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« am: 09 Apr 2020, 13:26:25 »
Und hier der Hintergrund:
Meine Eltern sind Fernhändler aus Fulnia, die für ihren Patron in ganz Lorakis unterwegs waren. Als meine Mutter mit mir schwanger war, waren die beiden auf der Seidenstraße unterwegs, und so kam ich in einer der Herbergen auf diesem Mondpfad zur Welt. Vielleicht kann ich deshalb manchmal Dinge sehen, die anderen Leuten entgehen.
Schon wenige Tage später ging es weiter, jetzt mit mir im Gepäck – und so sollte es die nächsten Jahre weitergehen, immer auf dem Weg zum nächsten Geschäft. So wuchs ich unterwegs auf, sagte mein erstes Wort in Sarnburg, bekam meinen ersten Zahn in Farukan und machte meine ersten Schritte in Ioria. Fulnia, die Heimat meiner Eltern, bekam ich nur selten zu sehen, und meistens blieben wir nicht lange.
Trotzdem wurde ich „mertalisch“ erzogen, wenn man das so nennen kann. Meine Eltern sprachen miteinander mertalisch, meine Mutter zauberte auch in der Surmakar oder im Immersommerwald Gerichte aus der Heimat, und mein Vater machte mir durch sarkastische Bemerkungen über unsere Gastgeber die Vorzüge des mertalischen Weges klar. Und es war immer ein besonderes Fest, wenn wir zur Erneuerung der Bürgerbriefe nach Fulnia kamen.
Ich half meine Eltern schon von klein auf, wie sich das gehört. Tiere bepacken und führen, Ausrüstung reparieren, auf meine drei kleinen Geschwister aufpassen – es gab immer etwas zu tun. Es sah ganz so aus, als würde ich in die Fußstapfen meiner Eltern treten – von Stadt zu Stadt ziehen und Geschäfte machen, deren Profit unseren Patron noch reicher machen würde.
Aber als ich 19 war, hatte ein Kunde in Palitan ein Anliegen.
„Sagt mal, Ihr reist doch auf der Seidenstraße nach Dragorea. Wenn Ihr schon durch Sarnburg kommt, könnt Ihr da nicht einen Abstecher nach Südfang machen?“
Der Mann war Antiquar und hatte einige alte Bücher, die ein Gelehrter in Südfang unbedingt haben wollte. Er bot meinem Vater fünf Lunare dafür, diese alten Schwarten abzuliefern. Mein alter Herr nahm den Auftrag an und übertrug mir dann, die Bücher zuzustellen, er selbst musste ein wichtigeres Geschäft abschließen.
Der Gelehrte in Südfang freute sich sehr über seine Bücher und fragte mich dann, ob ich nicht ein Päckchen nach Nuum bringen könnte.
„Nuum? Die Stadt voller wandelnder Toter und irrer Nekromanten? Seid Ihr von Sinnen?“
„Wie wäre es mit zehn Lunaren für Eure Mühen?“
Und so hat das damals angefangen.
Ich habe nie erfahren, was in dem Paket war, aber der Nekromant in Nuum hatte einen Kollegen, der dringend einige Unterlagen zu einer Bank in Aurigion schicken musste. In der Bank in Aurigion lagen einige Urkunden, die schnell nach Ioria mussten.
Und so war ich im Geschäft.
Seit über zehn Jahren reise ich durch die Welt, immer von Absender zu Empfänger, und immer mit etwas in meiner Satteltasche (oder in meinem Wams eingenäht), was zu wertvoll, zu schwer oder zu wichtig für einen Botenvogel ist. Ich habe die seltsamsten Dinge zu den seltsamsten Leuten befördert. Ein Gnom aus Talaberis schickte einmal einige Zahnräder an einen Priester des Fatargon in Westergrom. Man verriet mir nicht, wofür der Priester sie brauchte, aber auf der Reise wurde ich viermal überfallen.
Ein anderes Mal heuerte mich ein Alchemist in einem ausgebrannten Labor in Baghatir an. Er wollte, dass ich einige Phiolen, auf denen ein Kältezauber lag, an die Gesellschaft für kreative Lösungen in Taupio zu liefern. Der Alchemist sah mich unter abgesengten Augenbrauen streng an und beschwor mich, die Phiolen, wenn der Inhalt doch auftauen sollte, bloß nicht starken Erschütterungen auszusetzen. Ich schaffte es, trotz Piraten und stürmischer See das Päckchen abzuliefern. In Taupio war man hocherfreut und zahlte mir sogar einen netten Bonus. Als ich kurz darauf in einer Schenke bei einem Glas Wein saß, erschütterte eine laute Explosion Taupio, und die Gesellschaft für kreative Lösungen brauchte ein neues Dach.
Meine Eltern haben inzwischen das Reisen aufgegeben und leiten das Kontor ihres Patrons in Fulnia. Ab und zu komme ich dort vorbei, und wenn ich so etwas wie eine Heimat habe, ist es das Haus an den Tausend Brücken. Ich bin dort nicht oft. Zum einen, weil ich meistens mit einem Auftrag unterwegs bin, zum anderen, weil mir meine Eltern jedesmal eine potentielle Ehefrau vorstellen und den Wunsch nach Enkelkindern äußern.
Ich sage dann immer, dass ich im Moment mit der Straße verheiratet bin und mir die Götter schon eine passende Ehefrau über den Weg schicken werden.
Jetzt hat man mir einen besonderen Auftrag angeboten. Dieser Nekromant aus Nuum möchte, dass ich eine versiegelte Tasche an einen „Studienfreund“ nach Esmoda überbringe. Er will nicht sagen, was in der Tasche ist, aber die Bezahlung ist außergewöhnlich gut. Es ist eine lange, gefährliche Reise über den Mondpfad und durch ein vom Bürgerkrieg zerrissenes Land. Ich könnte einige Begleiter gebrauchen.
Soweit der Hintergrund. Was sagt das Publikum?