Autor Thema: Umgang mit schwierigen und oder ungewohnten Heldenkonzepten  (Gelesen 4874 mal)

Anguisis

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Hallo zusammen,

ich habe in der letzten Runde eine interessante Erfahrung erstmalig gemacht und brauchte jetzt ein paar Tage um mich als Spielleiter damit zurecht zu finden.
Bislang leitete ich in einer sehr homogenen Runde, bei der die Spieler bestrebt waren "klassische Fantasy-Settings" zu erleben und dabei (meist) gruppentaugliche, originelle und intelligente SC zu spielen. Gerade letzteres stellt mich in der aktuellen neuen Runde mit neuen Spielern vor einer Herausforderung.
Ein Spieler, den ich im echten Leben als intelligenten und geistesscharfen Menschen kennengelernt habe, spielt in der Runde einen dumpfen, brutalen Krieger mit gutem Herzen, der halt etwas verblödet ist. Das spielt der Spieler auch recht gut. Für mich halt nur mega ungewohnt, da die meisten Spieler eher SCs spielen, deren Intelligenz sich an der Spieler Intelligenz orientiert oder halt SCs mit höherer Intelligenz.

Spoiler enthält Infos zum Fluch der Hexenkönigin!

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Wie gesagt, es geht mir nicht darum, dass mir die Spielart missfällt; auch wenn mich der SC häufiger an Homer Simpson erinnert.
Ich finde es eher beachtlich wie leicht es dem Spieler fällt in diese Rolle zu schlüpfen.

Mein innerer Konflikt ist gerade, dass ich in "diesen" Situationen m.E. nur semi-gut auf das Verhalten des SC reagiere, weil es mich überfordert/ überrascht/ neu für mich ist. Ich kann nicht richtig beschreiben, was mich da als SL aus der Bahn wirft.

Zuerst war ich angenervt von der Spielart. Mittlerweile finde ich es gut, dass mich ein Spieler nach guten 20 Jahren SL-Erfahrung noch mal richtig fordert. Für mich hab ich schon 2-3 neue Gedankengänge / Spielleitungsideen, aber ehrlicherweise fehlt mir der "bunte Strauss an SL-Möglichkeiten" die ich sonst so im Spielgeschehen habe.

Daher die Frage an die Schwarmintelligenz: Wie geht ihr mit schwierigen und/oder ungewohnten Heldenkonzepten um?

Edit: Überschrift angepasst
« Letzte Änderung: 30 Sep 2020, 15:50:31 von Anguisis »
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Wandler

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Re: Umgang mit schwierigen und oder ungewohnten Heldenkonzepten
« Antwort #1 am: 30 Sep 2020, 16:47:11 »
Für mich stellen sich die drei Fragen auf Spielerebene:

  • Spielt der Spieler (absichtlich) destruktiv? Wenn ja - Gespräch mit dem Spieler um zu erfahren warum. Das scheint hier nicht der Fall zu sein.
  • Verstößt der Spieler gegen einzelne Grenzen von Spielern, wie zum Beispiel Darstellung sexueller Gewalt, extremer Gewalt, derbster Sprache oder ähnliches? Wenn ja, dann Gespräch mit dem Spieler, insbesondere da er ja neu zu sein scheint. Schon das könnte hier der Fall sein, auch wenn sich Spieler (oder Spielleiter) möglicherweise nicht ohne weiteres trauen das anzusprechen
  • Spielt der Spieler außerhalb des Gruppenkonsens was Darstellungen, Zusammenarbeit und ähnliches angeht? Das ist oftmals nicht leicht festzustellen wenn die Gruppe das nicht explizit festgelegt hat, aber auch hier würde ich ein Gespräch suchen

Wenn die Fragen oben alle mit "nein" beantwortet wurden wird es interessant - und erst einmal "entspannter". Der Spielstil ist prinzipiell in Ordnung, aber schwierig. Zwar hat ein Spieler nicht automatisch das Recht seinen Charakter so zu spielen wie er will (siehe oben), aber wenn das Charakterkonzept toleriert wird können innerweltliche Mechanismen greifen:
  • Ein Charakter wie Du ihn beschreibst ist wohl nicht der Anführer der Gruppe? Wenn nicht, muss er damit rechnen dass er Aktionen nicht einfach so durchziehen kann. Das Töten eines ausgeschalteten Gegner kann die Gruppe um eine Verhandlungsbasis oder auch Informationen bringen, oder das Ansehen schwer beschädigen
  • Einfach so und fertig ist es - das ist in Splittermond schwierig. Sobald man aus einem Kampf heraus ist müssten Aktionen deklariert werden, und andere könnten einschreiten. Das können Spielercharaktere, aber auch Nichtspielercharaktere sein
  • ...

Ideen zum Umgang mit solchen Charakteren als Spielleiter:
  • Schwierige Charaktere haben auch ihre Stärken und Nischen - sie können dort durchaus "glänzen"
  • Reflexion: Taten haben Konsequenzen. (Siehe auch oben). Nur weil die anderen Spieler und der Spielleiter wissen dass das ein Spielercharakter war bleibt innerweltlich eine "Untat" nicht frei von Konsequenzen. Das kann sogar für die ganze Gruppe (Spieler und Charaktere) spannend werden - Gefängnis, Anhörungen, ein persönlicher Feind, zurückfallen in Verfolgungsjagd, Verlust eines Kontakts, ...
  • Ich würde versuchen mir Situationen vorzustellen in denen das Verhalten des Charakters mal unerwartet positive Auswirkungen hat: Schnelles hartes Durchgreifen - aber der Typ um den es geht war kein Händler sondern ein Assassine, nur als Beispiel. Das könnte auch die Gesamthaltung der Gruppe etwas ändern ...

Anguisis

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Re: Umgang mit schwierigen und oder ungewohnten Heldenkonzepten
« Antwort #2 am: 30 Sep 2020, 16:58:49 »
Danke, Wandler!

Bevor ich meine gemachten Gedanken dazu in den virtuellen Äther puste, warte ich noch etwas ab um das Thema nicht ungewollt in eine Richtung zu locken...

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Zauberfeder

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Re: Umgang mit schwierigen und oder ungewohnten Heldenkonzepten
« Antwort #3 am: 30 Sep 2020, 18:40:34 »
Unabhängig davon, ob der Charakter jetzt schwierig ist oder nicht, solltest Du Dir als Spielleiter und auch die anderen Spieler sich die Frage stellen, ob sie den Charakter mögen. Ich meine damit nicht nur, ob sie ihn tolerieren, sondern ob sie auf Dauer mögen und ihn in der Gruppe haben wollen. Wenn das nicht der Fall ist, sind Konflikte irgendwann vorprogrammiert und dann ist es besser, dem ganz schnell einen Riegel vorzuschieben.
Insbesondere, wenn Dich als Spielleiter die Spielart "annervt", solltest Du das klar kommunizieren und Grenzen setzen. Bei Rollenspiel geht es darum, dass alle Spieler am Spieltisch, inklusive Spielleiter, ihren Spaß haben und nicht darum, das ein Spieler dem Spielspaß der anderen einschränkt, weil er sein Charakterkonzept unbedingt durchziehen will.
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KazeMi

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Re: Umgang mit schwierigen und oder ungewohnten Heldenkonzepten
« Antwort #4 am: 30 Sep 2020, 21:31:42 »
Ich habe in meiner Gruppe auch einen Spieler dessen Charakter öfters erst handelt und dann nachdenkt. Aber dennoch ist er nicht emotionslos und wenn es um was wichtiges geht lässt er die anderen Gruppenmitglieder vor (weil er weiß, dass reden oder geduldig sein nicht sein Metier ist).
Ansonsten solltest du versuchen ein paar Situationen und Reaktionen vorbereiten damit du nicht überfordert bist. Ich habe mir ganz oft vorgestellt wie ein Berserker oder Dummkopf in einer Situation handeln würde und was dann drumherum passieren könnte. Oder was passieren müsste, damit etwas komplett eskaliert.

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Anguisis

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Re: Umgang mit schwierigen und oder ungewohnten Heldenkonzepten
« Antwort #5 am: 01 Okt 2020, 16:37:58 »
Hey Wandler, Zauberfeder, KazeMi,
vielen lieben Dank für die Rückmeldungen!

Vorweg: Die Runde besteht aus zwei Personen aus der alten Runde (also ein Spieler und ich), eine blutige PnP-Anfängerin (die sich aber sehr gut macht) und dem Paar, dass eigentlich nur DnD-Dungeon-Crawling spielt (wo er jetzt den besagten SC spielt).

Ich würde nicht sagen, dass das Konzept mich "nervt" (auch wenn das mein erster Impuls war) sondern eher, dass es mich als SL "fordert", was ich grundsätzlich erstmal gut finde. Lustigerweise hat der andere alte Spieler zuerst genauso reagiert. Zuerst genervt und jetzt will er das gerne im Spiel lösen (in dem er einfach den dumpfen Krieger spielt etwas mehr "führt" und auch die in diplomatischen Situationen "einspringt")

Das ich das Thema innerweltlich lösen muss, kam mir dann auch in den Sinn.  Daher hatte ich die Reflexion auch schon bei mir auf der Werkbank als To-Do. Erste Überlegungen, die so simpel wie offensichtlich sind, wenn man sich nur mal in Ruhe Gedanken macht *g* :
- In zivilisierten Gegenden wird vermutlich die örtliche Hoheit bzw. die Miliz o.ä. brutales Vorgehen nicht gut heißen
- Der Gastgeber könnte den brutalen Gast des Hauses verweisen
- Umstehende könnten ihn meiden oder gar Angst vor ihn haben
- Hilfegesuche der Gruppe können scheitern oder schwieriger werden

Konkret hab ich mir für den letzten Akt des ersten Teils vom Fluch der Hexenkönig folgendes überlegt:

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Gleichwohl finde ich "Nische bieten" aber auch gut.
Der Spieler sollte mit seinem SC glänzen dürfen. Also entweder, weil die umstehenden Angreifer vor Angst erstarren als der Erste von ihnen abgemetzelt wird. Oder weil ein(e) NSC seine "Einfachheit" niedlich bzw. sympathisch findet. Sprich, dass die Welt positiv darauf reagiert.... Gefällt mir! :-)

Nochmal vielen Dank für den Gedankenaustausch!


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