenia sich gerade ein solcher "Volksgeist" gerade erst bilden. Ein Vorbild wäre für mich die "Codex Alera"-Reihe von Jim Butcher:

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Fadenweber

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Re: Der Geist eines Landes
« Antwort #5 am: 29 Mär 2019, 21:17:51 »
"Die Hochzeit mit dem Land" ist ja tatsächlich auch ansonsten ein verbreitetes Herrscher-Motiv in Brauchtum und Fantasy.

Thaxx

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Re: Der Geist eines Landes
« Antwort #6 am: 30 Mär 2019, 11:26:37 »
Ich stimme Sturmkorsar da zu - es sollte definiert sein was genau "Land" in diesem Zusammenhang heisst. Grundsätzlich könnte es natürlich Geister von sowohl Landstrichen als auch Staaten geben. Doch das hätte meiner Meinung nach extreme Auswirkungen auf auf die Lore. Denn wenn ich weiss das das Land auf dem ich wandle ein Bewusstsein hat, sogar eine Persönlichkeit, dann bekommt der nicht klerikale Nutzen von Magie gleich einen unangenehmen Beigeschmack (Verheerung uns so). Druiden und Elementaristen würden dann perfekte Ököterroristen abgeben  ;)

Und man stelle sich dann den Geist der Verheerten Lande vor *schauer*. Oder den der Blutgrasweite *würg*.  ;D
Also: Gehen ein Hirsch, ein Pfau und ein Kranich in eine Taverne...

Alagos

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Re: Der Geist eines Landes
« Antwort #7 am: 30 Mär 2019, 15:07:36 »

Und man stelle sich dann den Geist der Verheerten Lande vor *schauer*. Oder den der Blutgrasweite *würg*.  ;D

Wobei die ja auch spannende Auftraggeber darstellen können im Sinne von "stelle die Glorie meiner Vergangenheit wieder her".
Ich leite aktuell: Der Fluch der Hexenkönigin.

Gorakar

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Re: Der Geist eines Landes
« Antwort #8 am: 31 Mär 2019, 00:18:16 »
Mich wundert ein wenig das bisher noch niemand erwähnt hat das solche "Geister des Landes" im Lore schon vorhanden sind.
Zumindest erinnert die Idee stark an die Genien der Flüsterwindinseln, die auf Seite 219 von "Die Welt" kurz beschrieben sind. Ich vermute daher das, sollte irgend wann mal ein Regionsband zu den Seealben kommen, wir in Zukunft noch tiefere Informationen zu diesem Gedanken erhalten werden.

Nevym

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Re: Der Geist eines Landes
« Antwort #9 am: 01 Apr 2019, 15:18:40 »
Mich wundert ein wenig das bisher noch niemand erwähnt hat das solche "Geister des Landes" im Lore schon vorhanden sind.
Zumindest erinnert die Idee stark an die Genien der Flüsterwindinseln, die auf Seite 219 von "Die Welt" kurz beschrieben sind. Ich vermute daher das, sollte irgend wann mal ein Regionsband zu den Seealben kommen, wir in Zukunft noch tiefere Informationen zu diesem Gedanken erhalten werden.
... oder die Zwingarder Vanyr.
"Der Geist / die Geister des Landes" müssen ja nicht einzelne Entitäten sein und sie müssen auch nicht über existieren. Ein "Geist des Landes" für ganz Selenia wär mir ein bischen zu viel, zu mächtig, egal welcher Ausprägung, aber warum sollte es nicht den "Geist der Arwinder Mark" geben oder vielleicht noch regionaler, de Geist eines Berges /Bergmassivs oder eines Tals, eines Sumpfgebietes, einer Küste usw.
Ein Geist eines Gewässers könnte vor den Naturgewalten oder einem verborgenen, gefangenen/gebannten Wesen aus urlater Zeit schützen. Die Drachlinge könnte Geistwesen "zurückgelassen" haben oder selbst zu solchen geworden sein, weil sie Lorakis nicht verlassen wollten und 1000e Ideen mehr.
Darum lassen sich dann ganz eigen, tolle Geschichten stricken und eine Landschaft, eine Region bekommt ein ganz eigens Flair, mehr als alle Bücher liefern könnten und jede noch so denkbar Regel bringt....

Splittermond kommt langsam in eine Sphäre, die mir echt gefällt. 
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The only real prison is fear, and the only real freedom is freedom from fear. (Aung San Suu Kyi)

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Re: Der Geist eines Landes
« Antwort #10 am: 02 Apr 2019, 09:53:48 »
...aber warum sollte es nicht den "Geist der Arwinder Mark" geben oder vielleicht noch regionaler, de Geist eines Berges /Bergmassivs oder eines Tals, eines Sumpfgebietes, einer Küste usw.
Ein Geist eines Gewässers könnte vor den Naturgewalten oder einem verborgenen, gefangenen/gebannten Wesen aus urlater Zeit schützen. Die Drachlinge könnte Geistwesen "zurückgelassen" haben oder selbst zu solchen geworden sein, weil sie Lorakis nicht verlassen wollten und 1000e Ideen mehr.
Darum lassen sich dann ganz eigen, tolle Geschichten stricken und eine Landschaft, eine Region bekommt ein ganz eigens Flair, mehr als alle Bücher liefern könnten und jede noch so denkbar Regel bringt....

Splittermond kommt langsam in eine Sphäre, die mir echt gefällt. 


Geister einzelner kleiner Regionen - wie Berge, Seen, Flüsse, etc. finde ich auch eine gute Idee. Wobei die Frage ist ob man da nicht auch viele Feenwesen für nehmen kann?!
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TrollsTime

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Re: Der Geist eines Landes
« Antwort #11 am: 02 Apr 2019, 12:28:42 »
Regional-, Lokal und Stadtgötter, sei es als Abschleifung einer Hauptgottheit, sei es als eigenständige Wesenheit, sei es als "Ahnengottheit", die exakt über diese Stadt wacht oder "Dingenskirchengeist, der in dem Wasserfall wohnt, wo wir unsere erste Siedlung gebaut haben"* waren historisch und teilweise heute noch in der Anbetung keine Seltenheit.

Unser Blick ist durch unsere Sicht auf unseren Monotheismus, den griechisch-römischen Pantheismus als auch die Wechselwirkungen dazwischen geprägt und oft verfälscht.
Schon bei "Pallas-ATHENe" fällt einem aber auf, wie präsent Stadtgötter auch in klassischen Pantheismen waren (wenn auch nicht übermäßig) und auch das spätere Christentum kannte Stadtheilige noch und nöcher… die (Ketzerei!) auch nichts anderes waren als Stadtgötter, zumindest aber exakt deren Funktion innehatten.

Gerne mehr davon in modernen Fantasy-Settings und nicht die ewig gleichen Klischees.

Würde auch die Frage, ab wann es ingame Sinn macht, outgame die "Stärke:Priester" zu erwerben, wieder etwas leichter machen...

* Ob die Wasserfallentität dann eine mächtige Gottheit, eine mindere Gottheit und/oder nur ein mächtiges Feenwesen, dass sich in seiner Anbetung sonnt, sollte getrost in die Hände der Spieler gelegt werden...
Quendan zu TrollsTime: "Du musst nicht alle überzeugen!"

Yuinakan

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Re: Der Geist eines Landes
« Antwort #12 am: 03 Jul 2019, 12:33:08 »
Die Auflistung der Funktionen oben fand ich hilfreich. Daraus kann erwachsen, was für eine Rolle das spielt. Daran würde ich mich orientieren, wenn ich eine Meta-Landschaft als Figur haben will.

Generell halte ich wenig vom "Geist des Landes"-Konzept, wenn es als "Seele des Landes" ausgeführt wird, aus einem einfachen Grund: es vereinfacht und verflacht damit enorm. Das als Hinweis, die Idee kann dennoch Spaß machen, unbenommen, von daher hängt das stark vom Weltverständnis der Gruppe sowie der einbettenden Geschichte ab.

Beispiel Selenia: da werden einige Eigenschaften herausgegriffen (weise, stark, kriegerisch, streng, gerecht), die dann für ein riesiges Reich gelten sollen. Die Seele des Landes war auch immer so und soll es auch immer bleiben? Ist sie dann teleologisch, weil sich erst jetzt diese Verkörperung im Staatswesen und seinen Bewohner*innen findet?
Zufällig besitzt dieses Reich nur positive Zuschreibungen. Denn der expansive Drang, sich alles einzuverleiben, dabei auch die Auslöschung der benachbarten Herrscherfamilie zu dulden, sowie die Midstader Misere erst durch überzogene Tributforderungen zu eskalieren, geht dabei vollkommen unter.
Und dass dieses Reich, wie oben sehr gut angemerkt, nach sowohl historischen wie geologischen Maßstäben erst (extrem) kurz existiert, macht die Begründung, so man denn eine will, noch komplizierter.

Das Eingangsbeispiel von "Germania" verdeutlicht auch die große Problematik solcher Figuren: ein einziges Symbol schafft sofort Exklusivität, im Sinne von Ausschluss. Stadtgötter besitzen eine ähnliche Funktion, oder in der irdischen Historie Stadtteilheilige oder Vereinsheilige in Italien. Wer nicht zu Symbol X passt, gehört nicht dazu. Die Germania ist halt weiß, weiblich (romantisch/fühlend, nicht verstandesgelenkt), bedroht und schlank-wehrhaft.

Zur Gefahr der Langeweile wird das für mich, wenn es dann noch wie bei Tolkien verwendet wird: der Grenzfluss zum Elbenreich wird im Buch ja nicht etwa beschworen, sondern wendet sich, nach dem üblichen überflüssigen Dialog, gegen die Ringgeister "weil sie nicht zum Land gehören". Dasselbe Motiv findet sich in der Abwehr durch die Ents wieder.

Und diese Form von biologistischer Exklusivität, wer gehört zum Land und wer nicht (oder mehr oder weniger), ist genau der Grund, warum solche Geschichten sehr langweilig werden können: es gibt keine Entscheidungen mehr, keinen (humanoiden) Einfluss.

Wenn jetzt der Geist Arwingens menschlich, männlich, kriegerisch, aufbrausend, mächtig ist, wie fühlt sich dann die kühl kalkulierende, gnomische Zauberin von Beherrschungs- und Heilmagie in Arwingen? Fehl am Platz?

Ein plastisches, schnell adaptierendes, "Seele des Landes" Bild, bei dem die Seele auch schlechte Eigenschaften haben kann, finde ich hingegen reizvoll. Das ist ein lohnenswerter Spiegel der Widerstände, die sich Veränderungen entgegenstellen, egal in welche Richtung, und kann die Rolle von Feenfürstinnen, Kami oder Totems aus diversen Mythologien für Splittermond sehr schön übernehmen.

Dementsprechend wäre die Seele der Blutgrasweite allerdings für die spielbaren familiae (der Begriff Rasse ist bemerkenswert schlicht gewählt für ein mit so viel Zeit und Herzblut gestaltetes System: was sich untereinander nicht fortpflanzen kann, sind keine Rassen; neben den ganzen schwachsinnige Assoziationen, die der Begriff in der deutschen Sprache darüber hinaus hat), außerordentlich verstörend und die Seele des Farnisch oder von humanoidleeren Landstrichen ebenso.

Wenn es also das Spiel bereichert, finde ich die Dimension sehr schön. Wenn allerdings ein weiteres Mal unterstrichen wird, dass das Land wie der (idealisierte) Herrscher ist, bringt das die Gefahr der Langeweile mit sich.