Moin moin, liebe Lese-Rattlinge,
der neueste Splittermond-Roman "Kalt wie Eis" macht es mir nicht gerade leicht: Eigentlich basiert er auf einer Idee, die mir sehr gut gefällt und auf die ich mich gefreut habe. Allerdings hat mich das Buch eigentlich auf ganzer Linie enttäuscht siehe (unten). Trotzdem möchte ich keinen Totalverriss schreiben, denn schließlich ist der Roman auch nicht wieder grottenschlecht (da gibt es in der Fantasy/Rollenspielromanen ganz andere Kaliber) - nur weiterempfehlen würde ich ihn in der Regel nicht.
Zu den Gründen:
1. Das Konzept des Romans ist eigentlich ganz "cool" (Achtung Kalauer): Ein Politthriller in einem ungewöhnlichem Setting; die großen Sippen der Frynjord-Zwerge in der eisigen Stadt Zitrabyt stehen kurz vor einem offenen Bürgerkrieg und beschuldigen sich gegenseitig der Sabotage. Drei Außenseiter (ein Gnom, ein Varg und eine Zwergin) werden von der Hafenmeisterin beauftragt, den wahren Schuldigen zu finden und Frieden zu stiften.
Schön an dieser Idee ist, dass es mal nicht die übliche Fantasy-Story mit Monstern, Drachen oder Feenwesen ist, die die Welt der Sterblichen terrorisieren. Für eine Politthriller/Detektivgeschichte gibt der Roman aber leider, leider nicht genug her. Da bin ich von "Game of Thrones" bis "House of Cards" viel intelligentere, bösartigere und nervenaufreibendere Intrigen gewöhnt. Hier gibt es aber (fast) kein Doppelspiel, einen einzigen (müden) Twist, und auch keine Rätselraterei für den Leser.
2. Ein Hauptproblem ist vielleicht das langsame Tempo des Romans: Ich hatte erst auf Seite 200 (von ca. 290) das Gefühl, dass allmählich Spannung entsteht und die Charaktere in eine bedrohliche Lage kommen. Vorher laufen sie die großen Sippen ab, versuchen mehr oder weniger erfolgreich die Ältesten zu sprechen, ärgern sich über die Sturheit der Zwerge und werden mal (in belang- und folgenlose) Prügeleien verwickelt. Normalerweise hätte ich das Buch schon längst weggelegt, wenn es nicht den Splittermond-Bonus gehabt hätte.
3. Auch die Charaktere haben mich nicht überzeugt: Marca (die Vargin) und Baro (der Gnom), die auch auf dem Cover zu sehen sind, bleiben eigentlich völlig flach: Marca ist eine aggressive, impulsive Kämpferin (welche Überraschung) - das mag ja noch angehen. Aber Baro fand ich in seiner betulichen Onkelhaftigkeit ziemlich entnervend. Er verwickelt die übrigen Figuren in umständliche Dialoge (die auf die Hälfte der Zeilen hätten gekürzt werden können) und sinniert über seine früheren Abenteuer, den Wert von Ruhe sowie sein Fernweh. Tatsächlich wird uns überhaupt keine Hintergrundgeschichte gegeben; die früheren Abenteuer werden einfach behauptet. Typisch hierfür fand ich gleich am Anfang die Stelle, als Baro von der Kaiserstadt Sarnburg schwärmt - aber überhaupt nichts Gehaltvolles über die Stadt oder seine Erlebnisse erwähnt (ich habe das Buch nicht hier, sonst könnte ich zitieren - aber es waren nur nichtssagende Phrasen wie "die beeindruckenden Dächer und prächtigen Türme der Stadt".)
Übrigens ist Baro nahezu nutzlos für die Handlung: Er kann nicht kämpfen, beherrscht einen lausigen Heilzauber, hat kein tiefsinniges Wissen über irgendwas; selbst sein detektivischer Spürsinn ist praktisch nicht vorhanden (die einzige fast kluge Beobachtung seinerseits, mit der er eine beschuldigte Sippe entlastet, hätte auch einem Kleinkind auffallen können - oder zumindest der Hafenmeisterin, die ein Schiffsregister führt... aber mehr will ich nicht verraten).
Baro kommt mir vor wie ein Charakter vom Heldengrad 1, der sich unnötig wichtig macht und die gesamte Spielegruppe nervt.
4. Leider bleibt auch die Stadt, der Hintergrund und die Kultur der Zwerge farblos: Wir erfahren beispielsweise nicht, was für ein Mensch (sorry, Zwerg) die Hafenmeisterin ist, welche Taten sie zu diesem Amt qualifizieren - nicht einmal, ob sie einen Partner oder Kinder hat etc. Die Ältesten der Stämme (und andere Figuren) haben meist einen kurzen Auftritt, sagen ihr Sprüchlein auf und treten wieder ab.
Fast alle Beteiligten sind stur und unsympathisch, so dass ich mich mehrmals gefragt habe, warum ihnen überhaupt geholfen werden sollte (übrigens fragen sich das Marca und Baro auch; die Antwort lautet bezeichnenderweise: "Wir sind eben hier". Ungefähr so verhält sich auch eine Spielegruppe, wenn ihnen der SL eben ein unmotiviertes Kaufabenteuer vorsetzt, das gar nicht zur Gruppe passt).
Mich ärgert vor allem, dass die Story deutlich mehr Potential für Spannung, Konflikte und Dramatik gehabt hätte: Gibt es denn z.B. keine Eheschließungen zwischen Angehörigen verschiedener Sippen? Falls ja, wie gehen solche Paare mit den Feindschaften um? In echten Bürgerkriegen ist es ja das Fatale, dass die Fronten durch Familien verlaufen (und oft auch nicht so klar ist, wer welcher Fraktion angehört). In "Kalt wie Eis" werden die Sippen so klischeehaft unterschieden, dass ich eher an verschiedenfarbige Spielsteine in einem Brettspiel denken musste.
Zitrabyt und seine Bewohner werden durch den Roman nicht lebendig, und ich bekomme auch keine Lust, meine Spieler einmal mit einem Abenteuer dorthin zu schicken (das leistet z.B. "Nacht über Herathis" viel besser).
Schließlich noch eine Sache am Ende, über die ich sogar empört war, weil ich mich vom Buch veralbert gefühlt habe:
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.