Autor Thema: [HeinzCon 2016] Der Weg ist das Ziel (Reiseabenteuer schreiben)  (Gelesen 4615 mal)

maggus

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Der Weg ist das Ziel – Reiseabenteuer

HeinzCon-Workshop von Stefan Unteregger, Norddeich 04.03.2016
Mitschrift von Marcus Renner, gelesen, erweitert und autorisiert von Stefan Unteregger


Definition: Bei einem Reiseabenteuer ist die Reise zentraler Inhalt des Abenteuers und nicht bloß Beiwerk oder episodischer Teil (wobei auch ein größerer Akt innerhalb eines Abenteuers als Reiseabenteuer ausgestaltet sein kann).

Arten von Reisen
  • Von A nach B wollen (sowie die Variante: Schnitzeljagd)
  • Entdecken / Erforschen
  • Erleben (die kleinere Variante von Entdecken, wo etwas zwar nicht neu entdeckt aber erstmals erlebt wird; auf sicheren, aber unbekannten Pfaden wandeln)
  • Eskortieren (Person oder Gegenstand)
  • Flucht und Verfolgung (auch: groß angelegte Wettrennen)
  • Patroullieren
  • Handel
Grundtypen

Lineare Reisen (Perlenkette)
Es ist ein großer Vorteil bei Reiseabenteuern, dass eine sehr lineare Handlung sehr plausibel sein kann und nicht auf Unmut bei den Spielern stößt. Es können gut Karten ausgeteilt werden. Linearität bietet sich v.a. an für: A-nach-B, Eskortieren, auch bei Erleben möglich.

Flexible Strecke
Die Reiseroute ist (zumindest teilweise) unbekannt und baut sich erst nach und nach auf, wie sich entwickelnder Netzplan. Lineare Handlungen sollten hier möglichst vermieden werden, Karten können als Entscheidungshilfe dienen oder entstehen erst im laufenden Spiel. Netzplan bietet sich insbesondere für Entdecken / Erkunden an, ist aber auch bei Flucht / Verfolgung, Erleben und Handel sinnvoll.

Episoden
Der episodische Typ kann sowohl mit linearen wie mit Netzplan-Typen kombiniert werden. Dieser Typ bietet sich besonders an, wenn die Reise notwendiger, aber zurücktretender Teil der Geschichte ist, wie zum Beispiel bei einem Mord oder Verbrechen, das in einer möglichst geschlossenen Gesellschaft = Reisegesellschaft stattfinden soll.

Ressourcen-Management

Das Ressourcen-Management ,also das Beschaffen und Verwalten von reisetypischer Ausrüstung und Begleitung (Proviant, Träger, Ortskundige etc.), kann (muss aber nicht) ein entscheidendes Element bei Reiseabenteuern sein. Möchte man Ressourcen-Management einsetzen, sollten ein paar wichtige Aspekte beachtet werden:
  • Die erste Frage lautet: Wird das Ressourcen-Management das Abenteuer bereichern oder eher aufblähen?
  • Nur ein Balancieren mit knappen Ressourcen ist wirklich interessant, also die Auswahl aus einer größeren Menge, bei der das Mehr der einen Ressource ein Weniger bei der anderen bedeutet.
  • Wenden die Spieler ein Ressourcen-Management an, dann muss es auch Auswirkungen auf die Reise haben, positive wie negative (Misserfolge inklusive), sonst lässt man es besser gleich weg.
  • Einige Ressourcen können durch Spotlights der Charaktere abgedeckt werden (z.B. Nahrungsbeschaffung durch Waldläufer, aber auch z.B. Händler, Charaktere mit Vermögen). In solchen Fällen muss das Spotlight zum Tragen kommen und ausgespielt werden.
  • Da häufiger einige Charaktere kein solches Spotlight haben, empfiehlt es sich, auf die Gruppe zugeschnittene Hindernisse oder die Beschaffung besonderer Ressourcen einzusetzen, die auch durch ungewöhnliche Kompetenzen gelöst werden können. Wichtig dabei: Spieler stets sinnvoll beschäftigen. Ressourcen-Aufstockung nicht nur über Waldläufer-Skills, auch z.B. Handwerk, soziale Skills, Geld.
  • Wenn Ressourcen-Management in Routine übergeht, muss vorgespult werden (nicht jeden Tag dieselben Jagdproben etc.)
Interessante Aspekte beim Ressourcen-Management auf Reisen könnten sein: Neues entdecken, das nicht bloß materiell hilft sondern neue Fähigkeiten, neues Wissen etc. hervorbringt. Mitunter sind moralische Zwickmühlen interessant (Essen alle weniger oder essen wir die Träger?). Rückblenden (Ich habe die letzten Tage auch nach Wasser gesucht) sind denkbar, sollten aber auf knappe Ressourcen beschränkt bleiben. Rein binäre Ereignisse sind hingegen zu vermeiden, stets „Klappen und Stellschrauben“ einbauen.

Vorgriff zu Hilfsmitteln: Das Sichtbarmachen von Ressourcen ist oft besonders hilfreich für die Spieler, also z.B. Tagesrationen in Form von Pöppeln (Gummibärchen) auf dem Tisch auslegen, die mit jedem In-game-Tag weniger werden.

Fallstricke und Gefahren
  • Gefahr: Monotonie. Auch ein Reiseabenteuer ist vor allem ein Abenteuer, und nicht nur eine Reise; reines Reisen kann durch Vorlesetexte bzw. rein erzählerisch abgehandelt werden.
  • Gefahr: Railroading. Zwar können manche Reiseabenteuer plausibel linear gestaltet werden, man sollte aber auch hier darauf achten, dass nicht binäres Scheitern stets Option bleibt.
  • Gefahr: In Wundern ersäufen (wobei man es hier schon sehr übertreiben muss, um hieraus eine Gefahr entstehen zu lassen).
  • Gefahr: Der NSC übernimmt. Es kann sinnvoll sein, fitte NSC einzusetzen, um z.B. Inkompetenzen in der Gruppe auszugleichen. Wenn der NSC dann aber das Spiel alleine macht, wird es schlicht langweilig. (Man kann solche NSC auch in Spielerhand geben.)
  • Gefahr: Fliegende / teleportierende Charaktere. Wenn die SC Kompetenzen haben, die eine übliche Reise sprengen, hat man ein Problem. Der Spielleiter sollte sich im Vorfeld damit auseinandersetzen und Alternativen planen, als Abenteuerautor kann man diesen Aspekt nur sehr bedingt behandeln.
Elemente und Hilfsmittel
  • Bewegliche Opposition. Für viele Arten von Reiseabenteuern kann Konkurrenz sehr bereichernd wirken, also nicht bloß stationäre Hindernisse, sondern ein beweglicher Gegner. Aber Vorsicht: Opposition muss stets als Hindernis bezwingbar sein.
  • Hand-out-Karte für die Spieler. In-game-Karten (auch Ausschnitte) helfen den Spielern, die Reise am Tisch erlebbarer zu machen. Schatzkarten sind ein Klassiker. Diese Karten können auch wachsen, also sukzessive erweitert werden.
  • Variable Platzierungen. Eine im Plot vorgesehene Örtlichkeit muss nicht unbedingt an einer fest definierten Stelle sein. Wenn man links oder rechts um den See herum kann, steht das Dorf mit der nächsten wichtigen Episode eben auch links oder rechts am See.
  • Vignetten. Das sind zwei bis drei Sätze, die eine Stimmung oder ein kurzes Erlebnis transportieren, und häufig geeignet sind, Farbe in die Reise zu bringen.
  • Vorlesetexte, vor allem bei schnellerem Abspulen von Reisestrecken, können sehr geeignet sein (wenn sie nicht zu dominant werden).
  • Reiseregeln. So vorhanden, sollten sie entsprechend angewendet werden, wobei auch hier gilt: Sobald es Routine wird, spult man vor.
  • Zufallsbegegnungen sollten hingegen selten oder gar nicht eingesetzt werden (bzw. im definierten Rahmen von Regeln). Es ist stets besser, wenn die Gruppe Einfluss nehmen kann.
  • Zufälle allgemein. Manche Dinge, wie z.B. das Wetter, sind per se zufällig. Dabei ist darauf zu achten, dass der Zufall nicht zum zentralen Element wird, stets plausibel bleibt und man den Spielern die Möglichkeit einräumt, sich auch auf zufällige Ereignisse vorzubereiten (Gefahrenprävention).
  • Begleiter können ein gutes Hilfsmittel sein (siehe aber oben die NSC-Gefahr).
  • Hintergrundmusik, v.a. bei kultureller Vielfalt.
  • Sense of Wonder, also Sehenswürdigkeiten, kulturelle Eigenarten etc., die das Erlebnis am Tisch befördern (z.B. über Vignetten).
  • „Flexibler Fokus“, also zwischen ausgespielten Szenen und Zeitraffer sinnvoll wechseln, beides braucht dann aber auch hinreichend Raum (nichts abbrechen).

Wie bei jedem Abenteuer gilt auch bei Reiseabenteuern: Elemente abwechslungsreich einsetzen
  • Soziale Interaktion / Herausforderung
  • Hindernis / „Skill Challange“
  • Umweltbedrohung
  • Action sequenz (kann Kampf sein, muss aber nicht)
  • Erkenntnis / Erlebnis / neue Erfahrung
  • Taktik / Knobeln / Tüfteln
EDIT: Orthografie
« Letzte Änderung: 11 Mär 2016, 12:55:19 von maggus »
"Befreien Sie das Unreich!"

Farnir

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Re: [HeinzCon 2016] Der Weg ist das Ziel (Reiseabenteuer schreiben)
« Antwort #1 am: 17 Mär 2016, 22:16:25 »
Stefan hat mir gestattet, die Aufnahme zu veröffentlichen. Viel Spaß:
https://www.dropbox.com/s/axfdpxd08n47lj9/Der%20Weg%20ist%20das%20Ziel.MP3?dl=0

Edit: Und Cifer hat ja auch einen sehr ausführlichen Bericht geschrieben: http://rezensionen.nandurion.de/2016/03/13/reiseabenteuer-workshop-von-stefan-unteregger/

Edit 2: Link repariert
« Letzte Änderung: 18 Mär 2016, 07:05:06 von Farnir »

Fenra

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Re: [HeinzCon 2016] Der Weg ist das Ziel (Reiseabenteuer schreiben)
« Antwort #2 am: 17 Mär 2016, 22:34:03 »
Vielen Dank, Farnir, fürs Hochladen, und danke an Stefan fürs Zulassen!  :)

Gwydon

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Re: [HeinzCon 2016] Der Weg ist das Ziel (Reiseabenteuer schreiben)
« Antwort #3 am: 18 Mär 2016, 15:37:43 »
Auch von meiner Seite aus nochmals Dank an Farnir! Und allen anderen viel Spaß beim Zuhören - hört mich plappern, zählt meine Ahhhmmmmms... :)