"Gut, also dann... Meine Geschichte beginnt, wie bei allen Sterblichen, mit meinen Eltern. Mein Vater ist ein großer Handelsherr in Caleria. Doch in Patalis bedeutet dies relativ wenig, denn die politische Macht ist fast komplett in der Hand der Adligen in der Hauptstadt des Reiches, Ultia. Daher trachtete die Familie meines Vaters schon früh danach, sich in den Adel einzuheiraten, um innerhalb von Ultia an Einfluss zu gewinnen. Und so lernte mein Vater meine Mutter kennen, die Erbin einer verschuldeten Adelsfamilie. Meine Mutter war, so erzählte mir meine Amme und die anderen Diener, keine sonderlich willensstarke Person. Sie fügte sich der befohlenen Heirat und die Beziehung zwischen ihr und meinen Vater war ausschließlich zweckmäßig. Dann wurde ich geboren..."
Amira verharrt kurz, ihr Blick richtet sich in die Ferne:
"Ich war eine schwere Geburt und auch ansonsten schien es ein unglücklicher Tag gewesen zu sein. Tagelang hatte es an den Küsten gestürmt und meine Mutter hatte eine schwere Grippe, als ich zur Welt kam. Es zeichnete sich rasch ab, dass meine Mutter meine Geburt nicht überleben würde und der fähigste Heiler der Stadt kam aufgrund des Unwetters nicht rechtzeitig. Der Hausarzt meines Vaters stellte diesen vor einer Wahl: Entweder ich oder meiner Mutter."
Ein leichtes Seufzen entfährt Amiras Lippen.
"Mein Vater entschied sich für meine Mutter, immerhin war sie die Tochter der Familie, die für ihn Einfluss in Ultia nahm. Doch dann erklang ein Wort, dass selbst das Donnern des Gewitters draußen verstummen ließ."
Ein Lächeln, glitzernde Augen...
"'Nein.'"
"Das war das letzte Wort meiner Mutter. Ihr ganzes Leben hatte sie sich immer den Wünschen ihrer Eltern und schließlich meines Vaters gefügt, doch in dieser Nacht nahm sie das Steuer in die Hand und entschied ihr und damit auch mein Schicksal. Mein Vater war davon so geschockt, dass er gar nicht dazu kam zu widersprechen. So kam es, dass in dieser Nacht ich im Austausch für das Leben meiner Mutter geboren wurde. Ich wurde in die Krippe gelegt und sie in die Krypta ihrer Familie..."
Amira verstummt mitten im Satz. Sie wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. Mit zitternde Stimme sagt sie:
"Urgh, warum heule ich jetzt hier herum, im Haus meines Vaters habe ich doch die Geschichte so viele Male gehört... Sie mit ein paar anderen Leuten zu teilen, sollte... doch nicht... so schwer... sein..."
Sie versenkt ihr Gesicht in ihre Hände und fängt an hemmungslos an zu schluchzen.