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« am: 26 Jan 2015, 16:49:46 »
Komme jetzt auch endlich dazu, das Abenteuer zu lesen, und rezensiere dabei einfach mal Kapitel für Kapitel mit - bisher habe ich die Einleitung und den Arwingen-Teil gelesen.
Die Spielleitertipps eingangs halte ich im Großen und Ganzen hilfreich - für meinen Geschmack liegt hier das Gewicht zwar ein bisschen zu sehr auf Athmo-Spiel - so wird man im Abschnitt "Beschreiben und erleben lassen" eher zu einem Stil angehalten, den ich als etwas langatmig empfinde. Aber auch viele m.E. gute Ratschläge sind dabei, z.B. dass man als SL nicht zu sehr an seinen NSC hängen, nicht vor Klischees zurückschrecken und bereit zur Improvisation sein soll. Auch der Hinweis darauf, dass alle SC in der Regel Spotlight bekommen sollten, ist gerade für Anfänger-SL sicher sehr wichtig. Mir hätte so eine Einleitung als SL-Anfänger sicher geholfen.
Für die SL-Tipps am Anfang gibt es also eine 2.
Die Einführung in den Hintergrund ist sehr gelungen - kurz und prägnant werden sowohl der mythologische als auch der politische Hintergrund des Abenteuers erklärt,ohne, dass dabei Weltkenntnis vorausgesetzt wird (sogar, was es mit den Drachlingen auf sich hat, wird noch mal erwähnt). Auch die Abenteuerzusammenfassung ist ein kurzer, guter Überblick. "Auswahl der Abenteurer und Einstieg" finde ich dagegen in der Form etwas überflüssig: Mit konkreteren Aufhängern für Charaktere, die auch wirklich Verknüpfungen zum Abenteuer darstellen - also zur Seuche und den Krähen - wäre das cool gewesen, so ist das ganze ein bisschen beliebig.
Insgesamt eine 2+ für diesen Teil.
"Arwingen - Krähen im Wind" dürfte nach meinem bisherigen Eindruck der problematischste Teil des Abenteuers sein; hier tauchen m.E. ein paar ganz klassische Abenteuerdesign-Fehler auf, die das an sich einsteigerfreundlich daherkommende Abenteuer unter der Hand ziemlich vertrackt machen könnten, wenn es etwas anderes läuf als geplant.
Erst einmal ist da der Einstieg, der stark davon abhängt, dass die SC wirklich sofort und geschlossen auf einen doch sehr banalen Auftrag anspringen. Bei einer gut eingespielten Gruppe kann man sich halbwegs sicher sein, dass die schon wissen, dass sie jetzt halt mitmachen müssen, wenn sie ins Abenteuer wollen - gerade von Einsteigern darf man das aber nicht erwarten. Und während hier löblicherweise klar im Abenteuer steht, wozu die Szene gut sein soll, wird der SL keine Hilfestellung für den Fall gegeben, dass z.B. der Spieler eines Gelehrten sagt: "Nee, mein Ding ist es nicht, über Dächer zu klettern, und aufs Geld bin ich nicht so heiß, dass mich das Geschrei von einer fürstlichen Belohnung animieren würde."
Dann folgt noch die nicht geringe Aufgabe für die SL, eine spannede Verfolgungsjagd zu inszenieren, bei der die SC ihr (fliegendes!) Ziel nicht aus den Augen verlieren dürfen - auch das durchaus ein ordentliches Kunststück. Die vorgeschlagenen Szenen so zu verknüpfen, dass die geforderten Proben nicht beliebig wirken (obwohl sie es ja eigentlich sind, da die SC die Krähe nicht verlieren können), dürfte auch für einen erfahrenen SL ein kleines Kunststück sein.
Die Szene bei dem kranken Gnom erscheint mir dann wiederum ein wenig überflüssig, zumindest scheint sie den zuvor betriebenen Aufwand an Illusionismus, um die SC zu ihm zu bringen, nicht zu rechtfertigen. Etwas befremdlich ist hier auch, dass man zwar Proben würfeln kann, um etwas über die Krankheit in Erfahrung bringen, gleichzeitig aber ab zwei Erfolgsgraden wirklich etwas in Erfahrung bringt - und dann immer noch fast nichts. Warum nicht gleich die Schwierigkeit zwei höher Ansetzen? Hier ist leiser Frust vorprogrammiert, wenn der Spieler stolz einen EG vorweisen kann und die SL dann nur sagt: "Tja, vielleicht hat es mit Magie zu tun, vielleicht auch nicht. Du weißt es nicht."
Insgesamt wird die SL zu einer sehr geizigen Informationsvergabe angehalten, was ich gerade für ein Einsteigerabenteuer eher ungünstig finde - in meinen Augen ist das falsch verstandene Geradlinigkeit. Klar, der SL weiß immer genau, wann die SC welche Information bekommen sollen, damit sie einerseits im Abenteuer vorankommen und andererseits nicht zu große Teile überspringen. Die Kehrseite dieser Klarheit ist aber, dass man als SL ziemlich im Regen steht, wenn mal eine Information nicht bei den SC ankommt.
Das wird auch bei den Manövern deutlich, die der SL vorgeschlagen werden, um zu verhindern, dass die SC ernsthafte Informationen aus den Attentätern herausbekommen. Da habe ich mich die ganze Zeit gefragt: Was spricht eigentlich dagegen, dass die SC bereits jetzt einen Großteil der Abenteuerhintergründe in Erfahrung bringen? Der geplante restliche Abenteuerverlauf würde ja wahrscheinlich trotzdem noch funktionieren, nur der Stadtermittlungsteil könnte kürzer ausfallen oder wegfallen. Hier scheint die Annahme zugrundezuliegen, dass Abenteuer prinzipiell spannender seien, wenn die SC die Hintergrundinformationen nur Häppchenweise erhalten. Meiner Erfahrung nach ist das für die meisten Gruppen gar nicht so - im Gegenteil, je mehr Informationen über die Vorgänge die Spieler gleich zu Anfang sammeln, desto zielgerichteter und motivierter machen sie sich daran, das Problem zu lösen und dabei auch die letzten ein oder zwei fehlenden Info-Puzzlestücke aufzuspüren. Das Gefühl, "noch nicht genug zu wissen", kann dagegen zu mühsamem Herumstochern und Lähmung führen.
Das größte Problem in Sachen Informationsverteilung ist aber sicher der Flaschenhals, den der Brief in der Unterkunft der Attentäter darstellt. Wenn ich nichts übersehen habe, ist dieser Brief tatsächlich der einzige Hinweis, der zum Kloster und nach Sanasur führt; verpassen die SC ihn oder nehmen ihn nicht wichtig genug, stehen sie auf dem Schlauch und das Abenteuer ist vorbei. In solchen Fläschenhälsen recht sich dann die geizige Infopolitik doppelt und dreifach, weil es auch sonst keinen offensichtlichen Weg gibt, doch noch an die benötigten Infos zu kommen (etwa durch eine etwas schärfere Befragung eines gefangenen Oberattentäters - moralischer Konflikt, Ick hör dir trapsen ...).
Zum Spielen würde ich diesen Einleitungsteil massiv aufbohren: Die SC gehen mit dem Wissen um die Seuche ins Abenteuer; den tatsächlichen Zusammenhang zu den Krähen können sie durch gute Proben ermitteln, den Oberattentäter, wenn sie schlau vorgehen, gefangennehmen und befragen. Mit Jalander kommen sie evtl. überhaupt erst zusammen, indem sie ihn vor den Attentätern retten; und Jalander (der in dem Abenteuer "as written" ein bisschen zu inkompetent wirkt) wird schon eine sehr viel klarere These zu der Krankheit und den Krähen haben, und sie werden ihn wahrscheinlich erst kennenlernen, wenn sie durch irgendeine Fügung zur Stelle sind, um das Attentat gegen ihn zu verhindern (das ja auch in einer dunklen Gasse stattfinden kann).
Zum Abenteuerdesign würde ich sagen, dass es gerade für Einsteiger sehr viel besser gewesen wäre, hier nicht auf Geradlinigkeit zu setzen - also auf eine Kette von Ereignissen, bei der der SL im Regen steht, sobald es zu einer kleinen Abweichung kommt - sondern weiterhin auf die Transparenz, die die Einleitung hatte: Klarstellen, welche Infos die SC brauchen, um zum nächsten Kapitel zu kommen, und wo sie sie herbekommen können. Und dabei genug Redundanzen einbauen, damit die SC nicht zwangsläufig jeden Hinweis erwischen müssen, sondern auch die Hälfte übersehen dürfen.
Als Nachtrag auch noch ein Problem mit dem Kampf gegen die Attentäter: Auch hier wird man als SL nur darauf hingewiesen, dass der fordernd sein soll, aber die SC gewinnen sollen. Gerade bei einem recht tödlichen System wie SpliMo ist aber insbesondere mit Einsteiger-Spielern nicht klar, wie die SL so ein Ergebnis zuverlässig herbeiführen soll. Sinnvoll wäre es auch hier gewesen, darauf einzugehen, was passiert, wenn die SC fliehen müssen: Beispielsweise könnten die Attentäter dann Erfolg haben. Ein ermordeter Jalander wäre ja vielleicht durchaus ein noch stärkerer Anreiz, das Abenteuer zu Ende und die Schurken zur Strecke zu bringen. An solchen Punkten hilft es m.E. sehr, gerade Einsteiger-SL deutlich zu machen, dass so etwas durchaus passieren darf und das keine Katastrophe, sondern im Gegenteil vielleicht besonders spannend ist. Sonst verzweifeln die nämlich leicht und denken, das wäre jetzt der Super-GAU ...
Für diesen Teil gebe ich eine 4+ - an sich schön, aber für Einsteiger entgegen des äußeren Anscheins in meinen Augen nicht gut aufbereitet und für erfahrene SL, die nicht gerne Illusionismus betreiben, sehr nachbearbeitungsbedürftig.
Vom weiteren Überfliegen denke ich aber, dass die restlichen Teile die Note wieder rausreißen dürften ...