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Abenteuer und Kampagnen / Re: [Spielerbericht/Abenteuerbericht] Drache und Nachtigall (Mondsplitter 4)
« am: 28 Aug 2018, 18:17:53 »
Auszug aus dem Reisebericht von Telkin Feuerfaust
In einer Höhle nahe Westhaga
Die warmen Strahlen der Herbstsonne krochen früh am nächsten Morgen in unsere Höhle, wie eine Gruppe träger, noch verschlafener Kleintiere, und weckten uns. Selesha brachte das Feuer wieder zum brennen und bereitete eine leichte Suppe zu, deren köstlicher Duft uns den Schlaf aus den Gliedern trieb. Selesha verteilte die Schalen. Admiral Schmork von Schlorf nahm seine wortlos in beide Hände, setzte sie an die Lippen und trank sie bis zur Hälfte leer. Dann füllte er sie mit dem Gebräu, das er am vorigen Tag produziert hatte, wieder auf und lächelte Selesha wissend an. „Auch etwas von meinem Lebenselixier?“, fragte er mit krächzender Stimme. „Danke“, erwiderte sie mit gezwungenem Lächeln. „Heute nicht.“ Wir anderen tauschten amüsierte Blicke und löffelten ansonsten schweigend unsere Teller leer. Tiai war hinaus gegangen, um sich etwas frisch zu machen und während dessen musste der Admiral die Gelegenheit ergriffen haben, ihr unbemerkt etwas von seinem ungenießbaren Lebenselixier in die Schale zu mischen. Als Tiai zurück kam, aß sie nichts ahnend von der Suppe. Ihre Lider begannen zu zucken. „Ist alles in Ordnung?“, erkundigte ich mich besorgt. Tiai nickte benommen. „Mir geht es gut.“, murmelte sie schläfrig und löffelte stur weiter die Suppe aus. Ihr brach der Schweiß aus, ihre geweiteten Pupillen flackerten in hohem Tempo von links nach rechts. „Tiai!“, rief Anou-ki erschrocken aus. „Was ist mit dir?“ Doch die Seealbin antwortete nicht. Sie kippte zur Seite und wäre mit dem Kopf auf dem Steinboden aufgeschlagen, wenn Arrou sie nicht mit den Armen aufgefangen hätte. Tiai schlief. Und jetzt hörten wir alle auch das Schnarchen, das aus der Ecke der Höhle kam, in welcher der Admiral mit Zork sein Lager aufgeschlagen hatte. Friedlich schlummernd lagen die beiden aneinander gekuschelt da. Bei jedem Schnarchen flatterte der Bart des Admirals und Zorks Brusthaar, gegen das er atmete. „Der Trank!“, stieß Anou-ki hervor. „Der Admiral hat Tiai vergiftet!“ Selesha schnappte entsetzt nach Luft. „Aber wieso sollte er das tun?“ „Der Verrückte hat es vermutlich aus Versehen gemacht.“, knurrte Arrou. „Sonst hätte er ja nicht selbst davon getrunken, oder es seinem Widder gegeben.“ Der Varg hob Tiai hoch und bettete sie auf ihr Lager. Selesha fühlte den Puls der Albin. „Sie schläft nur. Hoffen wir, dass diese Brühe nicht noch schlimmere Nebenwirkungen hat.“ Eine Weile bemühten wir uns vergeblich darum, die drei: Den Admiral, Tiai und Zork aufzuwecken, doch schließlich ergriff ich das Wort: „Es hilft nichts. Wir müssen weiter. Wir verbergen den Höhleneingang hinter einigen Steinen und Ästen, lassen sie hier und holen sie wieder ab, wenn wir zurück kommen.“ Aus den Augenwinkeln sah ich den Thain, der sich bisher zurück gehalten hatte, eifrig nicken. Und so brachen wir auf an jenem Morgen, mit zweieinhalb Gefährten weniger, unsicher, ob zumindest der schlafende Admiral ein Fluch oder doch ein Segen war.
Der Thain ritt auf seinem Pferd voran und irgendwann entwickelte sich ein Gespräch. Wie sich herausstellte, hatte sich Hagbart nie wirklich in der Rolle des Thains wiedergefunden. Wäre dies nicht seine Geburtspflicht, wäre er wohl Barde geworden. Und er erzählte uns, wie er gehadert hatte. Damit, ein großer Krieger sein zu müssen. Damit den starken Anführer spielen zu müssen. Mit der hübschen, zierlichen Nachtigall, die seine Fylia war und derer er sich schämte, weil sie so sanftmütig war und kaum stattlich wirkte. Und schließlich mit den Lügen, die er erfunden hatte. Die Lüge, dass sein Schutzgeist ein Pferd war, ein mächtiges Streitross, wie es sich für einen Anführer gehörte. Wie es den Anschein machte, schämte er sich noch immer und fühlte sich des Amts des Thains nicht würdig. Wir waren da anderer Ansicht, hatten wir wohl bemerkt, dass Hagbarts Gesang am vorigen Abend es vermocht hatte, uns alle Müdigkeit aus den Körpern zu vertreiben und wir plötzlich bereit waren, weite Reisen und gefährliche Schlachten auf uns zu nehmen, obwohl wir doch bereits den ganzen Tag unterwegs gewesen waren. Anou-ki und ich waren uns einig: Die Götter des Thains hatten ihn mit einem seltenen Geschenk gesegnet und obgleich er alt war, war es doch nicht zu spät für ihn, dies zu erkennen. Selesha sprach mit sanfter Stimme auf ihn ein, zählte die Eigenschaften auf, die ein Anführer ihrer Meinung nach haben sollte - abseits von großen Kriegsqualitäten: Die Fähigkeit, zu koordinieren, die Talente und Grenzen seiner Soldaten zu kennen und zu erkennen, die Gabe, Soldaten für den Kampf mit Worten zu bestärken und ihnen Mut zu machen. „Der Anführer ist nicht der großartigste Kämpfer auf dem Schlachtfeld.“, sagte Selesha gerade. „Der Anführer ist derjenige, der andere dazu bringen kann, für ihn kämpfen zu wollen.“ Anfangs blieb der Thain skeptisch, doch Anou-ki und ich fielen mit ein, sprachen von seiner Gabe der Götter. Und als er immer noch unsicher blieb, riss Arrou schließlich der Geduldsfaden und knurrte den Thain an, er solle aufhören, seine Talente unter den Scheffel zu stellen. Selesha hob an, beschwichtigend einzugreifen und der alte Mann nickte endlich und sprach: „Ich danke euch für eure Perspektiven. Ich möchte nun ein wenig für mich sein und in Ruhe meditieren.“ Er setzte sich seitlich im Schneidersitz auf sein Pferd und schloss die Augen. (Wie er so reiten konnte, ist mir noch immer ein Rätsel.) „Ob er wohl begriffen hat, dass er viel mehr von einem Anführer hat, als ihm bewusst war?“, seufzte Selesha. Wir anderen schwiegen. Wer konnte schon sagen, was in dem Thain gerade vor sich ging? Doch wir hatten unser Möglichstes getan.
Gegen Mittag erreichten wir die verlassene Burg. Verlassen? Weit gefehlt. Irgendwo dort musste sich ein schrecklicher Wyvern verbergen und mit sehr viel Glück auch ein kleiner, lebendiger Junge. Arrou schlüpfte in den Geist seines Falken, um die Burg zu erkunden. Der Wyvern befand sich wohl im Bergfried. Wir schlichen erst zum Zollhaus, wo es nichts weiter zu sehen gab und begaben uns dann leise zur Rampe, die zum Nordkastell führte. Doch in der Hektik stolperte ich über einen von Seleshas Felslingen, die sie zuvor zu unserem Schutz heraufbeschworen hatte, fiel scheppernd zu Boden und stieß einige wenig feierliche Flüche aus. Wie erstarrt verharrten wir darauf hin einige Momente mit rasenden Herzen an der Rampe, wo wir wie auf dem Präsentierteller standen, horchend, doch der Wyvern regte sich nicht. Er hatte uns wohl nicht gehört. Arrou positionierte sich in Gestalt des Falken direkt über dem Bergfried. Er sollte hochfliegen, sobald sich etwas rührte und so Alarm schlagen.
Auf leisen Sohlen schlich Anou-ki rüber ins Lagerhaus, während wir anderen hinter der Mauer zum Nordkastell warteten. Die Minuten streckten sich und wir wurden alle immer angespannter, da sahen wir Anou-ki wieder am Tor des Lagerhauses stehen. Neben ihr Joselin, wohlauf und wie es aussah unverletzt. Er hatte es, Auge im Auge mit dem Wyvern, geschafft sich in eine Maus zu verwandeln und war so durch eine Ritze ins Lagerhaus entkommen. Anou-ki hatte ihn dort zitternd in einer Ecke kauernd gefunden, hatte ihm zu essen und zutrinken gegeben, auf welches sich der Junge sogleich ausgezehrt stürzte. Wir halfen Joselin über die Mauer zu uns auf die Rampe, wo sein Großvater ihn glücklich in die Arme schloss. Dann schickten wir ihn auf Mycella, dem Pferd des Thain zur Höhle, in der wir auch Tiai und den Admiral mit Zork zurückgelassen hatten, damit er sich dort in Sicherheit brachte und auf uns wartete.
Anou-ki gab uns per Zeichensprache zu verstehen, dass sie etwas gefunden hatte, eine Schießwaffe wohl, die ich mir einmal ansehen sollte. Ich schlich diesmal vorsichtiger, leise wie eine Katze zu Anou-ki und sah mit einem Blick ins Lagerhaus, was die Albin mir hatte zeigen wollen. Eine durchaus bemerkenswerte Balliste, bis auf einige Abnutzungen und kleinere Schäden, die sie wohl der Zeit zu verdanken hatte, schien sie in Ordnung zu sein. Ich machte mich sofort an die Reparatur, war kein Problem darstellte, denn an Werkzeugen mangelte es wahrlich nicht im Lagerhaus.
Mit Anou-kis Hilfe kam ich gut voran und war gerade fertig, die Balliste war repariert und gespannt- kurz einsatzbereit, da hörten wir draußen einen Falkenschrei und dann etwas, das wie Flügelschläge klang. Anou-ki stemmte sich gegen die Balliste und schob sie auf das Nordkastell. „Er kommt!“, rief sie mir noch zu. Doch ich war bereits dabei, einen Feuerstrahl zu beschwören. Draußen sprang Arrou gerade über die Mauer hinter die Balliste und löste sie aus. Der Geschossbolzen traf sein Ziel und löste ein schmerzerfülltes Gebrüll bei dem Wyvern aus. Im gleichen Moment zog Arrou seinen Bogen und spannte ihn. Ich schoss die gesammelte Energie als Feuerstrahl auf das riesige Tier, das daraufhin nur noch lauter brüllte und aggressiver wirkte als zuvor. Er kam näher, Annou-ki war gerade dabei die Balliste neu zu spannen, als der Thain seine Stimme zum Lied erhob. Bald sang er zweistimmig mit seiner Fylia. Musik so schön, dass die Welt einen Augenblick den Atem anzuhalten schien. Hagbart hatte sich also zu Herzen genommen, was wir auf dem Weg zur Burg Thursentrutz zu ihm gesagt hatten. Und dann bemerkten wir die Veränderung: Der Wyvern schlug merklich langsamer mit den Flügeln, wirkte insgesamt träger und nicht mehr so aggressiv. Trotzdem holte er in dieser Sekunde zum Schlag mit dem Schwanz aus und traf Anou-ki, die daraufhin wütend schrie und den Wyvern mit ihrem Kampfstab kitzelte. Unbeeindruckt grub dieser seine Klauen in die Balliste und biss den gesamten vorderen Teil ab. Mit Bedauern sah ich mein Meisterwerk zu Grunde gehen. Seleshas Feuerstrahl traf den Wyvern gleich darauf und holte mich ins Geschehen zurück. Arrous Pfeil traf zielgenau in ein Auge des Tieres. Meinem zweiten Feuerstrahl wich der Wyvern aus, ebenso dem Felsgeschoss von Selesha und er holte gerade zu einem weiteren Angriff aus, da versetzte Annou-ki ihm mit dem Kapfstab den Gnadenstoß. Diesmal traf sie und diesmal traf sie ihn richtig. Der Wyvern brach zusammen und atmete nicht mehr.
Nun galt es Ermengard Löwenherz zu finden. Mit den Materialien aus dem Lagerhaus bauten wir eine Brücke hinüber zum Südkastell. Der Brunnen, der dort stand erschien bodenlos. Einige Meter weiter unten steckte ein Speer in der Wand, den Anou-ki barg, gesichert mit einem Seil. Es handelte sich um die magische Lanze, mit der Ermengard gekämpft hatte. Vermutlich war sie in den Brunnen gestürzt und hatte die Lanze im Versuch, sich halten zu können, in die Wand gestoßen. Der Thain dankte uns viele Male. Die Überreste Ermengards würden wir später mit Hilfe des Dorfes bergen können. Mit selbstgebauter Leiter erklommen wir den Bergfried und bahnten uns so den Weg ins Nest des Wyvern. Das erste, was uns entgegen schlug war ein Brechreiz erregender Gestank, der Selesha dazu veranlasste, in parfümierte Tücher zu atmen. Wir fanden einen Hirtenstab, den man wohl als Kampstab verwenden konnte, doch ansonsten war dort, abgesehen von abgefressenen Knochen, nichts zu holen.
Ich wollte den Leichnam des Wyverns zu Ehren Kashroks verbrennen und der Thain versprach mir, dies im Rahmen eines großen Festes auch zu tun.
Joselin hatte die Höhle ohne Schwierigkeiten gefunden und war dort auf eine sehr wütende Tiai gestoßen, die schon wieder munter wurde. Der Admiral schnarchte noch in seiner Ecke, doch Joselin erzählte mir später, Schmork habe nur simuliert, um Tiais Zorn zu entkommen. Als wir anderen auftauchten, waren er und Zork ganz plötzlich verschwunden.
Dem Thain mussten wir versprechen, dass wir die Nachtigall geheim halten würden. Er sei zu alt, um sich jetzt noch dem Spott der Leute auszusetzen, meinte er. Wir bezweifelten, dass es Spott geben würde, doch akzeptierten wir seinen Wunsch.
Den Hirtenstab ließen wir im Dorf mit einem Wyvernzahn verzieren und schenkten ihn Joselin. Als Erinnerung an dieses Abenteuer und als Lohn für seine Tapferkeit.
Das Amt des Thains übergab Hagbart an seinen Schwiegersohn Helgur. In seiner neugewonnenen, freien Zeit sang er regelmäßig in der großen Taverne am Marktplatz, was nicht nur ihn sondern auch alle, die ihm zuhörten, auf magische Art und Weise glücklich stimmte.
Und wir? Nun wir machten uns auf gen Süden in Richtung der Orklande. Doch sehr weit kamen wir nicht, denn schon am Tag unseres Aufbruchs von Westhaga stolperten wir geradezu in ein neues Abenteuer.
In einer Höhle nahe Westhaga
Die warmen Strahlen der Herbstsonne krochen früh am nächsten Morgen in unsere Höhle, wie eine Gruppe träger, noch verschlafener Kleintiere, und weckten uns. Selesha brachte das Feuer wieder zum brennen und bereitete eine leichte Suppe zu, deren köstlicher Duft uns den Schlaf aus den Gliedern trieb. Selesha verteilte die Schalen. Admiral Schmork von Schlorf nahm seine wortlos in beide Hände, setzte sie an die Lippen und trank sie bis zur Hälfte leer. Dann füllte er sie mit dem Gebräu, das er am vorigen Tag produziert hatte, wieder auf und lächelte Selesha wissend an. „Auch etwas von meinem Lebenselixier?“, fragte er mit krächzender Stimme. „Danke“, erwiderte sie mit gezwungenem Lächeln. „Heute nicht.“ Wir anderen tauschten amüsierte Blicke und löffelten ansonsten schweigend unsere Teller leer. Tiai war hinaus gegangen, um sich etwas frisch zu machen und während dessen musste der Admiral die Gelegenheit ergriffen haben, ihr unbemerkt etwas von seinem ungenießbaren Lebenselixier in die Schale zu mischen. Als Tiai zurück kam, aß sie nichts ahnend von der Suppe. Ihre Lider begannen zu zucken. „Ist alles in Ordnung?“, erkundigte ich mich besorgt. Tiai nickte benommen. „Mir geht es gut.“, murmelte sie schläfrig und löffelte stur weiter die Suppe aus. Ihr brach der Schweiß aus, ihre geweiteten Pupillen flackerten in hohem Tempo von links nach rechts. „Tiai!“, rief Anou-ki erschrocken aus. „Was ist mit dir?“ Doch die Seealbin antwortete nicht. Sie kippte zur Seite und wäre mit dem Kopf auf dem Steinboden aufgeschlagen, wenn Arrou sie nicht mit den Armen aufgefangen hätte. Tiai schlief. Und jetzt hörten wir alle auch das Schnarchen, das aus der Ecke der Höhle kam, in welcher der Admiral mit Zork sein Lager aufgeschlagen hatte. Friedlich schlummernd lagen die beiden aneinander gekuschelt da. Bei jedem Schnarchen flatterte der Bart des Admirals und Zorks Brusthaar, gegen das er atmete. „Der Trank!“, stieß Anou-ki hervor. „Der Admiral hat Tiai vergiftet!“ Selesha schnappte entsetzt nach Luft. „Aber wieso sollte er das tun?“ „Der Verrückte hat es vermutlich aus Versehen gemacht.“, knurrte Arrou. „Sonst hätte er ja nicht selbst davon getrunken, oder es seinem Widder gegeben.“ Der Varg hob Tiai hoch und bettete sie auf ihr Lager. Selesha fühlte den Puls der Albin. „Sie schläft nur. Hoffen wir, dass diese Brühe nicht noch schlimmere Nebenwirkungen hat.“ Eine Weile bemühten wir uns vergeblich darum, die drei: Den Admiral, Tiai und Zork aufzuwecken, doch schließlich ergriff ich das Wort: „Es hilft nichts. Wir müssen weiter. Wir verbergen den Höhleneingang hinter einigen Steinen und Ästen, lassen sie hier und holen sie wieder ab, wenn wir zurück kommen.“ Aus den Augenwinkeln sah ich den Thain, der sich bisher zurück gehalten hatte, eifrig nicken. Und so brachen wir auf an jenem Morgen, mit zweieinhalb Gefährten weniger, unsicher, ob zumindest der schlafende Admiral ein Fluch oder doch ein Segen war.
Der Thain ritt auf seinem Pferd voran und irgendwann entwickelte sich ein Gespräch. Wie sich herausstellte, hatte sich Hagbart nie wirklich in der Rolle des Thains wiedergefunden. Wäre dies nicht seine Geburtspflicht, wäre er wohl Barde geworden. Und er erzählte uns, wie er gehadert hatte. Damit, ein großer Krieger sein zu müssen. Damit den starken Anführer spielen zu müssen. Mit der hübschen, zierlichen Nachtigall, die seine Fylia war und derer er sich schämte, weil sie so sanftmütig war und kaum stattlich wirkte. Und schließlich mit den Lügen, die er erfunden hatte. Die Lüge, dass sein Schutzgeist ein Pferd war, ein mächtiges Streitross, wie es sich für einen Anführer gehörte. Wie es den Anschein machte, schämte er sich noch immer und fühlte sich des Amts des Thains nicht würdig. Wir waren da anderer Ansicht, hatten wir wohl bemerkt, dass Hagbarts Gesang am vorigen Abend es vermocht hatte, uns alle Müdigkeit aus den Körpern zu vertreiben und wir plötzlich bereit waren, weite Reisen und gefährliche Schlachten auf uns zu nehmen, obwohl wir doch bereits den ganzen Tag unterwegs gewesen waren. Anou-ki und ich waren uns einig: Die Götter des Thains hatten ihn mit einem seltenen Geschenk gesegnet und obgleich er alt war, war es doch nicht zu spät für ihn, dies zu erkennen. Selesha sprach mit sanfter Stimme auf ihn ein, zählte die Eigenschaften auf, die ein Anführer ihrer Meinung nach haben sollte - abseits von großen Kriegsqualitäten: Die Fähigkeit, zu koordinieren, die Talente und Grenzen seiner Soldaten zu kennen und zu erkennen, die Gabe, Soldaten für den Kampf mit Worten zu bestärken und ihnen Mut zu machen. „Der Anführer ist nicht der großartigste Kämpfer auf dem Schlachtfeld.“, sagte Selesha gerade. „Der Anführer ist derjenige, der andere dazu bringen kann, für ihn kämpfen zu wollen.“ Anfangs blieb der Thain skeptisch, doch Anou-ki und ich fielen mit ein, sprachen von seiner Gabe der Götter. Und als er immer noch unsicher blieb, riss Arrou schließlich der Geduldsfaden und knurrte den Thain an, er solle aufhören, seine Talente unter den Scheffel zu stellen. Selesha hob an, beschwichtigend einzugreifen und der alte Mann nickte endlich und sprach: „Ich danke euch für eure Perspektiven. Ich möchte nun ein wenig für mich sein und in Ruhe meditieren.“ Er setzte sich seitlich im Schneidersitz auf sein Pferd und schloss die Augen. (Wie er so reiten konnte, ist mir noch immer ein Rätsel.) „Ob er wohl begriffen hat, dass er viel mehr von einem Anführer hat, als ihm bewusst war?“, seufzte Selesha. Wir anderen schwiegen. Wer konnte schon sagen, was in dem Thain gerade vor sich ging? Doch wir hatten unser Möglichstes getan.
Gegen Mittag erreichten wir die verlassene Burg. Verlassen? Weit gefehlt. Irgendwo dort musste sich ein schrecklicher Wyvern verbergen und mit sehr viel Glück auch ein kleiner, lebendiger Junge. Arrou schlüpfte in den Geist seines Falken, um die Burg zu erkunden. Der Wyvern befand sich wohl im Bergfried. Wir schlichen erst zum Zollhaus, wo es nichts weiter zu sehen gab und begaben uns dann leise zur Rampe, die zum Nordkastell führte. Doch in der Hektik stolperte ich über einen von Seleshas Felslingen, die sie zuvor zu unserem Schutz heraufbeschworen hatte, fiel scheppernd zu Boden und stieß einige wenig feierliche Flüche aus. Wie erstarrt verharrten wir darauf hin einige Momente mit rasenden Herzen an der Rampe, wo wir wie auf dem Präsentierteller standen, horchend, doch der Wyvern regte sich nicht. Er hatte uns wohl nicht gehört. Arrou positionierte sich in Gestalt des Falken direkt über dem Bergfried. Er sollte hochfliegen, sobald sich etwas rührte und so Alarm schlagen.
Auf leisen Sohlen schlich Anou-ki rüber ins Lagerhaus, während wir anderen hinter der Mauer zum Nordkastell warteten. Die Minuten streckten sich und wir wurden alle immer angespannter, da sahen wir Anou-ki wieder am Tor des Lagerhauses stehen. Neben ihr Joselin, wohlauf und wie es aussah unverletzt. Er hatte es, Auge im Auge mit dem Wyvern, geschafft sich in eine Maus zu verwandeln und war so durch eine Ritze ins Lagerhaus entkommen. Anou-ki hatte ihn dort zitternd in einer Ecke kauernd gefunden, hatte ihm zu essen und zutrinken gegeben, auf welches sich der Junge sogleich ausgezehrt stürzte. Wir halfen Joselin über die Mauer zu uns auf die Rampe, wo sein Großvater ihn glücklich in die Arme schloss. Dann schickten wir ihn auf Mycella, dem Pferd des Thain zur Höhle, in der wir auch Tiai und den Admiral mit Zork zurückgelassen hatten, damit er sich dort in Sicherheit brachte und auf uns wartete.
Anou-ki gab uns per Zeichensprache zu verstehen, dass sie etwas gefunden hatte, eine Schießwaffe wohl, die ich mir einmal ansehen sollte. Ich schlich diesmal vorsichtiger, leise wie eine Katze zu Anou-ki und sah mit einem Blick ins Lagerhaus, was die Albin mir hatte zeigen wollen. Eine durchaus bemerkenswerte Balliste, bis auf einige Abnutzungen und kleinere Schäden, die sie wohl der Zeit zu verdanken hatte, schien sie in Ordnung zu sein. Ich machte mich sofort an die Reparatur, war kein Problem darstellte, denn an Werkzeugen mangelte es wahrlich nicht im Lagerhaus.
Mit Anou-kis Hilfe kam ich gut voran und war gerade fertig, die Balliste war repariert und gespannt- kurz einsatzbereit, da hörten wir draußen einen Falkenschrei und dann etwas, das wie Flügelschläge klang. Anou-ki stemmte sich gegen die Balliste und schob sie auf das Nordkastell. „Er kommt!“, rief sie mir noch zu. Doch ich war bereits dabei, einen Feuerstrahl zu beschwören. Draußen sprang Arrou gerade über die Mauer hinter die Balliste und löste sie aus. Der Geschossbolzen traf sein Ziel und löste ein schmerzerfülltes Gebrüll bei dem Wyvern aus. Im gleichen Moment zog Arrou seinen Bogen und spannte ihn. Ich schoss die gesammelte Energie als Feuerstrahl auf das riesige Tier, das daraufhin nur noch lauter brüllte und aggressiver wirkte als zuvor. Er kam näher, Annou-ki war gerade dabei die Balliste neu zu spannen, als der Thain seine Stimme zum Lied erhob. Bald sang er zweistimmig mit seiner Fylia. Musik so schön, dass die Welt einen Augenblick den Atem anzuhalten schien. Hagbart hatte sich also zu Herzen genommen, was wir auf dem Weg zur Burg Thursentrutz zu ihm gesagt hatten. Und dann bemerkten wir die Veränderung: Der Wyvern schlug merklich langsamer mit den Flügeln, wirkte insgesamt träger und nicht mehr so aggressiv. Trotzdem holte er in dieser Sekunde zum Schlag mit dem Schwanz aus und traf Anou-ki, die daraufhin wütend schrie und den Wyvern mit ihrem Kampfstab kitzelte. Unbeeindruckt grub dieser seine Klauen in die Balliste und biss den gesamten vorderen Teil ab. Mit Bedauern sah ich mein Meisterwerk zu Grunde gehen. Seleshas Feuerstrahl traf den Wyvern gleich darauf und holte mich ins Geschehen zurück. Arrous Pfeil traf zielgenau in ein Auge des Tieres. Meinem zweiten Feuerstrahl wich der Wyvern aus, ebenso dem Felsgeschoss von Selesha und er holte gerade zu einem weiteren Angriff aus, da versetzte Annou-ki ihm mit dem Kapfstab den Gnadenstoß. Diesmal traf sie und diesmal traf sie ihn richtig. Der Wyvern brach zusammen und atmete nicht mehr.
Nun galt es Ermengard Löwenherz zu finden. Mit den Materialien aus dem Lagerhaus bauten wir eine Brücke hinüber zum Südkastell. Der Brunnen, der dort stand erschien bodenlos. Einige Meter weiter unten steckte ein Speer in der Wand, den Anou-ki barg, gesichert mit einem Seil. Es handelte sich um die magische Lanze, mit der Ermengard gekämpft hatte. Vermutlich war sie in den Brunnen gestürzt und hatte die Lanze im Versuch, sich halten zu können, in die Wand gestoßen. Der Thain dankte uns viele Male. Die Überreste Ermengards würden wir später mit Hilfe des Dorfes bergen können. Mit selbstgebauter Leiter erklommen wir den Bergfried und bahnten uns so den Weg ins Nest des Wyvern. Das erste, was uns entgegen schlug war ein Brechreiz erregender Gestank, der Selesha dazu veranlasste, in parfümierte Tücher zu atmen. Wir fanden einen Hirtenstab, den man wohl als Kampstab verwenden konnte, doch ansonsten war dort, abgesehen von abgefressenen Knochen, nichts zu holen.
Ich wollte den Leichnam des Wyverns zu Ehren Kashroks verbrennen und der Thain versprach mir, dies im Rahmen eines großen Festes auch zu tun.
Joselin hatte die Höhle ohne Schwierigkeiten gefunden und war dort auf eine sehr wütende Tiai gestoßen, die schon wieder munter wurde. Der Admiral schnarchte noch in seiner Ecke, doch Joselin erzählte mir später, Schmork habe nur simuliert, um Tiais Zorn zu entkommen. Als wir anderen auftauchten, waren er und Zork ganz plötzlich verschwunden.
Dem Thain mussten wir versprechen, dass wir die Nachtigall geheim halten würden. Er sei zu alt, um sich jetzt noch dem Spott der Leute auszusetzen, meinte er. Wir bezweifelten, dass es Spott geben würde, doch akzeptierten wir seinen Wunsch.
Den Hirtenstab ließen wir im Dorf mit einem Wyvernzahn verzieren und schenkten ihn Joselin. Als Erinnerung an dieses Abenteuer und als Lohn für seine Tapferkeit.
Das Amt des Thains übergab Hagbart an seinen Schwiegersohn Helgur. In seiner neugewonnenen, freien Zeit sang er regelmäßig in der großen Taverne am Marktplatz, was nicht nur ihn sondern auch alle, die ihm zuhörten, auf magische Art und Weise glücklich stimmte.
Und wir? Nun wir machten uns auf gen Süden in Richtung der Orklande. Doch sehr weit kamen wir nicht, denn schon am Tag unseres Aufbruchs von Westhaga stolperten wir geradezu in ein neues Abenteuer.