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Begraben und besiegelt
Zhoujiang, Kranichprovinz (Hao, Akira, Takur)

Auch wenn die Helden eigentlich gemeinsam gen Palitan aufbrechen wollten, trennten sich ihre Wege mal wieder zeitweilig. Ren und Luo hatten noch eine persönliche Mission zu erledigen, über deren genaues Ziel sie sich jedoch nicht ausführlich äußerten. Akira vermutete, dass es etwas mit ihren Sympathien im zhoujiangischen Bürgerkrieg zu tun hatte. Vielleicht spielte aber auch eine Rolle, dass Qui Ruan, der junge Stadtgarde-Offizier, der die Helden aus Timog herausbegleitete, eine gemeinsame Geschichte mit Ren hatte, die beiden peinlich zu sein schien. Die Helden verabredeten, sich in Baoshi zu treffen und von dort die Reise nach Palitan fortzusetzen.

Baoshi sollte nicht nur Treffpunkt und Etappenziel für die Reise nach Palitan sein. In der Stadt lebte Ji Xai, eine weitere der zahlreichen Verwandten Rens, deren Ehemann Yuchi als erfahrener Historiker den Helden für ihre Recherchen in den Kaiserlichen Archiven wertvolle Hinweise und vielleicht auch ein weiteres Empfehlungsschreiben geben konnte. Allerdings warnte Ren, dass man bei der Familie ihren Cousin Luo besser nicht erwähnen sollte. Offenbar hatte er als Leibwächter der Tochter von Ji Xai und Yuchi dahingehend versagt, sie nicht am Umgang mit den „falschen Leuten“ gehindert zu haben. Möglicherweise wollten Ren und Luo auch deshalb erst einmal die anderen Helden „vorschicken“.
Bevor die Helden Timog verließen, verabschiedete sich Akira noch von der Kintari-Botschafterin Suguri Hanako, mit der er in den letzten Wochen ein gutes Einvernehmen entwickelt hatte. Sie gab den Helden ihre Glückwünsche auf den Weg und empfahl Akira, in Palitan Kontakt zur dortigen Botschaft Kintais aufzunehmen. Gleichzeitig warnte sie vor den Intrigen Palitans. Dort würde mit hohen Einsätzen und großem Risiko gespielt…
Als die Helden die Stadt verließen, konnte es sich Takur nicht verkneifen, Qui Ruan zu seinem früheren Verhältnis zu Ren auszufragen. Damit legte er freilich den Finger auf eine allzu frische Wunde. Der junge Offizier reagierte ungehalten auf die unsensiblen Fragen des Jaguarkriegers. Auch wenn Akira versuchte, die Lage zu entspannen, fanden sich die Helden bald alleine auf der Straße wieder.

Die nächsten Tage folgten die Helden der Dammstraße, die durch das Schilfmeer von Timog aus nach Osten führte. Der Bürgerkrieg und das Erstarken der Triaden belasteten den Handel: Überlandreisende, die die Provinzgrenzen passieren wollten, mussten Pässe mit sich führen. Reisende wurden an den Provinzgrenzen, an Wachstationen und durch Straßenpatrouillen kontrolliert. Der damit verbundene Aufwand und Zeitverlust wurde durch die wuchernde Korruption verschlimmert, die sich in „Sonder-“ und „Beschleunigungsgebühren“ für den Warentransport oder die Ausstellung von amtlichen Dokumenten niederschlug. Die Helden selber hatten damit allerdings kaum Probleme: dank ihrer Taten in Timog verfügten sie über gute Papiere und da sie mit leichtem Gepäck und wenig Prunk reisten, gab es bei ihnen nicht viel zu holen.
Allerdings war die Herrschaft der Triaden im Südosten Zhoujiangs offenbar nicht unangefochten: Es kursierten Gerüchte über maskierte Krieger in farbenfrohen Schuppenpanzern, die höherrangige Mitglieder der Triaden und Diener der Göttin Gagamba mit äußerster Brutalität angriffen. Da keiner der Helden den Triaden freundlich gegenüberstand und sie bezüglich der Gagamba-Kirche nach dem Zusammenstoß mit der Spinnenkultistin Kuraiko eine gewisse Skepsis hegten, beunruhigte dies die Abenteurer aber wenig.

Die Reise verzögerte sich für einen Tag, als sich die Helden entschlossen, einem in Not geratenen Händler zu helfen: sein Wagen war in den Sumpf geraten, Krokodile hatten den Zugochsen getötet und nun suchte er nach jemanden, der seine Waren bergen half.   
Die Helden folgten dem Mann zu der Unfallstelle. Tatsächlich fanden sie dort den havarierten Wagen und den Kadaver des Zugtiers. Hao beruhigte mithilfe ihrer Magie das an dem Kadaver fressende Krokodil, schnitt den toten Ochsen los und befestigte ein Seil an dem Wagen. Als ein weiteres Krokodil auftauchte, konnte Takur es mit einem gut gezielten Fackelwurf verscheuchen. Mit vereinten Kräften konnten die Helden den Wagen ein Stück aus dem Sumpf ziehen. Er war allerdings stark beschädigt. Die Helden fehlte das handwerkliche Können, um ihn wieder farbereit zu machen. Sie konnten nur die aufgeladenen Töpferwaren bergen und diese mithilfe von zwei ausgeliehenen Trageseln wegschaffen. Zur Belohnung erhielten sie jeder eine kunstvoll verzierte Teeschale.
Als die Helden an diesem Abend in einer Wegherberge rasteten, wären sie beinahe in eine Auseinandersetzung verwickelt worden: die auf die Triaden gemünzten Spottlieder einer vagierende Musikantin stießen bei einigen Gäste auf wenig Zustimmung. Aber Akira schaffte es mal wieder, die Situation zu entschärfen.

Nach einer Reise von etwa einer Woche erreichten die Helden ihr Etappenziel Baoshi. Die Stadt war etwa halb so groß wie Miari und lag an der Ausmündung des Jadebandes aus dem Maishi-See. Dies verlieh der Stadt wirtschaftliche und strategische Bedeutung. Die Triaden hofften offenbar, mithilfe der hiesigen Streitkräfte und Befestigungen zu verhindern, dass General Wu in das östliche Jadeband vorstoßen konnte. Deshalb hatten sie die Befestigungen Baoshis verstärkt und die Stadt zu einem Flottenstützpunkt ausgebaut. Als Zeichen der Macht – und vermutlich als Beobachtungsposten – schwebte über Baoshi weithin sichtbar ein Fesselballon.
Die Stimmung in der Stadt war lebhaft aber angespannt. Offenbar hatte es in letzter Zeit im Hafen Sabotageanschläge gegen, was die Stadtherrin Liu Xu erzürnt hatte. Die Bevölkerung war wegen des Bürgerkrieges, den zahlreichen Flüchtlingen und der starken Söldnerpräsenz beunruhigt. Aufgrund der Nähe zu Kintai war im Straßenbild zahlreiche Kintari zu sehen. Ungewöhnlicher waren die vielen Kungaitani. Wie die Helden später erfuhren, half Kungaitan den Triaden, die berüchtigten Schildkrötenschiffe zu kopieren. Kungaitanische Söldner verstärkten die Truppen der Triaden und Ausbilder schulten Matrosen in der Handhabung der gepanzerten Schiffe und im Einsatz als Seesoldaten. Alleine in Baoshi hielten sich bis zu 300 Kungaitani auf. Unter ihrer Aufsicht waren mindestens drei Schildkrötenschiffe in Bau. Ein viertes war kürzlich durch Sabotage vernichtet worden.
Viele der Fremdländer traten recht herrisch und arrogant auf, was zur Verärgerung der Einheimischen beitrug. Dazu kamen gelegentliche Spannungen zwischen den in Baoshi befindlichen Kintari und den Kungaitani, standen sich beide Länder doch misstrauisch gegenüber. Auch Akira war angesichts der Präsenz Kungaitans alarmiert. Er hegte wie viele seiner Landsleute mehr als nur leichte Vorurteile. Dass Kungaitan sich als Unterstützer der Triaden im östlichen Zhoujiang zu etablieren schien, war beunruhigend – zumal die Handelsnation auch in dem östlich von Kintai liegenden Sadu mithilfe von Söldnern und Agenten aktiv war. Schwebte den Kungaitani eine Einkreisung des Kaiserreiches Kintai vor? Seine Gefährten trieben solche Fragen weniger um, auch wenn Ren und Luo aufgrund ihrer Loyalitäten im Bürgerkrieg von dieser ausländischen Unterstützung für die Triaden sicher nicht begeistert gewesen wären.
Die Kungaitani betrieben zudem Werbung für das politische System ihrer Händlerrepublik. Die Stadtherrin hatte dies freilich bald unterbunden.

Vorerst kümmerten sich die Helden erst einmal um ihr eigentliches Anliegen: Sie suchten Ji Xai und ihren Ehemann Yuchi auf, um ihnen Grüße von Ren zu übermitteln und um Hilfe für die Recherchen in Palitan zu bitten. Zu letzterem war der Historiker Yuchi gerne bereit. Seine Ehefrau bremste den Enthusiasmus und hatte ihrerseits eine Bitte an die Helden: Ihre Tochter Tian arbeitete als Sekretärin im Bauministerium und stand vor der nur alle drei Jahre stattfindenden Auswahlprüfung für eine der begehrten Stellen als Inspektorin. Natürlich halfen die meisten Kandidaten mit dem ein oder anderen „Geschenk“ nach. Aber das Abschneiden bei den Prüfungen spielte dennoch eine Rolle. Die Helden sollten Tian bei den Prüfungen helfen. Derartige Unterstützung zu suchen was durchaus üblich, da man sich als Beamter auch dabei zu bewähren hatte, Helfer zu rekrutieren (ein Vorrecht des Bauministeriums). Der jungen Beamtin war das Ganze peinlich, aber die Helden willigten gerne ein – auch wenn Akira angesichts der in Zhoujiang wuchernden Korruption einmal mehr Mühe hatte, seine Verachtung zu verbergen. Yuchi sah das offenbar ähnlich, Tians Mutter hingegen hatte eine pragmatische Einstellung.
Die Helden konnten sich in dem geräumigen und gut eingerichteten Familienanwesen einquartieren. Sie waren nicht die einzigen Gäste: offenbar hatten etliche entfernte Verwandte der familie vor den Wirren des Bürgerkrieges in Baoshi Schutz gesucht.

Von Tian erfuhren die Helden mehr über die anstehenden Prüfungen: Diese beinhalteten einen theoretischen und einen praktischen Teil, wobei bei letzterem Baumaßnahmen überwacht oder die Sicherheit eines Gebäude abgenommen werden würde. Zwar hatten die Helden keine Bauerfahrung, aber sie würden Tian bei ihren Vorbereitungen und im Umgang mit renitenten Bauleuten oder Hausbesitzern helfen können – und ein Auge auf die Intrigen möglicher Konkurrenten haben. Die Prüfungen würden unter der Aufsicht der Magistratin Yuwen Lai stattfinden, einer Beamtin, die unter der Triadenherrschaft Karriere gemacht hatte und die – wie bei den Beamtenprüfungen üblich – dem Ritus-Ministerium angehörte. 

In den Tagen bis zum Beginn der Prüfung machten sich die Helden mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut: Sie versuchten einen Überblick von den Baumaßnahmen in der Stadt zu gewinnen. So hofften sie abschätzen zu können, was für eine praktische Aufgabe Tian gestellt werden könnte. Allerdings erregte ihr Herumgefrage wenig Zuneigung bei den Bauleuten.
Auch ein Besuch der Bibliothek verlief nicht ohne Zwischenfall: sie begegneten dort Guo Nan, einer der Hauptkonkurrentinnen von Tian sowie Guo Nans Onkel Guo Dan. Da dieser einen höheren Posten bei der Stadtwache hatte, verfügte er wahrscheinlich über Möglichkeiten und Kontakte, um den Wettbewerb im Sinne seiner Nichte zu beeinflussen…
Angenehmer war die Begegnung mit Tians Freund Rong Lu, einem jungen, gutaussehenden Musikanten – auch wenn Tians Eltern wohl wenig begeistert von dem Umgang ihrer Tochter waren.
Dass die angehende Bau-Inspektorin eine Gerichtsverhandlung gegen eine Architektin besuchte, erwies sich als schlechte Entscheidung: die Angeklagte wurde wegen Pfusch beim Bau von Befestigungsanlagen verbannt, ihr Gehilfe umgehend hingerichtet. Dieses Schauspiel war nicht dazu angetan, Tians Zuversicht zu stärken. Akira gab sein Bestes, um ihr Mut zuzusprechen und mit ihr das Zeremoniell für den folgenden Tag durchzugehen.

Am nächsten Tag wurden die Prüfungen im Palastbereich von Baoshi eröffnet. Neben den Prüflingen auf die verschiedenen offenen Stellen und deren Helfern waren auch zahlreiche Familienangehörige anwesend. Wie in Zhoujiang üblich, waren ein Großteil derer, die sich für die höheren Ämter bewarben, Frauen der Ober- oder Mittelschicht. Die Eröffnungszeremonie fand in Anwesenheit der Stadtherrin statt. Besonders beeindruckend waren die Priesterin Tanglangs, der göttlichen Gottesanbeterin, unter deren Schutz alle überlieferten Riten standen und die die Prüfung mit einem Segen eröffneten. Ihre fremdartigen Masken und Bewegungen faszinierten Akira. Sein Gefährte Takur – der aus seiner Dschungelheimat sehr viel blutigere Riten kannte – ließ sich weniger aus der Ruhe bringen.
Der erhabene Eindruck der Zeremonie wurde im Nachhinein beeinträchtigt, als Guo Dan, der Onkel einer von Tians Konkurrentinnen, versuchte, die Helden mit unverhohlenen Drohungen einzuschüchtern. Tian war wegen ihrer guten Leistungen und vor allem wegen der Vernetzung ihrer Familie offenbar eine der Favoritinnen für den Inspektorinnenposten und Gao Dan wollte diesem Risiko für die Kariere seiner Nichte vorbeugen.
Hao und Tian wurden etwas nervös, aber an Akira und Takur prallten die Drohungen ab. Die Vorurteile des Schwertalben bezüglich der in Zhoujiang (und besonders im Einflussbereich der Triaden) wuchernden Korruption erhielten freilich neue Nahrung – und sollten in den nächsten Tagen noch wachsen.

Die erste Aufgabe Tians war es, in der Bibliothek Material für ihre theoretische Prüfung zu sichten. Auf Vorschlag Akiras begleitete Hao die junge Bausekretärin. Die vermeintliche Routineaufgabe erwies sich schwerer als gedacht: jemand hatte „zufällig“ Teile der Berichte und Vorschriftentexte verlegt, mit denen sich die Prüflinge vorbereiten sollten. Hao half bei der Suche nach den fehlenden Schriftrollen, obwohl ihre eigene Schriftbildung nur durchschnittlich war. Dementsprechend dauerte es deutlich länger als erwartet. Auf dem Rückweg zum Familienanwesen wurden die beiden zudem von ein paar Straßenkindern belästigt und mit faulem Obst beworfen. Hao schaffte es, durch ein paar bissige Bemerkungen die Kinder von Tian abzulenken und dann den meisten der fauligen Wurfgeschosse auszuweichen. Hao und Akira halfen Tian bei dem Sichten der Dokumente. Akira vermutete, dass weitere Sabotageversuche folgen könnten. Während er aus seiner Frustration keinen Hehl machte, nahm Hao das Ganze gelassener. Immerhin handelte es sich nur um lästige Nadelstiche.

Am dritten Tag der Prüfung war die Zeit für die erste praktische Übung gekommen: Tian sollte eine Gerbergasse kontrollieren (einschließlich der dazugehörigen öffentlichen Latrine), die Einhaltung der Bau-, Hygiene- und Brandschutzvorschriften überprüfen und arbeitsfähige Bewohner für einen Einsatz des Bauministeriums rekrutieren. Offenbar wurden angehende Bau-Inspektorinnen nicht gerade auf Rosen gebettet. Die Prüfung sollte sowohl das korrekte Anwenden von Vorschriften als auch die Durchsetzungskraft testen, waren doch weder die Kontrollen noch die schlecht bezahlten staatlichen Arbeitseinsätze beliebt. Tian tat sich etwas schwer damit, bestimmend aufzutreten. Die Helden halfen bei dem Feststellen potentieller Mängel und beim Umgang mit renitenten Anwohnern. Sie machten sich dabei nicht beliebt, zumal Tian und ihre Helfer bei Regelverstößen nicht gegen eine „Aufwandsentschädigung“ durch die Finger sahen. Außerdem mussten sie erfahren, dass der Stadtgardeoffizier Guo Dan die Runde gemacht und die Stimmung gegen die Inspektion geschürt hatte. Langsam wurden seine Sabotageversuche lästig. Hao fand besonders bedenklich, dass Guo Dan so gut über die Aufgaben der Prüflinge informiert war. Besaß er Insiderinformationen aus der Prüfungsleitung?

Der nächste Tag beinhaltete den zweiten Teil der praktischen Übung: mithilfe der am Vortrag rekrutierten Arbeitskräfte sollte die Umfassungsmauer eines aufgegeben Tempels abgerissen werden. Sehr schnell stießen Tian und die Helden auf Schwierigkeiten. Etliche der am Vortag rekrutierten Helfer waren auf einmal „erkrankt“. Eine Untersuchung durch Hao enthüllte, dass die meisten nur simulierten. Leider konnte ausgerechnet der stärkste der Rekrutierten Hao austricksen, was die Leistung des kleinen Abbruchtrupps reduzierte. Beim Abholen der Werkzeuge und Wagen gab es das nächste Problem: einer der Fahrer hatte am Vorabend auf Einladung eines gewissen Stadtgardeoffiziers zu tief ins Glas geschaut und war kaum ansprechbar. Zum Glück sprang Hao als Wagenlenkerin ein, da sie gut mit Tieren umgehen konnte.

Der alte Tempel – eine frühere Kultstätte des kaum noch verehrten Drachenfisches – lag außerhalb der Stadt. Der halb überwucherte Weg zum Tempel wurde von dicken Spinnenweben eingerahmt, die einen etwas bedrohlichen Anblick boten. Die Anlage zeigte deutliche Anzeichen von Verfall. Ein gesigeltes Schreiben am Eingang des ummauerten Areals verkündete, dass der Tempel vom Ritenministerium kontrolliert und seine Umwallung für die Demontage freigegeben worden sei. Den Tempel selber sollte der Bautrupp in Ruhe lassen. Der neben dem Gebäude gelegene Friedhof wurde offenbar noch genutzt, vermutlich für Armenbegräbnisse, Hingerichtete und ähnlich Unerwünschte. Zur Beunruhigung aller hatte jemand – oder etwas? – einige Grabsteine umgestoßen oder zerkratzt. Die Leistung der Arbeiter wurde dadurch nicht gerade gesteigert und auch die Helden sahen sich immer wieder sichernd um. Akira half Tian bei der Koordination der Arbeiter, während Takur beim Abriss der Mauer mit Hand anlegte. Mit vereinten Kräften kamen die Arbeiten dann doch recht gut voran. Hao behielt derweil die Umgebung im Auge.

Es war Takur, dem der goldfarbige Vogel auffiel, der den Tempel von einem nahegelegenen Baum beobachtete. Hao identifizierte das Tier als einen Sonnenvogel. Den Legenden nach tauchten diese Tiere an Orten auf, an denen Unheil drohte, weshalb sie teilweise als Unglücksboten verschrien waren. Das war freilich ungerecht, weil sie das Unrecht nicht herbeiriefen, sondern im Gegenteil es meist zu verhindern suchten. Auf jeden Fall aber verhieß der Vogel eine nahe Gefahr…
Alle waren erleichtert, dass die Abbrucharbeiten an der alten Tempelmauer bereits am Nachmittag beendet werden konnten. Allerdings entschlossen sich die Helden, noch etwas vor Ort zu bleiben, um mehr über das anscheinend drohende Unheil zu erfahren und es vielleicht sogar zu verhindern. Hao musste freilich erst einmal mit dem Bautrupp nach Baoshi zurück, da sie ja einen der Wagen des Bautrupps übernommen hatte. Sie versprach, so bald wie möglich auf ihrem kürzlich erworbenen Zhu-Schreiter zurückzukehren. Tian wollte beim Ritenministerium über das Erscheinen des Sonnenvogels Bescheid geben. Ihren Kameraden war es nicht Recht, dass Hao den Weg zurück zum Tempel würde alleine zurücklegen müssen. Zum Glück gelangte der Bautrupp aber ohne Probleme nach Baoshi, und auch Haos Ritt zurück zum Tempel verlief ohne Probleme. Sie brachte die Rüstungen und Waffen mit, die die Helden in Baoshi zurückgelassen hatten.

Wieder vereint und besser ausgerüstet durchsuchten die Helden die Umgebung des Tempels und die Tempelruine. Sie fanden jedoch nichts Auffälliges. Die Helden beschlossen, am nächsten Morgen noch einmal eine gründlichere Suche vorzunehmen und schlugen ihr Nachtlager unter freiem Himmel auf. Allerdings kamen sie kaum zum Schlafen: der Sonnenvogel wurde nach Einbruch der Dunkelheit immer unruhiger. Und der Wind, der zwischen den Friedhofsteinen und durch das löchrige Dach des Tempels pfiff, erinnerte unangenehm an das Klagen verlorener Seelen. Endgültig war es um den Schlaf geschehen, als Akira und Takur auf dem Friedhof schattenhafte Bewegungen auszumachen meinten. Sie unternahmen allerdings erst einmal nichts, sondern warteten lieber bis zum Morgen.

Sobald es hell wurde, untersuchten die Helden noch einmal den Friedhof. Erst jetzt fiel ihnen auf, dass bei einem der Mehrfachgräber – vermutlich für Hingerichtete oder im Gefängnis verstobene Strafgefangene – die Erde nicht wie eigentlich zu erwarten eingesunken war, sondern aufgeworfen wirkte. Hao kehrte noch einmal auf ihrem Zhu-Schreiter nach Baoshi zurück, um Werkzeuge für eine Untersuchung der Gräber zu organisieren. Dort erfuhr sie von Ji Tian, dass diese wie versprochen beim Ritenministerium Meldung gemacht hatte. Sie war jedoch abgebügelt worden: Das Erscheinen irgendeines mythischen Vogels sei kein Grund zur Sorge. Der Tempel sei erst kürzlich ordnungsgemäß untersucht worden. Es gäbe von Seiten der Behörden keinen Grund für Untersuchungen oder weitere Maßnahmen. Die Helden waren also auf sich alleine gestellt.
Mit den von Hao organisierten Werkzeugen machten sich Akira und Takur ans Graben. Der Sonnenvogel flog näher und wirkte mit jedem Spatenstich wachsamer, was auch die Helden alarmierte. Der zuerst nur schwache Verwesungsgeruch wurde von Minute zu Minute stärker. Akira versicherte sich, dass sein Schwert locker in der Scheide saß, während Takur seine Glefe neben seinem Arbeitsplatz in den Boden rammte. Bald legten die beiden die erste Leiche frei: den kopflosen Körper des vor wenigen Tagen hingerichteten Baugehilfen. Seltsamerweise war sein Leib bereits extrem stark verwest. Wenige Augenblicke später bemerkte Akira, dass sich der Erdboden wellenartig bewegte, als ob sich darin etwas regte. Er schrie eine Warnung und die Helden griffen zu ihren Waffen – gerade rechtzeitig, bevor vier stark verweste Untote aus dem Erdboden brachen. Der abscheuliche Anblick brachte Hao aus der Fassung und auch die beiden Krieger waren verunsichert und verpatzten ihre ersten Angriffe. Binnen Sekunden musste der ungerüstete Akira einen hässlichen Biss kassieren, während Takur von einem anderen Untoten gepackt wurde. Die verängstigte Hao zögerte, direkt in den Kampf einzugreifen und half ihren in Not geratenen Kameraden mit einem Segensspruch. Nur mit knapper Not entging Takur einer Verwundung, während Akira einen weiteren heftigen Treffer kassierte. Ebenso hilfreich wie Haos Segen war das Eingreifen des Sonnenvogels, der einen der Untoten mit einem magischen Angriff fällen konnte.
Dadurch bekamen die Helden etwas Luft: die nächsten Hiebe Akiras waren zielsicherer und Takur konnte sich befreien. Zusammen mit Haos Eingreifen in den Kampf wendete sich das Blatt und die Angreifer konnten einer nach dem anderen niedergestreckt werden. Hao kümmerte sich um die hässlichen Wunden ihres schwertalbischen Kameraden. Sie befürchtete eine Infektion, gegen die ihre Heilzauber nicht viel ausrichten würden. Nachdem die gefällten Untoten zur Sicherheit alle geköpft und wieder verscharrt worden waren, machte sich die etwas erschütterte Gruppe auf den Weg nach Baoshi. Der Sonnenvogel begleitete sie in einigem Abstand. Offenbar sah er seine Aufgabe als erfüllt an.

In Baoshi machten die Helden bei den Behörden Meldung. Akira sollte sich im Ji-Anwesen isolieren und ein örtlicher Arzt die Wunden begutachten. Bald bestätigte dieser Haos Befürchtung: Akira hatte sich mit Blutfluss infiziert, einer ebenso gefährlichen wie langwierigen Krankheit. Mit Unterstützung eines hinzugezogenen Amtsarztes, Haos und später der in Baoshi eingetroffenen Ren konnte Akira die Krankheit besiegen, die ihn freilich mehrere Wochen niederstrecken sollte.
Damit fiel er auch als Unterstützung für Tian aus, deren Prüfungen inzwischen weitergingen. Hao tat ihr Bestes, die junge Frau zu unterstützten und moralisch aufzubauen.

Noch bevor die Prüfungsergebnisse bekannt wurden, erhielt die Familie Ji Besuch durch die Magistratin und Prüfungsleiterin Yuwen Lai. Diese befand sich in einer etwas unangenehmen Situation: Ihr Ministerium hatte nicht nur die Meldung Tians bezüglich des Sonnenvogels und der drohenden Gefahr ignoriert, sondern zuvor auch den Tempel kontrolliert. Das Erscheinen der Untoten drohte die Beamtin in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen.
Wenig überraschend hatte sie bereits eine Lösung für dieses Dilemma: Wenn die Helden die Situation in ihrem Sinne darstellen und ihren Bericht unterstützten, würden sie nicht nur eine Belohnung erhalten – ihre Kooperation und Tians Rolle dabei würden bei der Prüfungsbewertung „wohlwollend berücksichtigt“ werden. Yuwen Lai brauchte nicht auszuführen, was die Alternative für Tians Karrierehoffnungen wäre, falls die Helden sich als renitent erwiesen.
Wohl oder Übel – im Fall Akiras mit einem deutlichen Zähneknirschen – stimmten die Helden zu. Auch wenn ihnen diese Entscheidung eine Audienz bei der Stadtherrin, eine Belohnung und die Dankbarkeit der Ji-Familie einbrachten, hinterließ die Geschichte zumindest bei Akira einen bitteren Nachgeschmack. Seine gegenüber den anderen Helden unverhohlen geäußerte Verachtung für die Intrigen und Korruption in Zhoujiang verärgerten wiederum Ren. Auch wenn sie die Triaden ebenfalls verachtete, sah sie sich in ihrem Nationalstolz gekränkt und hielt Akiras Glaube an die moralische Überlegenheit Kintais und dessen schwertalbischer Oberschicht für ungerechtfertigt. Natürlich kümmerte sie sich trotzdem um ihren erkrankten Kameraden, aber es gab den einen oder anderen energischen Wortwechsel.

Hao interessierte sich vor allem auch dafür, WARUM die Untoten überhaupt aufgetaucht waren, doch erhielt sie darauf keine befriedigende Antwort. Magistratin Yuwen Lai merkte an, dass der Tempel schon vor einiger Zeit entweiht worden sei – ohne näher darauf einzugehen – und dies vielleicht böse Geister angezogen hätte. So blieb die Angelegenheit ein wenig rätselhaft…
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Produkte / Re: Über welche Produkte würdet ihr euch am meisten freuen?
« Letzter Beitrag von Fingorn am 06 Apr 2024, 15:31:57 »
Bei den Regionalspielhilfen würde ich mir eine Beschreibung über jedes Land wünschen, welches noch nicht näher beschrieben wurde. Vielleicht als nächstes eins zum Wächterbund, zu den Seealben und zu den Zwergenvölkern. Naja und ma Liebsten auch eine gewisse I-Box.

Als Quellenbücher wünsche ich mir noch:
- Tiefdunkel
- Alchemie und Pflanzen
- Seefahrt und Schiffsbau
- Geisterwelten
- Drachlinge und Lamassu
- (Nagas) könnten evtl auch in einer RSH genauer behandelt werden

Außerdem:
- *Magiekarten* :)
- viel mehr offizielle Abenteuer
- Große Kampagne (aka G7) mit Metaplotoptionen
- Übersichtsband mit allen Meisterschaften, Materialien, Zaubern (erst wenn es keine weiteren Bände mit Regeln vor SpliMo 2 mehr geben wird, damit auch wirklich alles drin ist)

Wenn das alles erstmal geschafft ist:
Umfassende Weltenbeschreibung (am Besten mit Abenteuer) was bei 1000 LZ passiert und Release von SpliMo2

Natürlich gilt erstmal Qualität geht weit vor Quantität. Ich wünsche mir nach wie vor lieber schön geschriebene Passagen wie man es bisher vom Verlag kennt.
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Abenteuer und Kampagnen / Re: [Kampagne] - Verbannung aus Miara [SPOILER!]
« Letzter Beitrag von Schattenklinge am 04 Apr 2024, 20:35:22 »
Vielen herzlichen Dank, das war eine Menge Arbeit und ich bin sicher, wir können ein Menge gute Anregungen finden!
Lustig ist, dass die Route (und Abenteuer-Schauplätze) deiner Gruppe sich teilweise mit der unserer überschneidet - aber natürlich diktiert die Geographie da einiges...
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Abenteuer und Kampagnen / [Kampagne] - Verbannung aus Miara [SPOILER!]
« Letzter Beitrag von Wandler am 04 Apr 2024, 18:21:29 »
@Schattenklinge, @Takur:
Hier ist die achtzehnteilige Kampagne "Verbannung aus Miari".
Die Kampagne hat kein abgeschlossenes Ende, sie wurde zugunsten neuerer Projekte aufgegeben.
Wie jede der Abenteuer und Kampagnen in meiner Gruppe ist sie auf die eigene Gruppe zugeschnitten und enthält damit auch spezifische Namen.
Es gibt SPOILER auch für Kanon-Abenteuer wie das eingebettete "Die Seidene Stadt".
Ich finde es anstrengend, die "Skizzen" anderer Spielleiter zu lesen, aber wenn Ihr wirklich mal drüber gehen wollt, um Inspirationen zu finden, gerne.
Rückfragen über PM, bitte.
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Fanprojekte / Re: Bilder mit KI generieren
« Letzter Beitrag von BoggyB am 04 Apr 2024, 12:02:15 »
Mit welchen Tools habt ihr da gearbeitet?

Ich benutze gerne verschiedene Versionen von Stable Diffusion XL auf der Seite Nightcafe Studio und manchmal leonardo.ai.

Wie sehen eure Erfahrungen mit Bildern zu Orten aus?

Meine Erfahrungen mit Orten, v.a. konkreten, sind auch nicht so gut. Generell macht es mir am meisten Spaß, Portraits zu generieren.
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Allgemeines / Re: EulenCon 2024 (ehem. HeinzCon) 04.05.-05.05.2024 in Köln
« Letzter Beitrag von Schattenklinge am 04 Apr 2024, 11:12:54 »
Der Lustige Glücksvarg
Ich bin zwar nicht bei der Con dabei, aber da unsere Runde in Takasadu spielt: FALLS du deine Takasadu-Szenarien als PDF o. ä. hättest, wäre es fantastisch, falls du sie nach der Con hier o. an passender Stelle posten würdest. ;D
Wir sind dankbar für jede Inspiration und Idee. :)
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Fanprojekte / Re: Bilder mit KI generieren
« Letzter Beitrag von Belfionn am 03 Apr 2024, 23:30:43 »
Ich finde es ja wirklich unfassbar schwierig, zu einer konkreten Beschreibung eines Ortes ein passendes Bild generieren zu lassen. Bei Lugiens Grab haben wir die Erfahrung schon gemacht, und weil ich Spaß daran hatte, habe ich jetzt mal versucht, Xertias Blut (Patalis und Elyrea S. 35) generieren zu lassen. Es wird folgendermaßen beschrieben: "Der beeindruckende Steintempel ragt mit seinen Türmen weit über die Steilklippe hinaus." Dabei hat sich wieder gezeigt, dass eine KI bei solchen Vorgaben doch noch Probleme hat (oder meine Prompts zu schlecht sind).

Ich habe ungefähr 20 Versuche gestartet, jeweils 4 Bilder erhalten. Und eigentlich keins erhalten, das komplett meinen Vorstellungen entspricht. Teile der Bilder sind oftmals passend, aber dann sind immer auch ungeeignete Elemente enthalten. Die folgenden Bilder gehen in eine akzeptable Richtung, wenngleich ich es nicht geschafft habe, das "über die Klippe herausragen" zu erreichen, ohne dass es selbst für Fantasymaßstäbe völlig unrealistisch aussah. Unpassend sind auch die Kreuze, die Bing gerne mal auf die Türme setzt, fehlende Türme, zu pompöse Bauwerke, die selbst die vermeintlich gewaltige Kathedrale in Beltin vor Neid erblassen lassen, dreibeinige Pilger, ...





Wie sehen eure Erfahrungen mit Bildern zu Orten aus?
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Allgemeines / Re: EulenCon 2024 (ehem. HeinzCon) 04.05.-05.05.2024 in Köln
« Letzter Beitrag von Loki am 03 Apr 2024, 19:56:06 »
Ich werde ebenfalls dabei sein und ein bisschen was leiten. :)

LG
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Ich bin dabei.

Neben dem Vorhaben, "endlich mal wieder nur Spieler zu sein" bringe ich auch ein, zwei kleine Takasadu-Szenarien mit.

Für den Fall, daß später noch Zeit und Bedarf an Spielrunden vorhanden sind...
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Kleines Update: die Softproofs sind kurz vor Ostern eingegangen, leider muss die Druckerei da nochmal ran, offenbar wurden irgendwo auf dem Weg ein paar Dinge verloren. Das haben wir aber bereits alles gemeldet und hoffen, dass die Fehler schnell korrigiert werden, damit endlich gedruckt werden kann.
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