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Abenteuer und Kampagnen / Re: [Spielbericht] Abenteuerkampagne in Takasadu (Enthält Spoiler)
« am: 01 Mai 2025, 10:12:08 »
Die Roten Turbane
Atasato, Kintai (Hao, Ren und Luo)
Die Geschichte des roten Oni sorgte auch in den Folgewochen für Gesprächsstoff, zumal Benkei in der Stadt blieb. Luo, Takur und Akira trainierte hin und wieder mit ihm. Benkei war indes nicht der einzige Neuzugang in der Handelsmetropole, der Aufmerksamkeit erregte: die Anwesenheit von Prinzessin Hui Amui war nicht lange ein Geheimnis geblieben. Die verschiedenen Kintarai-Fraktionen waren sich anscheinend uneins, wie sie sich gegenüber Amui und bezüglich der Situation in Zhoujiang generell verhalten sollten. Gerüchtehalber gab es Gruppen, die für eine grundlegende Neuorientierung der Politik der Kintarai eintraten, dem aber andere Daimyos und Vertreter der fünf großen Clans entgegenstanden. Gerüchte, dass ein hochrangiges Mitglied der Unbesiegbaren Kaiserlichen Armee auf dem Weg in den Norden war, heizten die Spekulationen zusätzlich an. Dazu kam, dass in Atasato Vorbereitungen für die alle paar Jahre stattfindende Tributprozession der nördlichen Provinzen liefen, die legendäre „Seidene Stadt“, die von Atasato zur Hauptstadt Senrai ziehen würde. Wiewohl der Aufbruch noch einige Monate in der Zukunft lag, fanden sich bereits erste potentielle Teilnehmer aus Kintai, Zhoujiang und sogar Selenia ein, wurden Tributgeschenke vorbereitet und köchelten Rivalitäten. Dies beschäftigte besonders Akira, der sich natürlich für die Belange Klan Rankus interessierte, dem seine Familie zugeschworen war. Zudem nutzte er die Gelegenheit, Atasato zu erkunden und besuchte Orte wie den Tempel, wo die Gebeine der legendären 55 herrenlosen Klingen beigesetzt waren, die in der Stadt vor vielen Jahren ihren Herren gerächt hatten und dabei ehrenvoll gefallen waren oder ihren Bruch der kaiserlichen Gesetze mit Selbstmord gesühnt hatten.
Hao, Ren und Luo hatten vor allem Umgang mit der zahlenmäßig starken zhoujiangischen Gemeinde in der Stadt – die eher die Unterschicht ausmachte: Hafenarbeiter, Manufakturarbeiterinnen und billige Beschäftigte in den Amüsierbetrieben der Stadt.
Luo war in Sorge, dass Amuis öffentlich bekannte Gegenwart erneut Verfolger auf sie aufmerksam machen würde. Er hielt die Augen nach dem Nekromanten Kong auf, der den Helden bei der Anreise Schwierigkeiten gemacht hatte. Zumindest diese Sorge erwies sich als unnötig, denn kurz darauf erreichte die Abenteurer ein Paket mit einem Brief, einem zerbrochenen Magierstab und einem zerflederten Buch. Der Jadedrachen teilte mit, dass Kong kein Problem mehr sei. Trotzdem warnte er noch einmal, dass sich die Prinzessin sich mit Mächten einließe, die unberechenbar und unkontrollierbar waren. Amui nahm die Warnung nicht übermäßig gnädig auf. Hao gelang es mittels ihrer Magie den Stab – der aus Geisterholz bestand und zudem den Geist des Trägers stärkte – zu reparieren. Sie überließ ihn Ren. Die Magierin konnte einen fähigen Handwerker finden, der einen Teil des Artefakts in ein Rollsiegel umarbeitete.
Haos Magie half auch, das beschädigte Buch auszubessern. Gemeinsam mit Ren kontne sie das Kauderwelsch aus Textfragmenten sowie alchemischen und astronomischen Symbolen entziffern. Es handelte sich um ein Tagebuch Kongs. Kong erwähnte mehrfach seinen „Meister“, ohne ihn jedoch zu identifizieren. Er hatte vor dessen Fähigkeiten offenbar Respekt, weit weniger vor dem Varg Tang, der ihm in Palitan als Handlanger gedient hatte. Kong bezeichnete sein Rituale zur Aufstachelung der Geister im Sumpf der 32.000 Lichter als eine „Probe“. Außerdem hatte er in Palitan vergeblich den Friedhof der „gefallenen Invasoren“ gesucht. Vermutlich bezog sich dies auf die fast 500 Jahre zurückliegende, Besetzung Palitans durch die Kintarai. Kong hatte es als Zumutung empfunden, die falschen Jadedrachen zu befehligen, da er von der „Obsession“ seines Meisters betreffs des Jadedrachens nicht viel hielt. Die Jagd nach der Prinzessin hatte ihn mehr interessiert. Dabei ging es ihm weniger um Amui – von der er abfällig schrieb, er sei sich nicht sicher ob er seinem Meister oder General Wu (dem eine Affäre mit Amui nachgesagt wurde) ein „Spielzeug“ beschaffen sollte. Wichtiger waren für Kong die Siegel im Besitz der Prinzessin – wobei er das kaiserliche Siegel als zweitrangig betrachtete. Das zweite Artefakt interessierte ihn weit mehr, wobei er spekuliert hatte, ob sein Meister es für sich selbst oder für „jemand anderen“ wollte, und das es die Machtverhältnisse grundlegend ändern könnte.
Angesichts dieser Neuigkeit weihte Ren Hao darüber ein, dass sie während des Einbruchs in den kaiserlichen Palast in Palitan bemerkt hatte, hatte wie die Prinzessin heimlich etwas mitgenommen hatte. Hao hatte Bedenken, in der Sache nachzuhaken. Sie wollte ungern noch tiefer in die Politik hineingezogen werden. Dies war indes im Fall der ambitionierten Ren anders. Letztlich informierten die beiden Amui über den Inhalt des Tagebuches. Ren gelang es, die zunächst zurückhaltende Prinzessin davon zu überzeugen, ihnen mehr zu erzählen. Neben dem kaiserlichen Siegel – welches sie für die Verhandlungen mit den Triaden, den Kintarai und der designierten Fürstin Zo Zo benötigte – hatte Amui tatsächlich noch einen zweiten Gegenstand im Frühlingspalast gesucht. Dabei handelte es sich um das „Blutsiegel von Yu Yushi“. Es diente angeblich dazu, Pakte mit mächtigen jenseitigen Wesen zu schließen. Die Kaiserlichen hatten erfahren, dass jemand sich für das Siegel interessiere und wollten es in Sicherheit wissen. Wer das Siegel für sich begehrte, wusste auch Amui nicht – vielleicht der Geisterdrache? Sie machte sich Sorgen, dass die Aura des Siegels Verfolger anziehen könnte und hatte es deshalb inzwischen abgeschirmt. Ren und Hao versicherten Verschwiegenheit. Die Prinzessin erhielt zudem eine Abschrift des entschlüsselten Tagebuches.
Der gut vernetzte Luo hörte in den folgenden Tagen beunruhigende Geschichten aus Zhoujiang. So sollten die barbarischen Jogdaren in der Fangschreckenprovinz Überfälle durchgeführt haben, nachdem Wu sie in der Büffelprovinz zurückgeschlagen hatte. Manche behaupteten, die Kaiserlichen würden die Wilden mit Waffen versorgen. Der Usurpator heuerte zudem zusätzliche Truppen an. Er hatte wenig Erfolg in Kintai gehabt, weil etliche Daimyos die Anwerbungen verboten hatten. Dafür strömten Männer und Frauen aus Dalmarien, Jagodien und Farukan über die am Ufer des Riesengrabs gelegene Hafenstadt Taka ins Land. Zudem versuchte Wu angeblich, südlich der Mauerstraße Siedler aus dem Ausland wie aus dem Inland – darunter auch Kleinkriminelle, Missliebige und Arme –anzusiedeln. Vage Gerüchte sprachen von Kämpfen in der Prinzessin Yi gegenüber loyalen Phönix- und Tigerprovinz.
Luo hatte sich zugleich in der Stadt nach der Kobe umgehört, der die Abenteurer einige Monate zuvor in Palitan bei der Suche nach dem gestohlenen Mondstahl geholfen hatten. Es war nicht schwer, ihren Bekannten Ayanokoji zu finden. Die „Kobe des blauen Stahl“ (Busuruchiro) fertigte vor allem hochwertige Waffen. Die Abenteurer wurden freundlich begrüßt. Die Arbeit an dem Artefakt, für das der Mondstahl bestimmt gewesen war, war noch längst nicht abgeschlossen. Noch war man bei der Fertigstellung der Rohlinge, die dann vielfach gefältelt und geschmiedet werden würden, um am Ende eine Klinge von bemerkenswerter Qualität zu ergeben. Man hatte die Fertigung für den Fall weiterer Sabotageversuche in eine besonders sichere Schmiede nahe der Residenz des Fürsten von Atasato verlegt, doch die Sicherheitsmaßnahmen verzögerten den Fertigungsprozess.
Auch die anderen Schmieden Atasatos waren geschäftig. Kintai sorgte sich offenbar wegen der zunehmenden Piratenüberfälle auf dem Jadeband und hatte in Atasato mehrere mittelgroße Schiffe (Sekibunen) und ein schweres Kriegsschiff (eine Atakabune) in Auftrag gegeben, mit der Option auf weitere Baulose in der Zukunft.
Ayanokojis Kobe war allerdings in diese Rüstungsproduktion kaum eingebunden und bereit, den Abenteurern einen Preisnachlass für Arbeiten zu gewähren. Luo hatte von einem seltenen Ritual namens „Segnung des Relikts“ gehört, mit dem man hochwertige magische Gegenstände aufwerten konnte. Allerdings warnte er Ayanokoji vor der düsteren Vergangenheit seiner Waffe. Der Schmied bat die Abenteurer, Thaumarium zu beschaffen. Gegenwärtig war dieses magische Metall, das über das Palitaner Feentor nach Takasadu kam, in Atasato nur schwer zu haben. Letztlich fand Luo eine erfolgversprechende Spur: einen zwergischer Pfandleiher namens Wei Bu, mit Verbindungen zu der „Rote Karpfen“-Triade, der dem Vernehmen nach mit Diebesgut handelte (inklusive solchem, das noch gar nicht gestohlen war). Allerdings zog er angeblich bei Menschenhandel eine Grenze. Zusammen mit Hao suchte Luo die Pfandleihe im Hafenviertel auf. Es gelang den beiden, einen guten Preis auszuhandeln, auch weil Hao sich bereit erklärte, für einige der in Atasato lebenden Emigranten eine Unggoy-Andacht abzuhalten. Viele der Exilanten vermissten die religiöse Fürsorge aus der Heimat. Auch wenn in Kintai die Tiergeist-Anhänger nicht aktiv verfolgt wurden, gab es wenige Schreine oder Priester.
Die Zeremonie in einem halbleeren Lagerschuppen war mit 80 bis 100 Personen stark besucht. Haos Predigt, die den Gläubigen Mut und Zuversicht vermitteln sollte, kam gut an und brachte ihr Einladungen von mehreren Familien. Sie sollte Kinder segnen, eine Hochzeitszeremonie abzuhalten und ähnliches mehr.
Das erworbene Thaumarium ermöglichte es, Luos Klinge zu bearbeiten, wobei ihn der Schmied warnte, dass in der Waffe dunkle Magie schlummerte. Ayanokoji nahm an, dass dabei finstere Rituale und Blutopfer eine Rolle gespielt hatten. Es gäbe Möglichkeiten, die Waffe zu reinigen, doch würde sie dabei einen Teil ihrer Macht verlieren. Luo war sich unsicher, wie er verfahren sollte. Einerseits beunruhigte ihn das Vermächtnis der Klinge, andererseits war es ihre besondere Herkunft gewesen, die es etwa ermöglicht hatte, das mächtige Feenwesen Sho zurückzuschlagen…
Hao war in den folgenden Tagen mit religiösen Verpflichtungen eingebunden, bemerkte allerdings bei einem ihrer Gänge, dass sie beschattet wurde. Sie schaffte es, den Verfolger zu stellen: Es handelte sich dabei um niemand anderen als Xiao Houzi, den mysteriösen Unggoy-Priester, dem die Gruppe einige Monate zuvor begegnet war. Der Priester warnte seine Glaubensgenossin, dass sie und ihre Gefährten sich Feinde gemacht hatten (oder noch machen würden?), darunter auch solche, die nicht sterblich seien. Noch wären diese mit anderen Plänen befasst, doch müsse dies nicht auf Dauer so bleiben. Zudem befragte er die Priesterin nach ihren eigenen Plänen. Sei der Weg für sie das Ziel - oder entscheide das Ziel über den Weg? Hao war sich nicht sicher, ob sie ihn richtig verstand, meinte aber, dass sich irgendwann niederlassen und eine Familie gründen wollte. Mit einigen kryptischen Abschiedsworten entfernte sich der andere Affenpriester. Eine der Haarsträhnen Haos, die der Priester berührt hatte, färbte sich in den Folgetagen golden – ein Zeichen, dass Haos Gott sie im Auge behielt, eine Warnung oder ein gutes Omen?
Die Priesterin gab die Warnung an ihre Kameraden weiter, verbunden mit dem Ratschlag, die Gruppe solle sich künftig vielleicht nicht mehr Hals über Kopf in jedes Abenteuer stürzen.
Indes sollte den Abenteurern keine lange Ruhe beschienen sein, denn wenige Tage darauf wurde Luo in einer abgelegenen Gasse aus dem Hinterhalt von einer Gestalt angegriffen, die ihr Gesicht hinter einem roten Schal verborgen hielt. Der Angreifer führte seine Naginata mit einigem Geschick, und Luo konnte sich mit Mühe behaupten. Der Unbekannte, dessen Proportionen und Stimme sehr…fremdartig erschienen, forderte Luos Klinge – zweifellos dessen magisches Schwert. Als Luo ihm einen heftigen Hieb versetzte, verfiel der Fremde in Raserei und fluchte, das „vierarmige Scheusal“ werde Luo die Seele herausreißen. Ein tödlicher Klingenwirbel Luos kostete den Angreifer schließlich das Leben. Als Luo die Leiche durchsuchte, stellte er fest, dass die Gesichtszüge und die Katzenaugen des Fremden auf eine nicht sterbliche Herkunft hindeuteten. Bei sich hatte der Tote eine Schriftrolle aus einer Art Pergament, auf der Ren, Luo, dessen Klinge und (weniger gekonnt) auch Akira abgebildet waren. Luo nahm Waffe, Geld und Schriftstück an sich und suchte das Weite. Seine Kameraden verarzteten den Verwundeten, und konnten den Angreifer nach seiner Beschreibung als „Roten Turban“ identifizieren. Diese Feenwesen (in Dragorea als „Rotkappen“ bekannt) galten als grausam und gewalttätig. Sie färbten die Masken und Schals, die sie um den Kopf trugen, regelmäßig mit dem Blut ihrer Opfer und dienten mitunter mächtigeren Feenwesen als Söldner und Soldaten. Eingedenk der Worte des Toten vermuteten die Abenteurer, dass Sho hinter der Sache steckte. Das Feenwesen hatte vier Arme gehabt, und Luos Klinge hatte ihn bei dem Zusammentreffen nahe der Seidenstraße spürbar verletzt. Luo hatte bereits während des Feenmarktes anlässlich der Palitaner Winterspiele den Verdacht gehabt, verfolgt zu werden – doch es war beunruhigend, dass ihnen die Feenwesen über mehr als 100 Kilometer gefolgt waren.
Luo stellte umgehend Nachforschungen an und erfuhr, dass offenbar zwei bis drei Bewaffnete, auf die die Beschreibung seines Gegners passten, in den letzten Tagen verschiedene Tavernen und Gasthäuser abgeklappert hatten. Der Tote war also wohl Teil einer feeischen Kopfgeldjägertruppe. Der Fund der Leiche des Roten Turbans sorgte für einige Gerüchte, doch alles in allem nahm man die Sache in Atasato nicht so ernst.
Luo gelang es, sich wenige Tage darauf an die Fersen von zwei Roten Turbane zu heften, die nach den Abenteurern suchten. Er folgte ihnen durch die einbrechende Dunkelheit bis zu ihrem Versteck in einer Grube, in der Gerber und Fleischer ihre Abfälle entsorgten. Dann zog er sich zurück und benachrichtigte seine Kameradinnen.
Geführt von Luo näherten sich die Abenteurer dem Versteck der Roten Turbane. In dieser Gegend, geprägt durch den Gestank von Abfall und Verwesung, den nahen Seifensiedereien und Gerbereien, waren in der Dämmerung kaum Passanten unterwegs. In die Abfallgrube, in der die Feenwesen ihren Unterschlupf gefunden hatten, gab es nur einen schmalen Pfad. Es gelang Hao, Luo und Ren, sich unbemerkt zu nähern. Ein kleines Feuer und der Gestank von verbranntem Fett und Knochen wiesen ihnen den Weg. Sie bereiten sich auf den Angriff vor – doch sollte ihnen die erhoffte Überraschung nicht glücken. Mit einmal gellte ein schrilles Kreischen durch die Dämmerung und riss die beiden Roten Turbane hoch. Die Abenteurer griffen sofort an. Der Kampf war kurz, aber erbittert. Luo, der seinen Mitstreiterinnen vorausgeeilt war, konnte schwere Treffer austeilen, ging aber infolge eines Fehltritts zu Boden. Nur das Eingreifen Haos, die ihren Kampfstab mit großem Geschick führte, und seine Fähigkeiten als Splitterträger verhinderte das Schlimmste. Unterstützt durch die Zauber Rens gelang es, beide Roten Turbane tödlich zu treffen – den letzten spießte der am Boden liegende Luo förmlich auf.
Eine Untersuchung des Lagers ergab wenig Aufschlussreiches. Der Alarm war offenbar durch einen Strukturgeber ausgelöst worden: ein makabres Artefakt, aus dem Schädel eines Orks. Hao behielt diese Beute, die künftig noch einmal nützlich sein mochte. Luo versuchte die beiden Leichname im Abfall zu verbergen, um kein Aufsehen zu erregen.
Die Feenwesen waren mit leichtem Gepäck gereist. Es fand sich nur ein wenig Geld und die Waffen der Toten, dazu Fleisch zweifelhafter Herkunft. Ren hatte einen sehr unerfreulichen Verdacht, und nahm es lieber an sich. Tatsächlich stellte sich später heraus, dass die Roten Turbane es aus einem von ihnen ermordeten Kastenlosen geschnitten hatten, einem Abdecker namens Tao. Die Magierin sorgte für eine angemessene Beisetzung und gab der Familie die Hälfte ihres Beuteanteils. Sie fühlte sich mitverantwortlich, hatte doch die Jagd nach Luos Schwert und Shos Wunsch nach Rache die Roten Turbane nach Atasato geführt. Das Schwert Vipernzahn schien Unheil anzuziehen: Wie Luo von Ayanokoji erfuhr, hatte es bei der Arbeit an der Klinge einen Verletzten gegeben. Der Schmied war sich nicht sicher, ob das an der Unachtsamkeit seines Lehrlings oder an der Klinge lag.
Die Abenteurer hofften, fürs erste alle Verfolger los zu sein, obwohl Hao orakelte, das nächste Mal würde der Feind wohl gefährlichere Gegner entsenden.
Bald schon gab es aber andere Themen, die um Aufmerksamkeit heischten: Das angekündigte hochrangige Mitglied des Unbesiegbaren Kaiserlichen Heeres war in Atasato eingetroffen. Die Abenteurer kannten Generalin Ranku Kane, die „Protektorin der östlichen Grenzlande“ und „Schwert des Göttlichen Kranichs“, von einem früheren Abenteuer in Kintai. Luo hörte in den Schenken und auf den Märkten, dass sie möglicherweise hier sei, um sich mit dem Fürsten der Stadt zu treffen, aber auch mit Prinzessin Hui Amui und den de facto die Stadt regierenden Handelsherren. Vor allem schien sie auch damit beschäftigt, die hiesigen Streitkräfte und die Werften zu inspizieren. Einige meinten, ihre Ankunft sei ein Zeichen für eine aktivere Außenpolitik des Kaiserreiches und sie sei hier wegen Verhandlungen mit oder Forderungen an die Triaden. Und dann gab es jene, die unterstellten, sie sei nur deshalb in Atasato, weil die berühmte Palitaner Kurtisane Madame Jiao in der Stadt weilte. Luo wusste, dass Kane Frauen zugeneigt war – hatte er doch verhindert, dass sich eine Spionin in der Verkleidung einer Tänzerin bei der Generalin eingeschlichen hatte. Aber er ging davon aus, dass die Kriegsherrin nicht (nur) zum Vergnügen in den Norden gekommen war. Bei Hao löste die Ankunft der Generalin fast einen Fluchtreflex aus. Sie scheute politische Intrigen und argwöhnte, die Gegenwart von Prinzessin Amui und einer Kintarai-Generalin würde die Abenteurer wieder in den Treibsand der Politik hineinziehen. Hao ließ sich aber von Ren (die ihrerseits darauf aus war, sich Hals über Kopf in eventuelle Intrigen zu stürzen) überreden, noch eine Weile zu bleiben. Ren und Luo wollten die Prinzessin keinesfalls im Stich lassen. Zudem hofften sie, ihr vielleicht helfen zu können.
Atasato, Kintai (Hao, Ren und Luo)
Die Geschichte des roten Oni sorgte auch in den Folgewochen für Gesprächsstoff, zumal Benkei in der Stadt blieb. Luo, Takur und Akira trainierte hin und wieder mit ihm. Benkei war indes nicht der einzige Neuzugang in der Handelsmetropole, der Aufmerksamkeit erregte: die Anwesenheit von Prinzessin Hui Amui war nicht lange ein Geheimnis geblieben. Die verschiedenen Kintarai-Fraktionen waren sich anscheinend uneins, wie sie sich gegenüber Amui und bezüglich der Situation in Zhoujiang generell verhalten sollten. Gerüchtehalber gab es Gruppen, die für eine grundlegende Neuorientierung der Politik der Kintarai eintraten, dem aber andere Daimyos und Vertreter der fünf großen Clans entgegenstanden. Gerüchte, dass ein hochrangiges Mitglied der Unbesiegbaren Kaiserlichen Armee auf dem Weg in den Norden war, heizten die Spekulationen zusätzlich an. Dazu kam, dass in Atasato Vorbereitungen für die alle paar Jahre stattfindende Tributprozession der nördlichen Provinzen liefen, die legendäre „Seidene Stadt“, die von Atasato zur Hauptstadt Senrai ziehen würde. Wiewohl der Aufbruch noch einige Monate in der Zukunft lag, fanden sich bereits erste potentielle Teilnehmer aus Kintai, Zhoujiang und sogar Selenia ein, wurden Tributgeschenke vorbereitet und köchelten Rivalitäten. Dies beschäftigte besonders Akira, der sich natürlich für die Belange Klan Rankus interessierte, dem seine Familie zugeschworen war. Zudem nutzte er die Gelegenheit, Atasato zu erkunden und besuchte Orte wie den Tempel, wo die Gebeine der legendären 55 herrenlosen Klingen beigesetzt waren, die in der Stadt vor vielen Jahren ihren Herren gerächt hatten und dabei ehrenvoll gefallen waren oder ihren Bruch der kaiserlichen Gesetze mit Selbstmord gesühnt hatten.
Hao, Ren und Luo hatten vor allem Umgang mit der zahlenmäßig starken zhoujiangischen Gemeinde in der Stadt – die eher die Unterschicht ausmachte: Hafenarbeiter, Manufakturarbeiterinnen und billige Beschäftigte in den Amüsierbetrieben der Stadt.
Luo war in Sorge, dass Amuis öffentlich bekannte Gegenwart erneut Verfolger auf sie aufmerksam machen würde. Er hielt die Augen nach dem Nekromanten Kong auf, der den Helden bei der Anreise Schwierigkeiten gemacht hatte. Zumindest diese Sorge erwies sich als unnötig, denn kurz darauf erreichte die Abenteurer ein Paket mit einem Brief, einem zerbrochenen Magierstab und einem zerflederten Buch. Der Jadedrachen teilte mit, dass Kong kein Problem mehr sei. Trotzdem warnte er noch einmal, dass sich die Prinzessin sich mit Mächten einließe, die unberechenbar und unkontrollierbar waren. Amui nahm die Warnung nicht übermäßig gnädig auf. Hao gelang es mittels ihrer Magie den Stab – der aus Geisterholz bestand und zudem den Geist des Trägers stärkte – zu reparieren. Sie überließ ihn Ren. Die Magierin konnte einen fähigen Handwerker finden, der einen Teil des Artefakts in ein Rollsiegel umarbeitete.
Haos Magie half auch, das beschädigte Buch auszubessern. Gemeinsam mit Ren kontne sie das Kauderwelsch aus Textfragmenten sowie alchemischen und astronomischen Symbolen entziffern. Es handelte sich um ein Tagebuch Kongs. Kong erwähnte mehrfach seinen „Meister“, ohne ihn jedoch zu identifizieren. Er hatte vor dessen Fähigkeiten offenbar Respekt, weit weniger vor dem Varg Tang, der ihm in Palitan als Handlanger gedient hatte. Kong bezeichnete sein Rituale zur Aufstachelung der Geister im Sumpf der 32.000 Lichter als eine „Probe“. Außerdem hatte er in Palitan vergeblich den Friedhof der „gefallenen Invasoren“ gesucht. Vermutlich bezog sich dies auf die fast 500 Jahre zurückliegende, Besetzung Palitans durch die Kintarai. Kong hatte es als Zumutung empfunden, die falschen Jadedrachen zu befehligen, da er von der „Obsession“ seines Meisters betreffs des Jadedrachens nicht viel hielt. Die Jagd nach der Prinzessin hatte ihn mehr interessiert. Dabei ging es ihm weniger um Amui – von der er abfällig schrieb, er sei sich nicht sicher ob er seinem Meister oder General Wu (dem eine Affäre mit Amui nachgesagt wurde) ein „Spielzeug“ beschaffen sollte. Wichtiger waren für Kong die Siegel im Besitz der Prinzessin – wobei er das kaiserliche Siegel als zweitrangig betrachtete. Das zweite Artefakt interessierte ihn weit mehr, wobei er spekuliert hatte, ob sein Meister es für sich selbst oder für „jemand anderen“ wollte, und das es die Machtverhältnisse grundlegend ändern könnte.
Angesichts dieser Neuigkeit weihte Ren Hao darüber ein, dass sie während des Einbruchs in den kaiserlichen Palast in Palitan bemerkt hatte, hatte wie die Prinzessin heimlich etwas mitgenommen hatte. Hao hatte Bedenken, in der Sache nachzuhaken. Sie wollte ungern noch tiefer in die Politik hineingezogen werden. Dies war indes im Fall der ambitionierten Ren anders. Letztlich informierten die beiden Amui über den Inhalt des Tagebuches. Ren gelang es, die zunächst zurückhaltende Prinzessin davon zu überzeugen, ihnen mehr zu erzählen. Neben dem kaiserlichen Siegel – welches sie für die Verhandlungen mit den Triaden, den Kintarai und der designierten Fürstin Zo Zo benötigte – hatte Amui tatsächlich noch einen zweiten Gegenstand im Frühlingspalast gesucht. Dabei handelte es sich um das „Blutsiegel von Yu Yushi“. Es diente angeblich dazu, Pakte mit mächtigen jenseitigen Wesen zu schließen. Die Kaiserlichen hatten erfahren, dass jemand sich für das Siegel interessiere und wollten es in Sicherheit wissen. Wer das Siegel für sich begehrte, wusste auch Amui nicht – vielleicht der Geisterdrache? Sie machte sich Sorgen, dass die Aura des Siegels Verfolger anziehen könnte und hatte es deshalb inzwischen abgeschirmt. Ren und Hao versicherten Verschwiegenheit. Die Prinzessin erhielt zudem eine Abschrift des entschlüsselten Tagebuches.
Der gut vernetzte Luo hörte in den folgenden Tagen beunruhigende Geschichten aus Zhoujiang. So sollten die barbarischen Jogdaren in der Fangschreckenprovinz Überfälle durchgeführt haben, nachdem Wu sie in der Büffelprovinz zurückgeschlagen hatte. Manche behaupteten, die Kaiserlichen würden die Wilden mit Waffen versorgen. Der Usurpator heuerte zudem zusätzliche Truppen an. Er hatte wenig Erfolg in Kintai gehabt, weil etliche Daimyos die Anwerbungen verboten hatten. Dafür strömten Männer und Frauen aus Dalmarien, Jagodien und Farukan über die am Ufer des Riesengrabs gelegene Hafenstadt Taka ins Land. Zudem versuchte Wu angeblich, südlich der Mauerstraße Siedler aus dem Ausland wie aus dem Inland – darunter auch Kleinkriminelle, Missliebige und Arme –anzusiedeln. Vage Gerüchte sprachen von Kämpfen in der Prinzessin Yi gegenüber loyalen Phönix- und Tigerprovinz.
Luo hatte sich zugleich in der Stadt nach der Kobe umgehört, der die Abenteurer einige Monate zuvor in Palitan bei der Suche nach dem gestohlenen Mondstahl geholfen hatten. Es war nicht schwer, ihren Bekannten Ayanokoji zu finden. Die „Kobe des blauen Stahl“ (Busuruchiro) fertigte vor allem hochwertige Waffen. Die Abenteurer wurden freundlich begrüßt. Die Arbeit an dem Artefakt, für das der Mondstahl bestimmt gewesen war, war noch längst nicht abgeschlossen. Noch war man bei der Fertigstellung der Rohlinge, die dann vielfach gefältelt und geschmiedet werden würden, um am Ende eine Klinge von bemerkenswerter Qualität zu ergeben. Man hatte die Fertigung für den Fall weiterer Sabotageversuche in eine besonders sichere Schmiede nahe der Residenz des Fürsten von Atasato verlegt, doch die Sicherheitsmaßnahmen verzögerten den Fertigungsprozess.
Auch die anderen Schmieden Atasatos waren geschäftig. Kintai sorgte sich offenbar wegen der zunehmenden Piratenüberfälle auf dem Jadeband und hatte in Atasato mehrere mittelgroße Schiffe (Sekibunen) und ein schweres Kriegsschiff (eine Atakabune) in Auftrag gegeben, mit der Option auf weitere Baulose in der Zukunft.
Ayanokojis Kobe war allerdings in diese Rüstungsproduktion kaum eingebunden und bereit, den Abenteurern einen Preisnachlass für Arbeiten zu gewähren. Luo hatte von einem seltenen Ritual namens „Segnung des Relikts“ gehört, mit dem man hochwertige magische Gegenstände aufwerten konnte. Allerdings warnte er Ayanokoji vor der düsteren Vergangenheit seiner Waffe. Der Schmied bat die Abenteurer, Thaumarium zu beschaffen. Gegenwärtig war dieses magische Metall, das über das Palitaner Feentor nach Takasadu kam, in Atasato nur schwer zu haben. Letztlich fand Luo eine erfolgversprechende Spur: einen zwergischer Pfandleiher namens Wei Bu, mit Verbindungen zu der „Rote Karpfen“-Triade, der dem Vernehmen nach mit Diebesgut handelte (inklusive solchem, das noch gar nicht gestohlen war). Allerdings zog er angeblich bei Menschenhandel eine Grenze. Zusammen mit Hao suchte Luo die Pfandleihe im Hafenviertel auf. Es gelang den beiden, einen guten Preis auszuhandeln, auch weil Hao sich bereit erklärte, für einige der in Atasato lebenden Emigranten eine Unggoy-Andacht abzuhalten. Viele der Exilanten vermissten die religiöse Fürsorge aus der Heimat. Auch wenn in Kintai die Tiergeist-Anhänger nicht aktiv verfolgt wurden, gab es wenige Schreine oder Priester.
Die Zeremonie in einem halbleeren Lagerschuppen war mit 80 bis 100 Personen stark besucht. Haos Predigt, die den Gläubigen Mut und Zuversicht vermitteln sollte, kam gut an und brachte ihr Einladungen von mehreren Familien. Sie sollte Kinder segnen, eine Hochzeitszeremonie abzuhalten und ähnliches mehr.
Das erworbene Thaumarium ermöglichte es, Luos Klinge zu bearbeiten, wobei ihn der Schmied warnte, dass in der Waffe dunkle Magie schlummerte. Ayanokoji nahm an, dass dabei finstere Rituale und Blutopfer eine Rolle gespielt hatten. Es gäbe Möglichkeiten, die Waffe zu reinigen, doch würde sie dabei einen Teil ihrer Macht verlieren. Luo war sich unsicher, wie er verfahren sollte. Einerseits beunruhigte ihn das Vermächtnis der Klinge, andererseits war es ihre besondere Herkunft gewesen, die es etwa ermöglicht hatte, das mächtige Feenwesen Sho zurückzuschlagen…
Hao war in den folgenden Tagen mit religiösen Verpflichtungen eingebunden, bemerkte allerdings bei einem ihrer Gänge, dass sie beschattet wurde. Sie schaffte es, den Verfolger zu stellen: Es handelte sich dabei um niemand anderen als Xiao Houzi, den mysteriösen Unggoy-Priester, dem die Gruppe einige Monate zuvor begegnet war. Der Priester warnte seine Glaubensgenossin, dass sie und ihre Gefährten sich Feinde gemacht hatten (oder noch machen würden?), darunter auch solche, die nicht sterblich seien. Noch wären diese mit anderen Plänen befasst, doch müsse dies nicht auf Dauer so bleiben. Zudem befragte er die Priesterin nach ihren eigenen Plänen. Sei der Weg für sie das Ziel - oder entscheide das Ziel über den Weg? Hao war sich nicht sicher, ob sie ihn richtig verstand, meinte aber, dass sich irgendwann niederlassen und eine Familie gründen wollte. Mit einigen kryptischen Abschiedsworten entfernte sich der andere Affenpriester. Eine der Haarsträhnen Haos, die der Priester berührt hatte, färbte sich in den Folgetagen golden – ein Zeichen, dass Haos Gott sie im Auge behielt, eine Warnung oder ein gutes Omen?
Die Priesterin gab die Warnung an ihre Kameraden weiter, verbunden mit dem Ratschlag, die Gruppe solle sich künftig vielleicht nicht mehr Hals über Kopf in jedes Abenteuer stürzen.
Indes sollte den Abenteurern keine lange Ruhe beschienen sein, denn wenige Tage darauf wurde Luo in einer abgelegenen Gasse aus dem Hinterhalt von einer Gestalt angegriffen, die ihr Gesicht hinter einem roten Schal verborgen hielt. Der Angreifer führte seine Naginata mit einigem Geschick, und Luo konnte sich mit Mühe behaupten. Der Unbekannte, dessen Proportionen und Stimme sehr…fremdartig erschienen, forderte Luos Klinge – zweifellos dessen magisches Schwert. Als Luo ihm einen heftigen Hieb versetzte, verfiel der Fremde in Raserei und fluchte, das „vierarmige Scheusal“ werde Luo die Seele herausreißen. Ein tödlicher Klingenwirbel Luos kostete den Angreifer schließlich das Leben. Als Luo die Leiche durchsuchte, stellte er fest, dass die Gesichtszüge und die Katzenaugen des Fremden auf eine nicht sterbliche Herkunft hindeuteten. Bei sich hatte der Tote eine Schriftrolle aus einer Art Pergament, auf der Ren, Luo, dessen Klinge und (weniger gekonnt) auch Akira abgebildet waren. Luo nahm Waffe, Geld und Schriftstück an sich und suchte das Weite. Seine Kameraden verarzteten den Verwundeten, und konnten den Angreifer nach seiner Beschreibung als „Roten Turban“ identifizieren. Diese Feenwesen (in Dragorea als „Rotkappen“ bekannt) galten als grausam und gewalttätig. Sie färbten die Masken und Schals, die sie um den Kopf trugen, regelmäßig mit dem Blut ihrer Opfer und dienten mitunter mächtigeren Feenwesen als Söldner und Soldaten. Eingedenk der Worte des Toten vermuteten die Abenteurer, dass Sho hinter der Sache steckte. Das Feenwesen hatte vier Arme gehabt, und Luos Klinge hatte ihn bei dem Zusammentreffen nahe der Seidenstraße spürbar verletzt. Luo hatte bereits während des Feenmarktes anlässlich der Palitaner Winterspiele den Verdacht gehabt, verfolgt zu werden – doch es war beunruhigend, dass ihnen die Feenwesen über mehr als 100 Kilometer gefolgt waren.
Luo stellte umgehend Nachforschungen an und erfuhr, dass offenbar zwei bis drei Bewaffnete, auf die die Beschreibung seines Gegners passten, in den letzten Tagen verschiedene Tavernen und Gasthäuser abgeklappert hatten. Der Tote war also wohl Teil einer feeischen Kopfgeldjägertruppe. Der Fund der Leiche des Roten Turbans sorgte für einige Gerüchte, doch alles in allem nahm man die Sache in Atasato nicht so ernst.
Luo gelang es, sich wenige Tage darauf an die Fersen von zwei Roten Turbane zu heften, die nach den Abenteurern suchten. Er folgte ihnen durch die einbrechende Dunkelheit bis zu ihrem Versteck in einer Grube, in der Gerber und Fleischer ihre Abfälle entsorgten. Dann zog er sich zurück und benachrichtigte seine Kameradinnen.
Geführt von Luo näherten sich die Abenteurer dem Versteck der Roten Turbane. In dieser Gegend, geprägt durch den Gestank von Abfall und Verwesung, den nahen Seifensiedereien und Gerbereien, waren in der Dämmerung kaum Passanten unterwegs. In die Abfallgrube, in der die Feenwesen ihren Unterschlupf gefunden hatten, gab es nur einen schmalen Pfad. Es gelang Hao, Luo und Ren, sich unbemerkt zu nähern. Ein kleines Feuer und der Gestank von verbranntem Fett und Knochen wiesen ihnen den Weg. Sie bereiten sich auf den Angriff vor – doch sollte ihnen die erhoffte Überraschung nicht glücken. Mit einmal gellte ein schrilles Kreischen durch die Dämmerung und riss die beiden Roten Turbane hoch. Die Abenteurer griffen sofort an. Der Kampf war kurz, aber erbittert. Luo, der seinen Mitstreiterinnen vorausgeeilt war, konnte schwere Treffer austeilen, ging aber infolge eines Fehltritts zu Boden. Nur das Eingreifen Haos, die ihren Kampfstab mit großem Geschick führte, und seine Fähigkeiten als Splitterträger verhinderte das Schlimmste. Unterstützt durch die Zauber Rens gelang es, beide Roten Turbane tödlich zu treffen – den letzten spießte der am Boden liegende Luo förmlich auf.
Eine Untersuchung des Lagers ergab wenig Aufschlussreiches. Der Alarm war offenbar durch einen Strukturgeber ausgelöst worden: ein makabres Artefakt, aus dem Schädel eines Orks. Hao behielt diese Beute, die künftig noch einmal nützlich sein mochte. Luo versuchte die beiden Leichname im Abfall zu verbergen, um kein Aufsehen zu erregen.
Die Feenwesen waren mit leichtem Gepäck gereist. Es fand sich nur ein wenig Geld und die Waffen der Toten, dazu Fleisch zweifelhafter Herkunft. Ren hatte einen sehr unerfreulichen Verdacht, und nahm es lieber an sich. Tatsächlich stellte sich später heraus, dass die Roten Turbane es aus einem von ihnen ermordeten Kastenlosen geschnitten hatten, einem Abdecker namens Tao. Die Magierin sorgte für eine angemessene Beisetzung und gab der Familie die Hälfte ihres Beuteanteils. Sie fühlte sich mitverantwortlich, hatte doch die Jagd nach Luos Schwert und Shos Wunsch nach Rache die Roten Turbane nach Atasato geführt. Das Schwert Vipernzahn schien Unheil anzuziehen: Wie Luo von Ayanokoji erfuhr, hatte es bei der Arbeit an der Klinge einen Verletzten gegeben. Der Schmied war sich nicht sicher, ob das an der Unachtsamkeit seines Lehrlings oder an der Klinge lag.
Die Abenteurer hofften, fürs erste alle Verfolger los zu sein, obwohl Hao orakelte, das nächste Mal würde der Feind wohl gefährlichere Gegner entsenden.
Bald schon gab es aber andere Themen, die um Aufmerksamkeit heischten: Das angekündigte hochrangige Mitglied des Unbesiegbaren Kaiserlichen Heeres war in Atasato eingetroffen. Die Abenteurer kannten Generalin Ranku Kane, die „Protektorin der östlichen Grenzlande“ und „Schwert des Göttlichen Kranichs“, von einem früheren Abenteuer in Kintai. Luo hörte in den Schenken und auf den Märkten, dass sie möglicherweise hier sei, um sich mit dem Fürsten der Stadt zu treffen, aber auch mit Prinzessin Hui Amui und den de facto die Stadt regierenden Handelsherren. Vor allem schien sie auch damit beschäftigt, die hiesigen Streitkräfte und die Werften zu inspizieren. Einige meinten, ihre Ankunft sei ein Zeichen für eine aktivere Außenpolitik des Kaiserreiches und sie sei hier wegen Verhandlungen mit oder Forderungen an die Triaden. Und dann gab es jene, die unterstellten, sie sei nur deshalb in Atasato, weil die berühmte Palitaner Kurtisane Madame Jiao in der Stadt weilte. Luo wusste, dass Kane Frauen zugeneigt war – hatte er doch verhindert, dass sich eine Spionin in der Verkleidung einer Tänzerin bei der Generalin eingeschlichen hatte. Aber er ging davon aus, dass die Kriegsherrin nicht (nur) zum Vergnügen in den Norden gekommen war. Bei Hao löste die Ankunft der Generalin fast einen Fluchtreflex aus. Sie scheute politische Intrigen und argwöhnte, die Gegenwart von Prinzessin Amui und einer Kintarai-Generalin würde die Abenteurer wieder in den Treibsand der Politik hineinziehen. Hao ließ sich aber von Ren (die ihrerseits darauf aus war, sich Hals über Kopf in eventuelle Intrigen zu stürzen) überreden, noch eine Weile zu bleiben. Ren und Luo wollten die Prinzessin keinesfalls im Stich lassen. Zudem hofften sie, ihr vielleicht helfen zu können.