Autor Thema: (Zu?) starke irdische Einflüsse  (Gelesen 28879 mal)

Wandler

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Re: (Zu?) starke irdische Einflüsse
« Antwort #75 am: 20 Jul 2017, 18:41:53 »
Für mich ist das Weglassen von Details oft einfacher als das Dazuerfinden davon.

Eine Welt wird plastisch, greifbar und fördert die Immersion wenn es ein Minimum an Details gibt - und die Darstellung so ist dass ich eben nicht dreißig Seiten zu einer Kultur lesen muss um mal überhaupt einen Charakter derselben glaubwürdig darstellen zu können.
Aber als Spielleiter auf Fragen wie diese antworten zu können: "Was tragen denn die Wachen, Ausrüstung, Kleidung, und wie sehen sie aus?" hilft so etwas wie eine richtig stimmungsvolle Köpenickiade durchzuführen.
Das einzige Gebiet wo Details mit etwas Vorsicht zu genießen sind ist die Abstimmung des Charakters mit der Kultur. Eventuell weicht die Vorstellung des Spielers mit seinem Charakterkonzept doch von dem "Kanon" ab. Dann würde ich das wenn es nicht zu krass wird tolerieren.

Bei Splittermond finde ich gut dass es mehrere Stufen gibt: Übersicht, Stimmung, Einführung in die Kultur, und eventuell dann Details. Den Grad der Detaillierung den man als Spielleiter dann wünscht - oder den die Spieler wünschen - kann man dann justieren.

Grimrokh

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Re: (Zu?) starke irdische Einflüsse
« Antwort #76 am: 20 Jul 2017, 20:57:23 »
Zitat
Für mich ist das Weglassen von Details oft einfacher als das Dazuerfinden davon.

Eine Welt wird plastisch, greifbar und fördert die Immersion wenn es ein Minimum an Details gibt - und die Darstellung so ist dass ich eben nicht dreißig Seiten zu einer Kultur lesen muss um mal überhaupt einen Charakter derselben glaubwürdig darstellen zu können.
Aber als Spielleiter auf Fragen wie diese antworten zu können: "Was tragen denn die Wachen, Ausrüstung, Kleidung, und wie sehen sie aus?" hilft so etwas wie eine richtig stimmungsvolle Köpenickiade durchzuführen.

Exakt was Wandler sagt.
Und die angeblich "genau festgelegte Form der Kopfbedeckung" o. ä. ist in Wirklichkeit natürlich lediglich ein Beispiel zur ungefähren Orientierung und eine Hilfestellung für die Spielleitung, um sich dankenswerterweise nicht alle (tendenziell nebensächlichen) Details selbst aus dem Ärmel schütteln zu müssen. Selbstverständlich trägt nicht jeder lorakische Bauer eine Gugel. Wenn dem SL aber gerade nichts anderes einfällt oder er sich keine Gedanken darüber machen möchte, die Spieler aber unbedingt Details über die Leute auf dem Acker neben der Straße haben wollen, dann wird der eine oder anderen Bauer womöglich die beispielhaft erwähnte Bekleidung aus Regionalbeschreibung X tragen. Den meisten Spielern wird die genaue Bekleidung der örtlichen Landbevölkerung o. ä. aber ohnehin herzlich egal sein.
Aber wer Spaß daran hat alles etwas mehr in die Tiefe gehend zu beschreiben, der kann legitimerweise alles selbst erfinden was für ihn passt und stimmig erscheint, oder eben die Beispiele aus den Quellenbüchern verwenden/adaptieren.

Ich bin jedenfalls sehr froh über jede Hilfestellung für den SL, da man in diesem Posten ohnehin schon mehr als genug zu tun hat, auch ohne sich über Details wie regional passende Kleidung den Kopf zerbrechen zu müssen. ;)
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barbarossa rotbart

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Re: (Zu?) starke irdische Einflüsse
« Antwort #77 am: 20 Jul 2017, 21:55:00 »
[...]Ich bin jedenfalls sehr froh über jede Hilfestellung für den SL, da man in diesem Posten ohnehin schon mehr als genug zu tun hat, auch ohne sich über Details wie regional passende Kleidung den Kopf zerbrechen zu müssen. ;)
Das Problem ist, dass man sich bei zu vielen Details eher verzettelt. Und dann sind die Details keine Hilfe mehr, sondern eher ein Hindernis. Und Details wegzulassen, ist eine eher schlechte Idee, denn die Details sind ja da und wollen genutzt werden. Wenn man sie als SL weglässt, kommt bestimmt ein Mitspieler, der einen darauf hinweist. Lieber weniger Details und mehr Freiheit. Man muss ja schließlich nicht alles bis ins kleinste Detail beschreiben.

Aber es dürfen auch nicht zu wenig Details sein, da sonst die betreffende Kultur zu generisch, zu austauschbar wird. wenn die Spieler nur am Regelwerk erkennen, dass sie ein anderes Rollenspiel in einer anderen Welt spielen, ist da irgendetwas falsch gelaufen. Also müssen genug Details existieren, um die verschiedenen Kulturen einzigartig zu machen.

Das ist das große Problem. Man sollte die Spieler und den SL nicht mit Details erdrücken, aber man darf auch nicht zu sparsam mit den Details umgehen. Man muss das rechte Maß finden.

Und dies führt uns wieder zum eigentlichen Thema. Woher stammen die Details? Man darf dabei nicht vergessen, dass Lorakis nicht die Erde ist und die Lorakier eine ganz andere Geschichte haben. Somit ist es in meinen Augen unpassend, direkt auf die Geschichtsbücher zurückzugreifen. Auf der Erde gibt es schließlich keine Kultur, die Jahrtausende lang versklavt wurde und ohne Hilfe Dritter alles (und wirklich alles) neu aufbauen musste. Es mehrere Aspekte, die so typisch für Lorakis sind und die unserer Geschichte fehlen. Ich meine nicht die offensichtlichen wie Magie oder die Existenz anderer Rassen. Es sind solche Details, wie eine absolute Gleichberechtigung der Geschlechter oder das Fehlen eines generellen Rassimus oder auch das Fehlen mächtiger monotheistischer Religionen. Solche grundlegenden Details machen zum Beispiele alle Bücher über das Leben im Mittelalter weitgehend nutzlos. Man kann sich ja trotzdem davon inspirieren lassen, aber man sollte es nicht zuweit treiben. Wenn man beim Spielen in Selenia das Gefühl bekommt, man spiele im mittelalterlichen Deutschland nur mit Magie und anderen Rassen, dann ist da etwas komplett falschgelaufen.

Xandila

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Re: (Zu?) starke irdische Einflüsse
« Antwort #78 am: 20 Jul 2017, 22:14:08 »
Wenn man beim Spielen in Selenia das Gefühl bekommt, man spiele im mittelalterlichen Deutschland nur mit Magie und anderen Rassen, dann ist da etwas komplett falschgelaufen.
Ist das denn der Eindruck von einem nennenswerten Teil der Spieler?
Und ganz ehrlich, wenn es bei einigen so ist, wäre das wirklich so schlimm?
"Das Mittelalter" (TM) gibt es schließlich nicht, es sind mehrere Epochen und ein paar Jahrhunderte, die darunter zusammengefasst sind, und wer nicht gerade Reenactor oder Historiker ist, kennt vielleicht ein paar Details aber sicher nicht umfassend alle wichtigen Infos dieser Zeit. Das Mittelalterbild der meisten wird auch eher durch einzelne Schlaglichter, durch Film und Fernsehen (also Fiktionen) und durch andere Rollenspiele, die in Fantasymittelalterregionen spielen, geprägt sein. Und das dürfte dann eine Mischung ergeben, die als Basis für ein Spiel genauso gut oder schlecht wie andere sein können.

Ich kenne leider keine Statistiken dazu, aber wenn generische Fantasymittelalter, die auf europäischen Inspirationen aufbauen, so unbeliebt wären, würde es dann so viel davon geben, egal ob als Buch, als Film/Serie oder als Rollenspielregion?
Du magst es nicht und manche anderen auch nicht. Ist ja auch völlig ok. Dafür gibt es dann ja andere Regionen oder andere Spielsysteme/-welten.

barbarossa rotbart

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Re: (Zu?) starke irdische Einflüsse
« Antwort #79 am: 20 Jul 2017, 22:43:02 »
@Xandila:
Der Satz, über den Du Dich hier so aufregst, war doch nur ein extrem überspitzt formuliertes Beispiel. Natürlich basieren die meisten Fantasy-Welten auf dem europäischen Mittelalter, aber fast keine ist eine nur um Magie und andere Rassen erweiterte eins-zu-eins Kopie irdischer Verhältnisse. Aber darauf wollte ich ja mit diesem satz hinaus. Wenn man bei Spielen das gefühlt hat, das ist nur ein umbenanntes mittelalterliches Deutschland mit Magie und nicht Selenia oder Mittelreich oder Cormyr oder Ferelden oder Gondor etc., dann stimmt da meiner Meinung nach etwas nicht (außer man spielt 7te See, wo diese deutliche Parallelität kein Markel sondern eher ein Feature ist). Egal, welche Fantasy-Romane ich lese oder welche Fantasy-Filme ich sehe oder Fantasy-Spiele ich spiele, ich hatte zum Glück noch nirgends das von mir oben beschriebene Gefühl (außer bei 7te See). Die Welten waren trotz ihrer Gemeinsamkeiten alle noch einzigartig genug. Ich hatte nur bei einigen DSA- und Midgard-Quellenbüchern das Gefühl, dass die Autoren etwas zu viel aus den Geschichtsbüchern abgeschrieben haben.

Xandila

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Re: (Zu?) starke irdische Einflüsse
« Antwort #80 am: 20 Jul 2017, 22:54:41 »
Tut mir leid, aber ich erkenne bei dir oft nicht, was überspitzt ist und was du tatsächlich so meinst. Du beziehst dich direkt davor auf Lorakis, redest im zitierten Satz von Selenia, und nachdem du diese Gegend hier im Thread schon mehrfach kritisiert hast, klang das für mich nach einer Beschreibung deines Spielgefühls in dieser Gegend.

barbarossa rotbart

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Re: (Zu?) starke irdische Einflüsse
« Antwort #81 am: 20 Jul 2017, 23:28:34 »
Da hilft vielleicht der Rest des Beitrags weiter und nicht das, was ich vor Wochen vielleicht in diesem Thema auf der ersten Seite geschrieben habe.

Yinan

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Re: (Zu?) starke irdische Einflüsse
« Antwort #82 am: 20 Jul 2017, 23:33:50 »
Ich wäre jetzt um ehrlich zu sein auch davon ausgegangen, dass das deine Meinung ist und keine Überspitzung...

Eine Meinung, der ich persönlich widersprechen würde. Ich sehe nicht wirklich das Problem damit.
Wenn nicht anders gesagt, dann befassen sich meine Aussagen zu Regeln niemals mit Realismus oder Simulationismus, sondern nur mit Balancing.
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barbarossa rotbart

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Re: (Zu?) starke irdische Einflüsse
« Antwort #83 am: 21 Jul 2017, 12:12:14 »
Um ganz ehrlich zu sein, weis ich selbst bei älteren Beiträgen, ob ich den Mist, den ich damals verzapft habe, wirklich ernst gemeint habe. ;)
Und mit Ironie habe ich sowieso meine Probleme... ;)

Thunderchild

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Re: (Zu?) starke irdische Einflüsse
« Antwort #84 am: 01 Aug 2017, 12:48:10 »
Ich bin in der Regel nie ein Freund von Settings gewesen, die sich zu stark oder eindeutig an irdischen Pendants orientiert haben, hatte aber bei Splittermond bisher immer das Gefühl, dass genug Eigenleben existiert, um es nicht zu einem Problem für mich werden zu lassen.

Im Vergleich zu Numenera, zum Beispiel, wo so gut wie keine Anhaltspunkte sind (und das auch Teil des bewussten Spieldesigns ist) fiel es mir deutlich schwerer, ein Gefühl für die Welt zu bekommen. Um ehrlich zu sein, hat sich das überhaupt erst eingestellt, nachdem ich erst ein wirklich konsistentes Setting in Eigeninitiative mit den spärlichen Details aus den Büchern darüber gestülpt habe. Hier war aber weniger die Entfernung von irdischen Kulturen das Problem, sondern die allgemein detailarme Präsentation der Spielwelt. Tatsächlich fand ich es für das Setting sogar eher störend, dass auf der einen Seite eine völlig unvorstellbar weit entfernte Welt präsentiert wird, die sich angeblich fundamental von unserer unterscheidet, um dann im Kern ein recht uninspiriertes "ja halt so Königreiche, Feudalsystem.. Fäntelalter mit Seltsam!" vorzufinden.

Ich kenn jetzt bisher von Splittermond nur das GRW und die kostenlos downloadbaren Abenteuer - aber schon die haben mir deutlich mehr Gefühl für die Spielwelt gegeben. Und jedes Mal wenn ich auf etwas gestoßen bin, was nach starker, irdischer Vorlage klang, wurden recht schnell Aspekte genannt, die dem Ganzen doch Eigenleben und phantastischen Charakter verleihen. Zhoujiang und Kintai wirken so für mich zum Beispiel kaum wie "China und Japan, halt", sondern wie ein kulturelles Gemisch aus fernöstlichen Einflüssen mit einer durch den Bürgerkrieg, die Schwertalbenkultur und die Herrschaftsformen ziemlich eigenständigen Prägung. Dazu kommen ja auch noch die meiner Meinung wirklich cleveren kulturellen Zusammenflüsse durch die Mondtore (Stichwort "Chinatown"), die das Ganze nochmal vom Bekannten abheben. Natürlich gibt es Dinge, die auf den ersten Blick etwas generisch klingen, wie ein "General Wu", der das militarisierte Zhoujiang anführt. Aber ich warte erstmal, bis ich den Regionalband in Händen halte, bevor ich mir da wirklich ein Bild mache. Wenn sich dort allerdings die Designstrategie fortsetzt, die ich bisher kennengelernt habe, glaube ich nicht, dass ich enttäuscht sein werde.

Allgemein betrachte ich viele der Beschreibungen in solchen Bänden allerdings sowieso vielmehr als Anstöße, um der Phantasie greifbare Bilder zu geben und nicht als Dogmen. Auch bei mir werden nicht alle Bauern von Selenia mit Gugel rumlaufen. Diese Freiheit in der Gestaltung habe ich aber vor allem dadurch, dass ein gewisser Status Quo widergegeben wird, der sich bekannten, realweltlichen Details orientiert. Wenn ich zu wenig Informationen habe und mir alles überlassen wird, dann kann ich keine Schrauben drehen, um es für mich anzupassen - ich muss schließlich überhaupt erstmal das ganze Getriebe bauen.
« Letzte Änderung: 01 Aug 2017, 12:49:56 von Thunderchild »

twincast

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Re: (Zu?) starke irdische Einflüsse
« Antwort #85 am: 01 Nov 2017, 03:16:00 »
Kurz gesagt: Im Zweifel ist mir (klassisches) Warhammer Fantasy trotz all seines Eurozentrismus und miserablen Lateins weit lieber als Warcraft mit seinem "außer Hollywood-Mittelalter gibt es keine Menschen" und stetig debil-absurder werdenden Rüstungen und Waffen.

Und ich finde jetzt nicht gerade, dass Lorakis alles in allem kulturell "irdischer" gestaltet ist als Dere und dort insbesondere Aventurien. Aber eigentlich möchte ich alles Andere ausblenden und ganz spezifisch auf Takasadu und meine zwiespältigen Gefühle hierzu eingehen:

Zunächst aber eine allgemeine Bestandsaufnahme ostasiatisch angehauchter Settings in westlichen Rollenspielen: Es gibt schlichtweg sonst praktisch nichts, aber trotzdem geht jedes Mal ein Raunzen durch die Spielerschaft, wenn mal was nicht "Europa und Umgebung" abdecken könnte. Offizielle D&D-Settings haben hier und da mal einen exotischen NPC aus dem Fernen Osten, aber Informationen zu den Ländern sind spärlich gesät und dort angesiedelte Abenteuer gibt es gleich gar nicht. Golarions Gegenstück macht mich regelrecht aggressiv, so lieblos und uninspiriert, wie das hingeklatscht wurde, indem man unter Anderem eine bunt zusammengewürfelte Mischung an Göttern unterschiedlicher Kulturen (und Sprachen!) 1:1 übernommen und zu einem Pantheon zusammengeschustert hat - definitiv eine falsche Art von Retro. (Da ist mir selbst das Nicht-Ägypten mit ägyptischem Pantheon lieber; das ist zumindest in sich konsistent.) Legend of the Five Rings könnte toll sein, wenn es sprachlich nicht so unfassbar schlampig wäre. Das fängt damit an, dass gefühlte 75% der Begriffe die Struktur "A no B" haben, um "A of B" wörtlich zu übersetzen, wenn die korrekte Form "B no A" wäre, und endet damit, dass eine handvoll Eigennamen entweder nach Standardfantasy klingen oder im Kontext absolut inauthentische Übersetzungen sind. Die Ausrede "es ist nicht Japanisch, da nicht Japan" zieht nicht, wenn 99% der Wortelemente 100% japanisch sind. Außerdem möchte ich die mal sehen, wenn in einem (westlichen) Rollenspiel bei einer "Nicht-Version" ihrer Muttersprache auf Wortschatz und Satzbau gehörig gepfiffen würde. Shadowrun hat zwar einen Haufen Japaner herumrennen, aber in Ostasien ist man in offiziellen Werken auch beinahe nie unterwegs. Außerdem sind Sprache, Kultur und Namensgebung erst ab der 3. Edition großteils vernünftig recherchiert, weswegen es immer noch unschöne Altlasten hat, auch wenn fast alle abstrus benannten Japaner beim damaligen Editionswechsel, wenn schon nicht erratiert, zumindest abgemurkst wurden. Und auf Dere kann man sich vor europäischen und nahöstlichen Kulturen kaum erwehren, und auch afrikanische und amerikanische gibt es so einige, aber bei fernöstlichen herrscht auch hier ziemliche Wüste. Maraskan hat bis auf etwa die Hälfte der Optik exakt nichts Japanisches oder sonstwie Ostasiatisches; kulturell betrachtet ein cooler Flecken, aber meinen Fernost-Itch tut er nicht gerade scratchen. Tharun ist in seiner DSA4.1-Ausarbeitung grundsätzlich großartig, aber halt naturgemäß arg abgeschnitten, und einige Kernelemente aus DSA-Professional-Zeiten trüben den Gesamteindruck etwas - namentlich die restriktive Natur der Neu(n)götter und das uneinheitliche Klangmuster der Wörter, was sich bei den Ortsnamen der einzelnen Atolle erklären lassen mag, nicht aber bei den Götternamen. Außerdem ertrinken wir ja alles andere als in Publikationen - nach der Anthologie wird's meines Erachtens wieder Jahrzehnte dauern. Vesayama wiederum klingt ausgesprochen interessant, aber weil es hirnrissigerweise ein eigener Kontinent und somit nicht Teil der Myranor-Lizenz ist beziehungsweise war, werden wir auch nie mehr als wenige Fetzen dazu erfahren.

Nun aber (endlich) zum eigentlichen Kern dieses Beitrags: Es betrübt mich ungemein, dass mit dem Splittermond-Team endlich mal jemand in einem Fantasy-Asien so viel so gut macht, nur um dann auf der Zielgeraden mit Anlauf auf die Schnauze zu fallen. Wie das? Grundsätzlich ist es mir ja relativ egal, ob die Sprache eines Fantasy-Volkes einer irdischen entspricht, von einer solchen eindeutig inspiriert ist oder so weit wie möglich aus dem Nichts entwickelt wurde, aber immersiv-plausibel, d.h. phonetisch und grammatisch konsistent, sollte eine jede halt sein. Von Süden her begonnen: Die Städte und Flüsse Sadus zeichnen ein einheitliches Bild, die Namen der Fürsten hingegen nicht wirklich. Die Namen und Begriffe Kintais sind großteils ausgesprochenes Kauderwelsch, aber zumindest klingen fast alle Japanisch und somit zu einer gemeinsamen Sprache gehörig - mir aus dem Weltband bekannte Ausnahmen sind "Qirin" (eine sonderbare Mischung aus chinesisch Qilin und sinojapanisch Kirin) und insbesondere "Zakur". (Warum nur? Warum?! ...Kann's mir in Anbetracht des anderweitigen Achtens auf Plausibilität nur so erklären, dass es irgendein Verantwortlicher im Lektorat tatsächlich mit der verschollenen Stadt verwechselt hatte, und man sich im Nachhinein ausgesprochen ignorant dachte "Egal, wir erratieren das nicht." Ich möchte einen Vokal kaufen. Irgendeinen Vokal!) Es schrammt somit momentan haarscharf an dem Status eines uneingeschränkt großartigen Settings vorbei. (Randnotiz: Ich bin kein Freund der anglozentrischen Hepburn-Umschrift und seiner Varianten, aber man muss sich wohl oder übel damit abfinden, dass das dominiert. Was mir allerdings sauer aufstößt, ist, dass man sich ausgerechnet für die Proletarierversion entschieden hat, die bei dreieinhalb von fünf Vokalen auf keinerlei Weise anzeigt, wenn sie lang sind.) Zhoujiangs dreigeteilte politische Situation wiederum ist ausgesprochen interessant, aber jegliche Immersion zerschellt ob des sprachlichen wilden Durcheinanders in dreizehn mal dreizehn Scherben - sowohl die Namen der Dreizehn Tiergeister als auch Toponyme und Anthroponyme sind (zudem ohne irgendein erkennbares Muster) teils chinesisch, teils japanisch, teils irgendwas Anderes und teils deutsch übersetzt. Und bevor mir das wer mit regionalen Sprachen zu rationalisieren versucht: Erstens würden sich Zentralregierung und Staatsreligion nicht drum scheren, und zweitens sprechen zu meinem persönlichen Schrecken offiziell sogar in allen drei genannten Nationen bis auf den Schwertalbenadel alle die gleiche Sprache, was höchst unerfreuliche Erinnerungen an "Italienisch? Spanisch? Gälisch? Slawisch? Egal! Alles auch Garethi!" weckt. ...Ich wünsche mir doch bloß Respekt gegenüber fremden Sprachen. Ist das denn zu viel verlangt?

P.S.
Eigentlich will ich mich ja nicht wieder groß über die absolute Zwergengröße Aventuriens und die relative Riesengröße des Mittelreichs aufregen, aber nachdem er angesprochen wurde: Grob gesagt - sie überschneiden sich etwas - finde ich die erste Hälfte bedeutsamen DSA4.1-Metaplots (Königsmacher, Drachenchronik) großartig und die zweite Hälfte (Mondenkaiser, Splitterdämmerung) besch... eiden.
« Letzte Änderung: 01 Nov 2017, 03:27:17 von twincast »

barbarossa rotbart

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Re: (Zu?) starke irdische Einflüsse
« Antwort #86 am: 01 Nov 2017, 08:46:33 »
Genau das sehe ich anders. Ich finde es besser, wenn die Namen nicht korrekt sind. Sie sollen ja nur exotisch klingen.
Ich finde es für schlimmer, wenn ich in einem Abenteuer, Quellenbuch oder Fantasy-Roman, egal wie gut er ist, plötzlich Charaktere mit real existierenden Allerweltsnamen, wie Richard, Bill oder Tom finde.

Jeong Jeong

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Re: (Zu?) starke irdische Einflüsse
« Antwort #87 am: 01 Nov 2017, 09:31:25 »
Ich persönlich habe eine Begrüßung in Kintial sogar mal direkt auf Japanisch ausgespielt (nur einer der Charaktere der Gruppe konnte Kintial und der Spieler gleichzeitig etwas Japanisch, da hat sich das angeboten :) ), aber nur wegen Begriffen wie Qirin und Zakur jetzt das Setting nicht zu mögen, finde selbst ich etwas übertrieben. Wenn einem das aber wirklich so sehr wichtig ist, kann man die Begriffe doch einfach für die eigene Spielrunde etwas anpassen, oder?

Wandler

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Re: (Zu?) starke irdische Einflüsse
« Antwort #88 am: 01 Nov 2017, 09:37:18 »
Twincast, Dein ausführlicher Post hat mich dazu gebracht über Dinge nachzudenken die ich am Rollenspiel wichtig finde. Auch für mich gibt es ein Gebiet auf dem ich gut Bescheid weiss und wo das was ich im Rollenspiel modellieren würde nicht so ganz zu dem passt was in Splittermond gestaltet wurde.
Nun gibt es viele Gebiete die ein gutes Rollenspiel abdecken muss:
  • Geographie / etwas Geologie
  • Historische Gesellschaftsordnungen
  • Kampfkünste und Waffen
  • Spiritualität und Religion
  • Sprachen
  • Wirtschaftswissenschaften
  • ...

Das sind umfangreiche Gebiete auf denen auch noch Vielseitigkeit innerhalb eines Gebiets verlangt werden.
Wenn ich aber meine Anforderungen  sehe:
  • Das Spiel ist ansprechend (Flair, Aufmachung, ...)
  • Das Spiel ist spielbar
  • Das Spiel bietet Immersion und Inspiration
  • Das Spiel ist modular aufgebaut (ich brauche nicht acht Boxen um mal loslegen zu können)
  • Das Spiel ist bezahlbar

Dann kann ich nicht eine Recherchetiefe auf allen Bereichen erwarten wie bei einer wissenschaftlichen Arbeit.

Ich leite eine Kampagne in Kintai und Zhoujiang die bereits acht Abende lang läuft. Sie steuert auf die Seidene Stadt und auf Verwunschene Mauern zu. Mir gefällt das Szenario, und dass die Namen, die Kultur dicht genug am irdischen Vorbild dran ist - aber sich in vielen Punkten eben auch klar abhebt und anders ist.

barbarossa rotbart

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Re: (Zu?) starke irdische Einflüsse
« Antwort #89 am: 01 Nov 2017, 10:00:26 »
Es ist doch egal, ob eine exotische Kultur ein Mischmasch aus verschiedenen irdischen Kulturen ist. Ich finde es schlimmer, wenn sich eine Kulturbeschreibung fast 1:1 mit einem irdischen Vorbild deckt.

Ein anderer "Fehler", der gerne gemacht wird, ist, dass man zwar bei bei exotischen Kulturen fremde Kleidungsstücke beschreibt, auch wenn diese im heutigen Alltag weitgehend bekannt sind, aber bei Kulturen, die auf dem deutschen Mittelalter basieren, dies nicht gemacht wird, obwohl gerade hier so einige Begriffe heute eine andere Bedeutung haben als damals (und nicht jeder Rollenspieler, besonders Neulinge) kennt die alten Begriffe und Bedeutungen). Warum müssen die Einwohner einer pseudomittelalterlichen Kultur sich genauso kleiden (und auch sonst so verhalten), wie die Menschen im deutschen Mittelalter?