Manchmal mag ich bei Spielsystemen mit ernsthaften Fehlern und Lücken sogar dem Spieler jede Chance auf Erfolg absprechen, als Beispiel soll hier folgendes dienen: Ein DSA-Charakter versucht eine rennende Meute, wie bei einer Stierhatz durch spanische Gassen, aufzuhalten, weil ihn ja nur maximal 4 Angreifer attackieren könnten mit einem Sturmangriff zum Niederwerfen.
Das ist nicht das einzige Beispiel. Da kenne ich noch ein halbes Dutzend andere unmögliche, aber tödliche Regelfetzen, mit denen es jedem Helden gelingt sich in eine ausweglose Situation zu begeben und umgekehrt auch Regelkonstrukte, die nie funktionieren können, sobald man sie mal visualisiert...
Hier muß ich entweder den DieHard-Mega-Heftig-SL markieren oder ich beuge die Regeln um die fortgesetzte Existenz der Charaktere zu ermöglichen, naja mit Ausnahme der Spieler will es tatsächlich so. Auch daß mußte ich schon erleben.
Auf einer Con bestand ein Spieler auf genaue Regelverwendung. Ich wies ihn mehrfach darauf hin, daß sein Char dabei draufgehen könnte - ein Fehler genüge - er wollte es nicht hören. Der Char ging fast sang und klanglos unter - Spieler kreidebleich, verläßt den Spieltisch und redet seit dem nicht mehr mit mir.
Das Beispiel war aus einer theoretischen Diskussion gegriffen, welche ich mit einem sehr regelbesessenen Spieler hatte. Natürlich sind Regeln nur solange gut, wie sie die "Ich bin unbesiegbar!"-Phantasien des Spielers nicht angreifen.
Wesentlich ist hier: Der Spieler hätte unter keinen Umständen mit normaler Körperkraft die Menschenmasse aufhalten können, da kann er noch solange Diskutieren, er könnte nur von X-Personen gleichzeitig attackiert werden. Das ist schlicht keine Kampfsequenz mit Kampfregeln, sondern eine Art Naturkatastrophe, die über die Spielfigur hereinbricht.
In einer solchen Spielsituation hätte der Spieler aber viele andere Sinnvolle Sachen machen können:
* schneller als die Meute laufen
* sich in einen Hauseingang drängen
* Eine Hauswand hochklettern
Als Magier hätte man noch eine magische, unsichtbare und unzerstörbare Wand in die Gasse zaubern können und damit dutzende bis hunderte Tote verursacht, die sich in Panik gegenseitig tottrampeln... toller Held.
In der selben Diskussion hatte mir noch jemand versucht zu erklären, sein Troll in Shadowrun könnte mit seinem Körper einen fahrenden ICE aufhalten, weil er einen so hohen Body-Wert hätte. Ich habe die Regeln dazu nun nicht nachgeprüft, aber als Spielleiter sage ich mir: Muss ich auch nicht, wenn die Regeln es erlauben, dass ein Weichziel einen hunderte Tonnen schweren Zug bei 320 km/h aufhalten kann, ist das Regeldesign so kritisch falsch, dass eine sofortige Änderung gerechtfertigt ist. Ein kompletter ICE 3 liegt bei einem Leergewicht von etwa 400 Tonnen.
Wenn ein Spieler Superhelden-Ambitionen hat: auch dafür gibt es Spielsysteme, und da könnte ich solche Kunststücke erlauben, wenn man statt eines Trolls den Unglaublichen Hulk spielt.
Dachte ich auch mal und hab mich permanent versucht anzupassen. Damit habe ich alle Spielgruppen verloren, Freundschaften verflüchteten sich...
Das musste ich als pubertierender Jugendlicher lernen, der jedes Menschen Freund sein wollte: Wer sich krampfhaft überall anpasst und auf Gedeih und Verderb gemocht werden will, endet sehr einsam.
Besser eine klare, bisweilen auch kontroverse, Linie fahren, dann gibt es Menschen, die passen zu einem, und andere eben nicht.
Gerade dann, wenn man ein Schleichabenteuer vorbereitet. Ich verstehe nicht, wieso der Spielleiter dann nicht sofort mit den Spielern darueber sprichtg statt zu warten, bis es im Abenteuer dazu kommt. Sowas stoert mMn den Verlauf des Abenteuers.
Vielleicht liegt es daran, dass ich keine Schleich-Abenteuer schreibe. Ich schreibe eine Geschichte: es gibt Figuren mit Hintergrund und Motivation, daraus resultierende Handlungen und Lokalitäten (alle Orte, nicht nur Tavernen
). Vielleicht gibt es dann einen direkten Auftrag alla "Rettet meine entführte Tochter!".
Aber ich schreibe den Spielern nicht vor, ob sie Schleichen sollen, einen Sturmangriff machen, um die Freilassung der Tochter verhandeln etc. Damit würde ich die Spieler im Ausleben Ihrer Figuren und Möglichkeiten beschränken.
Ich lasse mich von meinen Spielern gerne so sehr überraschen, wie ich mich mit meinen fixen Ideen selbst überrasche, die mir im laufenden Abenteuer kommen.
Ich habe es übrigens auch noch nie erlebt, dass eines meiner Abenteuer von den Ideen der Spieler auseinandergenommen wurde oder gar nicht mehr funktioniert hat. Wahrscheinlich liegt das daran, dass ich niemals mit einem "dann muss das und das passieren" plane. Sowas wird nämlich nie etwas und wenn es in einer Abenteuerplanung vorkommt, dann sollte man sie vielleicht noch einmal überdenken.
Genau!