1
Abenteuer und Kampagnen / Re: [Spielbericht] Abenteuerkampagne in Takasadu (Enthält Spoiler)
« am: 29 Aug 2025, 21:37:35 »
Die weiße Frau (Teil 2)
Atasato (Hao, Ren und Luo
Am nächsten Morgen wurden die Abenteurer von einem Bewaffneten im Auftrag von Watada Hideori aufgefordert, sofort zu ihm zu kommen. Der Wachmann brachte sie zu dem Gebäude, das Hideoris Büro beherbergte. Der Beamte wirkte sichtlich angespannt, als er die Abenteurer fragte, ob ihnen der Name Arashi Saito etwas sagte. Tatsächlich war dieser in den Aufzeichnungen Nobutaros als ein Beamter aufgetaucht, dessen Kooperation sich der Verstorbene versichert hatte. Der Mann war offenbar inzwischen als Laienpriester Myurikos tätig und ein Angehöriger eines angesehen und wohlhabenden, wenn auch nicht sehr mächtigen Adelshaus Atasatos gewesen. Wie Hideori eröffnete, war er das zweite Mordopfer des immer noch unbekannten Täters, denn sein Leichnam war in nahezu identischem Zustand gefunden worden, diesmal freilich in einer Gasse im Hafenviertel. Der Beamte war entschlossen, die Ermittlungen weiterzuführen. Hao und Ren beschlossen, sich die Leiche anzusehen, und die Unggoy-Priesterin schlug vor, zugleich in Nobutaros Unterlagen nachzuschauen, wie lange die Geschäftsbeziehung der beiden gedauert hatte. Mit einem Erlaubnisschreiben brachen die Abenteurer auf. Die Leichenhalle befand sich aufgrund der allgemeinen Scheu gegenüber dem „unsauberen Tod“ am Stadtrand. Hideori wollte die Familie Saitos benachrichtigen. Offenbar hatte die Kirche Anspruch auf den Toten angemeldet, um ihn umgehend zu beerdigen – dies verbot jegliche invasive Leichenuntersuchung.
Tatsächlich war die Vorgesetzte des Toten bereits bei der Leichenhalle und stritt sich mit den Wachleuten. Ren konnte die Situation entspannen und es der Priesterin ausreden, bei der Leichenuntersuchung zugegen zu sein. Es war aber klar, dass Schwester Hitori Vorbehalte gegenüber den Behörden wie den Abenteurern hegte. Die Leichenhalle machte einen einfachen Eindruck, sie war eng und mit wenig Sorgfalt konstruiert. Saito war in identischer Art und Weise wie Nobutaro ermordet und verstümmelt worden. Während Rens magische Untersuchung nichts erbrachte – wohl auch, weil man den Toten mit einem Konservierungszauber belegt hatte – bestätigte Haos Untersuchung, dass der Tathergang tatsächlich der gleiche war. Ein Schnitt mit einem sehr scharfen Gegenstand durch die Kehle hatte Saito getötet. Die Wunde war sehr tief, was für einige Kraft beim Täter oder der Täterin sprach. Kurz darauf war der Tote kastriert worden, auch ihm fehlten die Kleider. Hao und Ren kamen zur Ansicht, dass der Mord eher mittels einer scharfkantigen Garotte als durch eine Klinge verübt worden war. Unter den Fingernägeln des Toten fanden sich weder Stoff- noch Hautfetzen, obwohl zwei Nägel abgebrochen waren.
Der Fundort lag am Hafen. Die Leiche war von einigen betrunkenen Seeleuten gefunden und auf einem Karren zu den Behörden gebracht worden – was vermutlich alle möglichen Spuren vernichtet hatte. Ein kurzes Gespräch mit Schwester Hitori zeigte, dass sie große Stücke auf den Toten hielt und alle Fragen entschlossen abblockte, die sein Andenken in Zweifel ziehen könnten.
Dank einer ungefähren Beschreibung des Tatortes fanden die Abenteurer diesen nach einigem Suchen. Die Gegend wirkte wenig vertrauenerweckend, und man hatte nicht viel unternommen um die Blutspuren zu beseitigen. Die Seeleute hatten wie erwartet beim Abtransport der Leiche nahezu alle Spuren zerstört. Dennoch fanden die Helden eine weitere getrocknete weiße Chrysantheme. Da es sich um eine Herbstblume handelte, kam Hao auf die Idee, sich nach Blumenhändlern und Gewächshäusern umzuschauen. Ob der Täter dem Toten gefolgt oder ihm hier aufgelauert hatte, ließ sich nicht sagen – und es gab viele potentielle Verstecke. Luo fand zwar einige Krallenspuren, doch mochten die auch von einem vargischen Passanten stammen. Ren überprüfte den Tatort auf Magie und stellte in Spuren von Beherrschungs- und Heimlichkeitszaubern fest. Eine Suche nach Geistern erbrachte kein Ergebnis, und da Ren den Zauber aus Sorge vor einem jenseitigen Beschatter aufrechterhielt, konnte sie mit einiger Sicherheit sagen, dass sie zumindest nicht von einem Geist beobachtet wurden.
Die Abenteurer verbrachten die nächsten Stunden damit, herumzufragen. Sie fanden keine Tatzeugen. Saito schien relativ beliebt zu sein und war im Viertel oft unterwegs gewesen, um sich um die Armen zu kümmern. Er hatte jedoch in letzter Zeit Anzeichen von Verfolgungswahn gezeigt – was ihn mit Nobutaro und Ru verband und darauf hindeutete, dass der Täter seine Opfer eine Weile beschattete.
Hao und Ren begaben sich zum Anwesen des ersten Opfers, um in seinen Unterlagen nach Informationen über Saito zu suchen, während Luo im Hafenviertel blieb. Er hoffte, Genaueres über Saito zu erfahren, etwa ob es irgendwelche Gerüchte über den Laienpriester gab. Er hielt es für möglich, dass Saito auch in seiner Rolle als Wohltäter der Armen illegale Geschäfte getätigt hatte. Sowohl seine Recherchen als auch die seiner Kameradinnen deuteten aber darauf hin, dass Saito zwar bis vor fünf Jahren in seiner Eigenschaft als Zollbeamter in krumme Geschäfte verwickelt gewesen war, danach aber nicht mehr. Sein Ruf als Laienpriester war untadlig, und diese Zäsur war der Zeitpunkt gewesen, ab dem es seinem ehemaligen Komplizen Nobutaro geschäftlich schlechter ergangen war. Die Abenteurer mutmaßten, dass irgendein Ereignis die beiden entzweit und Saito angespornt hatte, Wiedergutmachung zu leisten. Er hatte im Hafenviertel als engagiert und fürsorglich gegolten. Niemand wusste etwas von Feinden, auch wenn die Stadtwache seine Tätigkeit mit gewisser Verachtung bedachte, weil er damit nur Taugenichtse und Gesindel anlocken würde. Hitori war offenbar seine unmittelbare Vorgesetzte als Priesterin. Da Luo seine Recherchen im Hafenviertel schnell abgeschlossen hatte, begann er nach Blumenhändlern herumzufragen und erfuhr, dass einige Tage vor dem ersten Mord drei seltene weiße Chrysanthemen aus einem Gewächshaus entwendet worden waren. Während die meisten dies für einen Streich oder eine fehlgeleitete romantische Geste hielten, waren sich die Abenteurer sicher, dass noch ein weiterer Name auf der Todesliste stand.
Am nächsten Morgen informierten die drei den Inspektor. Dieser klärte sie auf, dass niemals gegen Saito ermittelt worden war. Die Familie Arashi, war recht knapp mit Auskünften über ihr verblichenes Mitglied gewesen – offenbar hatte sie sich sowohl an seiner früheren Lebensführung wie seiner Rolle als Laienpriester gestört. Ren begleitete Hideori zu dem Laienorden. Die Magierin konnte Schwester Hitori überzeugen, den beiden Ermittlern Zugang zum Quartier des Toten zu geben, auch wenn die Priesterin reserviert blieb. Die Laienmitglieder lebten sehr einfach. Ren hatte schon größere Wandschränke gesehen als das Quartier Saitos. Leider stellte sie sich bei der Suche nach Informationen sehr ungeschickt an, so dass der Inspektor sie wegschickte. Er selber fand freilich auch nichts.
Hao und Luo wollten sich derweil im Vergnügungsviertel umhören, ob sich vor fünf Jahren etwas ereignet hatte, was das Motiv für die aktuelle Mordserie sein könnte. Allerdings stießen ihre Recherchen rasch auf Probleme. Sie wurden von drei tätowierten Schlägern eingekreist. Die Männer, die allem Anschein nach zu den „13 Blättern“ gehörten, traten sehr aggressiv auf. Zunächst richtete sich ihre Feindseligkeit auf Hao, die bereits bei ihren früheren Recherchen angeeckt war. Alle Argumente, dass ihre Auftreten eher zu Verdächtigungen gegen sie führen könnte, und dass die Morde schlecht fürs Geschäft seien, fruchteten nichts. Das ganze eskalierte schnell zu einem wütenden Handgemenge. Obwohl die drei geübte Fechter waren, siegten die Helden, wobei Hao sich zurückhielt, um ihrem Feind nur blaue Flecke und Platzwunden, jedoch keine echten Verletzungen zu verpassen. Luo war weniger zurückhalten und verwundete einen Feind schwer, den zweiten sandte er zweimal zu Boden. Schließlich ergriffen die drei die Flucht. Die Nachforschungen der Abenteurer kamen danach nicht mehr weiter. Stattdessen wurden die Abenteurer von Wachsoldaten aufgegriffen, die von der Auseinandersetzung alarmiert worden waren. Hao überzeugte die Wachen, die Abenteurer wieder laufen zu lassen, aber man wollte sie im Viertel nicht länger dulden.
Luo schlich dennoch verkleidet noch einmal ins Vergnügungsviertel, um Madame Jiao aufzusuchen und über die jüngsten Ereignisse zu informieren. Jiao erinnerte sich an Saito – was recht beeindruckend war, hatte sich der zum Laienpriester gewordene Beamte zuletzt vor fünf Jahren in seiner „sündhaften Phase“ blicken lassen. Sie deutete an – führte es aber nicht näher aus – dass er Nobutaros Geschmack geteilt hatte. Leider wusste sie nichts von einem Dritten im Bunde, der ein naheliegendes Ziel für die dritte Chrysantheme hätte sein können.
Als sich die Abenteurer am Abend trafen, unterbreitete Luo ihnen eine Theorie, die er sich zurechtgelegt hatte: Er vermutete, dass Nagato Saito und Nobutaro wegen eines Ereignisses vor fünf Jahren erpresst hatte. Sehr wahrscheinlich hatte Saito Gewissenbisse bekommen und versucht, durch seine Fürsorge für die Armen Buße zu tun, während Nobutaros wirtschaftliche Probleme mit den Schweigegeldzahlungen zusammenhingen. Dies würde auch erklären, warum Nagato so feindselig auf die Nachforschungen reagiert hatte – seine Männer mussten die Augen nach „Schnüfflern“ offengehalten haben. Dies würde nahelegen, dass Maeda Nagato der dritte war, dem die Rache des „Chrysanthemenmörders“ drohte. Vielleicht konnte man ihn ja observieren und so den Täter finden? Oder ihm Angst machen und zum Reden bringen? Allerdings war beides riskant und erforderte eine aufwändige Überwachung.
Die Abenteurer entschlossen sich, zuerst einmal weitere Nachforschungen anzustellen. Zuerst holten sie im Hafenviertel zusätzliche Informationen über Saito ein. Diese bestätigten, was sie vorher erfahren hatten: Bis zu seinem Gesinnungswandel hatte Saito dem Vernehmen nach mit den „13 Blättern“ Geschäfte gemacht, eventuell auch mit anderen Triaden. Er war im Menschenhandel involviert gewesen und hatte das auch persönlich ausgenutzt. Sein plötzlicher Gesinnungswandel hatte das Geschäft natürlich nicht wirklich nachhaltig geschädigt. Das Herumfragen nach einem besonderen Ergebnis vor fünf Jahren erwies sich als schwierig. Menschen waren immer mal verschwunden, gerade Flüchtlinge aus Zhoujiang, die es aufgrund der verschiedenen Krisen der letzten Jahrzehnte schon vor dem jüngst ausgebrochenen Bürgerkrieg gegeben hatte. Hao fragte mit Luos Unterstützung in der Exilgemeinde herum und tatsächlich erfuhren die beiden, dass vor etwa fünf Jahren eine Musikerin von einem Flüchtlingstransport verschwunden war. Eine der Mitreisenden erinnerte sich an ihre Gefährtin, deren Namen Hua gewesen war. Dies bedeutete „Blume“, und mochte eine Verbindung zu den an den Tatorten hinterlegten Chrysanthemen darstellen.
Ren forschte derweil noch einmal in Saitos Orden nach. Es kostete ihr einige Mühe, Schwester Hitori zu überzeugen, aber schließlich konnte sie diese und das knappe Dutzend Laienpriester und -priesterinnen befragen. Leider brachte dies keine neuen Erkenntnisse. Saito hatte nie über die Gründe gesprochen, aus denen er seine Beamtenstelle aufgegeben und sich der Armenfürsorge gewidmet hatte. Er hatte eher im Hafen gearbeitet, nur selten im Vergnügungsviertel. In seiner Angangszeit war er mehrmals durch Triadenschläger belästigt worden, die ihn aber irgendwann in Ruhe gelassen hatten. Kurz vor seinem Tod hatte er das Vergnügungsviertel doch noch einmal besucht. Es war möglich, dass er dabei Nagatos Lokal oder den Tatort des ersten Mordes besucht hatte.
Leider hatte keine der bisherigen Spuren klare Ergebnisse erbracht. Die Abenteurer beschlossen deshalb, sich aufzuteilen. Ren wollte nach Informationen zu Hua forschen. Vielleicht hatte sie ja Verwandte in der Stadt oder jemand war gekommen, sie zu suchen. Trotz einiger Mühe kam sie indes nicht weit. Sie hatte ein wenig mehr über die Musikerin erfahren – Hua hatte Laute und Flöte gespielt und gelegentlich auch gesungen. Niemand wusste von Verwandten, und es hatte sich auch niemand nach ihr erkundigt. Sie war seit fünf Jahren spurlos verschwunden.
Hao und Luo hatten sich entschlossen, Nagatos Lokal observieren. Natürlich mussten sie nach den letzten Erfahrungen vorsichtig sein. Luo gelang es, das Viertel auf Schleichpfaden zu betreten und ein gutes Versteck zu finden. Von dort beobachtete er das Lokal, das freilich tagsüber wenig Zeichen von Betriebsamkeit zeigte. Allerdings waren die Wachen drastisch verstärkt worden: mindestens vier gefährlich aussehende Schläger, die sporadisch auch Eintretende durchsuchten. Gegen Nachmittag wurden die Fensterläden geöffnet, Musik erklang und Gäste strömten in wachsender Zahl herbei.
Hao hatte sich in ein Eichhörnchen verwandelt und so wenig Probleme, näher heranzukommen. Geschickt kletterte sie die Wand des Gebäudes empor, sprang über Dachziegel und erreichte schließlich das Zimmer Nagatos. Wohl waren die Fensterläden geschlossen, aber sie konnte der Betreiber der Spielhölle im Zimmer ausmachen. Er wirkte nervös und schrieb irgendetwas, während er hin und wieder in eine allem Anschein nach leere Zimmerecke schaute. Die Unggoy-Priesterin passte einen günstigen Moment ab, als Nagato das Zimmer verließ, dann zwängte sie sich durch die Läden. Sie bemerkte, dass in der Ecke unter eine Bodendiele ein Versteck zu finden war, wollte aber nicht den Versuch wagen, es zu öffnen. So zog sie sich zurück, um später mit Luos Unterstützung zurückzukehren.
Die beiden Abenteurer warteten bis tief in die Nacht. In Maeda Nagatos Zimmer brannte sehr lange Licht, doch schließlich wanderte die Lampe weiter und verlosch, wahrscheinlich, weil er sich zur Ruhe begeben hatte. Sie warteten noch ein wenig, um Nagato Zeit zum Einschlafen zu geben. Dann verwandelte Hao sich selbst und Luo in Eichhörnchen und die beiden machten sich ans Werk. Zum Fenster zu kommen war kein Problem, und mit etwas Mühe konnten sie sich auch durch die Läden ins Zimmer zwängen. Die beiden öffneten das Geheimversteck – glücklicherweise war es nicht mit einer Falle gesichert. Darin lagen ein schwerer Beutel, ein zweiseitig gefärbter Mantel, ein gut gearbeitetes Wakizashi, einige Papiere und ein sorgfältig in Tuch eingeschlagenes Paket. Luo ließ sich von Hao zurückverwandeln und nahm die Gegenstände bis auf den Mantel an sich – nach den unschönen Erfahrungen mit Nagato fand er, dass ihnen eine Entschädigung zustand. Dann verschloss er das Versteck wieder gekonnt. Als die beiden sich auf den Rückweg machen wollten, meinte Luo, einen unterdruckten Schrei zu hören. Er war sich aber nicht sicher, von wo er kam. Da er in einem Haus mit zahlreichen Bewaffneten seine Neugierde lieber zügeln wollte, ging er der Sache nicht weiter nach. Die beiden konnten sich absetzen, ohne entdeckt zu werden.
Die Abenteurer eilten zu ihrem Gasthaus zurück, um sich mit Ren zu treffen. Neben der Klinge und 30 Lunaren hatten sie zwei falsche Pässe Nagatos erbeutet, leider aber keine Aufzeichnungen oder ein Tagebuch. Dafür war das Paket aufschlussreich, enthielt es doch sieben Jahre alte Papiere aus Inani, die auf eine Musikantin namens Ma Hua ausgestellt waren. Dazu fand sich ein zerrissenes, blutbeflecktes weißes Kleid. Damit sahen die Helden ihre Theorien bestätigt und wussten, wer das Opfer von vor fünf Jahren gewesen war. Sie überlegten, ob man nun den Inspektor hinzuziehen sollte, um Nagato festzunehmen und zu verhören. Zuvor wollten sie indes die Meinung ihrer ursprünglichen Auftraggeberin einholen.
Luo schlich sich am nächsten Morgen einmal mehr zum Seidenfalterpagode. Er merkte, dass im Viertel Nervosität herrschte und auch einzelne Bewaffnete unterwegs waren. Luo hatte schon einen Verdacht, woran das liegen könnte, und tatsächlich eröffnete ihm die Kurtisane, dass Maeda Nagato in der Nacht ermordet worden war. Wahrscheinlich war der Schrei den Luo gehört hatte von ihm gekommenMadame Jian war in höchster Sorge, dass der Tod des Triadenoffiziers einen Unterweltkrieg auslösen könnte. Sie hatte von Anfang an solche Verwicklungen gefürchtet. Sie bat die Abenteurer, dringend eine Nachricht zum Palast zu schaffen. Luo brachte diese zu seinen Begleitern. Man entschloss sich, dass Ren zum Palast eilen sollt., Hao und Luo würden den Inspektor informieren, um nach Möglichkeit einen öffentlichen Skandal zu verhindern.
Es gelang Ren, schnell zur Adressatin der Botschaft vorgelassen zu werden – niemand anders als Generalin Ranku Kane. Nach der ersten Überraschung schien diese nicht unglücklich über die Neuigkeiten. Binnen kurzem hatte sie eine Handvoll Schwertalben und gut 100 Soldaten mobilisiert und in Richtung des Vergnügungsviertels in Marsch gesetzt.
Hao und Luo trafen den Inspektor trotz der frühen Stunde zusammen mit seiner Sekretärin Ariko bereits im Büro an. Der Ermittler war sichtlich überrascht, alarmierte dann aber angesichts der Neuigkeiten die Stadtwache, da auch er Unruhen befürchtete. Begleitet von den beiden Abenteurern begab er sich zu Nagatos Lokal. Das Zusammentreffen mit dem Militär war angespannt, aber letztlich kooperierten beide Gruppen. Ein Teil der Soldaten schwärmte aus, um im Viertel Präsenz zu zeigen und Gewaltausbrüche zu unterdrücken, die anderen begleiteten die Stadtgardisten. Das Lokal war schnell gesichert. Ren und Hao waren dabei, als die Leiche Nagatos besichtigt wurde. Auch ihm war die Kehle durchgeschnitten worden, mit großer Kraft und vermutlich wieder mit einer Garotte. In jedes Auge hatte man ihm einen Lunar mit so großer Wucht gedrückt, so dass die Augäpfel zerstört worden waren. Zudem hatte man seine Zunge durch die durtrennte Kehle gezogen und abgeschnitten. Ren konnte schnell feststellen, dass einmal mehr Magie gewirkt worden war.
Luo befragte das Personal nd erfuhr, dass Nagato in letzter Zeit unter Anwandlungen von (offenkundig berechtigter) Paranoia gelitten hatte. Allerdings hatten seine Leute gedacht, das läge daran, dass die Abenteurer herumgeschnüffelt hatten. Ein Schläger namens Yan ließ sich das Bekenntnis entlocken, er könne mehr sagen, wollte aber nur gegen garantierte Straffreiheit reden. Da Luo ihn nicht mit einem falschen Versprechen hinters Licht führen konnte, ordnete Inspektor Hideori ein verschärftes Verhör an, sehr zum Widerwillen Haos. Nach einigen Schlägen und anderen „Ermutigungen“ gab der Mann schließlich nach. Er bestätigte, dass Saito und Nobutaro Geschäftspartner Nagatos im Menschenhandel gewesen waren. Sie hatten die „Vorteile“ des Geschäftes auch gerne ausgenutzt, um ihre Vorlieben zu befriedigen, die selbst im Vergnügungsviertel von Atasato nicht so einfach akzeptiert wurden. Dies war schließlich dramatisch eskaliert und es hatte eine Tote gegeben, die Yan im Sumpf begraben hatte. Nagato hatte seine Geschäftspartner anschließend erpresst.
Die Abenteurer beschlossen, die Leiche zu bergen. Obwohl sie zunächst in die Irre gingen und beinahe in einem Sumpfloch gelandet wären, fanden sie das Grab unter einem markanten Baum, als die Nacht sich bereits herabsenkte. Ren hatte vorsorglich Zauber gesprochen, die sie vor dem Nahen von Geistern warnten und ihr eine Verständigung mit diesen ermöglichten.
Schon nach kurzem Graben wurden die drei fündig. Der Leichnam von Ma Hua war im Sumpf erstaunlich gut erhalten geblieben. Er war praktisch nackt und wies Spuren schwerer Misshandlungen auf. Ihre Kehle war durchtrennt wurden und an einem Arm hing noch die Saite eines Musikinstruments, mit der sie gefesselt gewesen war. Eine Flöte lag neben der Leiche. Während die Abenteurer erschüttert auf ihren Fund starten, bemerkte Ren dank ihres Zaubers, dass sie nicht mehr allein waren. Lautlos näherte sich eine geisterhafte Gestalt. Ma Huas Geist bot einen grauenhaften Anblick – die Frau mit den langen fließenden schwarzen Haaren in dem zerrissenen weißen Gewand hatte tiefschwarze Augen und eine grässliche Halswunde. Von ihrem einem Arm hing die Saite, mit der sie gefesselt gewesen war – wahrscheinlich auch ihr Rachewerkzeug. Während Hao Mühe hatte, nicht zu fliehen, konnten Ren und Luo die Beherrschung waren.
Ren versprach dem Geist, ihren Körper angemessen beizusetzen, damit sie Frieden finden und in das Haus der Wiedergeburt zurückkehren könne. Mit einem Nicken gab der Geist seine Einwilligung. Es war ein herzzerreißender Anblick, wie der Schemen sich über seinen Körper beugte, die Flöte aufnahm und sie zu spielen versuchte. Das einzige Geräusch war ein Zischen wie Luft aus ihrer zerschnittenen Kehle. Schwarze Tränen rannen über das Gesicht des Geistes. Die Geisterfrau legte die Flöte zurück und entfernte sich. Die Abenteurer traten den Rückweg mit ihrer makabren Last an, wohlwissend, dass sie von dem Schemen noch ein Stück begleitet wurden.
Nach ihrer Rückkehr arrangierten sie eine angemessene, wenn auch unauffällige Beisetzung. Hao vernähte die Halswunde der Toten, sie erhielt ein neues Gewand und man legte ihr ihre Flöte sowie eine Laute, die Ren gekauft hatte, ins Grab.
In den kommenden Tagen blieb die Situation im Vergnügungsviertel angespannt. Es war offenkundig, dass Ranku Kane die Gelegenheit nutzte, um nach eigenen Vorstellungen für Ordnung zu sorgen – dies und ihre eigenmächtigen Revisionen unter den Beamten, bei denen sie etliche wegen Bestechlichkeit oder Nachlässigkeit maßregelte oder entließ, brachten ihr nicht nur Freunde ein. Der Fürst von Atasato schien allerdings nichts dagegen zu haben, dass die Handelsherren und ihre Handlanger unter Druck gerieten. Allerdings litt der Handel unter der harten Hand der Generalin. Viele begannen auf ihre baldige Abreise zu hoffen.
Atasato (Hao, Ren und Luo
Am nächsten Morgen wurden die Abenteurer von einem Bewaffneten im Auftrag von Watada Hideori aufgefordert, sofort zu ihm zu kommen. Der Wachmann brachte sie zu dem Gebäude, das Hideoris Büro beherbergte. Der Beamte wirkte sichtlich angespannt, als er die Abenteurer fragte, ob ihnen der Name Arashi Saito etwas sagte. Tatsächlich war dieser in den Aufzeichnungen Nobutaros als ein Beamter aufgetaucht, dessen Kooperation sich der Verstorbene versichert hatte. Der Mann war offenbar inzwischen als Laienpriester Myurikos tätig und ein Angehöriger eines angesehen und wohlhabenden, wenn auch nicht sehr mächtigen Adelshaus Atasatos gewesen. Wie Hideori eröffnete, war er das zweite Mordopfer des immer noch unbekannten Täters, denn sein Leichnam war in nahezu identischem Zustand gefunden worden, diesmal freilich in einer Gasse im Hafenviertel. Der Beamte war entschlossen, die Ermittlungen weiterzuführen. Hao und Ren beschlossen, sich die Leiche anzusehen, und die Unggoy-Priesterin schlug vor, zugleich in Nobutaros Unterlagen nachzuschauen, wie lange die Geschäftsbeziehung der beiden gedauert hatte. Mit einem Erlaubnisschreiben brachen die Abenteurer auf. Die Leichenhalle befand sich aufgrund der allgemeinen Scheu gegenüber dem „unsauberen Tod“ am Stadtrand. Hideori wollte die Familie Saitos benachrichtigen. Offenbar hatte die Kirche Anspruch auf den Toten angemeldet, um ihn umgehend zu beerdigen – dies verbot jegliche invasive Leichenuntersuchung.
Tatsächlich war die Vorgesetzte des Toten bereits bei der Leichenhalle und stritt sich mit den Wachleuten. Ren konnte die Situation entspannen und es der Priesterin ausreden, bei der Leichenuntersuchung zugegen zu sein. Es war aber klar, dass Schwester Hitori Vorbehalte gegenüber den Behörden wie den Abenteurern hegte. Die Leichenhalle machte einen einfachen Eindruck, sie war eng und mit wenig Sorgfalt konstruiert. Saito war in identischer Art und Weise wie Nobutaro ermordet und verstümmelt worden. Während Rens magische Untersuchung nichts erbrachte – wohl auch, weil man den Toten mit einem Konservierungszauber belegt hatte – bestätigte Haos Untersuchung, dass der Tathergang tatsächlich der gleiche war. Ein Schnitt mit einem sehr scharfen Gegenstand durch die Kehle hatte Saito getötet. Die Wunde war sehr tief, was für einige Kraft beim Täter oder der Täterin sprach. Kurz darauf war der Tote kastriert worden, auch ihm fehlten die Kleider. Hao und Ren kamen zur Ansicht, dass der Mord eher mittels einer scharfkantigen Garotte als durch eine Klinge verübt worden war. Unter den Fingernägeln des Toten fanden sich weder Stoff- noch Hautfetzen, obwohl zwei Nägel abgebrochen waren.
Der Fundort lag am Hafen. Die Leiche war von einigen betrunkenen Seeleuten gefunden und auf einem Karren zu den Behörden gebracht worden – was vermutlich alle möglichen Spuren vernichtet hatte. Ein kurzes Gespräch mit Schwester Hitori zeigte, dass sie große Stücke auf den Toten hielt und alle Fragen entschlossen abblockte, die sein Andenken in Zweifel ziehen könnten.
Dank einer ungefähren Beschreibung des Tatortes fanden die Abenteurer diesen nach einigem Suchen. Die Gegend wirkte wenig vertrauenerweckend, und man hatte nicht viel unternommen um die Blutspuren zu beseitigen. Die Seeleute hatten wie erwartet beim Abtransport der Leiche nahezu alle Spuren zerstört. Dennoch fanden die Helden eine weitere getrocknete weiße Chrysantheme. Da es sich um eine Herbstblume handelte, kam Hao auf die Idee, sich nach Blumenhändlern und Gewächshäusern umzuschauen. Ob der Täter dem Toten gefolgt oder ihm hier aufgelauert hatte, ließ sich nicht sagen – und es gab viele potentielle Verstecke. Luo fand zwar einige Krallenspuren, doch mochten die auch von einem vargischen Passanten stammen. Ren überprüfte den Tatort auf Magie und stellte in Spuren von Beherrschungs- und Heimlichkeitszaubern fest. Eine Suche nach Geistern erbrachte kein Ergebnis, und da Ren den Zauber aus Sorge vor einem jenseitigen Beschatter aufrechterhielt, konnte sie mit einiger Sicherheit sagen, dass sie zumindest nicht von einem Geist beobachtet wurden.
Die Abenteurer verbrachten die nächsten Stunden damit, herumzufragen. Sie fanden keine Tatzeugen. Saito schien relativ beliebt zu sein und war im Viertel oft unterwegs gewesen, um sich um die Armen zu kümmern. Er hatte jedoch in letzter Zeit Anzeichen von Verfolgungswahn gezeigt – was ihn mit Nobutaro und Ru verband und darauf hindeutete, dass der Täter seine Opfer eine Weile beschattete.
Hao und Ren begaben sich zum Anwesen des ersten Opfers, um in seinen Unterlagen nach Informationen über Saito zu suchen, während Luo im Hafenviertel blieb. Er hoffte, Genaueres über Saito zu erfahren, etwa ob es irgendwelche Gerüchte über den Laienpriester gab. Er hielt es für möglich, dass Saito auch in seiner Rolle als Wohltäter der Armen illegale Geschäfte getätigt hatte. Sowohl seine Recherchen als auch die seiner Kameradinnen deuteten aber darauf hin, dass Saito zwar bis vor fünf Jahren in seiner Eigenschaft als Zollbeamter in krumme Geschäfte verwickelt gewesen war, danach aber nicht mehr. Sein Ruf als Laienpriester war untadlig, und diese Zäsur war der Zeitpunkt gewesen, ab dem es seinem ehemaligen Komplizen Nobutaro geschäftlich schlechter ergangen war. Die Abenteurer mutmaßten, dass irgendein Ereignis die beiden entzweit und Saito angespornt hatte, Wiedergutmachung zu leisten. Er hatte im Hafenviertel als engagiert und fürsorglich gegolten. Niemand wusste etwas von Feinden, auch wenn die Stadtwache seine Tätigkeit mit gewisser Verachtung bedachte, weil er damit nur Taugenichtse und Gesindel anlocken würde. Hitori war offenbar seine unmittelbare Vorgesetzte als Priesterin. Da Luo seine Recherchen im Hafenviertel schnell abgeschlossen hatte, begann er nach Blumenhändlern herumzufragen und erfuhr, dass einige Tage vor dem ersten Mord drei seltene weiße Chrysanthemen aus einem Gewächshaus entwendet worden waren. Während die meisten dies für einen Streich oder eine fehlgeleitete romantische Geste hielten, waren sich die Abenteurer sicher, dass noch ein weiterer Name auf der Todesliste stand.
Am nächsten Morgen informierten die drei den Inspektor. Dieser klärte sie auf, dass niemals gegen Saito ermittelt worden war. Die Familie Arashi, war recht knapp mit Auskünften über ihr verblichenes Mitglied gewesen – offenbar hatte sie sich sowohl an seiner früheren Lebensführung wie seiner Rolle als Laienpriester gestört. Ren begleitete Hideori zu dem Laienorden. Die Magierin konnte Schwester Hitori überzeugen, den beiden Ermittlern Zugang zum Quartier des Toten zu geben, auch wenn die Priesterin reserviert blieb. Die Laienmitglieder lebten sehr einfach. Ren hatte schon größere Wandschränke gesehen als das Quartier Saitos. Leider stellte sie sich bei der Suche nach Informationen sehr ungeschickt an, so dass der Inspektor sie wegschickte. Er selber fand freilich auch nichts.
Hao und Luo wollten sich derweil im Vergnügungsviertel umhören, ob sich vor fünf Jahren etwas ereignet hatte, was das Motiv für die aktuelle Mordserie sein könnte. Allerdings stießen ihre Recherchen rasch auf Probleme. Sie wurden von drei tätowierten Schlägern eingekreist. Die Männer, die allem Anschein nach zu den „13 Blättern“ gehörten, traten sehr aggressiv auf. Zunächst richtete sich ihre Feindseligkeit auf Hao, die bereits bei ihren früheren Recherchen angeeckt war. Alle Argumente, dass ihre Auftreten eher zu Verdächtigungen gegen sie führen könnte, und dass die Morde schlecht fürs Geschäft seien, fruchteten nichts. Das ganze eskalierte schnell zu einem wütenden Handgemenge. Obwohl die drei geübte Fechter waren, siegten die Helden, wobei Hao sich zurückhielt, um ihrem Feind nur blaue Flecke und Platzwunden, jedoch keine echten Verletzungen zu verpassen. Luo war weniger zurückhalten und verwundete einen Feind schwer, den zweiten sandte er zweimal zu Boden. Schließlich ergriffen die drei die Flucht. Die Nachforschungen der Abenteurer kamen danach nicht mehr weiter. Stattdessen wurden die Abenteurer von Wachsoldaten aufgegriffen, die von der Auseinandersetzung alarmiert worden waren. Hao überzeugte die Wachen, die Abenteurer wieder laufen zu lassen, aber man wollte sie im Viertel nicht länger dulden.
Luo schlich dennoch verkleidet noch einmal ins Vergnügungsviertel, um Madame Jiao aufzusuchen und über die jüngsten Ereignisse zu informieren. Jiao erinnerte sich an Saito – was recht beeindruckend war, hatte sich der zum Laienpriester gewordene Beamte zuletzt vor fünf Jahren in seiner „sündhaften Phase“ blicken lassen. Sie deutete an – führte es aber nicht näher aus – dass er Nobutaros Geschmack geteilt hatte. Leider wusste sie nichts von einem Dritten im Bunde, der ein naheliegendes Ziel für die dritte Chrysantheme hätte sein können.
Als sich die Abenteurer am Abend trafen, unterbreitete Luo ihnen eine Theorie, die er sich zurechtgelegt hatte: Er vermutete, dass Nagato Saito und Nobutaro wegen eines Ereignisses vor fünf Jahren erpresst hatte. Sehr wahrscheinlich hatte Saito Gewissenbisse bekommen und versucht, durch seine Fürsorge für die Armen Buße zu tun, während Nobutaros wirtschaftliche Probleme mit den Schweigegeldzahlungen zusammenhingen. Dies würde auch erklären, warum Nagato so feindselig auf die Nachforschungen reagiert hatte – seine Männer mussten die Augen nach „Schnüfflern“ offengehalten haben. Dies würde nahelegen, dass Maeda Nagato der dritte war, dem die Rache des „Chrysanthemenmörders“ drohte. Vielleicht konnte man ihn ja observieren und so den Täter finden? Oder ihm Angst machen und zum Reden bringen? Allerdings war beides riskant und erforderte eine aufwändige Überwachung.
Die Abenteurer entschlossen sich, zuerst einmal weitere Nachforschungen anzustellen. Zuerst holten sie im Hafenviertel zusätzliche Informationen über Saito ein. Diese bestätigten, was sie vorher erfahren hatten: Bis zu seinem Gesinnungswandel hatte Saito dem Vernehmen nach mit den „13 Blättern“ Geschäfte gemacht, eventuell auch mit anderen Triaden. Er war im Menschenhandel involviert gewesen und hatte das auch persönlich ausgenutzt. Sein plötzlicher Gesinnungswandel hatte das Geschäft natürlich nicht wirklich nachhaltig geschädigt. Das Herumfragen nach einem besonderen Ergebnis vor fünf Jahren erwies sich als schwierig. Menschen waren immer mal verschwunden, gerade Flüchtlinge aus Zhoujiang, die es aufgrund der verschiedenen Krisen der letzten Jahrzehnte schon vor dem jüngst ausgebrochenen Bürgerkrieg gegeben hatte. Hao fragte mit Luos Unterstützung in der Exilgemeinde herum und tatsächlich erfuhren die beiden, dass vor etwa fünf Jahren eine Musikerin von einem Flüchtlingstransport verschwunden war. Eine der Mitreisenden erinnerte sich an ihre Gefährtin, deren Namen Hua gewesen war. Dies bedeutete „Blume“, und mochte eine Verbindung zu den an den Tatorten hinterlegten Chrysanthemen darstellen.
Ren forschte derweil noch einmal in Saitos Orden nach. Es kostete ihr einige Mühe, Schwester Hitori zu überzeugen, aber schließlich konnte sie diese und das knappe Dutzend Laienpriester und -priesterinnen befragen. Leider brachte dies keine neuen Erkenntnisse. Saito hatte nie über die Gründe gesprochen, aus denen er seine Beamtenstelle aufgegeben und sich der Armenfürsorge gewidmet hatte. Er hatte eher im Hafen gearbeitet, nur selten im Vergnügungsviertel. In seiner Angangszeit war er mehrmals durch Triadenschläger belästigt worden, die ihn aber irgendwann in Ruhe gelassen hatten. Kurz vor seinem Tod hatte er das Vergnügungsviertel doch noch einmal besucht. Es war möglich, dass er dabei Nagatos Lokal oder den Tatort des ersten Mordes besucht hatte.
Leider hatte keine der bisherigen Spuren klare Ergebnisse erbracht. Die Abenteurer beschlossen deshalb, sich aufzuteilen. Ren wollte nach Informationen zu Hua forschen. Vielleicht hatte sie ja Verwandte in der Stadt oder jemand war gekommen, sie zu suchen. Trotz einiger Mühe kam sie indes nicht weit. Sie hatte ein wenig mehr über die Musikerin erfahren – Hua hatte Laute und Flöte gespielt und gelegentlich auch gesungen. Niemand wusste von Verwandten, und es hatte sich auch niemand nach ihr erkundigt. Sie war seit fünf Jahren spurlos verschwunden.
Hao und Luo hatten sich entschlossen, Nagatos Lokal observieren. Natürlich mussten sie nach den letzten Erfahrungen vorsichtig sein. Luo gelang es, das Viertel auf Schleichpfaden zu betreten und ein gutes Versteck zu finden. Von dort beobachtete er das Lokal, das freilich tagsüber wenig Zeichen von Betriebsamkeit zeigte. Allerdings waren die Wachen drastisch verstärkt worden: mindestens vier gefährlich aussehende Schläger, die sporadisch auch Eintretende durchsuchten. Gegen Nachmittag wurden die Fensterläden geöffnet, Musik erklang und Gäste strömten in wachsender Zahl herbei.
Hao hatte sich in ein Eichhörnchen verwandelt und so wenig Probleme, näher heranzukommen. Geschickt kletterte sie die Wand des Gebäudes empor, sprang über Dachziegel und erreichte schließlich das Zimmer Nagatos. Wohl waren die Fensterläden geschlossen, aber sie konnte der Betreiber der Spielhölle im Zimmer ausmachen. Er wirkte nervös und schrieb irgendetwas, während er hin und wieder in eine allem Anschein nach leere Zimmerecke schaute. Die Unggoy-Priesterin passte einen günstigen Moment ab, als Nagato das Zimmer verließ, dann zwängte sie sich durch die Läden. Sie bemerkte, dass in der Ecke unter eine Bodendiele ein Versteck zu finden war, wollte aber nicht den Versuch wagen, es zu öffnen. So zog sie sich zurück, um später mit Luos Unterstützung zurückzukehren.
Die beiden Abenteurer warteten bis tief in die Nacht. In Maeda Nagatos Zimmer brannte sehr lange Licht, doch schließlich wanderte die Lampe weiter und verlosch, wahrscheinlich, weil er sich zur Ruhe begeben hatte. Sie warteten noch ein wenig, um Nagato Zeit zum Einschlafen zu geben. Dann verwandelte Hao sich selbst und Luo in Eichhörnchen und die beiden machten sich ans Werk. Zum Fenster zu kommen war kein Problem, und mit etwas Mühe konnten sie sich auch durch die Läden ins Zimmer zwängen. Die beiden öffneten das Geheimversteck – glücklicherweise war es nicht mit einer Falle gesichert. Darin lagen ein schwerer Beutel, ein zweiseitig gefärbter Mantel, ein gut gearbeitetes Wakizashi, einige Papiere und ein sorgfältig in Tuch eingeschlagenes Paket. Luo ließ sich von Hao zurückverwandeln und nahm die Gegenstände bis auf den Mantel an sich – nach den unschönen Erfahrungen mit Nagato fand er, dass ihnen eine Entschädigung zustand. Dann verschloss er das Versteck wieder gekonnt. Als die beiden sich auf den Rückweg machen wollten, meinte Luo, einen unterdruckten Schrei zu hören. Er war sich aber nicht sicher, von wo er kam. Da er in einem Haus mit zahlreichen Bewaffneten seine Neugierde lieber zügeln wollte, ging er der Sache nicht weiter nach. Die beiden konnten sich absetzen, ohne entdeckt zu werden.
Die Abenteurer eilten zu ihrem Gasthaus zurück, um sich mit Ren zu treffen. Neben der Klinge und 30 Lunaren hatten sie zwei falsche Pässe Nagatos erbeutet, leider aber keine Aufzeichnungen oder ein Tagebuch. Dafür war das Paket aufschlussreich, enthielt es doch sieben Jahre alte Papiere aus Inani, die auf eine Musikantin namens Ma Hua ausgestellt waren. Dazu fand sich ein zerrissenes, blutbeflecktes weißes Kleid. Damit sahen die Helden ihre Theorien bestätigt und wussten, wer das Opfer von vor fünf Jahren gewesen war. Sie überlegten, ob man nun den Inspektor hinzuziehen sollte, um Nagato festzunehmen und zu verhören. Zuvor wollten sie indes die Meinung ihrer ursprünglichen Auftraggeberin einholen.
Luo schlich sich am nächsten Morgen einmal mehr zum Seidenfalterpagode. Er merkte, dass im Viertel Nervosität herrschte und auch einzelne Bewaffnete unterwegs waren. Luo hatte schon einen Verdacht, woran das liegen könnte, und tatsächlich eröffnete ihm die Kurtisane, dass Maeda Nagato in der Nacht ermordet worden war. Wahrscheinlich war der Schrei den Luo gehört hatte von ihm gekommenMadame Jian war in höchster Sorge, dass der Tod des Triadenoffiziers einen Unterweltkrieg auslösen könnte. Sie hatte von Anfang an solche Verwicklungen gefürchtet. Sie bat die Abenteurer, dringend eine Nachricht zum Palast zu schaffen. Luo brachte diese zu seinen Begleitern. Man entschloss sich, dass Ren zum Palast eilen sollt., Hao und Luo würden den Inspektor informieren, um nach Möglichkeit einen öffentlichen Skandal zu verhindern.
Es gelang Ren, schnell zur Adressatin der Botschaft vorgelassen zu werden – niemand anders als Generalin Ranku Kane. Nach der ersten Überraschung schien diese nicht unglücklich über die Neuigkeiten. Binnen kurzem hatte sie eine Handvoll Schwertalben und gut 100 Soldaten mobilisiert und in Richtung des Vergnügungsviertels in Marsch gesetzt.
Hao und Luo trafen den Inspektor trotz der frühen Stunde zusammen mit seiner Sekretärin Ariko bereits im Büro an. Der Ermittler war sichtlich überrascht, alarmierte dann aber angesichts der Neuigkeiten die Stadtwache, da auch er Unruhen befürchtete. Begleitet von den beiden Abenteurern begab er sich zu Nagatos Lokal. Das Zusammentreffen mit dem Militär war angespannt, aber letztlich kooperierten beide Gruppen. Ein Teil der Soldaten schwärmte aus, um im Viertel Präsenz zu zeigen und Gewaltausbrüche zu unterdrücken, die anderen begleiteten die Stadtgardisten. Das Lokal war schnell gesichert. Ren und Hao waren dabei, als die Leiche Nagatos besichtigt wurde. Auch ihm war die Kehle durchgeschnitten worden, mit großer Kraft und vermutlich wieder mit einer Garotte. In jedes Auge hatte man ihm einen Lunar mit so großer Wucht gedrückt, so dass die Augäpfel zerstört worden waren. Zudem hatte man seine Zunge durch die durtrennte Kehle gezogen und abgeschnitten. Ren konnte schnell feststellen, dass einmal mehr Magie gewirkt worden war.
Luo befragte das Personal nd erfuhr, dass Nagato in letzter Zeit unter Anwandlungen von (offenkundig berechtigter) Paranoia gelitten hatte. Allerdings hatten seine Leute gedacht, das läge daran, dass die Abenteurer herumgeschnüffelt hatten. Ein Schläger namens Yan ließ sich das Bekenntnis entlocken, er könne mehr sagen, wollte aber nur gegen garantierte Straffreiheit reden. Da Luo ihn nicht mit einem falschen Versprechen hinters Licht führen konnte, ordnete Inspektor Hideori ein verschärftes Verhör an, sehr zum Widerwillen Haos. Nach einigen Schlägen und anderen „Ermutigungen“ gab der Mann schließlich nach. Er bestätigte, dass Saito und Nobutaro Geschäftspartner Nagatos im Menschenhandel gewesen waren. Sie hatten die „Vorteile“ des Geschäftes auch gerne ausgenutzt, um ihre Vorlieben zu befriedigen, die selbst im Vergnügungsviertel von Atasato nicht so einfach akzeptiert wurden. Dies war schließlich dramatisch eskaliert und es hatte eine Tote gegeben, die Yan im Sumpf begraben hatte. Nagato hatte seine Geschäftspartner anschließend erpresst.
Die Abenteurer beschlossen, die Leiche zu bergen. Obwohl sie zunächst in die Irre gingen und beinahe in einem Sumpfloch gelandet wären, fanden sie das Grab unter einem markanten Baum, als die Nacht sich bereits herabsenkte. Ren hatte vorsorglich Zauber gesprochen, die sie vor dem Nahen von Geistern warnten und ihr eine Verständigung mit diesen ermöglichten.
Schon nach kurzem Graben wurden die drei fündig. Der Leichnam von Ma Hua war im Sumpf erstaunlich gut erhalten geblieben. Er war praktisch nackt und wies Spuren schwerer Misshandlungen auf. Ihre Kehle war durchtrennt wurden und an einem Arm hing noch die Saite eines Musikinstruments, mit der sie gefesselt gewesen war. Eine Flöte lag neben der Leiche. Während die Abenteurer erschüttert auf ihren Fund starten, bemerkte Ren dank ihres Zaubers, dass sie nicht mehr allein waren. Lautlos näherte sich eine geisterhafte Gestalt. Ma Huas Geist bot einen grauenhaften Anblick – die Frau mit den langen fließenden schwarzen Haaren in dem zerrissenen weißen Gewand hatte tiefschwarze Augen und eine grässliche Halswunde. Von ihrem einem Arm hing die Saite, mit der sie gefesselt gewesen war – wahrscheinlich auch ihr Rachewerkzeug. Während Hao Mühe hatte, nicht zu fliehen, konnten Ren und Luo die Beherrschung waren.
Ren versprach dem Geist, ihren Körper angemessen beizusetzen, damit sie Frieden finden und in das Haus der Wiedergeburt zurückkehren könne. Mit einem Nicken gab der Geist seine Einwilligung. Es war ein herzzerreißender Anblick, wie der Schemen sich über seinen Körper beugte, die Flöte aufnahm und sie zu spielen versuchte. Das einzige Geräusch war ein Zischen wie Luft aus ihrer zerschnittenen Kehle. Schwarze Tränen rannen über das Gesicht des Geistes. Die Geisterfrau legte die Flöte zurück und entfernte sich. Die Abenteurer traten den Rückweg mit ihrer makabren Last an, wohlwissend, dass sie von dem Schemen noch ein Stück begleitet wurden.
Nach ihrer Rückkehr arrangierten sie eine angemessene, wenn auch unauffällige Beisetzung. Hao vernähte die Halswunde der Toten, sie erhielt ein neues Gewand und man legte ihr ihre Flöte sowie eine Laute, die Ren gekauft hatte, ins Grab.
In den kommenden Tagen blieb die Situation im Vergnügungsviertel angespannt. Es war offenkundig, dass Ranku Kane die Gelegenheit nutzte, um nach eigenen Vorstellungen für Ordnung zu sorgen – dies und ihre eigenmächtigen Revisionen unter den Beamten, bei denen sie etliche wegen Bestechlichkeit oder Nachlässigkeit maßregelte oder entließ, brachten ihr nicht nur Freunde ein. Der Fürst von Atasato schien allerdings nichts dagegen zu haben, dass die Handelsherren und ihre Handlanger unter Druck gerieten. Allerdings litt der Handel unter der harten Hand der Generalin. Viele begannen auf ihre baldige Abreise zu hoffen.