Ich habe gestern "Warcraft" im Kino gesehen und muss einfach ein paar Sachen loswerden. Ich halte es dabei spoilerfrei (bzw. verpacke Spoiler in Spoiler-Tags), aber wer überhaupt gar nichts über den Film wissen will, sollte aufhören zu lesen
Ich bin mit sehr niedrigen Erwartungen in den Film gegangen. Auf der Plus-Seite standen zwar Duncan Jones und ein anständiges Budget, aber ich habe kaum Ahnung von Warcraft, kann mit der bunten, überzeichneten Blizzard-Optik nichts anfangen und noch dazu ist es eine Videospielverfilmung.
Aaaargh!
Ich habe mich mächtig über den Film geärgert. Nicht, weil er so schlecht war. Im Gegenteil: Weil er ziemlich anständig war, aber an allen und Ecken das Potential aufgeblitzt ist, was das für ein Film hätte werden können, wenn er sich ein bisschen mehr Zeit für seine Handlung und seine Charaktere genommen hätte.
Ich hatte jederzeit den Eindruck, dass sie zahlreiche Szenen herausgeschnitten haben, um auf zwei Stunden Laufzeit zu kommen. Leider waren das scheinbar vor allem Szenen, die für die Handlung nicht wichtig waren, aber die Charaktere mehr vertieft hätten. An allen Ecken und Enden habe ich genau gemerkt, worauf der Film hinauswollte - aber es wurde dann nicht in letzter Konsequenz duchgezogen. Das Potential war immer da, und man hatte von Anfang an Vorstellungen, wie sich Charaktere entwickeln - aber diese Entwicklung wird dann off-screen durchgeführt.
Das ist schade, weil einige der Charaktere wirklich interessant sind und interessante und plausible Charakter Arcs haben. Nur kriegt man diese Arcs nicht vollständig mit. Sie beginnen, dann fehlt in der Mitte etwas, dann ist die Entwicklung auf einmal vollzogen. Man denkt jedesmal: Jetzt fehlt nur noch ein kleiner Schubs, dann ist die Charakterentwicklung abgeschlossen. Aber dieser Schubs kommt nicht, es passiert stattdessen einfach so.
Ein paar Spoiler, um das zu verdeutlichen.
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
Das führt dazu, dass spannende Charaktermomente - wie zum Beispiel Todesszenen, die wesentlich mehr Eindruck hinterlassen sollten, oder oben erwähntes Gespräch über Garona - größtenteils verpuffen. Man weiß zwar, worauf die Filmmacher hinaus wollten, und das Potential ist da, aber die Emotionen stellen sich einfach nicht ein.
Und auch sonst wirkt der Film zu gehetzt. Die Größe von Azeroth zum Beispiel wird einfach nicht rübergebracht. Gleich zu Beginn gibt es quasi ein Best-of-Sightseeing, was sicherlich toll für Warcraft-Fans ist, Unwissende aber ratlos zurücklässt. Und ansonsten hetzen die Charaktere wie wild über die Welt - mal mit Teleports, mal auf den Rücken von Greifen, mal auf Pferden, manchmal scheinen sie auch einfach nur die Schnellreisefunktion gefunden zu haben. Der Eindruck einer epischen Reise, wie ihn der Herr der Ringe so exzellent vermitteln konnte, stellt sich nicht ein.
Ist das jetzt ein Verriss? Nein. Denn überall blitzt der Film auf, der "Warcraft" eigentlich sein will. Es gibt einige ehrlich großartige Szenen, tatsächlich einen gelungenen Plot, und es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, wie der Film aufgefasst werden will. Die Optik ist - für jemanden, der wie gesagt die Blizzard-Optik nicht mag - so gut, wie sie nur sein kann. Die Tricks sind großartig, und das Performance Capturing der Orks erreicht ganz neue Höhen. Die Magierzauber sind großartig: Wenn die Magier richtig loslegen, flirrt eine Lichtershow auf, die ganze Kathedralen erhellen kann, Runen umtanzen sie, ihre Augen leuchten. Feuerstrahlen wirken wie Flammenwerfer, Blitze zucken über Anhöhen. Es ist bunt und alles andere als subtil, aber ein Fest für die Augen. Es gibt spannende Charaktere (natürlich auch weniger spannende, aber das ist immer so), und ich habe den Film an keiner Stelle als langweilig empfunden. Der Grund, warum ich mich so geärgert habe, ist nicht, weil der Film schlecht ist - sondern eben, weil der Film, der
hätte sein können, wenn sie sich etwas mehr Zeit genommen hätten, so viel besser ist.
Ich hoffe sehr, dass sie irgendwann einen deutlich längeren Director's Cut herausbringen. Bis dahin bleibt leider nur nettes Popcornkino für Fantasyfans, mit tollen Tricks, einigen netten Kampfszenen und bonbonbunter Optik.
Und natürlich der beste vorstellbare Grund, wieso jemand barfuß auf einen Greifen springt.