Mein knapper Senf:
Ich sehe RSP-Regeln in erster Linie als Werkzeug, um ein Zufallselement ins Spiel zu bringen, der Spielleitung Entscheidungen abzunehmen, dabei gleichzeitig die Plausibilität zu wahren und den Spielern taktische und strategische Überlegungen zu ermöglichen. "Realismus", also mehr oder weniger genaues Wissen darüber, wie etwas Bestimmtes (ein Dolchstich) sich in der wirklichen Welt auswirken kann, ist für mich dabei nicht relevant, schon aber die erwähnte Plausibilität.
Ich betrachte Regeln normalerweise nicht als die Naturgesetze der Welt und würde mich von ihnen auch ungern in dem, was erzählbar ist, einschränken lassen. Ich fände es zum Beispiel blöd, wenn der vom Pferd gestürzte und tote Bote nicht als Abenteueraufhänger in Frage kommt, weil es auf Lorakis unmöglich ist, bei einem Sturz vom Pferd zu sterben. Ich fände es blöd, wenn es keine NSC mit schrecklichen Brandnarben geben kann, weil es keine Regeln für Entstellung durch Feuerschaden gibt.
Andererseits: Sobald es an die Interaktion am Spieltisch geht, sollten Regeln m.E. verbindlich sein - d.h. kann die SL nicht einfach bestimmen, dass ein Sturz vom Pferd jetzt plötzlich tödlichen Schaden anrichtet oder das ein NSC einem SC jetzt mit tödlicher Wirkung die Kehle durchschneiden kann. Sobald man miteinander spielt, sind solche Regelabweichungen immer nur im Gruppenkonsens möglich - wenn alle es plausibel und cool finden, dass ein SC jemandem die Kehle durchschneiden kann und der dann elend verröchelt, dann kann die SL auch eine entsprechend schaffbare Probe dafür festlegen, die dann meinetwegen auf Blutend 4 und Sterbend 3 hinausläuft. Und wenn alle es cool finden, dass so was mit einem SC passiert (einschließlich dessen Spieler!), geht es da auch.
In Bezug auf die Weltlogik bedeutet das für mich nicht, dass es "normalerweise" unmöglich ist, dass jemand an einem Schnitt durch die Kehle stirbt und so etwas ein absolutes Ausnahmeergebnis des Kehlenschnitts ist; es bedeutet vielmehr, dass im normalen Spiel ganz "zufällig" niemand (vor allem kein SC) an dem Kehlenschnitt stirbt, weil er sich hält zufällig in genau dem entscheidenden Moment weggedreht hat. Der SC wird einen Angriff mit einem Dolch auf seine Kehle aber dennoch als tödliche Bedrohung wahrnehmen, auch, wenn der Spieler weiß, dass sein SC nicht durch ihn sterben kann. Genauso ist auch niemand erstaunt, wenn ein Bote beim Sturz vom Pferd stirbt - so was passiert halt. Nur, wenn die SC direkt (durch Proben usw.) in die Ereignisse verwickelt sind, dann passiert halt "zufällig" nicht (es sei denn, die Gruppe einigt sich wie oben beschrieben auf so einen Ausgang).
Grenzfälle sind für mich die Sterbenden, die letzte Worte röcheln und dann verenden sollen, ohne, dass man die Chance bekommt, sie durch Heilkunst oder Magie zu retten. Finde ich als Abenteueraufhänger doof, aber weniger deshalb, weil auf Lorakis laut Regeln (also quasi per Naturgesetz) jemand durch normale Waffen verwundetes, der noch lebt und bei Bewusstsein ist, theoretisch immer auch gerettet werden kann - sondern deshalb, weil es halt eine Situation ist, mit der die Spieler bereits interagieren und in der für mich deshalb die Verbindlichkeit der Heilungsregeln gilt. Wird diese Verbindlichkeit einfach ausgehebelt, dann können die Spieler schnell zu recht den Eindruck bekommen, dass sie ohnehin keinen Einfluss auf die Ereignisse haben, und das ist für mich wiederum der absolute Spaßkiller.