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Nachrichten - Telkin

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Auszug aus dem Reisebericht von Telkin Feuerfaust

In einer Höhle nahe Westhaga

Die warmen Strahlen der Herbstsonne krochen früh am nächsten Morgen in unsere Höhle, wie eine Gruppe träger, noch verschlafener Kleintiere, und weckten uns. Selesha brachte das Feuer wieder zum brennen und bereitete eine leichte Suppe zu, deren köstlicher Duft uns den Schlaf aus den Gliedern trieb. Selesha verteilte die Schalen. Admiral Schmork von Schlorf nahm seine wortlos in beide Hände, setzte sie an die Lippen und trank sie bis zur Hälfte leer. Dann füllte er sie mit dem Gebräu, das er am vorigen Tag produziert hatte, wieder auf und lächelte Selesha wissend an. „Auch etwas von meinem Lebenselixier?“, fragte er mit krächzender Stimme. „Danke“, erwiderte sie mit gezwungenem Lächeln. „Heute nicht.“ Wir anderen tauschten amüsierte Blicke und löffelten ansonsten schweigend unsere Teller leer. Tiai war hinaus gegangen, um sich etwas frisch zu machen und während dessen musste der Admiral die Gelegenheit ergriffen haben, ihr unbemerkt etwas von seinem ungenießbaren Lebenselixier in die Schale zu mischen. Als Tiai zurück kam, aß sie nichts ahnend von der Suppe. Ihre Lider begannen zu zucken. „Ist alles in Ordnung?“, erkundigte ich mich besorgt. Tiai nickte benommen. „Mir geht es gut.“, murmelte sie schläfrig und löffelte stur weiter die Suppe aus. Ihr brach der Schweiß aus, ihre geweiteten Pupillen flackerten in hohem Tempo von links nach rechts. „Tiai!“, rief Anou-ki erschrocken aus. „Was ist mit dir?“ Doch die Seealbin antwortete nicht. Sie kippte zur Seite und wäre mit dem Kopf auf dem Steinboden aufgeschlagen, wenn Arrou sie nicht mit den Armen aufgefangen hätte. Tiai schlief. Und jetzt hörten wir alle auch das Schnarchen, das aus der Ecke der Höhle kam, in welcher der Admiral mit Zork sein Lager aufgeschlagen hatte. Friedlich schlummernd lagen die beiden aneinander gekuschelt da. Bei jedem Schnarchen flatterte der Bart des Admirals und Zorks Brusthaar, gegen das er atmete. „Der Trank!“, stieß Anou-ki hervor. „Der Admiral hat Tiai vergiftet!“ Selesha schnappte entsetzt nach Luft. „Aber wieso sollte er das tun?“ „Der Verrückte hat es vermutlich aus Versehen gemacht.“, knurrte Arrou. „Sonst hätte er ja nicht selbst davon getrunken, oder es seinem Widder gegeben.“ Der Varg hob Tiai hoch und bettete sie auf ihr Lager. Selesha fühlte den Puls der Albin. „Sie schläft nur. Hoffen wir, dass diese Brühe nicht noch schlimmere Nebenwirkungen hat.“ Eine Weile bemühten wir uns vergeblich darum, die drei: Den Admiral, Tiai und Zork aufzuwecken, doch schließlich ergriff ich das Wort: „Es hilft nichts. Wir müssen weiter. Wir verbergen den Höhleneingang hinter einigen Steinen und Ästen, lassen sie hier und holen sie wieder ab, wenn wir zurück kommen.“ Aus den Augenwinkeln sah ich den Thain, der sich bisher zurück gehalten hatte, eifrig nicken. Und so brachen wir auf an jenem Morgen, mit zweieinhalb Gefährten weniger, unsicher, ob zumindest der schlafende Admiral ein Fluch oder doch ein Segen war.

Der Thain ritt auf seinem Pferd voran und irgendwann entwickelte sich ein Gespräch.  Wie sich herausstellte, hatte sich Hagbart nie wirklich in der Rolle des Thains wiedergefunden. Wäre dies nicht seine Geburtspflicht, wäre er wohl Barde geworden. Und er erzählte uns, wie er gehadert hatte. Damit, ein großer Krieger sein zu müssen. Damit den starken Anführer spielen zu müssen. Mit der hübschen, zierlichen Nachtigall, die seine Fylia war und derer er sich schämte, weil sie so sanftmütig war und  kaum stattlich wirkte. Und schließlich mit den Lügen, die er erfunden hatte. Die Lüge, dass sein Schutzgeist ein Pferd war, ein mächtiges Streitross, wie es sich für einen Anführer gehörte. Wie es den Anschein machte, schämte er sich noch immer und fühlte sich des Amts des Thains nicht würdig. Wir waren da anderer Ansicht, hatten wir wohl bemerkt, dass Hagbarts Gesang am vorigen Abend es vermocht hatte, uns alle Müdigkeit aus den Körpern zu vertreiben und wir plötzlich bereit waren, weite Reisen und gefährliche Schlachten auf uns zu nehmen, obwohl wir doch bereits den ganzen Tag unterwegs gewesen waren. Anou-ki und ich waren uns einig: Die Götter des Thains hatten ihn mit einem seltenen Geschenk gesegnet und obgleich er alt war, war es doch nicht zu spät für ihn, dies zu erkennen. Selesha sprach mit sanfter Stimme auf ihn ein, zählte die Eigenschaften auf, die ein Anführer ihrer Meinung nach haben sollte - abseits von großen Kriegsqualitäten: Die Fähigkeit, zu koordinieren, die Talente und Grenzen seiner Soldaten zu kennen und zu erkennen, die Gabe, Soldaten für den Kampf mit Worten zu bestärken und ihnen Mut zu machen. „Der Anführer ist nicht der großartigste Kämpfer auf dem Schlachtfeld.“, sagte Selesha gerade. „Der Anführer ist derjenige, der andere dazu bringen kann, für ihn kämpfen zu wollen.“ Anfangs blieb der Thain skeptisch, doch Anou-ki und ich fielen mit ein, sprachen von seiner Gabe der Götter. Und als er immer noch unsicher blieb, riss Arrou schließlich der Geduldsfaden und knurrte den Thain an, er solle aufhören, seine Talente unter den Scheffel zu stellen. Selesha hob an, beschwichtigend einzugreifen und der alte Mann nickte endlich und sprach: „Ich danke euch für eure Perspektiven. Ich möchte nun ein wenig für mich sein und in Ruhe meditieren.“ Er setzte sich seitlich im Schneidersitz auf sein Pferd und schloss die Augen. (Wie er so reiten konnte, ist mir noch immer ein Rätsel.) „Ob er wohl begriffen hat, dass er viel mehr von einem Anführer hat, als ihm bewusst war?“, seufzte Selesha. Wir anderen schwiegen. Wer konnte schon sagen, was in dem Thain gerade vor sich ging? Doch wir hatten unser Möglichstes getan.

Gegen Mittag erreichten wir die verlassene Burg. Verlassen? Weit gefehlt. Irgendwo dort musste sich ein schrecklicher Wyvern verbergen und mit sehr viel Glück auch ein kleiner, lebendiger Junge. Arrou schlüpfte in den Geist seines Falken, um die Burg zu erkunden. Der Wyvern befand sich wohl im Bergfried. Wir schlichen erst zum Zollhaus, wo es nichts weiter zu sehen gab und begaben uns dann leise zur Rampe, die zum Nordkastell führte. Doch in der Hektik stolperte ich über einen von Seleshas Felslingen, die sie zuvor zu unserem Schutz heraufbeschworen hatte, fiel scheppernd zu Boden und stieß einige wenig feierliche Flüche aus. Wie erstarrt verharrten wir darauf hin einige Momente mit rasenden Herzen an der Rampe, wo wir wie auf dem Präsentierteller standen, horchend, doch der Wyvern regte sich nicht. Er hatte uns wohl nicht gehört. Arrou positionierte sich in Gestalt des Falken direkt über dem Bergfried. Er sollte hochfliegen, sobald sich etwas rührte und so Alarm schlagen.

Auf leisen Sohlen schlich Anou-ki rüber ins Lagerhaus, während wir anderen hinter der Mauer zum Nordkastell warteten. Die Minuten streckten sich und wir wurden alle immer angespannter, da sahen wir Anou-ki wieder am Tor des Lagerhauses stehen. Neben ihr Joselin, wohlauf und wie es aussah unverletzt. Er hatte es, Auge im Auge mit dem Wyvern, geschafft sich in eine Maus zu verwandeln und war so durch eine Ritze ins Lagerhaus entkommen. Anou-ki hatte ihn dort zitternd in einer Ecke kauernd gefunden, hatte ihm zu essen und zutrinken gegeben, auf welches sich der Junge sogleich ausgezehrt stürzte. Wir halfen Joselin über die Mauer zu uns auf die Rampe, wo sein Großvater ihn glücklich in die Arme schloss. Dann schickten wir ihn auf Mycella, dem Pferd des Thain zur Höhle, in der wir auch Tiai und den Admiral mit Zork zurückgelassen hatten, damit er sich dort in Sicherheit brachte und auf uns wartete.

Anou-ki gab uns per Zeichensprache zu verstehen, dass sie etwas gefunden hatte, eine Schießwaffe wohl, die ich mir einmal ansehen sollte. Ich schlich diesmal vorsichtiger, leise wie eine Katze zu Anou-ki und sah mit einem Blick ins Lagerhaus, was die Albin mir hatte zeigen wollen. Eine durchaus bemerkenswerte Balliste, bis auf einige Abnutzungen und kleinere Schäden, die sie wohl der Zeit zu verdanken hatte, schien sie in Ordnung zu sein. Ich machte mich sofort an die Reparatur, war kein Problem darstellte, denn an Werkzeugen mangelte es wahrlich nicht im Lagerhaus.
Mit Anou-kis Hilfe kam ich gut voran und war gerade fertig, die Balliste war repariert und gespannt- kurz einsatzbereit, da hörten wir draußen einen Falkenschrei und dann etwas, das wie Flügelschläge klang. Anou-ki stemmte sich gegen die Balliste und schob sie auf das Nordkastell. „Er kommt!“, rief sie mir noch zu. Doch ich war bereits dabei, einen Feuerstrahl zu beschwören. Draußen sprang Arrou gerade über die Mauer hinter die Balliste und löste sie aus. Der Geschossbolzen traf sein Ziel und löste ein schmerzerfülltes Gebrüll bei dem Wyvern aus. Im gleichen Moment zog Arrou seinen Bogen und spannte ihn. Ich schoss die gesammelte Energie als Feuerstrahl auf das riesige Tier, das daraufhin nur noch lauter brüllte und aggressiver wirkte als zuvor. Er kam näher, Annou-ki war gerade dabei die Balliste neu zu spannen, als der Thain seine Stimme zum Lied erhob. Bald sang er zweistimmig mit seiner Fylia. Musik so schön, dass die Welt einen Augenblick den Atem anzuhalten schien. Hagbart hatte sich also zu Herzen genommen, was wir auf dem Weg zur Burg Thursentrutz zu ihm gesagt hatten. Und dann bemerkten wir die Veränderung: Der Wyvern schlug merklich langsamer mit den Flügeln, wirkte insgesamt träger und nicht mehr so aggressiv. Trotzdem holte er in dieser Sekunde zum Schlag mit dem Schwanz aus und traf Anou-ki, die daraufhin wütend schrie und den Wyvern mit ihrem Kampfstab kitzelte. Unbeeindruckt grub dieser seine Klauen in die Balliste und biss den gesamten vorderen Teil ab. Mit Bedauern sah ich mein Meisterwerk zu Grunde gehen. Seleshas Feuerstrahl traf den Wyvern gleich darauf und holte mich ins Geschehen zurück. Arrous Pfeil traf zielgenau in ein Auge des Tieres. Meinem zweiten Feuerstrahl wich der Wyvern aus, ebenso dem Felsgeschoss von Selesha und er holte gerade zu einem weiteren Angriff aus, da versetzte Annou-ki ihm mit dem Kapfstab den Gnadenstoß. Diesmal traf sie und diesmal traf sie ihn richtig. Der Wyvern brach zusammen und atmete nicht mehr.

Nun galt es Ermengard Löwenherz zu finden. Mit den Materialien aus dem Lagerhaus bauten wir eine Brücke hinüber zum Südkastell. Der Brunnen, der dort stand erschien bodenlos. Einige Meter weiter unten steckte ein Speer in der Wand, den Anou-ki barg, gesichert mit einem Seil. Es handelte sich um die magische Lanze, mit der Ermengard gekämpft hatte. Vermutlich war sie in den Brunnen gestürzt und hatte die Lanze im Versuch, sich halten zu können, in die Wand gestoßen. Der Thain dankte uns viele Male. Die Überreste Ermengards würden wir später mit  Hilfe des Dorfes bergen können. Mit selbstgebauter Leiter erklommen wir den Bergfried und bahnten uns so den Weg ins Nest des Wyvern. Das erste, was uns entgegen schlug war ein Brechreiz erregender Gestank, der Selesha dazu veranlasste, in parfümierte Tücher zu atmen. Wir fanden einen Hirtenstab, den man wohl als Kampstab verwenden konnte, doch ansonsten war dort, abgesehen von abgefressenen Knochen, nichts zu holen.

Ich wollte den Leichnam des Wyverns zu Ehren Kashroks verbrennen und der Thain versprach mir, dies im Rahmen eines großen Festes auch zu tun.

Joselin hatte die Höhle ohne Schwierigkeiten gefunden und war dort auf eine sehr wütende Tiai gestoßen, die schon wieder munter wurde. Der Admiral schnarchte noch in seiner Ecke, doch Joselin erzählte mir später, Schmork habe nur simuliert, um Tiais Zorn zu entkommen. Als wir anderen auftauchten, waren er und Zork ganz plötzlich verschwunden.

Dem Thain mussten wir versprechen, dass wir die Nachtigall geheim halten würden. Er sei zu alt, um sich jetzt noch dem Spott der Leute auszusetzen, meinte er. Wir bezweifelten, dass es Spott geben würde, doch akzeptierten wir seinen Wunsch.

Den Hirtenstab ließen wir im Dorf mit einem Wyvernzahn verzieren und schenkten ihn Joselin. Als Erinnerung an dieses Abenteuer und als Lohn für seine Tapferkeit.

Das Amt des Thains übergab Hagbart an seinen Schwiegersohn Helgur. In seiner neugewonnenen, freien Zeit sang er regelmäßig in der großen Taverne am Marktplatz, was nicht nur ihn sondern auch alle, die ihm zuhörten, auf magische Art und Weise glücklich stimmte.

Und wir? Nun wir machten uns auf gen Süden in Richtung der Orklande. Doch sehr weit kamen wir nicht, denn schon am Tag unseres Aufbruchs von Westhaga stolperten wir geradezu in ein neues Abenteuer.

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Zur Illustration, wie es aussah, als Zork eine Ladung Wasser ins Gesicht von Admiral Schmork von Schlorf gespuckt hat.  ;D

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(Veröffentlicht in Anou-kis Auftrag :) )
Auszug aus dem Reisebericht von Anou-Ki (ft. Telkin)

Ich versuchte Jocelin noch vor dem Wyvern zu erreichen... Ein kurzer Blick zu Selesha, die die brennende Person augenblicklich löscht hatte, dann rannte ich los und bahnte mir einen Weg durch die aufgescheuchte Menge. Es war gar nicht so leicht. Immer wieder musste ich Personen ausweichen, was dank der Ausbildung von Shi Fu Huan Yon gelang. Kurz vor dem Jungen bemerkte ich Boszahn neben mir. Mein Herz fing an zu rasen, als ich die großen Flügel hörte, wie sie die Luft zum Zittern brachten. Die Klauen der Bestie schnellten nach vorn, nur knapp an mir vorbei und packten den Jungen. Mein Griff ging ins Leere und ich rollte mich auf dem Boden ab. Mit einem flauen Gefühl im Bauch blickte ich dem entschwindenden Untier hinter. Weg! Ich war zu langsam gewesen.
 
Langsam drehte ich mich um, schaute über dem Markplatz und erblickte das Chaos von Flüchtenden und Verletzten, dann meine Gefährten. Telkin lief sehr schnell zu dem Tisch hinüber unter dem Helgur begraben lag. Sofort erinnerte ich mich an den schweren Angriff des Wyvern gegen Helgur, sprang auf und rannte ebenso zu ihm herüber. Am Tisch angekommen, war Telkin schon dabei den schweren Tisch anzuheben. Sofort packte ich mit an und gemeinsam konnten wir den Tisch von dem Verletzten wegheben.

Helgur war übel zugerichtet. Seine Kleidung war an vielen Stellen zerfetzt und er blutete aus vielen Wunden. Telkin unterstützte mich bei der Untersuchung von Helgur um herauszufinden, welche Verletzungen die schwersten waren. Es war sehr schwierig und es dauerte seine Zeit. Zeit die er nicht hatte. Seine Atmung wurde immer flacher und fast hätten wir ihn verloren, wenn Telkin ihm nicht einen Heiltrank gegeben hätte. So hatten wir etwas Zeit ihn zu untersuchen. Die schlimmste Verletzung wo er am meisten Blut verlor, war ein offener Bruch am Bein, der umgehend behandelt werden musste. Ich versuchte erst die Blutung mit Verbänden zu stillen, was auch mit Telkins Unterstützung nicht gelang. Es sah fast aus, als ob Helgur in das Schattenreich überging. Als letzten Versuch begann ich einen Heilzauber auf ihn zu wirken, was ihm wohl etwas zu helfen schien. Plötzlich tauchte Eorik auf, ein Heiler aus dem Dorf. Er untersuchte Helgur kurz. Während dessen erzählten wir ihm, was wir schon behandelt und herausgefunden hatten. Er bat uns um Hilfe Helgur zum Bergfried zu bringen, er meinte, dass er Helgur dort helfen könne.

Während Telkin, Tiai und ich den Verletzten vorsichtig auf eine Tischplatte betteten und Tiai ihr Kissen Helgur unter den Kopf geschoben hatte, erzählte Eorik, dass der Wyvern sich in der alten Festung Tursentrutz eingenistet und noch nie das Dorf angegriffen hat. Der alte Verwirrte vom Dorffest schlich dabei um uns herum und murmelte immer etwas von Trank brauen und Helgur heilen. Eile war geboten und so ignorierten wir den Verwirrten, hoben die improvisierte Trage vorsichtig an und brachten Helgur in den Bergfried, der sich etwas entfernt vom Dorfplatz befand. Dort konnte Eorik Helgurs offenen Bruch behandeln. Was wir nur nicht rechtzeitig bemerkten war, dass der Verwirrte Alte, Helgur einen angeblichen Heiltrank einflößen konnte. Besorgt schauten wir zum Alten. Eorik fragte diesen ob der Trank aus Pilzen war, was der Alte mit wirren Worten bejahte. "Das ist nur ein Trank der aus Pilzen besteht und betäubt, nichts Gefährliches. Den Trank kenne ich schon. Helgur wird nun wahrscheinlich besser schlafen können und das," er zeigte auf den Alten, "das ist Admiral Schmork von Schlorf, mit seinem Widder Zork. Manchmal etwas wirr im Kopf, aber sonst harmlos." Er schaute etwas sorgenvoll zum Admiral und versorgte dann Helgur fachmännisch weiter.
Wir gingen schnellen Schrittes wieder zum Dorfplatz um weiteren Verletzen zu helfen. Während ich über den Dorfplatz ging, sah ich das die Verletzten teilweise schon versorgt oder abtransportiert waren. So half ich noch wo ich konnte, während Telkin, Selesha und Tiai mit Yared sprachen, der sich bei uns bedankte und versprach, dass wir weitere Ausrüstung vom Dorf bekämen, wenn wir zu Tursentrutz aufbrechen würden. Am Abend haben dann Telkin, Tiai und komischer Weise der Widder Zork in der Taverne genächtigt. Ich bin dann mit Selesha dem Angebot zur Übernachtung bei Yared gefolgt. Admiral Schmork von Schlorf schlief wo er war auf dem Marktplatz ein, nachdem er sich den Rest seines eigenen "Heiltranks" einverleibt hatte.
Am nächsten Morgen lag er noch immer ganz genauso da. Er hatte sich nicht einen Zentimeter bewegt und das morgendliche Treiben, das den Marktplatz mit Leben zu füllen begann, reichte nicht um den Admiral aus seinem Schlaf zu reißen. Als sein Widder ihn so dort liegen sah, trabte er in die Taverne und kam gleich darauf mit einem Maul voller Wasser zurück, dass er als kräftigen Strahl im Gesicht seines Herrn entleerte. Das weckte den Admiral dann schließlich doch noch und wir konnten alle gemeinsam aufbrechen.

Als erstes wollten wir nachsehen, wie es Helgur ging. Eorik sah sehr übernächtigt aus und Helgur noch etwas benommen. Nichts desto trotz erzählte Helgur, dass der Thain Hagbard schon in der Früh mit seinem Pferd in Richtung Tursentrutz aufgebrochen war, um Jocelin zu retten und den Wyvern zu besiegen. Hagbard überzeugte uns davon, schnell aufzubrechen und dem Thain zu helfen, da er meinte, dass er es alleine nicht schaffen würde. Da der Weg in steiniges Gelände führte, meinte Hagbard, dass wir diesen ohne Pferde gehen sollten. Wir würden den Thain wohl alsbald nicht einholen, so dachte ich. Doch Admiral Schmork von Schlorf hatte offenbar andere Pläne. Er begann reichlich unverständliches Zeug zu murmeln und sein Widder schwoll an, wuchs regelrecht, bis er die Größe eines kleinen Ponys hatte. Und mit einer Kraft, die keiner von uns dem alten Mann zugetraut hätte, hievte er den Zwerg auf seinen Widder und befahl Zork mit einem Hauch von Wahnsinn in der Stimme, er müsse den Thain aufhalten und dazu bewegen, mit uns zusammenzuarbeiten. Und weg war der Widder, schnell wie ein Blitz mit Telkin, auf dem Rücken. Die Folgende Szene ist dem Reisebericht Telkins entnommen, den er mir später zu lesen gab, damit ich meine Aufzeichnungen vervollständigen konnte.

„Ich war überrascht, als mich der Admiral einfach so auf Zork hob und dieser lospreschte. Doch es dauerte nicht lange und ich fand Gefallen an diesem Ritt. Ein Widder war einem Pferd oder gar einem lächerlichen Pony in so vielen Hinsichten überlegen, das merkte ich immer wieder. Aber obwohl Zork zwischendurch langsamer wurde und ein paar Mal anhielt, um am Wegesrand Gras und Gebirgskräuter zu rupfen, legte er ein beachtliches Tempo hin und wir erreichten alsbald den Thain, der in schleppendem Schritttempo den Berg hinauf ritt. Er sah ebenso erschöpft aus, wie sein Pferd, was kaum verwunderlich war. Die beiden waren schon die ganze Nacht unterwegs und sein Pferd, was wie alle Tiere seiner Spezies einfach zu weich für das Gebirge war, quälte sich sichtlich.

Ich ritt auf Zork neben ihn, sprach ihn an und begann zu erklären, was ich und meine Freunde von mir wollten. Doch er hörte mir gar nicht zu. Entgeistert blickte er den riesigen Widder an. Ich machte mich daran, den Zauber des Admirals zu erklären und stellte mich erneut vor, sagte, ich sei gekommen als Vorhut meiner Gefährten und wir würden ihn bei seiner Mission, den Wyrvan zu töten und seinen Enkel zu befreien gerne unterstützen. Wir müssten nur einige Zeit auf meine Freunde warten, dann könnten wir den restlichen Aufstieg zur Burg in der der Wyrvan hauste gemeinsam bewältigen. Der Thain jedoch lehnte unsere Hilfe jedoch strikt ab. Es sei eine Strafe von den Göttern, all das, sagte er und er müsse das alleine bewältigen. Ich wiedersprach. Versuchte ihn zu überzeugen, dass dieser Glaube Unsinn war, doch Helgur hatte uns ja bereitsvor der Starrköpfigkeit des Thain gewarnt. Es half kein Bitten und Flehen. Er ritt unbeirrt weiter. Da ergriff Zork die Initiative. Er griff den Thain an. Das Pferd scheute, doch der Thain konnte sich oben halten. „Haltet euren Widder zurück, Zwerg!“, zischte der Thain. „Oh, genau genommen ist das nicht mein Widder. Er ist sein eigener Herr. Er wird nicht auf mich hören.“, erwiderte ich. „Und was muss ich tun, dass dieses Vieh aufhört?“ „Auf unsere Forderungen eingehen, fürchte ich.“, sagte ich und konnte mir nur mit Mühe ein Grinsen verkneifen. Die Angriffe des Widders brachten ihn zum Anhalten. Unsere Hilfe jedoch wollte er noch immer unter keinen Umständen annehmen. Ich erklärte ihm, dass ich im Auftrag von Kashrok dazu verpflichtet sei, ihm zu helfen und das Böse in dieser Welt zu reduzieren. Doch der Thain blieb davon überzeugt, dass die Götter des Vollmonds und insbesondere Maneldin, der Krieger ihn strafen wollten. Der Thain mochte stur sein, doch das war ich auch und so stritten wir noch immer über den Weitergang der Reise, als meine Gefährten uns erreichten.“


Während Telkin und die Anderen mit dem Thain weiter über sein Vorgehen diskutierten und der Admiral immer lauter wurde, fiel mir die Nachtigall auf, die immer wieder um uns herum flog und sehr nah beim Thain blieb. Mir kam der Gedanke, dass die Nachtigall Jocelins Schutzgeist sein könnte. Ich hob eine Hand und redete mit dem Vogel, obwohl ich mir etwas komisch dabei vorkam. Ich war sehr erstaunt, als die Nachtigall meiner Bitte nachkam, sich auf meine Hand zu setzen. Anscheinend verstand mich dieser Vogel. Wie aber kann man ihn etwas fragen, wo er doch nicht reden kann. Ich versuchte es indem ich ihm sagte, wenn ich richtig mit meiner Frage liege sollte er kurz hochflattern und wenn nicht, dann solle er auf meiner Hand sitzen bleiben. Noch erstaunter war ich als die Nachtigall bei der Frage, ob sie Jocelin kennt hochflatterte und bei der Frage, ob sie Jocelins Schutzgeist war sitzen blieb und anschließend zum Thain rüberflog.  Vielleicht war doch nicht ein Pferd der Schutzgeist des Thains, sondern diese Nachtigall…

Als ich der Nachtigall hinterher schaute und mir meine Gedanken machte, sah ich wie der Admiral plötzlich auf den Thain zuging und ihn mit einem gezielten Schnitt durch die Sattelriemen vom Pferd holte. Was war in den Alten gefahren? Ich rief, dass sie aufhören sollten, was der Admiral wohl nicht hörte oder hören wollte. Er kreischte etwas davon, dass er die Lügen des Thains satt habe. Die anderen waren wie erstarrt und so ging ich kurzerhand dazwischen, um die Beiden auseinander zu halten. Ich ergriff Admiral Schmork von Schlorf an der Schulter und zog ihn mit einem Chi Kung griff vom Thain weg. Ich bemerkte zu spät, dass der von Schlorf gar nicht so schwer war wie ich vermutete und so flog der Alte ein paar Meter weit nach hinten und prallte unsanft auf dem Boden auf. Ich hörte nur ein kurzes Aufschreien, verzog erschrocken das Gesicht und bemerkte dann auch schon das Zork, sein Widder, auf mich zu rannte. Der Widder sah mein Eingreifen wohl als Angriff und wollte seinen Herren verteidigen. Als der Widder nah bei mir war, wich ich seinem Angriff aus und das Tier sauste an mir vorbei. Ich bemerkte aus den Augenwinkel Tiai etwas zaubern, anscheinend griff nun auch sie ein. Einen Augenblick später war mir klar, was sie gezaubert hatte. Der Boden um uns herum war plötzlich eine glatte Eisfläche. Der angreifende Widder legte sich aus seinem Lauf lang hin und blieb mit all seinen Vieren auf dem Eis liegen. Selesha stand verwirrt neben der Eisfläche und beobachtete offenbar völlig verdattert darüber, warum plötzlich alle kämpften, die Szene. Ich wollte nur noch diesem Chaos entrinnen und sprang mit dem Kranichsprung aus dem Stand heraus in Richtung Felswand, die ich nach ein paar Metern erreichte und mich dort, außer Reichweite des Widders, festhielt. Ich blickte auf alle unter mir und schütteltet mit dem Kopf... was für ein Durcheinander.
 
 


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Auszug aus dem Reisebericht von Telkin Feuerfaust für die Analen des Klosters von Kashrok in Westergrom
Auf hoher See, irgendwo zwischen Arwingen und Westhaga

Im Morkai-Kloster waren uns alle unsäglich dankbar, dass wir die gestohlenen Artefakte wieder an ihren rechtmäßigen Platz gebracht hatten. Ich bildete mir ein, spüren zu können, wie die Götter augenblicklich etwas friedlicher wurden.

Schließlich brachen wir jedoch von dort auf, um Jalander, einem Zirkelrat aus Arwingen, der die anderen erst auf die Spur des vergifteten Krähenwassers gebracht hatte, alles zu berichten. Dort wollten wir uns auch mit Moran treffen, einem unserer Reisegefährten, der bereits vorgeritten war, um in Arwingen Geschäfte zu tätigen.  Moran jedoch hatte sich bei Jalander nicht vorgestellt. Er war bloß des Nachts eingebrochen und hatte einen Brief und sechs Krähenbroschen für uns hinterlassen. In dem Brief  stand etwas davon, dass ihm die abrupte Trennung Leid täte und wenn wir ihn finden wollten, sollten wir in die Hauptstadt Sarnburg reisen und in einer Taverne unsere Krähenbrosche vorzeigen. Jetzt wütend zu werden, brachte rein gar nichts. Moran war längst über alle Berge, doch sollte ich ihn je wieder sehen, würde ich ihn dazu bringen Morkai, dem Gott des Lebens, ein Opfer abzulegen, als Entschädigung für den Spott an seinem Eigentum, das schwor ich mir.

Die Reise zu Pferde (oder in meinem Falle zu Pony) war eine unangenehme. Ich hätte den Fußweg vorgezogen, doch die anderen hatten recht: Wir hätten dadurch viel Zeit verloren. Also fand ich mich damit ab. Bei Jalander angekommen war mein Hintern wund und mein Magen knurrte so laut, dass das Geräusch mein verflixtes Pony scheu machte.

Jalander freute sich überschwänglich über die frohe Botschaft, die wir zu verkünden hatten: Das Wasser war sauber. Er begann sogleich damit, herumzuwuseln und ein Festmahl zuzubereiten. Besonders glücklich war er offenbar, endlich wieder Suppe machen zu können. Immer wieder stellte er während des Kochens Fragen zu unserem Abenteuer und wir berichteten ihm, was wir auf unserer Reise zu den Drachlingshöhlen erlebt hatten, wie wir Kaya Mordin befreit und wie wir mittels eines uralten Mechanismus das Wasser gereinigt hatten, um diesen anschließend zu zerstören, damit das Geschehene sich kein zweites Mal ereignen könnte.

Jalander zeigte sich erschüttert, aber unendlich dankbar und als er hörte, dass das Wasser im Fluss die Verwandlung der kranken Menschen in Krähen umkehrte und sie heilte, sprang er von der Tafel auf und rannte auf seinen krummen Beinen zur Türe hinaus, um das Hospiz zu benachrichtigen. Arrou und ich sahen uns nur kopfschüttelnd an und ließen uns den Rest des üppigen Spanferkels schmecken.

Die folgenden drei Tage verbrachten wir bei Jalander. Er hatte viel Platz in seinem Haus und bestand darauf, dass wir seine Gäste blieben.  Wir erledigten einige Besorgungen in Arwingen, kauften neue Waffen, Kleidung, Tränke, Proviant und was man sonst eben so braucht. Anou-ki und Selesha waren geradezu aus dem Häuschen darüber, sich endlich wieder nach Herzenslust Kleider und Schuhe in den Auslagen der Händler besehen zu können.

Am dritten Tag waren schon viele der verschwundenen Menschen wieder aufgetaucht, sie hatten sich von Krähen zurück in Menschen verwandelt. Die frohe Kunde und unser Wirken hatten die Runde gemacht. Die Stadt trug ein großes Fest zu unser Ehren aus und pries uns als Helden.

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich mich nur an den Anfang des Fests wirklich klar erinnern kann. Wir schlenderten durch Arwingens Straßen und kosteten mal hier mal dort von den Leckereien, die überall feilgeboten wurden. Plötzlich kam ein fülliger Mann mit breiten Schultern auf uns zu gerannt, der etwa Mitte 40 sein musste. Überschwänglich dankte er uns, sein Leben als Krähe sei furchtbar gewesen. Mit jedem Satz wurde seine Stimme lauter und wir begannen uns alle etwas unwohl zu fühlen. Der Mann sagte, er heiße Ruolf aus Hagbards Schar und lud uns enthusiastisch in seine Heimat, das Dörfchen Westhaga in der Region Zwingard, ein. Dort würde demnächst das „Fest des Lichts“ gefeiert werden.  Wir zögerten zunächst. Das Angebot erschien uns nicht allzu verlockend. Ruolf beteuerte zwar, dass Westhaga ein guter Ort sei um sich zu wahren Helden zu mausern, doch erstens hatte ich nicht das Bestreben ein großer Held zu werden, ich wollte lediglich Böses aus der Welt tilgen und meine wahre Bestimmung finden und zweitens schien Ruolf maßlos zu übertreiben, um uns zu locken. Ich hielt Zwiesprache mit Kashrok und er sprach zu mir: „Erinnere dich an deinen Auftrag, der dir aufgibt, in die Fremde zu gehen und deine Bestimmung zu finden. Wenn du nicht weißt, wohin du unterwegs bist- Telkin mein Schüler- ist es gleichgültig, wohin du ziehst. Folge dem Feuer und dem Fels und lass dich davon leiten.“ Ich interpretierte das als positives Omen und beschloss, mit Ruolf in sein Heimatdorf zu gehen. Anou-ki sagte, sie würde mich begleiten, woraufhin Selesha beschloss mit uns zu ziehen. Arrou knurrte und meinte, dass er uns nicht allein lassen könne und Tiai war bereit mitzukommen, solange wir auf einem Schiff reisen würden. Also war es beschlossene Sache. Ruolf würde ein Schiff organisieren und wir würden am nächsten Morgen ablegen.

Die restliche Nacht trank ich zu viel starken Wein. Dunkel erinnerte ich mich daran, dass ich irgendwann begann alte, zwergische Trinklieder zu schmettern. Wie ich ins Bett bei Jalander kam, weiß ich nicht mehr. Ich erwachte am nächsten Morgen in meiner Rüstung und mit leichten Kopfschmerzen. Die anderen sahen auch alle etwas geschafft aus, doch wir packten unsere Sachen und stachen noch vor der Mittagssonne mit der „Nebelkrähe“ in See.

Die Überfahrt soll etwa zwei Wochen dauern und ich verbringe meine Zeit damit, einen neuen Feuerzauber zu erlernen. Gestern hätte jedoch fast das Segel Feuer gefangen und der Kapitän hat mir befohlen, damit aufzuhören. Und hier sitze ich nun, an Deck und schreibe unser Abenteuer auf.

In einer Taverne, Westhaga

Ich fühle mich noch immer etwas erschlagen von den Ereignissen, die wie ein Sturm über uns hineinbrachen als wir in Westhaga eintrafen. Den letzten Weg mussten wir zu Fuß zurücklegen und froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, waren wir alle blendender Laune. Mit Ausnahme von Tiai vielleicht, die offenbar das Meer schon wieder vermisste, als wir das Schiff noch gar nicht verlassen hatten. Ich jedenfalls freute mich auf ein gutes Fest, auch wenn ich hier in der fremden Umgebung wachsam war und beschlossen hatte diesmal weniger zu trinken.

Wir saßen mit Ruolf an einem der Tische auf dem Marktplatz, überall waren bunte Lampions aus Schweineblasen aufgehängt, die den Platz in einen warmen Lichtschein hüllten. In der Mitte briet ein ganzer Festochse über dem Feuer. Es roch herrlich und es sah wunderschön aus. Nur Anou-ki zeigte sich von der Dekoration unbeeindruckt. „Ihr müsst einmal in meine Heimat kommen, wenn dort ein Fest gefeiert wird. Unsere Lampions sind aus Papier, das sieht viel eleganter aus und wir haben ein großartiges Feuerwerk.“, sagte sie.

An einem Ende des Marktplatzes erhob sich nun ein etwa 60 jähriger Greis mit grauen Haaren und Bart. Er hob sein Glas und hielt eine Rede, in der er den Göttern dankte und das Fest für eröffnet erklärte. Er hatte eine sehr tiefe, melodiöse Stimme, doch keines seiner Worte schien wirklich von Herzen zu kommen. Stattdessen klangen sie wie auswendig gelernt und pflichtschuldig aufgesagt. Meine Aufmerksamkeit schweifte ab von dem Mann mit den traurigen Augen, der, wie ich Ruolfs geflüsterten Erklärungen entnehmen konnte, Thain Hagbard Donnerruf von Westhaga  hieß. „Der große, drahtige Mann an seinem Tisch ist sein Schwiegersohn Helgur aus Hagbards Schar. Er hat nur ein Bein, seht, Helgur ist zwar einer der fähigsten Orkspäher der Stadt gewesen, doch einmal hatte er einen wirklich unschönen Zusammenstoß mit einem dieser Monster. Und das dort, der kleine Junge ist der Enkel des Thains. Er heißt Jocelin“ Helgur hatte einen mickrigen, aber gepflegten Kinnbart und lange, schwarze Haare und auch er konnte eine gewisse Traurigkeit  in seinen Augen nicht verbergen. Vor den beiden erwachsenen Männern standen Schilde, offenbar mit ihren Wappentieren. Auf dem Schild des Thain war ein steigendes, schwarzes Ross abgebildet, auf dem von Helgur war ein Falke zu sehen. Doch es gab noch ein drittes Schild. Es stand vor dem leeren Platz zwischen dem Thain und Helgur und zeigte einen stattlichen Löwen.  „Kommt da noch jemand?“, fragte ich Ruolf. „Wohl nicht.“, erwiderte dieser auf einmal merklich bedrückter als zuvor. „Das Schild gehört der Tochter des Thain: Ermengard Löwenherz. Ich habe es selbst vorhin erst gehört, schließlich war ich lange nicht hier. Doch es hat sich wohl ein Wyvern namens Boszahn vor unserer Stadt eingenistet. Ermengard ist…. Sie war die tapferste Kriegerin der Stadt und ritt los, ihn zu besiegen. Doch einzig ihre Knappin kam schweiß- und blutüberströmt zurück und berichtete von ihrem qualvollen Tod.“ „Wie schrecklich.“, flüsterte Selesha. Wir anderen blickten uns stumm an und ich war mir sicher, dass sie in dem Moment dasselbe dachten, wie ich. Dieser Stadt musste geholfen werden. Boszahn musste weg!

Thain Hagbard hatte indes seine Rede beendet und das Volk jubelte ihm zu. Es schien, als wollte niemand an die Schrecken erinnert werden, die vor den Stadtmauern lauerten. Trotzdem lasteten die Ereignisse wie ein düsterer Schatten über dem Fest des Lichts und den Feiernden. Die Feier begann. Es wurden Geschichten erzählt. In der Mitte des Platzes, wo der Ochse briet, gingen jetzt zwei Männer mit Holzstäben aufeinander los. Ein Schaukampf, um den sich bald eine Menschentraube bildete. Musikanten spielten auf und verschiedene Sänger und Barden gaben ihre Lieder zum Besten. Anou-ki stimmte ein Stück in ihrer Heimatsprache an und obwohl niemand die Worte verstand, fand ihr Gesang durchaus Anklang. Als der Schaukampf beendet war, wurde ein neuer begonnen und schon bald waren alle Gedanken an den Wyvern und die tote Ermengard Löwenherz in den Hintergrund gerückt.

Plötzlich nahm ich einen Tumult am Tisch des Thain wahr. Ein in Lumpen gekleidete Greis war auf dem Marktplatz erschienen, gefolgt von einem stattlichen Widder, der auf seltsame Weise grimmig wirkte. Er beschimpfte den Thain aufs Übelste. Wie er es wagen könne, angesichts des Wyvern vor den Mauern dieses Fest abzuhalten. Schließlich zog der Verrückte, augenscheinlich zufrieden mit der Abreibung, die er Hagbard verpasst hatte wieder ab und lief in unsere Richtung. Da geschah es. Wie aus dem nichts stürzte ein Wyvern auf uns herab. Völlig perplex waren wir einige Sekunden wie erstarrt. Dann hörte ich, wie Arrou auf unseren Tisch sprang und seinen Vargenbogen zog. Tiai griff ihre Eislanze. Der verrückte Mann in Lumpen ging unbeirrt zum Ochsen und nahm sich etwas zu essen, während sein Widder ihn wütend taxierte. Ich stürzte nach vorn auf den nächsten Tisch zu, sprang hinauf und machte mich daran meinen neu erlernten Feuerstrahl vorzubereiten. Während ich mich konzentrierte und spürte, wie die Energie meines Gottes in meinen Händen zusammen kam, sah ich wie Boszahn Hagbard verletzte und den Jungen Jocelin, der versuchte wegzulaufen, mit seinem mächtigen Schwanz niederstreckte. Helgur versuchte den Wyvern anzugreifen, doch Boszahn war stärker und seine scharfen Krallen gruben sich in dessen Brust. Der Orkenspäher brüllte vor Schmerz. Aus den Augenwinkeln  sah ich die Menge in Panik geraten, alles schrie durcheinander und drängte vom Marktplatz. Ein Mann übergoss sich beim Fluchtversuch mit Lampenöl und fing Feuer, doch Selesha gelang es, ihn mit ihrer Reisedecke zu löschen und sanft auf den Boden zu betten. Anou-ki bahnte sich einen Weg durch die Menge, auf Jocelin zu, der sich mittlerweile aufgerappelt hatte. Der Verrückte Mann befahl seinem Widder „Zork“, den Wyvern anzugreifen, doch der Widder war offenbar nicht lebensmüde und ging stattdessen auf seinen Herrn los. Ein Pfeil sirrte dicht an meinem Kopf vorbei, Arrou hatte geschossen, doch obwohl er sehr gut getroffen hatte, beeindruckte dies das Untier nur wenig. Stattdessen griff er ein weiteres Mal Hagbard an und streckte Jocelin erneut mit einer Schwanzbewegung nieder. Ich wandelte die Energie in meinen Handflächen in einen Feuerstrahl um, nahm allen Schwung mit, den ich kriegen konnte und schoss auf den Wyvern, der jetzt schmerzerfüllt aufkreischte, als ihn Flammen umwirbelten. Er ließ von Hagbard ab, drehte sich herum und packte Jocelin, der laut kreischte. Auch Hagbard brüllte und ich konnte nicht sagen, ob aus Schmerzen oder aus Verzweiflung und Angst um seinen einzigen noch lebenden Erben. Es half nichts, der Wyvern hatte den kleinen Jungen gepackt und flog mit ihm über die Stadtmauern hinweg, bis er außer Sichtweite war. Die Menge im Dorf verstummte mit einem Mal. Bis auf Hagbards Gebrüll, Helgurs Stöhnen und vereinzeltes Keuchen war es gespenstisch ruhig auf dem Marktplatz und die Lampions, die zuvor noch eine so gemütliche Atmosphäre verbreitet hatten, wirkten nun als verspotteten sie mit jedem Flackern den Thai und die Menschen aus Westhaga, die es sich erlaubt hatten im Angesicht der Gefahr ein Fest zu feiern.

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