Autor Thema: Abenteuer in sandboxartige Schauplätze zerlegen oder alle Szenen durchspielen  (Gelesen 3903 mal)

heinzi

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Ich habe seit einiger Zeit damit begonnen, offizielle Abenteuer in ihre wichtigsten Schauplätze zu zerlegen und den Spielern an diesen Orten maximale Freiheiten zu lassen, während ich auf der anderen Seite eher lineare Szenen, in denen die Helden nur wenig Entscheidungsmöglichkeiten haben, erzählerisch abhandle. Erstes Opfer dieser Art Abenteuer zu Leiten waren Zufallskämpfe und Überlandreisen aber auch ziemlich lineare Gesprächsverläufe mit Würdenträgern, Auftraggebern etc. oder größere Schlachten werden in einem kurzen Meistermonolog abgehandelt.

Über die Jahre haben mich die vielen Szenen, in denen ich als Spieler wie auch als Meister kaum Gestaltungsmöglichkeiten hatte immer mehr angeödet.

Ich wollte einfach mal in die Communnity fragen, ob hier ähnliche Erfahrungen gemacht wurden. Vielleicht werd ich ja auch einfach nur alt und anspruchsvoll  ;D

(Wer jetzt meint, dass Wildnisfertigkeiten dadurch entwertet werden, der irrt. Momentan leite ich ein Abenteuer im Seelenmoor in dem sandboxartig Szenen aus den Abenteuern "Seelenqualen", die Bestie von Krahorst, der Schwarze Turm (DSA3) und die Buckelsumpf-Queste aus Witcher 3 ineinander verwoben sind. Allerdings wurde der Einstieg ins Abenteuer rein erzählerisch abgehandelt, sodass die Helden tatsächlich mitten im Sumpf das AB beginnen...)

Wandler

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In den letzten Jahren stellten gekaufte Abenteuer die absolute Ausnahme in meiner Gruppe dar. Meine selbstgeschriebenen Abenteuer haben zwar einen roten, aber der ist eher dazu gedacht mögliche Handlungen der Spieler zu begegnen. Dadurch ergeben sich die Möglichkeiten der Spieler und Charaktere diesem roten Faden zu folgen - oder auch nicht. Dadurch ändert sich die Gesamthandlung, es besteht kein Zwang die Handlung zu einem bestimmten Handlungsstrang zurück zu führen.
Warum auch - es gibt in praktisch jedem Szenario andere interessante Personen, Orte und Handlungsmöglichkeiten.
Dadurch werden "Randcharaktere" eventuell zu sehr wichtigen "Figuren", geplante Handlungsstränge werden niemals beschritten, und die Vorbereitung des Abenteuers besteht mehr aus der Ausarbeitung von Personen und ihrer Motivation als dem Zeichnen eines Graphen der versucht das Spielgeschehen aus jeder nur erdenklichen Lage wieder zurück zu führen.

Das verlangt von Spielleiter und Spielern die Bereitschaft zu improvisieren, einen Spieleabend mal zu kürzen um bestimmte Dinge besser auszuarbeiten, und auch mal eine "Outgame" Diskussion mit Ansage der Spieler was sie als nächsten zu tun gedenken.

Um auf Deine Frage zurück zu kommen: Viele offiziellen Abenteuer verschiedenster Systeme passen einfach nicht zu Charakteren oder Spielstilen so dass sie nur mit großem Aufwand eingesetzt werden können.
Dadurch sind in der Vergangenheit Kaufabenteuer oftmals zu "Ideensteinbrüchen" degradiert worden.

Ich leite Splittermond noch nicht so lange dass ich mir hier ein Urteil erlauben kann - ich werde in absehbarer Zeit ein gekauftes Abenteuer in eine Kampagne einbauen und bin gespannt wie das laufen wird.

Cherubael

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Ich leite noch nicht sehr lange, bevorzuge aber grundsätzlich die eher offene Gestaltung.
Dennoch haben wir bei mir mit dem Krähenwasser angefangen. Vielleicht lag es am meiner Gruppe, vielleicht daran, wie das Abenteuer geschrieben war, aber im Prinzip konnten sie machen was sie wollen, und trotzdem ging es voran.
Inzwischen leite ich was eigenes. Ich habe ein Ziel, bzw ein "Hauptproblem", aber im Grunde improvisiere ich jede Sitzung und bereite die folgende anhand der jüngsten Geschehen aus.
"Ich wusste, dass sie wussten, dass ich es wusste.
...
Deswegen ist Ihr Stuhl mit dem Stromnetz verbunden." - Edward Nygma

Xandila

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Ich leite sowohl selbst ausgedachte als auch fertige Abenteuern und bei den meisten fertigen halte ich mich schon recht stark an das, was dort beschrieben ist.
Wobei natürlich Dialoge immer stark davon abhängen, was die Spieler tun und wie sie reagieren. Gespräche mit Auftraggebern o.ä. eher als Meistermonolog abzuhandeln, stelle ich mir gerade seltsam vor. Ich habe eben gerade "Die Federn des Feiglings" geleitet, und ich bin sicher, mit anderen Chars wären viele Gespräche anders abgelaufen, und das ist doch eine von den Sachen, die spannend sind. Kriegt die Gruppe alle potentiellen Infos? Verärgert sie wen, den sie vielleicht noch brauchen würde? Schlagen sie eventuell Zusatzbelohnungen oder -hilfen raus? Als Meistermonolog würde das doch mehr oder weniger wegfallen oder nicht?

Wenn es nur eine einzige Möglichkeit gibt, etwas zu tun oder an eine nötige Information zu bekommen, dann versuche ich, weitere zu schaffen, damit es eben keine "Friss oder stirb"-Situation gibt, aber abgesehen davon, daß es eher lästig wäre, wenn alle das angeheuert werden verweigern, gibt es auch bei offiziellen Dialogen bei mir selten ein "würde mit jeder Gruppe gleich ablaufen"-Situationen.

Auch die Zufallstabellen für die Reisen mit ihren Ereignissen kamen bei meiner Gruppe gerade gut an, weil die Reise dadurch zum einen nicht zu eintönig war, sie ihre Fähigkeiten einsetzen konnten und sowohl das Land aber auch die Entfernungen dadurch greifbarer wurden. Läßt man die Reisen weg und springt direkt irgendwo hin, ohne sie groß zu erwähnen, kann einem schnell das Gefühl für das Land verlorengehen, und läßt man die Aktion- und Reaktionsmöglichkeiten der Spieler weg und beschreibt nur, was ihnen dort unterwegs alles passiert, fänd ich als Spieler das schon irgendwie blöd, wenn dabei Sachen schiefgehen, ohne daß ich es beeinflussen kann oder langweilig, wenn nie was unterwegs passiert.
Oder stelle ich mir Reisen bei dir gerade auch falsch vor?

heinzi

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Auch die Zufallstabellen für die Reisen mit ihren Ereignissen kamen bei meiner Gruppe gerade gut an, weil die Reise dadurch zum einen nicht zu eintönig war, sie ihre Fähigkeiten einsetzen konnten und sowohl das Land aber auch die Entfernungen dadurch greifbarer wurden. Läßt man die Reisen weg und springt direkt irgendwo hin, ohne sie groß zu erwähnen, kann einem schnell das Gefühl für das Land verlorengehen, und läßt man die Aktion- und Reaktionsmöglichkeiten der Spieler weg und beschreibt nur, was ihnen dort unterwegs alles passiert, fänd ich als Spieler das schon irgendwie blöd, wenn dabei Sachen schiefgehen, ohne daß ich es beeinflussen kann oder langweilig, wenn nie was unterwegs passiert.
Oder stelle ich mir Reisen bei dir gerade auch falsch vor?

Ich bin kein großer Fan von (zumeist sehr linear verlaufenden) Reisen von einer Abenteuerhandlung zur nächsten. Natürlich freuen sich die Spieler von wildnisaffinen Charakteren über die zusätzliche Screentime aber nach einem Spieleabend quer durch die Pampa und der x-ten Zufallsbegegnung schwindet der Spaß zusehends. Auf Reisen sind dann ja auch keine wirklich spannenden Entscheidungen mit weitreichenden Folgen zu treffen. Überqueren wir die Furt und wenn wir Pech haben, geht uns ein Packtier mit etwas Ausrüstung verloren oder nehmen wir einen Umweg inkauf, der unserem Gegner am Zielort einen taktischen Vorteil verschafft - letztendlich egal, da die Helden so oder so den Fluss überquert bekommen. Solche ja/nein, A oder B Entscheidungen sind mir inzwischen einfach zu langweilig und lassen auch den Helden nur wenig Raum die Persönlichkeit ihres Charakters auszuspielen.

Ein wenig anders sieht es bei echten "Reiseabenteuern" aus, wo der Weg das Ziel ist und viele unterschiedliche NSCs mit diversen Agenden den Weg der Helden begleiten oder kreuzen. Dennoch würde ich auch hier nicht jeden einzelnen Reisetag ausspielen, sondern an exponierten Stellen einen Sandkasten (z.B. ein abgelegenes Dorf it weiteren exotischen Örtlichkeiten in der näheren Umgebung [1-3 Tagesreisen maximal entfernt -> hier können dann auch Wildnischaraktere mit ihren Fähigkeiten glänzen], welches verschiedene Probleme hat und in welchem die Spieler diverse komplexe Entscheidungen zu fällen haben) anlegen.

Xandila

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Zitat
und lassen auch den Helden nur wenig Raum die Persönlichkeit ihres Charakters auszuspielen.
Das habe ich schon deutlich anders erlebt. Hängt sicher auch sehr von den Spielern ab, aber auch wenn es "nur" eine kaputte Brücke oder ein heftiges Unwetter ist, was zwischendurch passieren, können das schöne Momente sein, Facetten der Persönlichkeiten auszuspielen, die man sonst vielleicht nicht gesehen hätte.

Zitat
geht uns ein Packtier mit etwas Ausrüstung verloren oder nehmen wir einen Umweg inkauf, der unserem Gegner am Zielort einen taktischen Vorteil verschafft - letztendlich egal, da die Helden so oder so den Fluss überquert bekommen.
Du beschreibst aber gerade Beispiele, wo es eben nicht egal ist, weil bei einer nicht ausgespielten Reise die Helden ja später nicht mit den Problemen durch fehlende Ausrüstung oder einen besser vorbereiteten Gegner zu tun hätten.

Schade aber, daß du auf den Rest (ein Gefühl für das Land und für Entfernungen bekommen; passiert nie was auf Reisen bzw passiert zwar was, aber eingreifen kann man nicht; Gespräche mit Questgebern etc) nicht eingegangen bist, und nur zu den Zufallstabellen etwas geantwortet hast.


Übrigens wurde mir nach dem Leiten heute gesagt, daß gerade dadurch, daß eben doch ein Teil der Reisen ausgespielt und -gewürfelt wurde, sich das Abenteuer rund angefühlt hat, weil das die verschiedenen Etappen schön verbunden habe. ;)

Jan van Leyden

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Meine Spieler legen stets viel Wert auf erlebte Geschichte (im Sinne von Story), weshalb solche Übergänge auch eher lästig sind. Allerdings bevorzugen sie schon einen Roten Faden in der Handlung.

In unserer demnächst beginnenden Kampagne (hat allerdings nichts mit Splittermond zu tun) greife ich versuchsweise mal zu einem radikalen Ansatz und füge immer wieder erzählte Cut Scenes ein.

Wir haben das vorab besprochen, und die Spieler signalisierten mit ihr Einverständnis. Bin ja mal gespannt wie das läuft...
« Letzte Änderung: 11 Jul 2017, 11:17:47 von Jan van Leyden »
Huldvoll winkend

---Jan van Leyden

dermilchmann

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Meine Gruppe besteht schon seit  vielen Jahren und uns langweilen  Zufallstabellen und Zwischenbegegnung wie Räuberüberfälle. Früher haben wir alles ausgespielt jetzt haben wir Familie und wenn wir uns treffen wollen wir Handlung spielen und phantastische Abenteuer erleben.
Ein Grund warum wir von DSA zu Splittermond gewechselt sind. Die Welt ist viel phantastischer und wir können endlich wiefer staunen und überrascht sein.
Zur Zeit bereite ich Türme im Eis vor und gestalte die Reise komplett um. Es wird von mir festgelegte spannende Begegnungen geben um das Ambiente des Landstrichs am Spieltisch zu fühlen und dann wird der Rest der Reise erzählerisch abgehandelt. Nach unserer Erfahrung bringt das in unserer Gruppe maximalen Spielspaß. Aber das ist ja bei jeder Gruppe anders.

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Borbulus

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Wir sind ja nun vom ursprünglichen Thema, der Linearität der Abenteuer, ein wenig abgeschweift, zu den Reisen.
Zu den Abenteuern will ich auch noch etwas beisteuern.
Ich selbst spiele mit meiner Gruppe momentan noch fast ausschließlich vorgegebene Abenteuer, was daran liegt das ich noch nicht lange spielleite und mir noch ein wenig die Routine fehlt.
Meine Reisen handle ich aber nicht so ab.
Die erste Reise meine Gruppe begann irgendwo in Tyr Durghachan und endete in Catley. Auf der Reise hab ich vor allem die Flora und Fauna beschrieben, einmal kamen sie in ein Dorf und haben sich dort mit einigen Bauern gegenseitig Horrorgeschichten von Monstern und Feen in den Wäldern erzählt.
Ein paar Tage später hörten sie Nachts Geräusche, meine Spieler hatten noch die Schauergeschichten im Kopf und trauten sich kaum aus den Zelten. Am Ende waren es nur einige Steinfresser die sie vertreiben mussten, die Reise hat ihnen Spaß gemacht.
Meine Reisen sind also immer die Abschnitte in denen ich mich ein wenig am improvisieren versuche, während ich meine Abenteuer eher nach Drehbuch abarbeite.

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« Letzte Änderung: 10 Jul 2017, 14:27:16 von Borbulus »

StevenSkies

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Moin...
Ich denke es kommt letztendlich auch immer ein wenig auf das Abenteuer selbst an und welche Zielgruppe damit angesprochen werden soll. In Bezug auf Splittermond kann noch nicht viel dazu sagen, da ich mit meiner Spielgruppe gerade erst einsteige. Aber die vorgefertigten Abenteuer und Runs die wir bislang mit DSA und Shadowrun gespielt haben waren durchaus von unterschiedlicher Natur, was die Linearität angeht. Mit der Zeit haben wir eine gute Mischung aus eigenen und vorgefertigten Abenteuern gespielt und genau so werde ich es auch weiter halten.

Bei den vorgefertigten Abenteuern lasse ich den Spielern trotzdem immer den Freiraum selbst zu handeln, auch wenn die einzelnen Szenen als auch das ganze Abenteuer eher linear gehalten ist. Mein Ziel ist es den Spielern das Gefühl zu geben, dass sie tatsächlich ein Abenteuer erleben und beeinflussen können, anstatt nur "mitzufahren". Wenn es dann doch mal irgendwie schwer wird und wir in eine Sackgasse geraten, greife ich in der Regel auf zwei Tricks zurück:
1) NSCs werden etwas direkter, in dem sie (je nach Stellung) flehen und betteln, größere Belohnungen anbieten oder ein Druckmittel ausnutzen.
2) Da meine Gruppe sehr klein ist, spiele ich üblicherweise parallel zu meinen Aufgaben SL einen (üblicherweise eher stillen) Charakter, der dann die richtigen Fragen stellt oder Gedankengänge in die Runde wirft.

Meine selbst entwickelten Abenteuer basieren dann doch zu großen Teilen aus einzelnen Szenen, die nach Möglichkeit über mehrere rote Fäden miteinander verknüpft sind. Dadurch haben die Spieler recht viel Freiheit und ich die Möglichkeit das Abenteuer über mehrere Optionen voran zu treiben. Nachteil dabei ist halt, dass es für mich eine Menge Vorbereitungszeit bedeutet.

Und zum Thema Reisen: Die handle ich normalerweise durch Erzählungen ab, um nicht all zu viel Zeit mit einer Simulation zu verschwenden, da wir aufgrund von Familie und anderen Hobbies auch nicht mehr so viel Zeit zum Spielen haben. Ich baue nur entsprechende Szenen ein, wenn sie für das Abenteuer irgendwie relevant sind - oder wenn ich mal Zeit schinden muss, weil meine Spieler eine Abkürzung gefunden haben. ;)