Autor Thema: SL Willkür Gefühlt oder Echt? oder die BÖSE SL  (Gelesen 16566 mal)

JohnLackland

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SL Willkür Gefühlt oder Echt? oder die BÖSE SL
« am: 19 Feb 2017, 09:55:22 »
Ich lese immer wieder hier von der SL Willkür. In meinen Augen gibt es die nicht, sondern es gibt einfach Grenzen im sozialen Spiel  die ein jeder Mensch hat. Und wenn es sowas wie SL Willkür gibt, dann sollte es soetwas wie Spielerwillkür geben. Spieler können nämlich wenn sie bockig oder trotzig sind weil gerade etwas nicht so läuft wie sie es sich wünschen auch ganz schön gemein und nervig sein.

Regeln sind ein Fundament aber für eine spannende Geschichte in dem die Charaktere sich bewegen benötige ich keine Regeln sondern vertrauen. Regeln kommen in meinen Augen erst auf Platz zwei und geben eine merkwürdige Sicherheit die so gar nicht existiert. Wird dann gegen das Regelwerk verstoßen und vor allem gegen die Spieler gehandelt ist dies ganz schnell SL Willkür. Spieler könnten ja einen Kampf  verlieren, müssten fliehen, in eine Falle tappen und oh bewahre... sie wären Dramen und Problemen ausgesetzt. Nein das geht nicht, da wird dann ganz schnell nach WILLKÜR gerufen. Wer auf das Regelwerk pocht und ein Regelwerk als spielverbindlichen Aspekt sieht das nicht gebrochen oder gebeugt werden kann um Spannung und Spielspaß zu haben der verpasst meiner Meinung nach etwas. Ein Regelwerk ist ein Vorschlag, es ist kein Gesetz im Rollenspiel  für mich.

Was wichtiger ist, ist vertrauen in die Spielleiter. Klar versuche ich regelmäßig im Kampf meine Spieler zu töten, bisher ist es mir noch nicht gelungen, aber wenn niemand verletzt wird, wenn niemand in eine Falle tappt oder in einen Hinterhalt gelockt wird oder eingespertt wo man flieht dann brauch ich kein Abenteuer zu spielen. Denn Abenteuerrollenspiele leben vom Nervenkitzel und leben vom Konflikt. Das ein Gegner mal nicht so handelt wie man es erwartet, das es ein Twist gibt in der Story oder das Abenteurer auch mal scheitern. Was ich aber nie machen würde ist meine Spieler bestrafen sondern ich überlege immer, was macht Euch Spaß, vielleicht auch am Tisch mal wütend aber am Ende sagt ihr: Geil, das war Irre das wir da raus sind oder den besiegt haben, nachdem wir es schon zweimal versucht haben und er uns das letzte mal in seinen Kerker geworfen hat. Es geht mir darum am Spieltisch Emotionenn und Immersion  zu erzeugen. Ich habe bei vielen Diskutanten im Regelwerk bereich immer das Gefühl das es um das Gewinnen geht und besser zu sein als die SL und wenn die SL was anders macht als im Rgelwerk steht oder erwartet das dies dann Willkür ist.

Mich interessiert mal Eure Meinung, wann ist es den Willkür oder ist es einfach nur das Verlassen der eigenen Wohlfühlzone?  Sicher gibt es auch böswillige Spielleitungen, aber ich glaube das sind die wenigsten und die haben nicht lange eine Spielrunde.
« Letzte Änderung: 19 Feb 2017, 10:26:27 von JohnLackland »
Spielst du schon oder diskutierst du noch über die Regeln?

Loki

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Re: SL Willkür Gefühlt oder Echt? oder die BÖSE SL
« Antwort #1 am: 19 Feb 2017, 10:40:31 »
Du hast es ja schon richtig gesagt: Rollenspiel hat viel mit Vertrauen zu tun. Allerdings geht die Anforderung in beide Richtungen: Nicht nur müssen die Spieler dem Spielleiter vertrauen, sondern auch umgekehrt. Wenn der Spielleiter den Anspruch hat, die Regeln hier und da auch mal zu biegen, um eine schönere Geschichte zu erzählen (das sehe ich ganz genauso), dann muss er auf der anderen Seite auch den Spielern so weit vertrauen, dass er nicht in jeder ihrer Aktionen eine versuchte Sabotage seiner Geschichte vermutet. Wenn man in einer Runde spielt, in der jeder die Absicht hat, mit den anderen zusammen Spaß zu haben und eine schöne Geschichte zu erleben, spielen Begriffe wie SL-Willkür keine Rolle. Aber Menschen sind nunmal Menschen: Es gibt Egoismus, Neid und Missgunst ebenso wie Großzügigkeit, Loyalität und Freundlichkeit in allen möglichen Schattierungen. Wir allen alle fair behandelt werden und wenn Spielleiter die Schwierigkeit zum Erklimmen einer Wand gegenüber Spieler A als 20 angibt und gegenüber Spieler B als 25, ohne das näher begründen zu können, kommt es eben darauf an, ob genug Vertrauen herrscht. Ich habe als Spielleiter kein Problem damit, wenn Spieler meine Entscheidungen in Frage stellen. Denn letztlich sind solche Rückfragen auch ein gutes Kontrollinstrument für mich selbst. Bevorzuge ich gerade einen Spieler (davon spricht sich ja gerne allzu selbstverständlich frei)? Wende ich Regeln inkonsequent an? Sowohl als Spieler als auch als Spielleiter sollte man seine Entscheidungen immer begründen können (als Spielleiter natürlich nur solange man nicht spoilert), dann gibt es meiner Meinung nach auch keinen Nährboden für Misstrauen.
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Re: SL Willkür Gefühlt oder Echt? oder die BÖSE SL
« Antwort #2 am: 19 Feb 2017, 10:57:40 »
Ich versuche mich bei meinen Abenteuern immer so eng wie möglich an die Regeln zu halten und fühlte mich dadurch eigentlich auch noch nie im Erzählen einer spannenden Geschichte eingeschränkt. Im Gegenteil inspirieren mich die Regeln sogar manchmal: Wenn z. B. ein NSC die Abenteurer ausspionieren soll, aber seine Werte dafür zu schlecht sind, dann schafft er das trotzdem nicht einfach so, sondern ich überlege mir, wie es innerhalb der Regeln geht und dann kommt mir vielleicht die Idee, dem NSC noch eine Kreatur mitzugeben. Diese Kreatur wird dann vielleicht trotzdem von den Abenteurern bemerkt, aber dann haben sie erstmal nur eine Kreatur und müssen in Erfahrung bingen, zu wem die gehört. Da kommen schnell viele schöne Details und neue spannende Handlungsstränge zusammen, die mir ohne Überlegngen zu den Regeln vielleicht nie in den Sinn gekommen wären.

Außerdem widerstrebt es mir einfach, Regeländerungen im Alleingang zu entscheiden. Ich war neulich z. B. etwas unzufrieden mit dem Mechanismus von Fährtensuchen und ein Spieler(!) meinte dann im Nachhinein, dass ich das doch einfach spontan hätte ändern können. Aber diese Entscheidungsgewalt will ich gar nicht, weil sowas in meinen Augen immer ein Gruppenentscheid sein sollte. Wir erzählen ja auch die Geschichte gemeinsam als Gruppe und beschreiben die Welt gemeinsam als Gruppe. :)

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Re: SL Willkür Gefühlt oder Echt? oder die BÖSE SL
« Antwort #3 am: 19 Feb 2017, 11:24:09 »
Ich gehöre auch zu denen, die dem Vertrauen zwischen Spielern und Spielleiter einen ganz hohen Stellenwert einräumen. Denn wenn ich einen SpL habe, der seine Macht missbraucht, schützen auch die schönsten Regeln nicht vor Spielleiterwillkür.

Dass es Spielleiter gibt, die sowas tatsächlich machen, habe ich leider schon erleben müssen. Da durfte der liebevoll erstellte Lieblings-NSC nicht sterben, Schutzzauber beliebig hoher Stufe tauchten auf um Spielerzauber zu verhindern, der NSC-Magier hatte beliebige Mengen Zaubertrank zur Verfügung, und als das alles nicht half, tauchten aus dem Nichts einfach nochmal so viele Piraten auf wie vorher. Da fühlen sich die Spieler dann schon zurecht verarscht. Vor allem, wenn sich später auch noch rausstellt, dass es für den Plot noch nicht mal nötig war, dass der Kampf verloren geht.

Als Spieler begebe ich mich also in die Hand des Spielleiters und vertraue darauf, dass er mich eine tolle Geschichte erleben lässt, mich vielleicht mit fiesen Fallen, schweren Rätseln, bösen Kämpfen piesakt, dass er mir aber immer eine faire Chance gibt. Mit Regeln hat das eher weniger zu tun.

Grimrokh

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Re: SL Willkür Gefühlt oder Echt? oder die BÖSE SL
« Antwort #4 am: 20 Feb 2017, 12:50:48 »
Für mich kommt vor allem dann Spielleiterwillkür ins Spiel, wenn es zu einer relevanten Situation keine Regelung im System gibt, an der man sich zumindest gut orientieren kann. Die Spielleitung muss dann nämlich spontan am Spieltisch unvorbereitet und willkürlich eine Regel aus dem Ärmel schütteln - und derartiges ist mAn in den allerwenigsten Fällen besser als eine wohldurchdachte Regelung, die von einer ganzen Regelredaktion erstellt und getestet wurde. Das hat aber natürlich nichts mit gutem oder bösem SL zu tun.
"Böse Willkür" würde für mich eher dann vorliegen, wenn ein SL bestimmt, dass eine eindeutige Regel aus heiterem Himmel ab sofort völlig anders und vor allem zum Nachteil eines Spielers funktioniert. Also wenn die Rüstung heute plötzlich weniger SR oder mehr BE hat als gestern, weil es der SL lustig findet, dass sie über Nacht rostig geworden sein soll o. ä. Oder wenn Umreissen ohne Absprache mit der Gruppe mitten in der Kampagne völlig neu hausgeregelt wird, weil der SL nicht will, dass sein Super-NSC zu Fall relativ leicht gebracht werden kann.

Gefühlte oder echte Willkür kann aber im Grunde ganz einfach vermieden werden, indem die Spielleitung mit den Spielern gemeinsam undefinierte oder unklare Regelungen bespricht statt im Alleingang etwas zu bestimmen, was dann möglicherweise als SL-Willkür ausgelegt wird. Zudem hat die SL ohnehin in ganz vielen Bereichen sehr viele Freiheiten, wo ihr zumindest meiner Erfahrung nach kaum böse Willkür vorgeworfen wird. Also beispielsweise ob jetzt ein Scherge mehr am Kampf teilnimmt, weil der SL der Meinung ist, dass die Kampfkraft der Gruppe über der vom Autor des Abenteuers vermuteten liegt, oder der Oberbösewicht einen zu ihm passenden Zauber mehr besitzt, als in der Beschreibung angegeben, etc.

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Gonzo

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Re: SL Willkür Gefühlt oder Echt? oder die BÖSE SL
« Antwort #5 am: 20 Feb 2017, 17:01:54 »
Spielleiter Willkür muss gar nicht zwingend mit den Regeln zu tun haben; ich habe schon erlebt das die SL die Regeln sinngemäß verwandt hat, aber in regelarmen Spielsituationen zB einen Spieler bevorzugt behandelt hat. Ganz übel sind in meiner Erinnerung dabei die SL-mit-Freundin-am-Tisch-Spielrunden. ;)

Das wichtigste ist das hier schon oft angesprochene Vertrauen ohne dies ist mE eh kein sinnvolles gemeinsames Spiel machbar. Wer als Spieler denkt mit den Regeln und einen zB gut aufgestellten Powergaming Charakter der zum Plot biegenden SL gewachsen zu sein ist schon in einer netten Immersion gefangen. ;) Ich kenne kaum Runden in denen es nicht die eine oder andere Hausregel gibt und das von einer Redaktion vermutlich durchdachte Balancing tw. dadurch aufgeweicht wird, die wenigen Con-Spieler die ich kennengelernt habe bilden da eine kleine Minderheit.

Ich selbst gebe den Regelbereich ja an einen meiner Spieler ab, der sich um eine spannende aber von mir gewünschte würfelarme Simulation kümmert - was auch immer gut klappt. Ich lege aber selbst größten Wert das die Charaktererstellung und auch Steigerung 100% regelkonform gehandhabt wird - und Fluff der Crunch werden soll eben gekauft werden muss, ich mache da nie Geschenke. Zudem erstellen wir ja immer in der Gruppe die Party, so ist es eigentlich immer ausgewogen was Skills und damit verbundenes Spotlight betrifft. Meine Spieler kennen meine Art Geschichten zu erzählen auch mittlerweile so gut das ich fast nie Situationen biegen muss weil der Plot es will und kann so ohne Druck oder biegen der Situationen agieren. Eine Sache gibt es in der ich doch biege: bei Kämpfen die kritisch werden habe ich das eine oder andere mal doch die Kavallerie kommen lassen ;) Ist mir dann doch immer lieber als nachträglich den eigentlich toten Charakter mit dubiosen Heilaktionen oder dergleichen über Wasser zu halten, aber es ist auch Gruppenkonsens das Figuren nicht durch Würfelunglück sterben.

Nachtrag: kruden Text bereinigt mit kleinem Zusatz
« Letzte Änderung: 20 Feb 2017, 17:20:35 von Gonzo »

Sigborg Kaltherz

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Re: SL Willkür Gefühlt oder Echt? oder die BÖSE SL
« Antwort #6 am: 09 Mär 2017, 08:36:05 »
Guten Morgen zusammen,

ein spannendes Thema in meinen Augen, zu dem es wohl keine Universallösung geben wird. Ich denke, es ist völlig normal, dass es in einem so kommunikativen Spiel wie Rollenspiel auch zu sozialen Konflikten kommt. Der Duden definiert Willkür wie folgt:
 "die allgemein geltenden Maßstäbe, Gesetze, die Rechte, Interessen anderer missachtendes, an den eigenen Interessen ausgerichtetes und die eigene Macht nutzendes Handeln, Verhalten."

In der Definition werden drei Dinge benannt, die von der Machtperson missachtet werden. Bezieht man diese auf das Rollenspiel ergeben sich  3 Kriterien : 1. Allgemein geltende Maßstäbe - Verhaltensregeln, Regelwerk  2. Interessen SL und Spieler 3. Eigeninteresse SL und Verhalten was auf der Macht der SL beruht.

Im klassischen PNP Rollenspiel gibt es ein klares Machtverhältnis. Der SL simuliert die Welt und "bestimmt" die äußeren Umstände. Die SC sind mit ihrem Handeln an die Fähigkeiten ihrer Charaktere (technisch) und ihre Spielererfahrung gebunden. Natürlich ist der SL hier die alleinherrschende Instanz, die quasi über "Leben  und Tod" der Charaktere entscheiden kann. Aber liegt das im Interesse einer SL? Ich denke das ist objektiv nicht beantwortbar.

Was ich daher nur empfehlen kann: Als SL mit den neuen Spielern transparent über Motive, Wünsche und Spielstil sprechen und dabei auch klar Eckpfeiler benennen. Ich persönlich habe keine Scheu davor, beispielsweise zu sagen, dass ich den "Gottmodus" als SL genieße. Ich mag es, die Spieler rätseln zu sehen, auf meine Impulse reagieren zu lassen, sie manchmal auch absichtlich in eine Falle laufen zu lassen, damit sie sich befreien können.
Ebenso mag ich aber auch die Perspektive des Abenteurers - die Welt des SL zu ergründen, mit den interessanten NSC zu sprechen, ja sogar Beziehungen einzugehen - eben wie in einer guten Fantasyserie. Es sind doch grade die Emotionen und Vorstellungen, welche einen PNP Abend die Zeit vergessen lassen und nicht die Bossmonster auf S. XY des Regelwerks. Daher ist das oberste Ziel in meinen Augen immer Eins mit der Gruppe zu werden.
Dies setzt voraus, das die Chemie stimmt. Nicht jeder kommt mit jedem klar, dass sollte man sich bei der Gruppenfindung auch gut überlegen und ehrlich besprechen. Anders als im Beruf kann man sich hier seine "Kollegen" aussuchen.
Bisher hatte ich nur einmal das Verlangen, jemanden aus meiner Gruppe zu werfen. Allerdings haben wir uns dazu entschlossen, als Gruppe gemeinsam mal einen Abend im Irish Pub zu verbringen und über die Probleme zu sprechen. Nach Currywurst und Cider und jeder Menge Gesprächststoff waren die Probleme beseitigt. Nachdem ist die Gruppe noch stärker zusammengewachsen und das Spiel wurde intensiver.

Fazit: Grundsätzlich ist Willkür allein schon durch das SL - SC Machtverhältnis gegeben. Ob es gelingt, hängt einfach von den Personen ab, welche am Spieltisch sitzen, von ihrer eigenen Konfliktfähigkeit, ihrer Teamfähigkeit und bezogen auf das Spiel natürlich von ihren Interessen.
Konsequenzen sind dabei auch recht eindeutig: Eine böse SL wird mittel bis langfristig keine SC mehr haben. Ein böser SC wird langfristig keinen SL haben, der bereit ist, seine Welt mit ihm zu teilen. Freundschaften etc. eingeschlossen.


Nevym

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Re: SL Willkür Gefühlt oder Echt? oder die BÖSE SL
« Antwort #7 am: 23 Mär 2017, 16:13:56 »
... weil ich grad mal wieder online bin und mich schon durch mein jahrelang bestehendes RPG-Projekt immer wieder damit auseinandersetzen muß.
Vor zwei Tagen hatte ich aktuell eine "SL-Willkürsituation" prodziert. Ich habe mal wieder die SL-Rolle im Projekt übernommen und ein SR-Abenteuer aufgelegt.
Die Situation entstand zum einen daraus, daß ich zum Magie-Regelwerk in der Sache nicht fit genug bin - ich habe die Regeln unwissentlich, mit meinem Spielerwissen und meiner Logik nicht berücksichtigt (interessant, daß es an anderer Stelle des Regelwerks aber genau das möglich ist, was ich logisch implizit angenommen habe!). Diese kleine mMn zu grobe, unscharfe udn vor allem zu mächtige Regel (im Nachhinein und durch Spieler-Erklärung), hätte den Plot schwer verkompliziert.
Die Akzeptanz dieses "Regelverstoßes" kam aus den Reihen der Spieler und sie haben im Nachhinein sogar meine Argumentation regeltechnisch nachgelesen und zu begründen versucht.

Mittlerweile bin ich auch für den "Gottmodus" mit der Voaraussetzung, daß der Spielleiter eine Gute Geschichte erzählen will und den Spielern seine Sicht der Spielwelt näherbringt.
Es darf einem SL nie darum gehen, die Spieler zu dominieren, sondern immer darum die Geschichte und ihren Verlauf darzustellen (wirkt sich auch auf die Art und den Inhalt von Abenteuer aus).
Ich bin der Sand im Getriebe - ich kommentiere - ich kritisiere - ich phantasiere
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barbarossa rotbart

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Re: SL Willkür Gefühlt oder Echt? oder die BÖSE SL
« Antwort #8 am: 23 Mär 2017, 18:46:59 »
Ein klassisches Beispiel, jedenfalls aus meiner Sicht, ist ein Abenteuer, welches hauptsächlich aus dem Kampf gegen ein für die Charaktere derzeit übermächtiges Monster besteht. Im konkreten Fall handelte es bei dem Rollenspiel um MERS, bei dem Monster um einen Troll und bei den Charakteren lauter Erststufler. Das Kampfsystem von MERS ist bekanntlich extrem tödlich. Trotzdem hat die Gruppe den abendfüllenden Kampf gegen den Troll überlebt. Der Spielleiter hat nämlich die ganze Zeit gemogelt und so den Kampf in die Länge gezogen und spannend gestaltet. Hätte er dies nicht getan, wäre der Troll beim ersten Treffer gestorben (und die Charaktere bestimmt mehrmals später) ...
Das ist schließlich auch die Aufgabe des SL. Er muss eine spannende Geschichte erzählen, verhindern das die Charaktere durch Würfelpech umkommen, aber auch verhindern, dass die Spieler den Plot torpedieren.
Letzteres ist aber besonders schwer. Da kann sich der SL schon einmal für eine Situation vierzehn mögliche Reaktionen seiner Gruppe überlegen. Sie werden ihn bestimmt mit einer fünfzehnten überraschen ...

SL-Wilkür, die aus Faulheit und Regelunkenntnis entstanden ist, hatten wir aber auch. Shadowrun: der Magier liebte es gleich mehrere Elementargeister auf seine Gegner zu hetzen. Mir als SL passte dies natürlich überhaupt nicht. So ließ ich ganz spontan etwas auftauchen, was die Elementargeister des Magier regelrecht abschlachtete. So wurde das Weiße Kaninchen geboren, welches,  soweit ich mich erinnern kann, wirklich nur vom Magier gesehen wurde und später auch ein wichtiger Bestandteil der gruppeninternen Mythologie wurde ...

Aus Ärger über einen Spieler 1W20 Schaden bei dessen Charakter zu verursachen (statt bei dem Spieler), ist hingegen eine Form von SL-Willkür, die man tunlichst unterlassen sollte.

Und auch sonst gilt: der SL schützt vor Dummheit nicht...

Jeong Jeong

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Re: SL Willkür Gefühlt oder Echt? oder die BÖSE SL
« Antwort #9 am: 23 Mär 2017, 19:06:00 »
Viele beschreiben hier ja den Gegensatz zwischen Regelbefolgung und spannenden Geschichten. Aber meiner Erfahrung nach ist das überhaupt kein Gegensatz. Ich persönlich halte mich beim Leiten immer 1 zu 1 an die Regeln und drehe auch niemals Würfel, erzähle aber meiner Einschätzung nach trotzdem gemeinsam mit den SpielerInnen meiner Gruppen spannende Geschichten.

Klar muss man dafür die Regeln und die Werte der SpielerInnen sehr gut kennen, aber wenn das gegeben ist, dann geht das eigentlich sehr gut. Bei manchen schlecht gebalancten System wie bei Shadowrun ist es zwar manchmal eine wahre Qual, aber Splittermond ist da ja im Gegensatz zu Shadowrun ein sehr dankbares System.

barbarossa rotbart

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Re: SL Willkür Gefühlt oder Echt? oder die BÖSE SL
« Antwort #10 am: 23 Mär 2017, 19:35:58 »
Also würdest Du einen Charakter sterben lassen, nur weil er Würfelpech hat?

Ich kannte mal ein SL, der genauso dachte wie Du. Sein Fehler war, dass wir damals MERS spielten und seine Abenteuer kampflastig waren. Am Ende des Abenteuers war keiner der Originalcharaktere am Leben und jeder von uns hat sich mindestens zweimal einen neuen Charakter machen müssen...

Andarin

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Re: SL Willkür Gefühlt oder Echt? oder die BÖSE SL
« Antwort #11 am: 23 Mär 2017, 20:20:22 »
Ich bin seit 1991 Rollenspieler und von Anfang an hauptsächlich Spielleiter gewesen. Egal ob das alte D&D, AD&D, D&D3, DSA, Shadowrun, Call of Cthulhu oder Splittermond - ich brauche dafür einen SL-Schirm. Zum einen, damit ich meine Unterlagen (Kaufabenteuer und/oder Aufzeichnungen, Handouts für mich oder die Spieler etc.) nicht unter den Augen der Spieler ausbreite. Hauptsächlich aber, damit ich beim Würfeln bescheißen kann.  :-[

Warum ich das tue? Weil ich ein friedliebender SL bin, der mit und nicht gegen die Spieler spielt und Charaktertode hasst. Sowas kann bei mir vorkommen, aber ähnlich wie auf vielen Larp-Cons nur mit Zustimmung des Spielers. Auf gar keinen Fall darf es passieren, nur weil ein DSA-NSC dreimal nacheinander eine bestätigte 1 bei der Attacke und 6er bei den Schadenswürfeln hat. Das steht dann vielleicht auf meinen Würfeln, die Spieler bekommen die Ergebnisse aber von mir falls nötig "gefiltert".

Meine Spieler lieben ebenso wie ich schöne, spannende Geschichten. Teilweise ist ihnen das Kopfkino extrem wichtig, sie möchten gerne alles bildlich beschrieben haben und tauchen in die Spielwelt ein, weit mehr als bei einer simplen Runde HeroQuest oder einer auf bloßes Tabletop reduzierten D&D-Runde. (Man kann D&D natürlich auch als Rollenspiel zocken, was wir auch getan haben, Kampfsystem mit Bodenplänen hin oder her.) Bei Kämpfen wird beschrieben, wie man attackiert und was danach passiert, bei DSA gibt es z.B. ja auch noch den Paradewurf als Reaktion auf die Attacke.

Um diese Spannung bei Kämpfen zu erzeugen, schummle ich manchmal auch zum Vorteil der NSC. Ein Krake als Endgegner im letzten Szenario einer Kampagne, die nie jemanden mit ihren Tentakeln trifft, sieht im Kopfkino einfach lächerlich aus. So ein Kampf kann, darf und sollte wohl auch knapp sein, aber mit dem Sieg der Helden enden. Ob von diesen Helden anschließend jemand ohnmächtig und blutend am Boden liegt oder nicht entscheiden die Würfel, nicht ich, aber in gewissen Grenzen helfe ich den Spielern und manchmal auch der Spannung auf die Sprünge.

Das kann man gut oder schlecht finden, vielleicht gar unfair oder willkürlich. Ich sehe mich und die Rolle des SL nicht in erster Linie als Regelbuch oder Würfelbot, sondern als Geschichtenerzähler. Aber jedem das Seine, sprach der Affe und biss in die Seife...  ;)
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Jeong Jeong

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Re: SL Willkür Gefühlt oder Echt? oder die BÖSE SL
« Antwort #12 am: 23 Mär 2017, 20:43:34 »
Also würdest Du einen Charakter sterben lassen, nur weil er Würfelpech hat?

Mein letzter Charaktertod ist mittlerweile glaube ich vier oder fünf jahre her. Bei mir sterben Spielercharaktere nur, wenn der Spieler mit kommuniziert, dass das für ihn in Ordnung ist und wegen Würfelpech lasse ich grundsätzlich niemanden sterben. Aber um das zu erreichen, muss ich meiner Erfahrung nach nicht Würfel drehen:

Einmal kann ich ungewollte Charaktertode schon durch eine intensive Kampfvorbereitung unwahrscheinlich machen. Ich spiele z. B. nie mit vorgefertigten Werten, sondern erstelle Gegner immer komplett mit eigenen Werten, die mathematisch an die jeweilige Gruppe und die narrative Funktion des Gegners angepasst sind.

Sind Würfelpech und -glück doch mal stärker (was bei mir bei Splittermond glaube ich noch nie der Fall war), dann suche ich lieber nach narrativen Auswegen, wie z. B. eine Gefangennahme der Spielercharaktere. Ich versuche Kämpfe grundsätzlich so zu planen, dass die Abenteuerhandlung mit Sieg und Niederlage der Helden weitergehen kann.

Und wenn alle Stricke reißen, ist es mir persönlich sogar lieber, per Gruppenentscheid einen eigentlich toten Charakter überleben zu lassen, als durch Wüfel drehen nur die Illusion spannender, ergebnisoffener Kämpfe zu erzeugen. Denn ich persönlich finde gerade wenn ich selbst leite die Abenteuer nur dann wirklich spannend, wenn auch ich selbst ihren Ausgang nicht eins zu eins im Voraus kenne.


edit: Präzisierung
« Letzte Änderung: 23 Mär 2017, 20:45:47 von Jeong Jeong »

Grimrokh

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Re: SL Willkür Gefühlt oder Echt? oder die BÖSE SL
« Antwort #13 am: 23 Mär 2017, 21:38:10 »
Ich persönlich halte auch nichts von verdecktem Würfeln/Würfeldrehen. Dann lieber ein Gespräch mit der Gruppe, ob sie ohne "Auffangnetz" spielen wollen oder ob ein Charaktertod nie durch Würfelpech erfolgen können soll. Z. B. könnte man ausmachen, dass im Anlassfall alle verfügbaren Splitterpunkte ausgegeben werden und dafür wie von Jeong Jeong angesprochen ein narrativer Ausweg gesucht werden kann. Und natürlich ist die Kampfvorbereitung samt Gegnerwerten essentiell.
Das Gute an Splittermond ist aber auch, dass mit 2W10 und nicht mit 1W20 gewürfelt wird (Stichwort: Erwartungswert).

Hier übrigens ein interessanter Artikel in dem es auch um Würfeldrehen und Schummeln geht:
http://argamae.blogspot.de/2012/10/10-punkte-plan-fur-spielleiter.html
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Andarin

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Re: SL Willkür Gefühlt oder Echt? oder die BÖSE SL
« Antwort #14 am: 23 Mär 2017, 22:49:27 »
Da sieht man mal, wie unterschiedlich die Meinungen sein können. Beim von Grimrokh zitierten Blog bin ich voll auf "Ingos" Seite, der in den Kommentaren eine andere Ansicht vertritt und dafür in sehr "interessanter" Weise vom Blogger angegangen wird. Mit dem Blogger würde ich es keinen Spielabend lang aushalten, wow.

Aber hey, letztendlich wollen wir alle Spaß beim Spielen und Leiten haben und was/wie gespielt wird ist an jedem Spieltisch anders. Das nennt sich Gruppenkonsens und ist für mich die einzige Leitlinie, die wirklich wichtig ist: Findet im Gespräch heraus, was und wie ihr spielen wollt. Spielt das dann genau so, hinterfragt es, sprecht darüber. Habt Spaß, auf eure gemeinsam gefundene Weise.
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