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Spielwelt und Abenteuer => Lorakis - Die Welt von Splittermond => Thema gestartet von: SeldomFound am 02 Okt 2015, 17:12:03

Titel: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: SeldomFound am 02 Okt 2015, 17:12:03
Ich meine, es gibt zwei Herangehensweisen an die Denk- und Lebensweise in einer Welt wie Lorakis:

1) Phantastischer Realismus: Das Denken und Leben soll ausreichend genau an den aktuelle Forschungsstand über das Leben und Denken im Mittelalter orientiert sein, nur mit Magie und Drachen.

2) Konsistente Fantasie mit akzeptablen Ausnahmen: Es reicht, wenn das Denken und Leben in Lorakis ausreichend nah an die populärkulturellen Vorstellungen der Fiktion herankommt. Es sollte eine Konsistenz geben, doch diese kann jederzeit durch die dramaturgischen Regeln von Coolness, Spaß, Tragik, Horror, usw. gebrochen werden.


Gerade bei der 2. Herangehensweise benutzt man gerne "moderne" Denkansätze für Plots und Charakterideen, da man mit diesen am meisten vertraut ist.

Insofern ihr die 2. Herangehensweise pflegt, habe ich ein paar Fragen an euch:

1. Wieviel "modernes" Denken darf es sein?

2. Sofern hier es rechtfertigen müsst, was sind eure Erklärungen?

3. Inwiefern erlaubt ihr in euren Gruppen eine "Modernisierung" der Welt durch die SCs?
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: JohnLackland am 02 Okt 2015, 17:33:49
Hemm... hatten heute schon mal was ähnliches und zwar hier: http://forum.splittermond.de/index.php?topic=3481.0

Ich kann nix mit 1 und 2 Anfangen... und würde 3 aufmachen:

3.) Phantastische Utopie mit mittelalterlichen Standeswesen, Staatsstrukturen und Architektur im positiven Sinn die es zu verteidigen gilt gegen finstere Mächte, Schatten der Vergangenheit und Feinde der Zivilisation... (eigentlich ist das wirklich mal nen eigenes Setting Wert)

Fragen zu deinen Fragen.
1.) Definiere mir bitte modernes Denken und dann das Gegenteil davon.

Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: SeldomFound am 02 Okt 2015, 17:53:50

Fragen zu deinen Fragen.
1.) Definiere mir bitte modernes Denken und dann das Gegenteil davon.

Ich habe "modern" absichtlich in Anführungsstriche gesetzt, denn gerade diese genaue Definition ist eigentlich nicht möglich. Jedoch, im Rahmen dieses Forums könnte man damit alles einordnen, was als "nicht passend" für Lorakis betrachtet wird, weil es "zu weit fortgeschritten ist", wie etwa eine pathologische Vorstellung von Geisteskrankheiten.

Doch was als "zu weit fortgeschritten" gilt, da scheinen sich für mich die Meinungen stark zu unterscheiden, deshalb würde ich gerne es etwas genauer wissen, welche Inhalte man als "unpassend" ansieht und wie man damit in seiner Gruppe umgeht.


Übrigens, ich sehe nicht wirklich eine Verbindung zu deinem Thread, John. Du fragst darüber nach, wie "zivilisiert" Lorakis ist, doch ich frage danach, wie viel "Modernität" man in seinen Lorakis aus dramaturgischen Gründen in seinem Lorakis duldet, diese innerhalb der Welt erklärt und ihre Einführung erlaubt.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: TrollsTime am 05 Okt 2015, 09:03:07
Mein ursprünglicher Ansatz war relativ einfach:
1.) Man nehme die Realität
2.) Ergänze sie um Magie, Götterwirken etc.
3.) Beachte Wechselwirkung von 2.) auf 1.)
4.) Fertig!

Naja, ganz so einfach ist das ja nicht...
Mittlerweile versuche ich den "Geschmack der Autoren" nachzuempfinden:
A) Schimmert eine Tendenz zu Gothic Horror durch?
B) Anime-Fantasy? (Man kann schwerbewaffnet in einem kleinen Dorf magische Gegenstände kaufen und keiner stört sich dran)
C) Kiesow-chique? (Alles wirkt irgendwie etwas "braver" als erwartet)
D) Märchenanklänge? (teilweise noch braver als Kiesow-chique, teilweise hardcore Gothic Horror)
E) Wirkt das ganze cthulluesk? (Zwar High-Fantasy im tiefen Hintergrund, die Charaktere haben aber nur murksige Fertigkeiten ebenso wie die Bewohner)
F) Heldenspiel als Tendenz (Abenteurer sollen etwas besser sein als der Durchschnitt)
G) Heldenspiel par Excellence (Abenteurer sind wesentlich besser als der Durchschnitt)
H) Besteht ein Abgleich der Regeln zur Magie mit der Gesellschaft? Wie sieht es mit Alltagsmagie aus?
I) Wird der Abgleich unter H) bewusst ignoriert und wenn ja wieso?
J) Wie stark orientiert sich die Welt am Mittelalter? Wenn ja, an welchem?

Z) Was will ich überhaupt?

Und das sind ja auch nur "meine" Definitionen. Und selten trifft nur einer der Punkte zu.
Womit ich gar nicht leben kann:
i) "Ist halt Fantasy" als Totschlagsargument
ii) Ein "Das könnt ihr nicht wissen"-Spielstil bei denen das Allgemeinwissen der Spieler ignoriert wird (soweit so gut) ohne diese Lücke durch weltspezifisches Allgemeinwissen/können der Charaktere zu ergänzen.
iii) Zwang zum Bauerngaming
iv) Zwang zum Powergaming, bzw thread-spezifisch "Ihr wisst alles, was ihr wollt"-Stil

Na, da hat TT schon jede Menge geschrieben, ohne wirklich mal auf den Punkt zu kommen:
Ich bevorzuge einen "erdigen" Stil, ergänzt durch fantastischen Blingbling. Das jeweils eine ergänzt das andere sinnvoll.
Ich orientiere mich grob am Mittelalter bzw an der Renaissance.
Was für fantastischen Blingbling gilt, gilt für mich auch eingeschränkt für profane Fertigkeiten.
Es reicht für mich, wenn die Kampfkunst eines Charakteres grob "authentisch" wirkt.
Was für die Kampfkunst gilt, gilt auch für intellektuelle Fähigkeiten.

Mithin komme ich zu dem Schluss, dass
-- Geisteskrankheiten (obgleich irdisch erst sehr spät wissenschaftlich untersucht und dann oft falsch behandelt)
-- Sanatorien (sei es klassisch als Tempel, der sich um die "Geistig armen" kümmert oder als modernes Sanatorium)
-- Lobotomie und ähnliche brutale "moderne Skurilitäten"
mit meinem Geschmack von Fantasy im Allgemeinen oder Lorakis im Besonderen nicht kollidiert.


Etwas schwerer tue ich mich mit Elektrizität und Feuerwaffen/Schwarzpulver.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: rettet den wald am 05 Okt 2015, 09:20:45
1. Wieviel "modernes" Denken darf es sein?

Ich persönlich kümmere mich da nicht darum, vor allem weil ich niemandem vorschreiben will (und selbst nicht vorgeschrieben bekommen will), dass eine bestimmte Denkweise für einen mittelalterlichen Charakter "zu modern" ist. Vor allem bei Detektivabenteuern sind wir bei der Methodologie eher im einundzwanzigsten Jahrhundert als im zwölften, weil mittelalterliche Vorstellungen davon, wie man bei einem Verbrechen den Schuldigen findet, für uns ganz eindeutig zu dämlich wären.



2. Sofern hier es rechtfertigen müsst, was sind eure Erklärungen?

Es gibt einen deutlich Unterschied dazwischen, wie weit fortgeschritten eine Gesellschaft technologisch und, und wie weit fortgeschritten sie kulturell ist. Ich nehme bei klassischer Fantasy meistens eine Kultur an, die in etwa auf unserem modernen Niveau ist (oder bei bestimmten Fantasy-Kulturen sogar noch fortgeschrittener), und technologisch halt im Mittelalter. Ich sehe dabei nicht wirklich ein Plausibilitätsproblem.



3. Inwiefern erlaubt ihr in euren Gruppen eine "Modernisierung" der Welt durch die SCs?

Gar nicht. Die Welt bleibt statisch, nur halt statisch in den oben angegebenen Parametern.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: Nevym am 06 Okt 2015, 16:15:03
Erst mal vielen Dank an SeldomFound, das ist mal wieder ein Thema ganz nach meinem Geschmack, daß mir schon beim Lesen viel bringt...

Also eigentlich wollte ich erst Punkt für Punkt drauf eingehen, nur finde ich, das mir eher TrollsTime's Darstellung besser gefällt. Ich "kranke" schon an den Begrifflichkeiten "Phantastischer Realismus" und "Konsistente Fantasie mit akzeptablen Ausnahmen", bzw auch "Phantastische Utopie mit mittelalterlichen [Aspekten]" - siehe Referenzen im Spoiler.
Vor allem verwirrend für mich, daß ich bei Seldom die Beschreibung von 2) zum Phantastischen Realismus zugeordnet hätte und mit dem Rest gleich ein weinig gehadert habe...
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
Mein Hauptproblem bei allen Phantasy-Welten ist nicht die Vorstellung/Vorstellunskraft, sondern der "Standort des Betrachters" - so will ich es einmal nennen - den gilt es mir zu beachten und als Ausgangspunkt herzunehmen.
Zunächst einmal ist es die Ansichte eines Authors, der einen Teil der Phantastische Welt beschreibt.
Dann ist es der Standpunkt des Lesers und wie er das gelesen interpretiert.
Und hier trennt es sich dann nach den "Rollen" auf, die der Leser in dieser Phantastische Welt einnimmt/einnehmen möchte/einnehmen wird.
Ideal fände ich es, wenn sich bis hier die Interpretation und das Verständnis vond er Phantastischen Welt sehr ähnlich wären, zumindest in Bezug auf die Lebensweise, Sichtweise, wissenschaften usw., die ein beliebiger Bewohner dieser Phantatstischen Welt hat/haben könnte.
Das ziegt auch meinen persönlichen Fokus. Mir ist in welcher Rolle auch immer ein Verständnis wichtig wie ein normaler Bewohner einer Phantastischen Welt gerade seine Umgebung sieht. Der Städter in Mertialia hat dabei sicher eine andere Sichtweise, wie der Pilger in Siprangu, ein Bewohner nördlicher Wälder oder Tundren sicher eine andere Sichtweise wie einer aus dem Dämmerwald.
Und dann überlege ich mir wie ein bestimmter alltäglicher Bewohner des aktuell zu betrachtenden Umfelds dieses sieht/sehen könnte. Was da auf Basis der Interpretationen der Schriften eines Authors rauskommt ist dann "modern" in der Umgebung... Will man also z.B. die Technik betrachten, ist die Person in die ich mich versuche hineinzuversetzen vielleicht ein Schmied, Wagner, Baumeister oder "Konstrukteur" (das wäre dann schon fast ein Helden-Char.). Geht es um Reisen oder eine Suche in der Wildnis, so wären Händler, Krämer, Jäger oder ein "Forscher" meine Wahl.
Von meinen Vorlieben her hab ich es gerne etwas wenier abgedreht, "high-phantasy" und "kraftvoll (powerfull)". Ich bevorzuge "Realismus", der sich mir erschließt, indem ich mir vorstelle, was ein belibiges Wesen (siehe oben) braucht um in dieser Welt und Umgebung normalerweise existieren zu können. Welche Fähigkeiten/Zauber/Glaube/Technik/etc. braucht der Baumeister/Schmied/Bauer/Tagelöhner/usw. um ein normales Leben zu führen, wie könnte dieses aussehen und was würde diese PErson als Abweichung von seiner Sicht auf die Welt sehen...

Und damit löst sich dann schon alles auf. Damit gibt es halt nicht den Krämer, der mit der Mega-Waffe rumdengelt, sondern der wird Konflikten aus dem Weg gehen und lieber fersengeld geben als Widerstand (nur als Bsp.)

Das ist oft schwierig, wenn man die Regel dazunimmt, die ja eingentlich "über die Welt" gestülpt sind um diese erfahrbar, aber auch prüfbar zu machen. Grad bei (gewachsenen) Spielwelten wie SR (SteamPunk, diversen SciFi, nahe Vergangenheit, ...), die viel mehr (aktuelle) Bezüge haben als phantastische Welt der "Historie" (Uhrzeit bis Spät-MA-Anklänge), komme ich dennoch immer wieder ins schwimmen, auch z.B. bei "mittelalterlichen Settings" (zu denen ich mich schon mal mit beschäftigt habe).
Grad SR ist ein gutes Beispiel. Meine Vorstellungen von der Matrix sind relativ realitätsbezogen (Neuronales Netzwerk) welche aber von den Regeln nicht gut unterstütz werden, da diese immer noch auf den Annahmen der letzten 40- 20 Jahren beruhen und diese haben die Regelkonstrukte manifestiert. Die streng angwandet regeln sind aber für mein reales VErständnis schwer nahczuvollziehen und zu erfassen
Warum erwähne ich das?
Reales Wissen sollte normalerweise nicht die Spielwelt beeinflussen oder aber man läßt sich drauf ein reales Wissen der realen Beteiligten einfließen zu lassen, dann aber löst sich fast jede Phantasie, Mystik, Emotionalität und all das auf was ich am RRPG schätze. Da bin ich dann bei einer Simulation, etwas vile freier, aber doch sehr ähnlich den Computerspielen (mal als anderes Extrem genannt)

Hoffe ich hab die intension so richtig interpretiert ^^
Jo un dann nochmal auf die einzelnen Beiträge eingegangen.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: Weltengeist am 06 Okt 2015, 17:34:27
1) Phantastischer Realismus: Das Denken und Leben soll ausreichend genau an den aktuelle Forschungsstand über das Leben und Denken im Mittelalter orientiert sein, nur mit Magie und Drachen.

Das scheitert ja eigentlich schon daran, dass moderne Settings für den Massenmarkt (und somit auch Lorakis) eigentlich immer versuchen, politisch korrekt zu sein. Gleichberechtigung, Chancengleichheit, Ablehnung von Rassismus in den meisten nicht-bösen Kulturen, Freizügigkeit (https://de.wikipedia.org/wiki/Freiz%C3%BCgigkeit), Gedankenfreiheit, rationaler Umgang mit Krankheit und Behinderung u.v.a.m. wären dem durchschnittlichen Bewohner des mittelalterlichen Europas höchst seltsam vorgekommen. Und umgekehrt sind Menschen, die im Geist der Aufklärung aufgewachsen sind, meist außerstande, sich überhaupt in eine Welt hineinzudenken, in der all diese Punkte keine Selbstverständlichkeit sind.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: Cifer am 06 Okt 2015, 17:52:36
Fragen zu deinen Fragen.
1.) Definiere mir bitte modernes Denken und dann das Gegenteil davon.
Eine Definition wird schwerfallen, aber es gibt doch einige Mentalitätsunterschiede zwischen "heute" und einem wie auch immer gearteten "damals", die relativ bedeutsam sind. Spontan einfallende Beispiele wären:
Universelle Rechte: Der Gedanke, dass ein Mensch bestimmte Rechte hat, nicht weil er ein Vertragsverhältnis mit einem anderen eingeht, der sie ihm zugesteht, sondern einfach, weil er existiert.
Gleichheit: Relativ eng verbunden mit dem vorigen Konzept die Überlegung, dass es keine "besseren" und "schlechteren" Menschen gibt - kein Gottesgnadentum oder Mandat des Himmels, das den einen von Geburt an zu etwas höherem bestimmt und den anderen nicht.
Patriotismus/Nationalismus: Kommt größtenteils erst im Zeitalter der Nationalstaaten auf. Davor ist der Landbevölkerung relativ egal, wer sie grad mal wieder erobert - solange die Abgaben und sonstigen Rechte gleich bleiben, sollen sich die hohen Herren halt die Köpfe einschlagen, wie sie es für richtig halten.

Runden, in denen die drei Konzepte ausgeblendet werden, fühlen sich durchaus anders an als solche, bei denen das nicht der Fall ist, wenn man in politischen Settings wie Dalmarien unterwegs ist.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: sindar am 07 Okt 2015, 13:15:21
In Runden, in denen die ersten beiden Konzepte ausgeblendet werden, mag ich gewiss nicht mitspielen. (Das Dritte kann ich notfalls ignorieren, mit ihm fuehle ich mich aber wohler.)

Geht es noch mehr Leuten so?
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: TrollsTime am 07 Okt 2015, 13:28:09
1.+2.) Dass Charakter A ingame weninger Rechte hat als B, davon gehe ich meist aus. Der Reiz ergibt sich daraus, wie die "außergewöhnlichen" Abenteurer mit diesen Schranken umgehen.
Gerne anders als 98% der Bevölkerung.
Aber schlicht ignorieren finde ich extrem langweilig.

3.) Nationalstolz, auch Rassen- oder Speziesstolz kommt vor. Und ich als Spieler finde letztere beide (und ersteres in der Übersteigerung) auch ganz schlimm. Aber mein Char halt nicht....
Hier besteht für mich der Reiz darin
a) Den Charakter anders und damit "schwächer" zu spielen als mich selbst
b) Gedankenspiele, inneren moralischen Diskurs anzustoßen
c) Eine Wandlung des Charakters darzustellen... und damit einen wandelbaren Umgang mit den eigenen Vorurteilen des Charakters.

4.) Für Drogenhandel... äh huch "Alchimie" geht ähnliches: Dem Char gestehe ich einen vollkommen unbefangenen und unvorsichtigen Umgang damit zu. Mir selbst nicht.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: rettet den wald am 07 Okt 2015, 14:23:55
Ok, ich denke wir haben jetzt schonmal ein paar Punkte zusammen, was "modernes Denken" von "mittelalterlichem Denken" unterscheidet: Gleichberechtigung, Menschenrechte, Aberglaube, Rechtsauffassung, Patriotismus, etc.


Der Grund, warum ich persönlich nicht in einer "realistischen" mittelalterlichen Welt spielen, will, ist ganz einfach der: Eine Gesellschaft, in der du für so Sachen wie "Dich zu weit von deinem Dorf entfernen", "Etwas tun, was nicht für dein Geschlecht oder deinen Stand angemessen ist" oder auch einfach nur "Mangelnde Sexualmoral" gleich hingerichtet wirst, ist für mich automatisch ein Feind. Ich würde (zumindest standardmäßig) keinen Charakter spielen wollen, der eine derartige Gesellschaftsordnung toleriert, und schon gar nicht einen, der sie aktiv unterstützt.

Wenn ich mir jetzt im Weltband die Beschreibung von (zum Beispiel) Selenia anschaue, dann sehe ich keine definitive Bestätigung, dass die dortige Kultur in diesem Sinne "realistisch mittelalterlich" ist, und dementsprechend gehe ich einfach mal davon aus, dass sie es nicht ist. Wenn ich das nicht tun würde, hätte ich fast nirgendwo auf Lorakis Leute, mit denen ich mich als Spieler identifizieren kann.

Diejenigen Reiche, die eher in Richtung "realistisch mittelalterlich" gehen (Midstad, Dalmarien, Westergrom, etc.) werden auch im Weltband nicht wirklich als "tolle Orte zum Leben" beschrieben, und eignen sich eher für Abenteuer, wo man gegen die entsprechenden Autoritäten arbeitet, zumindest so wie ich das lese.


So Dinge wie die Existenz des Adels, der Gilden und von Priestern mit großem weltlichen Einfluss kann ich akzeptieren, das heißt aber nicht, dass meine Charaktere sie toll finden müssen.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: TrollsTime am 07 Okt 2015, 14:39:58
@ rettet den Wald

Jetzt verstehe ich dich.
An sich hast du recht.

Ich bevorzuge "abgeschleiftes realistisches Mittelalter". Also weder den Hardcore "Morgen wird dein Dorf niedergebrannt, weil Bauer Erkenschwick frech wurde, als die Ritter von Baron Mumpitz seine Frau ..."
noch eine Vollutopie im Sinne eines "Hobbithausen".

Realismus und Fantasie  und Utopie ergänzen sich für mich gegenseitig. Die Dystopie verwende ich nur hinundwieder als dramaturgisches Gewürz.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: SeldomFound am 07 Okt 2015, 14:47:23
Das größte Problem bei einem "realistischen Mittelalter" wäre wohl auch die eingeschränkte Mobilität. In einem "realistischen" Setting dürften wir nur die Agenten reicher Handelshäuser oder ähnliches spielen, denn ansonsten hätte niemand die Ressourcen für solche Reisen.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: TrollsTime am 07 Okt 2015, 15:02:31
In einem realistischen Setting werden wir Bauern einfach Wilderer oder Räuber
oder werden in den Krieg gezogen.

Aber nein, die Auswahl eines "streng realistischen Systems" wäre mir auch zu klein.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: JohnLackland am 07 Okt 2015, 15:04:09
Ein Rollenspiel ist eine Fiktion die durch die Vorstellungen von allen Spielteilnehmern ensteht. Da wir alle nicht im Mittelalter gelebt haben, oder in der Renaissance oder selbst Anfang des letzten Jahrhunderts wird es schwierig. Selbst dann hat jeder nur die Facette dessen was er selbst erfahren hat und entwickelt seinen Charakter, Rolle aus seiner Vorstellung.

Meiner Meinung nach, spielen jene die versuchen besonders Mittelalterlich oder irgendwie anders zu spielen, nur nach ihren Vorstellungen ohne wirklich zu wissen wie es war, selbst Autoren geben nur ihr Bild ab, ihre Vorstellungen wieder.

Im übrigen finde ich auch spannend wie viele Vorurteile über das Mittelalter existiert und auch gerne in solchen Diskussionen wie sie hier geführt werden wiedergegeben. Im Mittelalter ging es zum Teil relativ freizügiger und freiheitlicher zu, als in der Biedermeierzeit was Moral betraf. Die christliche Kirchen hat noch gar nicht solch eine Macht in vielen Gebieten Europas, damals vermischten sich häufig Urtümliche Mythologien mit den Christentum. Am besten erkennt man dies ja sogar noch an den Wochentagen, im Englischen besser als im Deutsche. Wednesday im althochdeutschen Wodanstag oder Freitag von Freya und nicht nicht weil da jemand Frei hatte. Die Meisten Hexenverbrennungen fanden zum Beispiel in Europa überwiegend in der Frühen Neuzeit statt, von 1450 bis 1750 statt.
Mittelalter geht vom ca. 6. bis 15. Jahrhundert.  Davor war die Antike, danach die Neuzeit. Da wird hier auch gerne viel zusammengeworfen und im Setting von Lorakis sehe ich viele verschiedene Aspekte von vielen Epochen.

Nehmen wir mal die Feudalherrschaft in Europa: Die feudale Gesellschaft entstand im Frühmittelalter durch eine Verschmelzung der sich auflösenden antiken Gesellschaft und der germanischen Gesellschaften. Nach der Völkerwanderung entstanden auf dem Gebiet des ehemaligen römischen Reiches mehrere germanische Königreiche. Die oben beschriebenen feudalen Institutionen entwickelten sich aber erst nach dem Jahr 800 im Reich der Franken, als eine vormals zum Teil freie Bauernschaft durch ständige Kriege und Invasionen der Wikinger, Sarazenen, Magyaren etc. ökonomisch ruiniert und so in die Abhängigkeit von den Feudalherren gezwungen wurde. In Lorakis hat sich das ganz anderes entwickelt.

Lorakis ist Modern für mich, Modern mit einem Ständesystem das an der Feudalherrschaft angelehnt ist.

Edit: Rechtschreibung
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: Nevym am 07 Okt 2015, 15:14:09
1) Phantastischer Realismus: Das Denken und Leben soll ausreichend genau an den aktuelle Forschungsstand über das Leben und Denken im Mittelalter orientiert sein, nur mit Magie und Drachen.

Das scheitert ja eigentlich schon daran, dass moderne Settings für den Massenmarkt (und somit auch Lorakis) eigentlich immer versuchen, politisch korrekt zu sein. Gleichberechtigung, Chancengleichheit, Ablehnung von Rassismus in den meisten nicht-bösen Kulturen, Freizügigkeit (https://de.wikipedia.org/wiki/Freiz%C3%BCgigkeit), Gedankenfreiheit, rationaler Umgang mit Krankheit und Behinderung u.v.a.m. wären dem durchschnittlichen Bewohner des mittelalterlichen Europas höchst seltsam vorgekommen. Und umgekehrt sind Menschen, die im Geist der Aufklärung aufgewachsen sind, meist außerstande, sich überhaupt in eine Welt hineinzudenken, in der all diese Punkte keine Selbstverständlichkeit sind.
In Runden, in denen die ersten beiden Konzepte ausgeblendet werden, mag ich gewiss nicht mitspielen. (Das Dritte kann ich notfalls ignorieren, mit ihm fuehle ich mich aber wohler.)

Geht es noch mehr Leuten so?
oder relativiert:
Wieviel "modernes" Denken darf es sein?

Meine Antwort nach einer Nacht nachdenken und SR spielen lautet:
Keines! Keine "modernes Denken" sondern eine eigenständige, klare, deutliche vielschichtige Darstellung der Möglichkeiten einer eigenständigen Welt. Vor allem aber kein "Weichgespültes Idealbild" der nicht vorhandene Real-Idealen, aufgeblasen auf ganze Reiche und Gesellschaften, jedoch null, null konsequent und bei schon oberflächlicher Betrachtung selbst mit Magie und Götterwirken nicht aufrecht zu erhalten.
Oder anders, jede Spielwelt darf wie ein realer Spiegel der Welt sein, transformierend die negativen Zustände, aber mir der Möglichkeit diese im Kleinsten und kleinen zu verbessern und sogar Großes zu leisten - im Gegensatz zum realen leben, wo bestenfalls Kleinigkeiten veränderbar sind und kaum einer auch nur Alltagsheld ist/sein kann/darf.

Die Pseudo-Modernen Konstrukte sind es die mir schon nicht passen, da stellen sich mir alle Nackenhaar auf. Logik und Verstand schreien TILT usw..
Ein Land in dem es eine Nicht-Basis-Demokratisches Rechts- und Staatssystem gibt kann nun mal keine
[...]Gleichberechtigung, Menschenrechte, [..., moderne] Rechtsauffassung, ...
geben. "FEudalsystem beinhaltet nun mal ein Hierarchisches, ungerechtes ungleiches Konstrukt. Und ich sehe derzeit KEINE EINZIGE Gegend auf Lorakis in der die moderen (Gedanken-)Ideale auch so beschrieben sind...

Schon "Patriotismus" (Nationalgefühl/-stolz?, Vaterlandsliebe?, Nationalismus?) von "väterlicher Abstammung, Familie" herkommt (lt. Wiktionary) und schon wieder bewirkt das "keine Gleichberechtigung".

Was ich also will ist eine Weltbeschreibung die abgekoppelt ist von realen, grad (tag-)aktuellen Mode-Erscheinungen eines Pseudo-Humanismus oder sonst was und völlig überhöhtem Idealismus sogenannter (gleichmacherischer) "Werte"/"Wertvorsellung".
Leute das sind Idealbilder, das ist ein Traum von ganz ganz wenigen, die das nicht mal selbst auf die Reihe kriegen, aber es eben nicht mal als (machbares) Ziel sehen. Und solches irrationles Gedankengut - so toll es auch "Schöne Neue Welt" beschreibt soll die Basis für Phantastische Welten sein ? Wie soll das gehen?

Vielleicht solltet ihr Euch einmal mit den Werken des Herrn Samjatin (https://de.wikipedia.org/wiki/Jewgeni_Iwanowitsch_Samjatin), insbesondere "Wir", beschäftigen und den Autoren, die ganz ähnliche Aspekte beschrieben - vor (fast) 50-100 Jahren.

Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: rettet den wald am 07 Okt 2015, 15:50:51
Die Pseudo-Modernen Konstrukte sind es die mir schon nicht passen, da stellen sich mir alle Nackenhaar auf. Logik und Verstand schreien TILT usw..
Ein Land in dem es eine Nicht-Basis-Demokratisches Rechts- und Staatssystem gibt kann nun mal keine
[...]Gleichberechtigung, Menschenrechte, [..., moderne] Rechtsauffassung, ...
geben. "FEudalsystem beinhaltet nun mal ein Hierarchisches, ungerechtes ungleiches Konstrukt. Und ich sehe derzeit KEINE EINZIGE Gegend auf Lorakis in der die moderen (Gedanken-)Ideale auch so beschrieben sind...

Hier würde ich dann wieder unterscheiden zwischen Charaktermeinung und Gesellschaftsmeinung. Nur weil man weiß, was das Wort "Gleichberechtigung" überhaupt bedeutet, heißt das nicht, dass es in der Gesellschaft verwirklicht sein muss, analog die ganzen anderen "modernen" Denkmuster, die hier genannt sind. Ich will in diesem Zusammenhang einfach nur nicht vom SL gesagt bekommen, dass mein Charakter da nie auf die Idee kommen könnte, dass es vielleicht gut wäre, wenn Leute gleichberechtigt wären.

Mein vorheriger Post bezieht sich darauf, dass Leute mit bestimmten mittelalterlichen Denkmustern laut moderner Auffassung ganz einfach böse Menschen sind, und ich daher keinen Charakter spielen will, der das irgendwie toleriert oder unterstützt. Ich meine, ich will mich im Rollenspiel schon irgendwie wie ein Held fühlen, und wenn mein Charakter da mit Leuten zusammenarbeitet, die ganz eindeutig böse sind, dann fällt dieses Feeling irgendwie flach...

Jetzt muss man aber unterscheiden:
-> Wenn jemand sagt "Wer sein Dorf verlässt muss hingerichtet werden!", dann ist dieser jemand böse, und daher im üblichen "Die SCs sind Helden!"-Spielstil ein Gegenspieler der Charaktere.
-> Wenn jemand sagt "Feudalherrschaft ist toll!", dann ist diese Ansicht nicht zwingendermaßen böse... Da macht es nämlich einen deutlichen Unterschied, ob man von der "idealisierten Fantasy Feudalherrschaft" redet, oder von der (in den Worten von TrollsTime) "Hardcore Feudalherrschaft".

...Auch ein Zwischending aus idealisiertem Feudalsystem und hardcore Feudalsystem muss nicht zwingend böse sein, das müsste man sich dann halt im Detail anschauen.



EDIT:
Ich verwende "böse" hier im Sinne von D&D "evil".
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: Cifer am 07 Okt 2015, 16:16:24
Ich spiele da schon eher Charaktere, die weder automatisch aus der Meinung ihrer Gesellschaft herausragen noch sich als leuchtende Aufklärer der Moderne verstehen. In DSA kann ich wunderbar einen Praioten verkörpern, der auf der einen Seite ein absoluter Streiter für das Gute und den Schutz der Gesellschaft bis hinunter zum Schwächsten ist und andererseits ebenso selbstverständlich die Meinung vertritt, dass eben bestimmte Menschen zum Herrschen und Schützen geboren sind und andere nicht.
Das Hineindenken in "fremde" Wertesysteme macht für mich einen deutlichen Reiz beim Rollenspiel aus und ich hoffe, dass Lorakis hier nicht zu sehr auf "Hans-Peter mit dem Schwert in der Hand" abzielt.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: TrollsTime am 08 Okt 2015, 11:54:33
Ich bin sonne Art "Cifer rettet den Wald"-Hybrid und verorter mich in euer beider Meinungen.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: Nevym am 08 Okt 2015, 13:40:49
Ich spiele da schon eher Charaktere, die weder automatisch aus der Meinung ihrer Gesellschaft herausragen noch sich als leuchtende Aufklärer der Moderne verstehen. In DSA kann ich wunderbar einen Praioten verkörpern, der auf der einen Seite ein absoluter Streiter für das Gute und den Schutz der Gesellschaft bis hinunter zum Schwächsten ist und andererseits ebenso selbstverständlich die Meinung vertritt, dass eben bestimmte Menschen zum Herrschen und Schützen geboren sind und andere nicht.
Das Hineindenken in "fremde" Wertesysteme macht für mich einen deutlichen Reiz beim Rollenspiel aus und ich hoffe, dass Lorakis hier nicht zu sehr auf "Hans-Peter mit dem Schwert in der Hand" abzielt.
Unglaublich aber wahr, diesem Beitrag stimme ich mal voll zu.
Freu Dich kommt selten genug vor  ::)
Der letzte Absatz ist genau DAS was für mich "Rollenspiel" ausmacht, ganz wie "Schauspiel/Hörspiel" wo der Darsteller mit seinen Möglichkeiten und den "Regularien" des Mediums (Stimme, Mimik, Gestik, Bühne, Datei, Radio etc.) etwas transportiert und darstellt, was er nicht ist - z.B. den Bundeskanzler in einer Fernssehproduktion, Hittler im aktuell neuen (Kino-?)Film, Die Gegener von James Bond oder der Avengers usw.
Meistens sind es dann die Spieler, die Guilaume, General Patton, Q oder Captain America darstellen.

Und deshalb nehme ich nochmal "rettet den Wald" her um meine Position deutlicher zu machen.
[...]
Hier würde ich dann wieder unterscheiden zwischen Charaktermeinung und Gesellschaftsmeinung. Nur weil man weiß, was das Wort "Gleichberechtigung" überhaupt bedeutet, heißt das nicht, dass es in der Gesellschaft verwirklicht sein muss, analog die ganzen anderen "modernen" Denkmuster, die hier genannt sind. Ich will in diesem Zusammenhang einfach nur nicht vom SL gesagt bekommen, dass mein Charakter da nie auf die Idee kommen könnte, dass es vielleicht gut wäre, wenn Leute gleichberechtigt wären.
Ein SL der mir und meinem Char defacto "verbietet" bestimmte Gedanken zu haben, der ist kein (guter/vertretbarer) SL, aber er MUSS meinem Charakter die Konsequenzen aufzeigen die eine bestimmte Meinung, ein Gedankengut oder Tat nach sich zieht und ziehen kann. Sich darauf einzustellen und  den Charakter handeln zu lassen ist wieder Rollenspiel...

Mein vorheriger Post bezieht sich darauf, dass Leute mit bestimmten mittelalterlichen Denkmustern laut moderner Auffassung ganz einfach böse Menschen sind, und ich daher keinen Charakter spielen will, der das irgendwie toleriert oder unterstützt. Ich meine, ich will mich im Rollenspiel schon irgendwie wie ein Held fühlen, und wenn mein Charakter da mit Leuten zusammenarbeitet, die ganz eindeutig böse sind, dann fällt dieses Feeling irgendwie flach...
Damit komme ich irgendwie gar nicht zurecht. Klingt für mich wie Vermischung modernen Denkens (und seiner Auswüchse, aber das gehört jetzt nicht hier rein) mit der Betrachtungsebene RPG-Welt und dem Zeitrahmen "irdisches Mittelalter"... Das aber ist immer eine Frage des (eigenen) Standpunktes von dem aus man etwas betrachtet.
Denke das ließe sich am Beispiel der Strafen oder dem MAchtverhalten gut erklären. Würde aber auch ausarten. Mein Standpunkt dabei ist, eben keine Position einzunehmen, und nach "gut&böse" vorabe zu klassifizieren, sondern mir vorzustellen welche Denkweise eine bestimmte Situation in einer Spielwelt bei einem Bewohner dieser Spielwelt auslöst.
Das ist dann die Basis unter der mein Charakter aufgewachsen ist. Das ist was sein Denken bestimmt, nicht das heutige "gut&böse"-Schema, daß eben nicht so einfach, klar und "schwarz/weiß" ist, man betrachte nur die aktuellen Probleme und Konflikte.

So und deshalb:
Jetzt muss man aber unterscheiden:
-> Wenn jemand sagt "Wer sein Dorf verlässt muss hingerichtet werden!", dann ist dieser jemand böse, und daher im üblichen "Die SCs sind Helden!"-Spielstil ein Gegenspieler der Charaktere.
-> Wenn jemand sagt "Feudalherrschaft ist toll!", dann ist diese Ansicht nicht zwingendermaßen böse... Da macht es nämlich einen deutlichen Unterschied, ob man von der "idealisierten Fantasy Feudalherrschaft" redet, oder von der (in den Worten von TrollsTime) "Hardcore Feudalherrschaft".
[...]
Sieht mein Charakter den ersten Satz als vollkommen legitim an, weil es in der Welt in diesem Dorf so ist. Das ist dort gegeben! So was wie ein "Naturgesetz", sowas wie "Wasser fließt nicht den Berg hinauf". Der Potentat, der seinen Untergebenen das Verlassen des Dorfes verbietet ist erst mal die "Norm" der Situation, weder gut noch böse, sondern der (schematisierte) Standard. Da kann ich mir dann überlegen, wie meine Figur die ich spiele das sieht, damit umgeht usw.
Dagegen vorzugehen wäre dieser Betrachtung nach übrigens "böse"...
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: TrollsTime am 08 Okt 2015, 14:22:24
Wenn ihr "Gut" und "Böse" unterschiedlich bzw aus unterschiedlichen Standpunkten aus definiert, macht es wenig Sinn, sich über "Gut" und "Böse" zu unterhalten.

Ich denke, "rettetdenwald"s Definition ist doch klar.
Warum benutzt man dann nicht erstmal seine?

Es gibt ja noch andere Begrifflichkeiten wie "legal/illegal", "üblich/unüblich", die man ergänzend verwenden könnte, anstatt die gleichen Begriffe "anders" zu verwenden.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: rettet den wald am 08 Okt 2015, 14:26:29
Ich persönlich will (zumindest standardmäßig) keinen Charakter spielen, den ich als Spieler (inklusive meiner "modernen" Spielerauffassung) als böse ansehen würde. Ich will schon irgendwo einen von "den Guten" spielen, und zwar nicht nach mittelalterlicher Auffassung, sondern nach meiner eigenen Auffassung.

Jetzt kann man natürlich sagen, dass es eine ziemlich interessante rollenspielerische Herausfoderung wäre, einen Charakter mit mittelalterlicher Denkweise zu spielen, der laut eigener Auffassung zu "den Guten" gehört, aber laut meiner eigenen Auffassung als Spieler unglaublich böse ist... Und das mag auch sein, aber im Normalfall bin ich daran ganz einfach nicht interessiert.

Anmerkung, bevor hier jemand aus meiner Runde postet: Mein aktuell meistgespielter Splittermond-Charakter gehört nicht wirklich zu "den Guten", das ist bei mir aber eher die Ausnahme... Und auch diesem Charakter kann man ganz sicher nicht vorwerfen, eine mittelalterliche Denkweise zu haben.



@Cifer:

Ob ich einen Praioten in DSA als böse ansehen würde, hängt sehr stark davon ab, von wem er gespielt/geschrieben wird. Einfach nur "Bestimmte Menschen sind zum Herrschen geboren, andere nicht." ist noch nicht böse. Andere Sachen halt schon... Hier könnte ich jetzt einen ziemlich langen Rant über dieses Thema schreiben, aber ich werde mich mal auf folgendes beschränken: Ich bin froh, dass ich jetzt in einem anderen Setting Zuhause bin.



@Nevym:

Mir ist schon klar, dass mein Charakter wenn er zum Beispiel in Midstad unterwegs ist besser aufpassen sollte, was er sagt... Und je nachdem, wie radikal das ist, was er sagt, muss er wahrscheinlich auch so gut wie überall sonst aufpassen. Das ist ja nicht das Problem.

Die eigentliche Frage ist die: Ist es in Selenia, Wintholt, Zwinggard, etc. so, dass man als Bauer hingerichtet wird, wenn man sein Dorf verlässt? Meine Vermutung: Nein, ist es nicht. Wird man hingerichtet, weil man sich nicht so verhält, wie es für sein Geschlecht oder seinen Stand angemessen ist? Vermutung: Nein, wird man nicht (Amtsanmaßung oder die Frage, ob man dadurch an Ansehen verliert, ist wieder was ganz anderes). Wird man für "mangelnde Sexualmoral" hingerichtet? Vermutung: Nein, wird man nicht.

So habe ich mir das das Spieler immer vorgestellt, und so habe ich das als SL immer dargestellt. Wenn diese Vermutungen falsch sein sollten, dann würde Lorakis plötzlich deutlich, *deutlich* näher an Dark Fantasy liegen, als mir lieb ist.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: sindar am 08 Okt 2015, 15:09:47
Ich sehe schon, hier prallen wieder mal sehr unterschiedliche Spielvorlieben aufeinander. Daher ist es ganz gut, dass Lorakis in dem Punkt eher schwach definiert ist. So kann sich jeder sein Lorakis so vorstellen, wie es ihm / ihr passt. Daher also mein Apell: Lasst es dabei! Und ja, ich weiss, dass man auch gegen offizielle Setzungen spielen kann, aber es gibt nun mal Leute wie mich, denen das schwer faellt.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: Cifer am 08 Okt 2015, 15:13:25
Zitat
Die eigentliche Frage ist die: Ist es in Selenia, Wintholt, Zwinggard, etc. so, dass man als Bauer hingerichtet wird, wenn man sein Dorf verlässt? Meine Vermutung: Nein, ist es nicht. Wird man hingerichtet, weil man sich nicht so verhält, wie es für sein Geschlecht oder seinen Stand angemessen ist? Vermutung: Nein, wird man nicht (Amtsanmaßung oder die Frage, ob man dadurch an Ansehen verliert, ist wieder was ganz anderes). Wird man für "mangelnde Sexualmoral" hingerichtet? Vermutung: Nein, wird man nicht.
Gerüchten zufolge gibt es ja noch ein gewisses Spektrum zwischen "wird von der Gesellschaft akzeptiert" und "wird mit Hinrichtung bestraft", in dem sich sowas wie "wird allgemein missbilligt", "ist ein Privileg bestimmter Gesellschaftsgruppen", "führt zu sozialer Ausgrenzung" oder "wird mit XY bestraft, wobei XY ungleich Hinrichtung ist" findet.

Meine Vermutungen, was die drei Punkte angeht:
Bestrafung für das Verlassen des Dorfes? Sofern SpliMo das Konzept der Leibeigenschaft verwendet (gehe ich bei typischen Feudalgesellschaften wie Selenia und co von aus), gehört dazu natürlich auch das Konzept der bestrafungswürdigen Schollenflucht - ein Leibeigener, der sich aus meinem Herrschaftsbereich entfernen darf, wie es ihm passt, ist kein Leibeigener. Das gilt natürlich nicht für Freibauern.
Bestrafung wegen mangelnder Sexualmoral oder Geschlechterrolle? Vermutlich höchstens in vereinzelten Gebieten, die als entsprechend sittenstreng dargestellt werden sollen. Als allgemeine Richtlinie wäre das was, womit man böse Traumata insbesondere bei der LGBT-Spielerschaft wachruft.
Bestrafung für standesunangemessenes Verhalten? Anzunehmen - wer sich gemäß eines niedrigeren Standes verhält, wird vermutlich von seinen Standesgenossen weniger geschätzt; wer sich für einen höheren Stand ausgibt (und damit dessen Privilegien in Anspruch nimmt), wird tatsächlich bestraft - bei Hochstapelei in den Adel auch nicht zu knapp.

Ich sehe schon, hier prallen wieder mal sehr unterschiedliche Spielvorlieben aufeinander. Daher ist es ganz gut, dass Lorakis in dem Punkt eher schwach definiert ist. So kann sich jeder sein Lorakis so vorstellen, wie es ihm / ihr passt. Daher also mein Apell: Lasst es dabei! Und ja, ich weiss, dass man auch gegen offizielle Setzungen spielen kann, aber es gibt nun mal Leute wie mich, denen das schwer faellt.
Ich glaube nicht, dass das so kommen wird - schließlich rührt die schwache Definition erstmal vor allem daraus, dass wir bisher genau ein Bucht zur Weltbeschreibung haben, in dem erstmal andere Dinge wichtiger waren. Einen Regionalband ohne Beschreibung der typischen Mentalität (und dazu gehören auch gesellschaftliche Tabus) fände ich eher schwach.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: Jeong Jeong am 08 Okt 2015, 16:16:54
Ich finde es sehr schön, wenn man versucht, mittelalterliche Vorstellungswelten mit dem eigenen Charakter in einem gewissen Rahmen darzustellen. Aber das ist meiner Meinung nach aus zwei Gründen auch eine riesige Herausforderung:

Zum einen erfordert das Hineindenken in historische Vorstellungswelten einfach enorm viel Wissen. Bei der Akzeptanz oder nicht-Akzeptanz von politischen Systemen oder Rechtssetzungen mag das noch relativ einfach sein, aber selbst da lauern Fallstricke, weil man meiner Erfahrung nach oft dazu tendiert, Dinge zu extrem zu sehen. Während der Ostsiedlungsphase im mittelalterlichen Europa wurde es in Deutschland beispielsweise kaum geahndet, wenn sich ein Bauer seinem Grundherrn entzog. Es gibt sogar eine Quelle in der ein geistlicher Grundherr seinen Bauern darum bittet, doch bitte nicht zu gehen, obwohl der Bauer rechtlich eigentlich gar nicht gehen durfte. :) Wenn man jetzt noch weitergeht und in mittelalterliche Weltbilder und Gesellschaftsrollen eintauchen will, reicht das Studium von Splittermond-Regionalbeschreibungen glaube ich wirklich nicht mehr aus. Dann braucht man wissenschaftliche Literatur und muss viele hundert Seiten lesen.

Zum anderen läuft man immer Gefahr, mit mittelalterlichen Denkansätzen seine Mitspieler vor den Kopf zu stoßen oder sogar zu Beleidigen (hier im Thread wurden ja bereits einige Beispiele dafür erwähnt). Im Geschichtsunterricht soll man daher nach historischen Rollenspielen immer eine Phase der Reflexion des Rollenspiels und der Distanzierung von den Rollen mit den Schülern machen. Das gleiche sollte denke ich auch für PnP-Runden gelten, außer man klammert entsprechende Denkansätze komplett aus, was die Hintergrundbeschreibungen in der Regel ja auch machen.

Zuletzt kann ich aus meiner Erfahrung im Geschichtsstudium noch sagen, dass es eigentlich in jeder Zeit immer Personen gab, die die existierende Gesellschaftsordnung und die vorherrschenden Weltbilder hinterfragt und kritisiert haben. Selbst zurzeit des Dreieckshandels gab es beispielsweise energische Gegner der Sklaverei. Das ist nicht anachronistisch, sondern in einem gewissen Rahmen vollkommen normal. Und ich persönlich finde es auch nicht schlimm, wenn Abenteurer und Helden solche Personen sind, die aus der Masse nicht nur mit ihren Fähigkeiten, sondern auch mit ihren Weltanschauungen und ihren Moralvorstellungen herausstechen. :)
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: Nevym am 08 Okt 2015, 16:43:42
Ich formuliere es mal so neutral, zeit- wie Hintergrund-unabhängig wie ich kann:
Widerstand gegen die Gesetzgebende, ausführende oder richtende Gewalt, die nach den geltenden Regeln ihrer Umgebung handelt führt zu Konflikten und idR zu Restriktionen.

Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: Jeong Jeong am 08 Okt 2015, 17:22:29
Ich formuliere es mal so neutral, zeit- wie Hintergrund-unabhängig wie ich kann:
Widerstand gegen die Gesetzgebende, ausführende oder richtende Gewalt, die nach den geltenden Regeln ihrer Umgebung handelt führt zu Konflikten und idR zu Restriktionen.

Ich bleibe mal bei meinen beiden Beispielen von weiter oben. Die unerlaubte Migration von deutschen Bauern während der Ostsiedlung war zwar an sich konflikthaft, aber es kam nie zu einem offenen oder gewalttätigem Konflikt, da den Grundherren dafür die nötigen Mittel fehlten. Dementsprechend kam es auch auch zu keinen Restriktionen für die Migranten, die im Gegenteil in den neuen Ostsiedlungsgebieten recht viele Freiheiten genossen, da die dortigen Grundherren ein erneutes Wegziehen ihrer Bauern befürchten mussten.

Bei den Kritikern an der Sklaverei während des Dreieckshandels war es ähnlich. Zwar war auch hier die Ausgangslage konflikthaft, aber auch hier kam es weder zu einem offenen Konflikt, noch zu Restriktionen gegenüber den Kritikern. Das ist auf zahllose Faktoren und die verschiedenen Argumentationsmuster zurückzuführen, die alle zu erörtern hier leider den Rahmen sprengen würde.

Grundsätzlich haben wir in keiner historischen Epoche jemals feste und komplett akzeptierte Weltanschauungen und Gesellschaftsordnungen. Beide müssen sich stets in verschiedenem Umfang gegenüber kritischen Stimmen rechtfertigen, was wiederum zu teils kleinen teils riesigen Wandlungsprozessen führt. Im gleichen Maße, wie wir uns bei der Betrachtung historischer Epochen vom Bild der pluralistischen, toleranten Demokratie trennen müssen, müssen wir uns dabei auch vom Bild moderner diktatorischer Systeme trennen, die durch Dinge wie Massenmobilisierung, moderne Kommunikationsmittel und Geheimdienste alternative Weltanschauungen im großen Maßstab unterdrücken wollen.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: SeldomFound am 08 Okt 2015, 17:36:06
Desweiteren wäre es natürlich interessant, zu überlegen, inwiefern Magie hier einen Einfluss ausüben kann.

Durch Magie kann in einen bestimmten Rahmen fehlende Ressourcen ausgeglichen werden, was unter Umständen zum Beispiel eine "Great Divergence (http://"https://en.wikipedia.org/wiki/Great_Divergence")" entgegenwirken könnte.
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: Chanil am 10 Okt 2015, 14:27:28
Mich würde auch einmal interessieren "Darf Lorakis überhaupt Mittelalterlich sein?"

Was unser Mittelalter auszeichnet ist die Zentrierung allen Wissens auf die Kirche und alles Wissen, welches auf Grund seiner inhaltlichen Aussage oder seiner Herkunft als 'ketzerisch' galt wurde verboten!

Haben die Kirchen ein Monopol auf Wissen? Wird Wissen einer radikalen Zensur unterzogen? Oder ist mal so schlau wie die Römer es waren? Die haben alle Gelehrten aus den von ihnen eroberten Provinzen nach Rom geholt und dort Wissen und die damit verbundene Macht zu mehren. Daher gab es bei den Römern auch so einen hohen technologischen Fortschritt. Wie es im Ost-Asiatischen Raum aussah, mit der ganzen großen Wissenschaft und auch im arabischen Raum...

Ich denke eher, Lorakis darf gar nicht so mittelalterlich sein wie wir uns unser Mittelalter immer denken...
Titel: Re: Modernes Leben und Gedanken in Lorakis
Beitrag von: Jeong Jeong am 11 Okt 2015, 00:52:46
Mich würde auch einmal interessieren "Darf Lorakis überhaupt Mittelalterlich sein?"

Was unser Mittelalter auszeichnet ist die Zentrierung allen Wissens auf die Kirche und alles Wissen, welches auf Grund seiner inhaltlichen Aussage oder seiner Herkunft als 'ketzerisch' galt wurde verboten!

Haben die Kirchen ein Monopol auf Wissen? Wird Wissen einer radikalen Zensur unterzogen? Oder ist mal so schlau wie die Römer es waren? Die haben alle Gelehrten aus den von ihnen eroberten Provinzen nach Rom geholt und dort Wissen und die damit verbundene Macht zu mehren. Daher gab es bei den Römern auch so einen hohen technologischen Fortschritt. Wie es im Ost-Asiatischen Raum aussah, mit der ganzen großen Wissenschaft und auch im arabischen Raum...

Ich denke eher, Lorakis darf gar nicht so mittelalterlich sein wie wir uns unser Mittelalter immer denken...

Das Mittelalter war nicht so "mittelalterlich" wie du dir das vorstellst. :D Im Mittelalter war die Kirche der Hauptinitiator des Aufbaus von Universitäten und der Hauptförderer von diesen. Das Papsttum sorgte für eine Vernetzung der europäischen Wissenschaftswelt, wie sie vorher nie denkbar gewesen wäre. Die Universitätsgeschichte Europas beginnt nicht in der Antike, sondern im Mittelalter und es ist eine Geschichte des Wachsens in der Kirche und zum Ende des Mittelalters hin eine der Emanzipation von der Kirche. Letzteres ist auf zahllose Faktoren zurückzuführen, wie neue Berufszweige und politische Interessen weltlicher Fürsten. Die Angst vor Zensur spielte dabei hingegen bei weitem nicht so eine wichtige Rollen, wie oft geglaubt wird. :)

Das römische Reich ist gleichermaßen kein Hort großer technologischer Neuerungen. Es gibt ganze Bücher darüber, warum es im römischen Reich zu keiner industriellen Revolution kam und der Hauptgrund ist, dass deren ganzes System extrem innovationsfeindlich war. Anders übrigens als das Mittelalter. Man denkt sich immer, dass die Renaissance so fortschrittlich war mit Schiffen die über den Atlantik segelten und dem Buchdruck mit beweglichen Lettern etc. pp. Dabei vergisst man leider immer, dass alle diese tollen Technologien ihre direkten Vorläufer im Mittelalter hatten und dort begründet wurden. Und nicht etwas in der Antike, wie uns die Renaissance glauben machen wollte. :D


edit: Rechtschreibung